Am frühen Morgen des 8. August ging es los nach Leuk
ins Schweizer Wallis, wo vier Tage lang das Mittelerde-Fest
2002 stattfinden sollte. Für mich war es die zweite Veranstaltung
dieser Art und daher wusste ich schon in etwa was mich dort erwarten würde.
Ein Vergleich mit dem Tolkien-Fest
zwang sich anfangs natürlich auf, doch wie sich herausstellte hatte
die Leuker Burg ihr ganz eigenes Flair und auch hinsichtlich des Programms
wurde viel Neues geboten.
Exkursionen
Hier konnte ich sowohl bei der Stadtführung am Nachmittag des ersten
Festtages als auch bei der anmeldepflichtigen Wanderung durch den Pfynwald
teilnehmen.
Erstere war sehr informativ (nachdem man sich an den schwyzerischen Dialekt
unserer Führerin und Fest-Organisatorin Alexandra gewöhnt hatte
;)), denn schließlich hat Leuk eine lange Stadtgeschichte und viele
alte Wahrzeichen vorzuweisen. Besonderer Höhepunkt stellte der unheimliche
Gebeinesaal unter der Kirche dar, in dem Hunderte von Schädel und
Knochen zu Wänden aufgetürmt waren. Doch auch die beiden Burgen
und die Wiese dazwischen, die für die nächsten Tage Mittelpunkt
des Geschehens sein würden, und die schöne Aussicht auf den
gegenüberliegenden Gebirgszug wussten zu beeindrucken.
Am nächsten Tag hieß es für mich bei leichtem Nieselregen
ins Rhônetal hinunterzuwandern und sich mit anderen Mitstreitern
durch den bekannten Pfynwald führen zu lassen. Optisch wurde nicht
so viel Spektakuläres geboten, doch der Wald faszinierte auch vielmehr
durch seine Geschichte und seinen Facettenreichtum. Es war sehr interessant
von den Überschwemmungsproblemen und den ehrgeizigen Untertunnelungsprojekten
zu hören und all die verschiedenen Biotope des Pfynwalds zu besichtigen,
auch wenn die Moskitos und manch unwegsamer Pfad es einem nicht immer
einfach machten. Abgeschlossen wurde die lehrreiche Exkursion mit einer
spontan organisierten Brotzeit am Ende der Wanderung, während man
auf die ebenso spontan organisierten Abholfahrzeuge zu warten hatte.
Vorträge & Quenya-Sprachkurs
Auch hier entschied ich mich dazu das komplette Programm auszunutzen,
schließlich wusste ich ja schon wie faszinierend es sein kann, wenn
man von echten Experten Interessantes und Neues zur Person Tolkiens und
seinen Werken vorgetragen bekommt. Aufgrund des zeitintensiven Elbisch-Unterrichts
gab es neben Prof. Kloczko mit Prof. Honegger nur noch einen weiteren
Dozenten. Deren Vorträge waren zwar weniger diskussionsorientiert
als diejenigen vom Tolkien-Fest aber nichtsdestotrotz äußerst
informativ. Herr Honegger legte uns z.B. auf einleuchtende und nachvollziehbare
Weise die Problematik der Übersetzung des "Herr der Ringe"
dar, da jenes Buch von Tolkien bereits als eine Übersetzung des fiktiven
Originalwerkes aus der Hand der Hobbits gehandhabt wurde.
Der aus Frankreich stammende Professor Kloczko beschäftigte sich
dagegen seit nunmehr etwa 20 Jahren mit Tolkiens Sprachen und gab uns
in seinem Vortrag eine knappe Übersicht über eben diese. Zudem
hielt er noch einen Tengwar-Schreibkurs ab, bei dem wir mit der komplexen
aber nun mal wunderschönen Elbenschrift konfrontiert wurden. Beides
stellten Aufbaueinheiten für den folgenden Quenya-Sprachkurs dar.
Dieser
bestand aus vier Unterrichtsstunden, die über den Freitag und Samstag
verteilt waren. Während draußen graue Wolken aufzogen, rauchten
im Theatersaal die Köpfe der wissbegierigen Eleven als Herr Kloczko
uns mit der geballten Kompliziertheit des elbischen Quenya erschlug. Viele
mussten erkennen, dass sich die Erforschung von Tolkiens fiktiver Sprache
als äußerst langwierig darstellt und dass es, wie der Professor
betonte, eigentlich unmöglich sei diese wirklich zu erlernen um sie
dann auch verwenden zu können. All die Lücken in Tolkiens Sprachkreation
und all die Änderungen und willkürlichen Auslegungen von seiner
Person lassen die Arbeit von Kloczko zu einer richtig archäologischen
Mission ausarten.
