HELL'S ARCHERS III |
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"Eins, zwei, drei, ... Klappe Reed!... Und Sperrfeuer!" Keeth rollte sich träge aus der Deckung des umgestürzten Stahlträgers und feuerte mit seinem Laserkarabiner in die Nacht hinaus. Die blauen Strahlen erhellten kurzzeitig die düstere Umgebung um den ehemaligen Makropolganger. Doch Keeth legte keinerlei Wert darauf sein Umfeld genauer zu betrachten.
Die Raffinerieanlagen der Makropole Tartarus lagen größtenteils zertrümmert und in Schut und Asche hinter ihnen. Die Stahllegion hatte hinter den skellettierten Überresten der einstmals mächtigen Gießereien Aufstellung bezogen und verteidigte die Ausläufer der Makropole gegen die anstürmenden Horden der Orks. Keeth fragte sich nur was es da noch groß zu verteidigen gab. Den ganzen Morgen hatten sie ein schier endloses Bombardement von Ork-Kampfbombern über sich ergehen lassen müssen. Da die Infanteriestellungen der imperialen Armee gut eingegraben waren hatte es nur wenig Verluste unter den Einheiten gegeben. Was man von den die Umgebung säumenden Strukturen jedoch nicht sagen konnte. Mehr noch. Ohne eigene Kampfflugzeuge oder Hydra-Flakpanzer waren die Truppen der Stahllegion so gut wie machtlos gegen die Luftangriffe der Grünlinge.
Irgendwann im Laufe des Tages hatten die Orks ihre Angriffe eingestellt, aber da waren die Raffinerien auch nur noch ein Trümmerfeld gewesen. Trotzdem hielten die Verteidiger aus. Denn nach dem Luftangriff hatten die Orks erst richtig losgelegt. Nicht wie eine Armee, eher wie eine Naturgewalt waren die Grünlinge über die weiten Aschenwüsten gerannt und gegen die eilig errichteten Barrikaden der imperialen Soldaten angebrandet. Ein Meer aus grünen Körpern hatte sich vor Keeth ausgebreitet. Flankiert von bizarren Fahrzeugen aller Art. Ob kleine, wendige Buggys oder Rauchschwaden spuckende Bikes oder kettenbetriebene...Dinger mit...vielen Kanonen.
Keeth erschien es so, als würden sich für jeden Grünling, der im schweren Abwehrfeuer der Soldaten fiel, zwei neue erheben.
Er rollte sich wieder in die Deckung des Stahlträgers zurück und schleuderte die leere Energiezelle aus der Ladekammer seines Laserkarabiners. Eine monotone Tätigkeit, die Keeth und seine Kameraden nun schon seit Einbruch der Nacht verrichteten. Er war müde. Es war weniger die Angst vor dem Tod durch einen gut gezielten Schuß eines Orks, eine abweichende Granate oder einen wuchtig geschwungenen Spalta. Es war die verdammte Müdigkeit. Nicht nur bei ihm, auch bei seinen... Kameraden. Er konnte es an ihren Augen sehen, an ihren langsamen, trägen, ja fast gleichgültigen Bewegungen. Was konnten sie schon gegen die ständige Bedrohung unternehmen?
Wie die anderen trug auch Keeth den oliv-grünen MK3 Helm der Stahllegion. Die Filterstöpsel und den Respirator, den er bei seiner Odyssee durch die Aschenwüsten getragen hatte, hatte er gegen eine richtige Gasmaske mit am Gürtel montiertem O2-Kanister eingetauscht. Sein ganzer Körper war in den sandfarbenen, schweren Feldmantel der planetaren Verteidiger von Armageddon gehüllt. Nur ein roter Aufnäher an den Schultern zeichneten ihn als Angehöriger der Gangmilizen aus. Und natürlich die vielen kleinen Gegenstände, die jede Uniform eines ehemaligen Makropolgangers so individuell gestaltete. Patronen und Nikotinspender waren am Helm befestigt. Orkzähne, Finger und Ohren als Trophäen von zweifelhafter Herkunft an Ketten, Amuletten und Waffen getragen. Die Mäntel waren mit Schutzrunen und Insignien verziert und hier und da fanden sich noch Teile aus den alten (umfangreichen) Waffenbeständen der Ganger. Keeth war da keine Ausnahme. Am Rücken trug er eine abgesägte Schrotflinte und in einem großen Holster unter seiner Uniform ruhte seine Boltpistole.
