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SKALTRA INFERNUM 4

Vor drei Monaten hatten sie das Fundament verlassen, doch nun befanden sie sich wieder in Labour-1. Eine Großoffensive war lanciert worden, um das verlorene Terrain zurückzuerobern und um mindestens bis zu den riesigen Lastenaufzügen vorzustoßen. Ohne große Probleme waren die Kompanien des Todeskorps vorgerückt, doch das Regiment von Jonutheim hatte recht starke Verluste hinnehmen müssen. Trotzdem war es noch kampftauglich.
"Eine schöne Unterstützung ist das," brummte Sergeant Vreck und spähte um eine Hausecke. Palmer überprüfte seine neue Plasmapistole welche ihm von Igor, dem Diener Inquisitor Flavius', überreicht worden war: "Mag schon sein, Sergeant. Aber die Jonutheimer fliehen nicht vor dem Feind, wie andere Regimenter." Die Strasse war frei und langsam rückte Palmers Zug vor. Sie befanden sich auf frisch erobertem Gebiet. Die Kultisten hatten während ihrer Herrschaft in diesem Sektor ein wahres Blutbad unter den loyalen Zivilisten angerichtet. Überall lagen Leichen herum, die seit Monaten am verwesen waren. Die blassen, aufgeblähten Körper zogen Milliarden von Fliegen an, die sich auf den Leichen niedergelassen hatten. "Dafür werden sie bezahlen," knurrte Vreck und stapfte vorwärts, immer die Umgebung im Auge behaltend. Palmer dachte an die gekreuzigten und ausgeweideten Kameraden der 3. Kompanie und nickte zustimmend. Durch eine Querstrasse konnten sie auf die Hauptachse dieser Ebene blicken. Mehrere Kampfpanzer rumpelten schwerfällig über die notdürftig geräumte Strasse, unter ihnen der letzte funktionstüchtige "Destroyer"-Jagdpanzer des Todeskorps. "Gepriesen sei der Imperator," murmelte der Leutnant, als er die gewaltige Laserkanone sah, die starr aus dem Rumpf herausragte.
Am Abend bezogen sie auf Befehl Stellung in einer ausgebrannten Kaserne des Adeptus Arbites. Nachdem die Wachen eingeteilt worden waren, lehnte sich Palmer an eine russgeschwärzte Mauer. Er zog sich die Gasmaske vom Gesicht und zündete eine Zigarette an. Die Luft roch faulig und war zum Schneiden dick. "Ist das klug, Sir?" fragte Sergeant Hunt und setzte sich. Palmer nickte: "Ja, die Techadepten haben die Luftzusammensetzung analysiert. Außer dass sie erbärmlich stinkt, ist sie sauber." Erleichtert entfernte Hunt seine Maske und ein schmales, scharfgeschnittenes Gesicht kam zum Vorschein. "Was meinen sie, Leutnant? Mir ist es zu ruhig hier. Seit zwei Tagen wurden wir nicht mehr angegriffen." Palmer fuhr sich über das Gesicht: "Da haben sie recht. Irgendetwas ist faul. Aber solange die helvetischen Spähtrupps nichts melden, können wir ungehindert vorrücken." Hunt seufzte und zog ein kleines Buch hervor und begann, darin zu lesen. Palmer kannte es nur zu gut. Während seiner Offiziersausbildung hatte er es auswendig lernen müssen. Es wurde an jeden Soldaten des Todeskorps ausgegeben und beinhaltete Hymnen und Gebete an den Imperator.
Der Leutnant blickte zu seinen Männern hinüber, die um ihren längst überfälligen Sold würfelten oder sich unterhielten. Er missbilligte das Glücksspiel, doch es hob die Moral der Männer. Seufzend drückte er die Zigarette aus. Dieser Vorstoß würde zu einem Höllenritt werden, das spürte er in allen Knochen. Er wies seinen Funker an ihn zu wecken, falls wichtige Meldungen einträfen. Danach legte er sich hin und hoffte, wenigstens dieses Mal ruhig schlafen zu können. Es wäre das erste Mal seit seinen Erlebnissen im Fundament.