In einem persönlichen Gespräch mit dem Professor (welcher seltsamerweise
eine Abneigung gegenüber Waffenimitate und Gewandungen hegte) erfuhr
ich dann auch, dass zwar noch eine ganze Menge an Manuskripten aus Tolkiens
Erbe existieren, diese aber eifersüchtig von einer Gruppe amerikanischer
Sprachforscher (E.L.F.)
unter Verschluss gehalten würden. Da die Arbeitsweise und Meinungen
seiner wenigen Kollegen auf der Welt stark auseinandergehen und sich die
Verlage nicht für diesen Aspekt aus den Werken Tolkiens interessieren,
wird es vermutlich noch lange dauern bis man Quenya richtig sprechen,
lesen und schreiben kann. Hiesige Sprachinteressierte können sich
aber auf Professor Kloczkos Elbisch-Wörterbücher freuen, die
bald in übersetzter Form auf den Markt kommen werden.
Zum Abschluss bekam jeder von uns noch ein signiertes Quenya-Diplom, welcher
uns die Titel "Dipl. quen." und "Eldandil" (=Elbenfreund)
verleiht. Und das obwohl wir noch so viel zu lernen haben...
Spiele & Wettkämpfe
Hierzu kann ich nur wenig sagen, da ich von diesen Programmpunkten leider
nicht so viel mitbekommen habe. Weder beim traditionellen Fußballmatch
zwischen Gondor und Mordor noch beim neuen Gefährten-Neunkampf konnte
ich zusehen und auch das Mittelerde-Tabu und die Vorstellung eines selbstentwickelten
HdR-Brettspiels habe ich verpasst. Schade, aber bei solchen großen
Veranstaltungen ist es natürlich unmöglich alles mitmachen zu
können.
Workshops
Auch hier wurde viel geboten. Es gab einen Tanz-, einen Musik- und einen
Kostüm-Workshop für alle Interessierte. Die hart erarbeiteten
Ergebnisse der mit Sicherheit sehr unterhaltsamen Stunden wurden am letzten
Abend des Festes den restlichen Besuchern vorgestellt und konnten sich
wahrlich sehen bzw. hören lassen.
Events
Jeden Abend gab es im Prinzip einen größeren Programmpunkt
für die Allgemeinheit. Am ersten Tag war es zum Auftakt der gemeinsame
Fackelumzug durch das nächtliche Leuk, am folgenden Abend das Konzert
der Irish Folk Band An Lár, welche trotz des einsetzenden Schmuddelwetters
die Menge zu ausgelassenen Tänzen zu treiben verstand. Dass sich
die Band-Mitglieder nach zwei Zugaben unters Volk mischten und beim Grillen
oder in den gut besuchten Schenken angetroffen werden konnten, war nur
ein weiteres Beispiel für die gemeinschaftliche Atmosphäre des
Festes.
Das krönende Finale der ganzen Veranstaltung bildete selbstverständlich
der Samstag Abend, der mit einem zünftigen Rittermahl gefolgt von
den Darbietungen der diversen Workshops, der Ziehung der Tombola-Gewinner
und einer Videovorführung begann. In letztgenannter bekamen wir ein
Erinnerungsvideo vom letzten Tolkien-Fest, einen aberwitzigen HdR-Trailer
auf Schwyzerdeutsch und eine spannende Vorschau auf den Fan-Film "Spell"
zu sehen.
Dann ging es hinaus auf die Burgwiese in Erwartung der Open Air Vorführung
von "Die Gefährten", doch wir alle wurden durch ein unerwartetes
Feuerwerk überrascht, das vom Burgturm aus entfacht wurde. Es war
spektakulär und professionell inszeniert, ein wahrlich würdiger
Paukenschlag nach der allgemeinen Verabschiedung.
Doch da war ja noch das Open Air Kino, welches aufgrund des unglücklichen
Wetters und einiger Unterbrechungen durch technische Probleme zu einem
regelrechten Durchhaltemarathon für all die ausharrenden Fans wurde.
Indem man jedoch kurzerhand Regencapes verteilen ließ, zeigte sich
abermals mit wieviel Herz und Verstand die Organisatoren des Mittelerde-Festes
zu Werke gingen.
Dankeschön
An alle anderen Besucher für die friedliche und unbeschwerte Stimmung.
Und vor dem Organisationskomitee kann man sich nach dreieinhalb ereignisreichen
und abwechslungsreichen Tagen nur tief verbeugen, ihnen und all den zahlreichen
Helfern gebührt allergrößter Dank und Respekt! Kaum auszumalen
wie schön das ganze geworden wäre wenn das Wetter noch mitgespielt
hätte...
An dieser Stelle auch ein persönliches Dankeschön an Lady Éowyn
und ihren Lord für das Mitnehmen nach Leuk und zurück!
Wollen wir hoffen, dass es bald ein drittes Mittelerde-Fest geben wird.
Denn unglücklicherweise trägt auch diese Veranstaltung dasselbe
Schicksal wie das Tolkien-Fest - die Burg soll bald renoviert werden und
ist damit für eine Zeitlang nicht mehr verfügbar...
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