Keeth fiel auf, das es in seinem Infanterietrupp, nie so etwas wie einen Sergeant oder Korporal gegeben hatte. Irgendwie hatten ihn seine Kameraden schon von Anfang an in die Anführerrolle gedrängt. Warum wohl? Vielleicht, weil er aus Hades kam...nein, weil er Hades überlebt hatte.
"Tapfere Männer seiner unsterblichen Herrlichkeit!" Keeth und die anderen wirbelten reflexartig herum. Doch ihre schussbereiten Waffen erschlafften träge. Orks sprachen kein gestochenes imperiales Hochgotisch.
Aus der aufkommenden Dunkelheit trat eine Gestalt in die von verstreut herumliegenden Feldlampen erleuchtete Gebäuderuine. Ein hagerer, drahtig wirkender Mann mit schwarzem, schmucklosen Mantel und einer mit einem Schädel verzierten Offiziersmütze. Ein Kommissar. Einer jener Offiziere, die erfüllt vom Glauben an den allmächtigen Imperator an vorderster Front standen. Ein inspirierendes Beispiel an Tapferkeit und Opferbereitschaft.
Opferbereitschaft.
Ein Wort das Keeth überhaupt nicht gefiel.
"Seid gegrüßt." Der Kommissar nahm seine Mütze ab und entblößte dabei kurzgeschorenes,
graues Haupthaar. Sein von Falten durchfurchtes Gesicht ließ eine Altersschätzung
nur schwer zu. Keeth hatte sich einfach noch nicht daran gewöhnt Leute kennen
zu lernen, die älter als 40 Jahre geworden waren.
"Ich bin Kommissar Metman vom 12. Stahllegion - Infanterieregiment." Keeth wusste,
dass es sich dabei um das Regiment handelte, das ihn verletzt in den Aschenwüsten
vor Tartarus gefunden hatte. Sie hatten ihn verarztet und er hatte sich als Freiwilliger
für die örtliche Gangmiliz gemeldet. Kurz nachdem sie ihn ausgerüstet hatten,
wurden sie auch schon hier festgenagelt.
"Wer ist hier der kommandierende Offizier?" Wollte der Kommissar wissen. "Äh...ich!" Keeth stand auf, nachdem er einen kurzen Blick mit seinen Kameraden gewechselt hatte... Aber es schien ihnen recht zu sein.
Die neun Männer die mit Keeth in den Ruinen versammelt waren stammten aus Tartarus. Wie Keeth waren auch sie Makropolganger. Menschen, deren tägliches Dasein ein ständiger Kampf ums Überleben war. Geboren in den untersten Ebenen der riesigen Stadtgebilde, mit Hunger und Armut seit klein auf vertraut. Es galt das Recht des Stärkeren. Um die Überlebensrate des einzelnen zu steigern organisierte man sich in Gruppen. Den sogenannten Gangs.
Makropolgänger hatten im Allgemeinen ein ausgeprägtes Sozialverhalten. Im Allgemeinen
.
"Tatsächlich?!" schnappte Metman. Seine Miene wurde noch finsterer. "Sie wollen ein Soldat seiner unsterblichen Herrlichkeit sein. Stellen sie sich gerade hin!" Keeth kam der Aufforderung nach. "Brust raus, Schultern zurück! Schon viel besser!" Keeth konnte seine Leute kichern hören. Mist.
"Ruhe!" Metman warf Keeths Männern einen vernichtenden Blick zu. Das Kichern verstummte.
"In meiner Eigenschaft als Offizier der imperialen Armee habe ich euch wundervolle Neuigkeiten mitzuteilen tapfere Freiwillige der..." Er fuhr etwas leiser fort." Makropolgangermiliz."
"Wieso? Gibt´s was zu essen?" platzte Jagit heraus.
"Nein." sagte Metman. Die Ganger stöhnten.
"Ich habe neue Befehle für eure Einheit. Wir werden vorrücken." Keeth und die
anderen waren plötzlich totenstill. Gewiss. Das Leben eines Gangers war nichts
für Feiglinge. Aber Vorrücken?...
"Sir..." begann Keeth zögernd. Er war stolz darauf den offiziellen Titel eines Vorgesetzten gebraucht zu haben. "Sir, wir sollen... den Orks entgegenlaufen?"
"Gut, dass sogar sie das begriffen haben!" knurrte Metman. "Wie sie sehen hat
sich die Situation auf dem Schlachtfeld gewandelt." Der Kommissar machte eine
ausholende Geste und deutete durch die Schuttwand auf das Kampfgebiet vor der
Makropole.
