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Es ist unwahrscheinlich, dass es je wieder jemand wie J.R.R. Tolkien geben wird
- ein modernen Klassiker

- Daily Telegraph -



TOLKIEN & RASSISMUS

"Es gibt keine Symbolik oder bewusste Allegorie in meiner Geschichte. (...) Zu fragen, ob die Orks Kommunisten sind, kommt mir ebenso sinnvoll vor, wie zu fragen, ob die Kommunisten Orks sind."
- Tolkien

Dass Tolkiens Werk "Der Herr der Ringe" nicht nur arg schwarz-weiß gezeichnet, sondern auch rassistisch sei, kann man in unregelmäßigen Abständen immer wieder vernehmen. Da ja nun der Film in die Kinos kommt und das Interesse an Tolkien größer ist den je, möchte ich gerne einige Zeilen aus einem Artikel zitieren, der 1980 in DIE ZEIT erschien. Geschrieben ist das Ganze von Michael Jovi.

"Sind wir denn völlig dumm geworden, dass wir alles wieder in die gute deutsche Psyche absinken lassen, wie in den alten Zeiten der 1000 Jahre in vollen Zügen genießen, was Tolkien und auftischt? Das sind doch die Grundlagen des 20. Jahrhunderts von H. St. Chamberlain und Rosenbergs Mythos, gemischt mit Mathilde Ludendorffs Lichtariern in Märchenform. Diese Recken und Elben, wie gleichen sie den reinen Toren der SS, die unwertes Leben vernichten, diese Elbenfrauen, gleich germanischen Göttinnen und reinen Maiden, blond und blauäugig wie die Ideale des BDM!

Weiß und blond und blauäugig als Garantie der Tugend und der Reinheit - ich höre es lachen von Schweden bis St. Pauli. Tatsächlich, in diesem Werk gibt es nichts Unzüchtiges! Der Körper ist reines Instrument der mannbaren Tapferkeit. Und wie sie hauen, stechen und siegen können, diese tapferen Streiter. Jetzt wissen wir es wieder: Die Hässlichen, die Schwarzhaarigen, die Schlitzäugigen, die Dick- und Krummbeinigen, die Missgestalteten - das sind die Bösen, das sind die Orks. Das ist unwertes Leben, das die Lichtgestalten bedroht. Da darf man töten, ausrotten und vernichten zum Wohle der lichten Welt der Weißen. Diese Phalanx der Guten, wie sie vorrückt gegen diese dunklen Horden aus dem Süden, gegen den Schwarzen Fürsten der Finsternis. All das muss erschlagen und besiegt werden, damit das Gute endlich triumphieren kann. Was dann zum glücklichen Ende zur Genugtuung der Leser auch geschieht."


Wenn man nun über diese - recht drastischen Zeilen - nachdenkt, kann man entweder empört aufschreien (was ich getan habe) oder direkt etwas tiefer nachdenken (was ich erst später getan habe). Und dann kann man sich folgende Fragen stellen:
  • Lebt nicht gerade Fantasy von der drastischen Darstellung von Gut & Böse, von Schwarz & Weiß? Schon von kleinauf lernen wir in Märchen: Aha, die Guten sind schön, das Böse aber ist hässlich und fremdartig. Diese Feststellung ist kulturell verankert und an ihr ist auf diese simple Art zunächst nichts Verwerfliches - vorausgesetzt, man überträgt das Ganze nicht auf das reale Leben, und vor allem nicht als Erwachsener.

  • Ist Fantasy-Literatur in den allermeisten Fällen nicht sowieso kein bisschen political correct? Man betrachte nur einmal das gängige Frauenbild in vielen Büchern. Das ist natürlich ganz und gar kein Pluspunkt für das Genre, aber sicherlich auch keine durchgängig böse Absicht oder gar Indoktrination.

  • Sind Rassen und Völker, die gegeneinander Krieg führen, nicht sowieso rassistisch zu nennen? Krieg gründet nun einmal auf Neid, Angst, Habgier oder Missgunst. Fantasy-Literatur lebt zu einem Großteil von Kämpfen, Schlachten, Kriegen und der Flucht vor dem Feind.

Im folgenden möchte ich weniger selbst argumentieren, sondern den Zusammenhang Rassismus - Herr der Ringe mit Hilfe von Zitaten näher betrachten. Nachfolgende Zitate sind Auszüge aus Tolkiens Briefen. Diese sind auch als Buch im Klett-Cotta-Verlag erschienen, Herausgeber ist Humphrey Carpenter.

Aus einem Brief an Stanley Unwin (von 1938):

[Allen & Unwin hatten mit dem Verlag Rütten & Loening (Potsdam) die Veröffentlichung einer deutschen Obersetzung des Hobbit ausgehandelt. Dieser Verlag schrieb nun an Tolkien, um zu fragen, ob er "arischer Abstammung" sei.]

"Ich muß sagen, daß der beiliegende Brief von Rütten und Loening ein starkes Stück ist. Muß ich mir diese Unverschämtheit wegen meines deutschen Namens bieten lassen, oder müssen nach ihren Wahnsinnsgesetzen alle Menschen aus allen Ländern ein Zeugnis über ihre arische Abstammung beibringen? Meinerseits wäre ich geneigt, jede solche Bestätigung zu verweigern ... und auf die deutsche Übersetzung zu pfeifen. In jedem Fall würde ich es strikt ablehnen, eine solche Erklärung im Druck erscheinen zu lassen. Ich betrachte das (wahrscheinliche) Nichtvorhandensein jüdischen Bluts nicht unbedingt als eine Ehre; ich habe
viele jüdische Freunde und würde es bedauern, irgendeinen Grund zu der Auffassung zu geben, daß ich dieser ganz und gar bösartigen und unwissenschaftlichen Rassenlehre beipflichte (...)"


