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TOTENWACHE

Die Verwesung hängt mit einem fauligen, hölzern-ätherischen Körper von den Decken der Kammern herunter. Sie brütet tief in den Grüften und den Leichenhallen. Ihre Aura ist die Pestilenz und die Furcht, die verbreitet wird, wo immer sich ihr Gestank breit macht.

Ihre Wohnstatt ist das Fleisch lebender Körper. Fürwahr das Leben selber ist die Heimstatt des Todes. Und er haust in ihm seit dem die Zeit begonnen hat, zu vergehen. So wie auch in denen, die auserwählt sind, selber mehr zu sein als nur Brutstätten für Blut und Schleim und Ausscheidungen. Jene, die sich wohl rüsten und weihen, wenn sie hinabsteigen, um unter dem toten Fleisch zu liegen und in Miasmen ihre Erfüllung zu finden. In denen haust der Tod nicht nur. Er wohnt bei ihnen und spricht zu ihnen, wenn alles um sie herum still ist in einem lichtlosen Sarg.

Wie in einer vergessenen Stadt erstrecken sich steinerne und stählerne Mauern zur Rechten und zur Linken bis zu einem unsichtbaren Horizont. Stein und Stahl, an denen die Sekrete der Vergänglichkeit herunter rinnen, um auf dem unaussprechlichen Boden einen Sumpf zu bilden, aus dem sich diese Auserwählten gleich riesigen Statuen zu Ehren der Verwesung erheben.

Ihrer ist fürwahr ein starker Gott. Ein Gott, der keinen Glauben braucht, weil alles, das da denken kann, weiss, dass es vergehen muss.

Ein Raunen geht getragen auf dem fauligen Atem und den Ausdünstungen der Grauenhaften durch die Hallen, wenn diese Hallen durch einen gekrümmten Raum in andere Zeiten reisen. Ein Raunen, das ihnen zuflüstert, wenn sie so still dastehen. Geflüsterte Worte inmitten des Meeres aus Schmerzen und Gestank. Die Körper machen Geräusche. Obszöne Geräusche, beim Reissen und Platzen von Därmen und Haut. Und mit jedem Geräusch wird ein neues Raunen in den klingenden, bestialischen Hallen freigesetzt. Das Raunen sitzt in den Schatten und hat vielleicht auch Augen, mit denen es diese Dunkelheit durchdringen kann. Vielleicht sieht es wahrhaftig diejenigen, die durch ihren Anblick wie durch ihre schrecklichen Waffen töten, die sie aus der Zeit vor der Zeit mitbringen, wenn sie zu den Welten reisen.

Was rings um die Hallen ist, wissen wohl diese Grotesken nicht, die still und bewegungslos in ihren uralten Rüstungen stehen, während sie sich darin langsam auflösen. Aber wohl wissen
sie, dass alle Zeiten und alle Reiche, in die sie gebracht werden, Reiche ihres Gottes sind und ihnen zu Füssen gelegt. Es mag diese in sich ruhende Gewissheit sein, welche die Entsetzlichen so stille stehen lässt, während sie im Raunen des Raumes gesegnet und gesalbt werden und sich ihre arkanen Rüstungen mit allem füllen, das ein zerfallender Leib auszuscheiden vermag.

Wahrlich zittern vor ihnen die, deren Götter das Leben verheissen aber selber längst tot sind.
Und wenn es da ein Licht in dieser furchtbaren Halle gäbe, dann würden auch andere Augen als nur die unwirklichen des Raunens die uralte Inschrift über dem grossen Torbogen lesen können, über welchem in raunenden Runen der Sinnspruch aus einem vergessenen Zeitalter eingemeisselt ist: "Den Geist zerbrechen. Den Körper zerstören. Das Leben vernichten!"


Das Raunen, das Schwingen, das den weiten Raum wie das Dröhnen einer Totenglocke erfüllt, wird lauter und lauter, wie die Schreie der Sterbenden, welche diese Grotesken hierher gezogen haben. Es geschieht etwas, als die Halle wie ein gewaltiger Himmelskörper hinab auf einen Planeten stürzt und ungebremst einschlägt...


Viele Jahrhunderte später stehen die Tore zu der Halle offen und sie haucht noch immer ihre Pestilenz über das umliegende Land. Niemand hat sich ihr genähert. In weitem Umkreis gibt es nichts, das lebendig wäre, ausser den Insekten, die über die äussere Hülle und in den Eingang krabbeln. Hirnlos vermögen diese nicht zu erkennen, zu Füssen welcher Halbgötter sie kriechen, wenn sie sich am fauligen Schlamm der Reste Jener nähren, die verfaulten, noch bevor sie ihre Mission erfüllen konnten....



Urheberrecht: C.S. Brogle, 2005



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