Mitten in der Nacht wurde die Kaserne in ihren Grundfesten erschüttert. Palmer fuhr aus einem von Albträumen geplagten Schlaf auf und legte die Gasmaske an. Durch das schummerige Licht des Nachtzyklus erkannte er den Funker, der auf ihn zueilte. "Sir, die Kultisten greifen auf der ganzen Front an! Es wurde ein Haltebefehl der Stufe 1 durchgegeben." Palmer nickte abgehackt und scheuchte seine Männer auf. Stufe 1 bedeutete, dass die Stellungen um jeden Preis gehalten werden mussten. Ein Rückzug aus welchen Gründen auch immer wurde mit der sofortigen Exekution bestraft. Er führte seine Männer in das Erdgeschoss der Kaserne, wo sie sich verbarrikadierten. Der Leutnant blickte über seine Männer. Viele waren nicht mehr übrig. Vorsichtig trat er an ein Fenster und zog seine Plasmapistole. Etwa einen halben Kilometer vor ihnen konnte er die Panzer erkennen, die Stellungen von anderen Zügen und... eine gewaltige Masse von Kultisten. Sie strömten unaufhaltsam vorwärts, obwohl sie zu Hunderten niedergemäht wurden. "Macht euch bereit, Männer. Sie werden bald da sein," sagte er leise und sandte ein Gebet an den göttlichen Imperator, wie so viele andere aus seinem Zug. Palmer ging in die Hocke und beobachtete aufmerksam den Verlauf der Schlacht. Die Verräter waren zahlenmäßig weit überlegen. Zwei Explosionen übertönten den Lärm und der Leutnant sah zwei Kampfpanzer in glühenden Feuerbällen vergehen. Dann überrannten die Kultisten ohne Rücksicht auf ihr Leben die vordersten Stellungen. "Feuer frei! Im Namen des Imperators, bringt Tod und Verderben über diesen Abschaum!" schrie Palmer und seine Männer gehorchten. Auch aus den anderen Gebäuden auf ihrer Höhe begannen die Lasergewehre, helle Strahlen auszuspucken. Es schien so, als ob der Ansturm der Kultisten tatsächlich gestoppt werden könnte. Doch dann konnte Palmer vereinzelt sie erblicken: Gewaltige Krieger in blutroten Servorüstungen spornten die Kultisten an.
Der Leutnant fluchte leise. Bis jetzt hatte es zwar schlecht ausgesehen, doch mit dem Auftauchen der Chaos-Marines sah die Zukunft finster aus. Durch die uralten Verräter angespornt, kletterten die Kultisten brüllend über ihre eigenen gefallenen und rannten weiterhin auf die zweite Reihe der Stellungen zu. Als sie unter fünfzig Meter herangekommen waren, begann auch Palmer zu schießen. Jeder der heißen Plasmastrahlen fand sein Ziel und die Reihen ihrer Feinde begannen sich tatsächlich zu lichten. "Raus, Männer! Mäht sie nieder!" hörte Palmer rufen und er sah, wie Leutnant Henriksons Männer aus ihren Stellungen preschten. Mit aufgepflanzten Bajonetten stützten sie sich auf die Verräter. Der Leutnant wandte sich um und nickte Vreck zu. "Bajonette auf!" knurrte der muskulöse Sergeant.
Dann traf ein mächtiger Schlag die Kaserne. Risse bildeten sich in den Mauern und Staub rieselte herab. "Raus hier!" brüllte Hunt, doch es war zu spät. Mit lautem Getöse stürzte das Gebäude ein und begrub den Zug unter sich.
Als Palmer erwachte, war es stockdunkel und er konnte sich nicht bewegen. "Beim Imperator, so will ich nicht sterben," murmelte er benommen. Dann, von weit er, hörte er polternde Steine. Jemand war da oben! Er umschloss den Griff seiner Plasmapistole, die er wie durch ein Wunder nicht verloren hatte, fester und versuchte sein Glück: "Ich bin hier!" Es würde sich schon herausstellen, wer da oben war. Die Minuten schienen wie Stunden zu vergehen. Doch plötzlich wurden Steine entfernt und Palmer blickte in die schmutzigen und zerschlagenen Gesichter von Hunt und Vreck. Vorsichtig zogen sie ihn heraus. "Da haben sie aber mächtig Glück gehabt, Sir," grinste Vreck schwach. Mehrere Zähne fehlten ihm, doch er nahm es gelassen hin. "Sonst noch Überlebende?" fragte der Leutnant schwach. Hunt schüttelte den Kopf: "Nein, Sir. Wir konnten Henry und sein Funkgerät bergen, doch er hat es nicht geschafft. Sonst haben wir keinen mehr lebend gefunden." Palmer zog sich die Gasmaske vom Gesicht und zündete eine Zigarette an. Der Anblick, der sich ihm bot, war grauenhaft. Der überblickbare Teil des Sektor war übersät mit Gefallenen. Ausgebrannte Panzer glühten noch und verkohlte Beatzungsmitglieder hingen aus den Notausstiegsluken. "Wie ist die Situation?" fragte er und befestigte den Helm an der Koppel. Hunt zuckte mit den Schultern: "Keine Ahnung, Sir. Es scheint so als hätten sich beide Seiten zurückgezogen, um ihre Wunden zu lecken." Wenigstens ein Teilerfolg. Palmer wandte sich um: "Sergeant Vreck, sie bleiben hier und versuchen, den Oberst zu erreichen. Hunt und ich werden uns ein wenig umsehen."
