Bei "Herr der Ringe - Der Ringkrieg" handelt es sich um ein umfangreiches
Strategie-Brettspiel auf Grundlage der Buchlizenz, welches von der italienischen
Firma Nexus Games entwickelt
und in Deutschland vom niederländischen Spielehersteller Phalanx
Games vertrieben wird. Schon im Vorfeld erhielt das Spiel große Aufmerksamkeit
von Seiten der HdR- und Brettspiel-Fans, denn im Gegensatz zu den anderen Brettspielen,
welche im Zuge der neuen Filmeurophie auf den Markt gekommen waren, handelt es
sich hier um eine primär militärisch fokussierte Nachstellung des gesamten
Ringkrieges aus einer globalen Position heraus, und erinnert somit an Strategie-Klassiker
wie "Axis & Allies" und "Shogun"/"Samurai Swords".
2-4 Spieler steuern die Seite der Freien Völker oder die des Schattens, um
die Zukunft Mittelerdes zu bestimmen.
AUSSTATTUNG
Wie es bei Spielen dieser Größenordnung Gang und Gebe ist, wartet
"Der Ringkrieg" mit einer ganzen Armee an Plastikfiguren, vielem Zubehör
(Pappspielsteine, Ereigniskarten, usw.) und einem riesigen Spielplan auf. Die
Miniaturen sind erstaunlich groß geraten, sehr detailliert und werden
bereits ausgestanzt ausgeliefert, so dass man sich nicht wie bei einigen anderen
Spielsystemen erst einmal mit dem Heraustrennen der Spielfiguren aufhalten muss.
Beim Design und Layout ist überall John
Howe's bewährte Kunst zu sehen, die ja auch schon bei Reiner Knizias
"Herr der Ringe"-Brettspiel zur Geltung kam.
Alles in allem präsentiert sich das Spiel optisch höchst ansprechend,
Freunde von opulent ausgestatteten Brettspielen werden sich wie im Schlaraffenland
fühlen.
SPIELKONZEPT
Das Besondere an "Der Ringkrieg" ist die durch die Buchvorlage bedingte
Verbindung einer taktischen Militärsimulation, in der es primär darum
geht Truppen auszuheben und feindliche Ländereien und Festungen einzunehmen,
mit dem separat behandelten aber eng verstrickten Voranschreiten der Gemeinschaft
des Rings. Man kann das Spiel daher auch auf zwei verschiedene Weisen gewinnen
bzw. verlieren. Entweder es gelingt einem den Ring nach Mordor zu bringen und
zu vernichten, oder kann mit militärischen Siege und Eroberungen glänzen.
Die Verknüpfung dieser beiden Spielelemente erscheint sehr ausgewogen,
und sorgt auf beiden Seiten für eine enorme zusätzliche Spannung,
da man sich ständig beide Wege offen halten und abwägen muss welchen
man nun forciert oder ob man beide gleichberechtigt weiterverfolgt. Während
also mächtige Armeen durch Mittelerde ziehen und aufeinanderprallen, schleichen
sich parallel dazu die sich unsichtbar bewegenden Gefährten an Mordor heran.
Doch jede Bewegung erhöht die Chance, dass Spione des Dunklen Herrschers
auf die Ringträger ausmerksam werden, so dass deren Position bekannt wird,
eventuell gar Verluste hingenommen werden und sie sich wieder verstecken müssen,
bevor sie weiterreisen dürfen, was wiederum wertvolle Zeit kostet. Der
Spieler des Schattens kann zusätzlich die Ringgeister und seine Armeen
dazu einsetzen um die Jagd auf den Ring zu begünstigen, doch diese werden
ihm dann auch an der aufzubauenden Kriegsfront fehlen. Auf der anderen Seite
muss der Spieler der Freien Völker sich im Laufe des Spiels dazu entscheiden
Gefährten von der Gemeinschaft abzutrennen, damit diese aktiv als Anführer
in den Schlachten mitwirken und Druck auf die Mobilisierung der jeweiligen Kräfte
ausüben zu können.
Auch dies ist ein gewaltiger Pluspunkt dieser Spieladaption - Das Szenario von
"Der Ringkrieg" entspricht so gut wie haargenau den "tatsächlichen"
Gegebenheiten, wie sie in Tolkiens Büchern beschrieben werden, die Authentizität
ist höchst beeindruckend. Besonders der Krieg im Norden findet hier endlich
auch einmal Beachtung, auch wenn gerade die Zwerge in den Blauen Bergen und
die Elben bei den Grauen Anfurten - wie auch in der Buchvorlage - nur geringe
Möglichkeiten der Einflussnahme haben.
Doch das Interessante an solchen Spielen ist es ja immer, mal andere Wege auszuprobieren.