An den Verlag Rütten & Loening (von 1938):

"(...) Leider ist mir nicht deutlich, was Sie mit arisch meinen. Ich bin nicht von arischer, nämlich indo-iranischer Abkunft, denn soweit mir bekannt sprach keiner meiner Vorfahren Hindustani, Persisch, die Zigeunersprache oder einen der verwandten Dialekte. Wenn ich Sie aber so verstehen darf, daß Sie wissen möchten, ob ich von jüdischer Abstammung bin, so kann ich nur erwidern, da ich es bedaure, offenbar keine Vorfahren aus diesem begabten Volke zu haben. (...)"

Gut gekontert auf jeden Fall ;-). Natürlich kann man trotz allem die Begeisterung Tolkiens für das "Nordische", "Germanische", "schwülstig Heldenhafte" nicht übersehen... Aus einem Brief an seinen Sohn Michael:

"(...) Die Menschen in unserem Land scheinen sich noch gar nicht darüber im klaren zu sein, daß wir in den Deutschen Feinde haben, bei denen die Tugenden des Gehorsams und des Patriotismus (und dies sind nun einmal Tugenden) in der Masse größer sind als bei uns. Deren tapfere Männer etwa ebenso tapfer sind wie unsere. ... Und die - mit Gottes Fluch - nun von einem Mann geführt werden, in dem ein wahnwitziger, wirbelnder Teufel steckt: ein Orkan, eine Leidenschaft, daß sich der arme alte Kaiser dagegen ausnimmt wie ein altes Weib mit Strickstrumpf. Ich habe den größten Teil meines Lebens, seit ich in Deinem Alter war, auf das Studium germanischer Belange verwendet (in jenem allgemeinen Sinne, der auch England und Skandinavien umfaßt).

In dem germanischen Ideal steckt einiges mehr an Kraft (und Wahrheit), als die Unwissenden meinen. Ich war als Student sehr davon angetan (als Hitler, glaube ich, mit Farben herumkleckste und davon noch nie gehört hatte), in Reaktion gegen die klassischen Studien. Man muß erst das Gute an einer Sache verstanden haben, um das wirklich Böse in ihr zu erkennen. Aber mich fordert keiner auf, darüber eine Sendung zu machen oder einen Kommentar im Radio zu geben. Trotzdem glaube ich besser zu wissen als die meisten, was an diesem nordischen Unfug Wahres dran ist. Jedenfalls habe ich in diesem Krieg einen heißen persönlichen Groll - der vermutlich heute mit 49 einen besseren Soldaten aus mir machen würde als damals mit 22: gegen diesen verdammten kleinen Ignoranten von Adolf Hitler (denn das Komische an der dämonischen Besessenheit und Wucht ist ja, daß sie den geistigen Rang nicht im mindesten hebt - sie steigert in der Hauptsache nur den Willen).

Weil er den edlen nordischen Geist, jenen vortrefflichen Beitrag zu Europa, den ich immer geliebt und in seinem wahren Lichte zu zeigen versucht habe, ruiniert, mißbraucht und verdorben hat, so daß er nun für immer verflucht ist. Nirgendwo war übrigens dieser Geist edler als in England, und nirgendwo ist er früher geheiligt und christianisiert worden (....)"


Deutliche Worte, denen man zustimmen kann: Was kann die Geschichte bzw. was könnnen sie Sagen & Mythen dafür, dass sie missbraucht werden? Tolkien verknüpfte die Heroisierung des Germanischen niemals mit Faschismus bzw. Rassenhass, wie sich in einigen seiner Briefe (auch im oben zitierten) mehr als deutlich zeigt:

In diesem Auszug eines Briefes kommentierte Tolkien den Textentwurf eines Interviews, das Charlotte und Denis Plimmer mit ihm geführt hatten mit:
"Nicht nordisch, bitte! Ein Wort, das ich persönlich verabscheue; es ist trotz seiner französischen Herkunft mit rassistischen Theorien verknüpft. Geographisch nördlich ist besser."

Dieter Petzold schreibt in seinem Buch "J.R.R. Tolkien - Fantasy-Literature als Wunscherfüllung und Weltdeutung", erschienen 1980 im Karl-Winter-Universitätsverlag:

"Dies (Tolkiens Beschreibung der Schlachten um Rohan) erinnert an den Schwulst der Germanentümelei, die im geistigen und politischen Leben Deutschlands im 19. und frühen 20. Jahrhunderts eine so unglückselige Rolle gespielt hat. Der Verdacht, dass der ästhetischen Schwäche eine ideologische entspreche, lässt sich im Falle Tolkien jedoch nur mit erheblichen Einschränkungen erheben. Seine Begeisterung für das Germanisch-Heldische ist nicht mit jener klischeehaften Denunzierung des "Welschen", Ultramomentanen oder "Jüdischen" gepaart, welche die deutsche Germanen-Ideologie auszeichnete.

Eine Identifizierung des eigenen Wesen oder gar des eigenen Volkes mit einem Germanen-Klischee liegt Tolkien völlig fern, er schreibt Fantasy und nicht historische Romane; d.h. er verwechselt nicht, wie es die deutschen Germanentümler taten, Wunschträume mit der Realität. Das Germanische dient bei ihm niemals zur aggressiven Abgrenzung gegen andere Völker; es wird vielmehr (in "The Silmarillion") durch die Konzentration auf seinen tragischen Aspekt problematisiert und (in The Hobbit und The Lord of the Rings) durch Komik bzw. durch Konfrontation mit dem modernen Heldentum der Hobbits und durch ein christlich getöntes Weltbild relativiert (...)"



Autorin: Christina
Quelle: Elronds Haus



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