Langsam kletterten sie den Trümmerberg hinunter und durchstreiften vorsichtig den stark in Mitleidenschaft gezogenen Sektor. Überall stießen sie auf abgeschlachtete Kameraden und erschossene Kultisten. Sie entdeckten sogar einen toten Verräter-Marine. Er lehnte mit dem Oberkörper an einer Wand, sein Gesicht noch im Blutrausch verzerrt. Aus seinem aufgeplatzten Brustpanzer quoll eine schwarze, schleimige Flüssigkeit. Vorsichtig zogen sie sich in den Schatten eine Wohnblocks zurück. "Heiliger Imperator! Der Kerl war riesig," meinte Hunt und spielte nervös an seinem Lasergewehr herum. Palmer nickte und schreckte plötzlich auf: "Da hinten hat sich etwas bewegt, Sergeant. Sehen wir nach." Sie warfen sich zu Boden und robbten langsam und jede Deckung ausnutzend auf einen Explosionskrater zu. Als sie den Rand erreicht hatten sprangen sie auf und richteten ihre Waffen hinunter. "Nicht schießen, Sir!" rief ein Soldat, der in einen weiß-grau gefleckten Tarnanzug trug. Er saß gebeugt über einen Kameraden und verband ihm den Arm. Es waren zwei Helvetier der Spähkompanie, erkannte Palmer. Die beiden Männer des Todeskorps glitten hinunter. "Besondere Vorkommnisse in den letzten Stunden?" fragte der Leutnant ruhig. Der junge Soldat schüttelte den Kopf und sagte zitternd: "Nein, Sir. Außer dass meine gesamte Einheit ausgelöscht worden ist." Palmer legte ihm die Hand auf die Schulter: "Wie heißt ihr Jungs denn?" Der Helvetier beruhigte sich sichtlich: "Das ist Soldat Meyer und ich bin Soldat Gilly. 1. Spähkompanie." "Ok, Jungs. Ihr gehört vorläufig zu mir," sagte Palmer und kletterte auf die Strasse hinauf.
Als sie zu Vreck zurückkehrten, war die Gruppe noch einmal gewachsen. Außer Palmer, Hunt und den beiden Helvetiern hatte man noch drei Jonutheimer und zwei Soldaten des Todeskorps aufgegriffen. "Miller will sie sprechen, Leutnant." Palmer zündete eine Zigarette an und warf das Päckchen den erschöpften Soldaten zu, dann griff er nach dem Hörer. "Hören sie zu, Leutnant. Sie befinden sich zur Zeit im Niemandsland. Beide Seiten haben sich zurückgezogen und bereiten einen erneuten Gegenschlag vor. Halten sie die Stellung, Palmer. Stören sie Feindbewegung falls möglich mit ihrer Kampfgruppe oder melden sie sie uns. Mehrere Space Marines sind bereits unterwegs, um ihren Brückenkopf zu verstärken, bis wir soweit sind. Sie werden in spätestens zwei Tagen bei ihnen eintreffen. Viel Glück." Palmer drückte seine Zigarette aus und straffte sich. Der Befehl kam einem Todesurteil gleich. "Was sollen wir jetzt tun, Sir?" fragte der verletzte Meyer. Der Leutnant stieß pfeifend seinen Atem aus: "Wir schwärmen aus und sammeln die Waffen ein. Jede Waffe... außer die der Kultisten. Es ist mir egal was, aber in einer Stunde will ich hier ein verdammtes Waffenarsenal sehen, verstanden?" Die Männer nickten und sogar die Jonutheimer schafften es, einigermaßen vernünftig zu salutieren. Er sah zu, wie sich die Männer an die Arbeit machten und zog seine Plasmapistole aus dem Halfter. Schweigend betrachtete er das Reinheitssiegel. ‚Wenn es nur lange genug hielt,' dachte er und blickte auf die Strasse hinunter. Das Warten begann.



Urheberrecht: Stefan Bernhard, 2002



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