So kann man z.B. auf die Idee kommen, die mächtigen Gefährten wie
Gandalf und Aragorn von Beginn an von der Gemeinschaft des Rings abzutrennen
und sie durch die Pforte von Rohan zu führen, damit sie möglichst
schnell im Kriegstreiben gegen Saruman und Sauron mitmischen können - oder
sich eine andere Reiseroute für die Ringträger ausdenken, wie z.B.
durch den Düsterwald und die östliche Einöde an Stelle vom bekanntlich
nicht ungefährlichen Weg durch Moria hindurch. Ebenso denkbar wären
abstruse Möglichkeiten wie eine Opferung von Gondor und Rohan hinzunehmen
und mit aller Kraft zu versuchen mit den nördlichen Streitkräften
Moria und Dol Guldur einzunehmen, was bereits schon für einen Sieg der
Freien Völker ausreichen würde - oder einen weniger aggressiven Sauron
zu spielen, der seinen ganzen Willen darauf konzentriert den Ring zu jagen und
zu finden, bis alle Gefährten niedergestreckt oder korrumpiert worden sind.
Die Möglichkeiten sind mannigfaltig.
SPIELDYNAMIK
Für versierte Brettspiel-Fans ist es immer sehr wichtig wie das Verhältnis
zwischen Taktik und Glück ist. Im Idealfall geben sich beide Faktoren die
Hand. "Der Ringkrieg" versucht dies, indem die eigentlichen Spielregeln
relativ gleichmäßig gehalten werden (alle Armeen sind gleichstark,
alle Festungen funktionieren nach denselben Regeln, wenig verkomplizierende
Sonderregeln für die verschiedenen Nationen, usw.) und dadurch, dass mit
zufällig gezogenen Spielkarten wieder genug Unberechenbarkeiten hinzukommen,
so dass man den Gegner nur oberflächlich einschätzen kann. Mit den
richtigen Karten zum richtigen Zeitpunkt kann man also überraschende Spielzüge
unternehmen, doch genauso gut kann es passieren, dass einem die benötigten
Karten zu lange fehlen, so dass man ins Hintertreffen gerät. Auch die Kämpfe
laufen nach demselben Prinzip ab, mit starken Karten ist es möglich auch
in rechnerischer Unterlegenheit zu siegen, mit eigenem Würfelglück
und gegnerischem Würfelpech natürlich ebenso.
Das Zugsystem versucht einen ähnlichen Spagat zwischen Berechenbar- und
Unberechenbarkeit: Die Aktionen, die einem zur Verfügung stehen werden
zwar durch Würfel zufällig bestimmt, doch da man bei "Der Ringkrieg"
stets abwechselnd agiert, kann man immer sofort direkt auf den Gegner reagieren
und muss daher die Reihenfolge seines Vorgehens auch genau durchplanen, falls
die Pläne nicht vereitelt werden sollen bevor sie zu Ende durchgeführt
werden konnten.
Insgesamt ist das Taktik/Glück-Verhältnis also recht ausgeglichen,
mit einer leichten Tendenz zum Glück hin. Die vielen verschiedenen Spielkarten
und der Aktionswürfelfaktor bewirken jedoch auch, dass die Wiederspielbarkeit
von "Der Ringkrieg" sehr hoch ist, da in jedem Spiel völlig neue
Konstellationen und Kombinationen aufeinanderstoßen können.
KOMPLEXITÄT
Die angegebene Spieldauer von 2 Stunden und das Mindesalter von 12 Jahren sind
wohl aus verkaufstechnischen Gründen sehr großzügig gewählt,
denn die ersten Eindrücke deuten vielmehr auf ein komplexes und dynamisches
Strategiespiel hin, welches bei den ersten Malen mit großer Sicherheit
nicht so einfach und vor allem nicht in dieser kurzen Zeit durchzuspielen ist.
Das Kennenlernen aller taktischen Möglichkeiten, der richtige Umgang mit
der Gemeinschaft des Rings und der Jagd auf derselben, sowie das Wissen über
die ganzen zur Verfügung stehenden Spielkarten brauchen definitiv mehrere
lange Durchgänge, bis man das Spiel in seiner Vollständigkeit hat
erfassen können.
Noch eine Spur komplizierter wird es wenn man statt zu zweit zu viert ist und
die einzelnen Nationen untereinander aufteilen muss (Spieler 1A: Sauron, Spieler
1B: Saruman+Ostlinge/Südländer; Spieler 2A: Gondor & Elben, Spieler
2B: Rohan, Zwerge und Nördliche Allianz). Da man abwechselnd voneinander
zieht, die Spielkarten separat halten muss und nicht gegenseitig einsehen kann,
wird die gemeinsame Koordination um einiges erschwert. Gegenseitige Beratung
und Absprache sind also zwingend vonnöten, aber auch wenn das Spiel schwieriger
wird - es erhöht den Spielspaß enorm!
FAZIT
"Der Ringkrieg" hat das Zeug zu einem echten Strategiespiel-Klassiker.
Der liebevoll in all seinen Details umgesetzte Hintergrund, die opulente Austattung,
das ausgeklügelte abwechslungsreiche und dynamische Spielprinzip und die
strategische Komplexität einer zünftigen 4-Spieler-Schlacht lassen
es mit Sicherheit auch noch nach Jahren nicht langweilig werden.
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