Tatsächlich. Es war jetzt noch dunkler als zuvor. Hier und da erleuchteten automatische Suchscheinwerfer die Szenerie. Aber es gab nichts zu sehen als dicken, wabernden Nebel, der über das Schlachtfeld kroch. Nur der nach wie vor vorhandene Lärm von krepierenden Granaten und Geschützfeuer war zu hören. Vielleicht war er sogar etwas leiser geworden?
"Die Orkoiden versuchen sich einzugraben." Fuhr Metman fort, während er vor den
Gangern auf und ab schritt. "Sie haben bemerkt, dass ihre Sturmangriffe gegen
die stählerne Entschlossenheit unserer Armee nutzlos sind. Nun liegt es an uns,
das wir uns nicht einkesseln lassen. Deswegen werden wir einige Dutzend Sturmkommandos
gegen die mittlerweile recht nahen Orklinien schicken. Unser Ziel ist es in die
frisch ausgehobenen gegnerischen Schützengräben einzudringen, und die Orks zu
vertreiben. Wir müssen den sich um uns schließenden Belagerungsring zerschlagen.
Wir müssen..."
Keeth und die anderen warfen sich vielsagende Blicke zu. Auch der Kommissar schien die mangelhafte Begeisterungsfähigkeit der zehn Ganger zu bemerken. Er kniff die Augen zusammen, und zog ein Energieschwert aus einer Scheide an seiner linken Hüfte. "Soldaten des Imperiums!" Fuhr er fort und reckte das Schwert Richtung Nebel. Seine Stimmen hatte einen beschwörenden, unangenehmen Unterton.
"Ich erwarte nicht von euch, dass ihr die Großartigkeit der Sache für die ihr
kämpfen dürft erkennt!"
Die Ganger stöhnten erleichtert.
"Ich erwarte nicht von euch, dass ihr, die ihr nichtsahnend, aus eurer gewohnten
Umgebung gerissen, und mit einer Mitgliedschaft in den planetaren Verteidigungsstreitkräften
des Imperiums beschenkt seid, die Herrlichkeit des Imperators begreifen könnt!"
Die Ganger stöhnten erleichtert.
"Ich erwarte nur von euch, dass ihr kämpft."
Die Ganger stöhnten erleichtert...dann rissen sie die Augen auf.
Metman redete weiter. "Kämpft um eure Freiheit. Um die Freiheit eurer Familien, eurer Kinder!" Keeth und die anderen murmelten leise vor sich hin. "Die Orks dort sind gekommen um eure Welt zu zerstören. Sie sind hier um die Stätten eurer Geburt niederzubrennen. Sie sind hier, um auf der Asche eurer Vorfahren herumzutrampeln...
Heute kämpft ihr nicht gegen eine rivalisierende Gang. Heute kämpft ihr nicht gegen irgendwelche korrupten Verbrecher in den Privatarmeen der großen Herscherhäuser. Heute kämpft ihr hier, mit mir für das uralte Recht der Menscheit über die Sterne zu herrschen!" Die Ganger waren jetzt ruhig, und sahen Metman still an.
"Wir werden dem grünen Abschaum nicht einen Zoll Boden schenken. Wir werden lieber unsere eigenen Eingeweide zurück in unseren Unterleib schieben, anstatt den Weg nach Tartarus freizumachen!" Der Kommissar sprang vor und schaute sich mit funkelnden Augen um. "Wer von euch ist bereit sein Leben zum Ruhme des Imperators zu opfern?"
Keine Reaktion...die Ganger kauerten still und reglos in den Kraterlöchern. Wenn sie Gefühle zeigten waren sie hinter ihren starren Blicken verborgen.
Metman Miene verfinsterte sich wieder. Das Feuer in seinen Augen erlosch und machte
einem bösartigen Funkeln platz. Mit einer lässigen Handbewegung griff er an sein
Holster und zog eine großkalibrige Boltpistole hervor. Er richtete die Projektilwaffe
auf Kurtis und grinste wölfisch. "Wenn keiner von euch bereit ist mir zu folgen
muss ich wohl durch eine gezielte Exekution eure Kampfmoral heben." Er krümmte
leicht den Finger. "Sir!" Keeth trat näher. Sehr vorsichtig. "Sir, warum sagen
sie uns nicht einfach das, was wir hören wollen?" Der Kommissar musterte den Makropolkämpfer
kritisch. Keeth Stimme klang ruhig und beherrscht. Aber wer ihn kannte wusste
was er empfinden musste. Sicher hatte Metman Recht. Die Orks waren Abschaum und
mussten abgeschlachtet werden, aber Keeth und die anderen waren Makropolganger
und Keeth wollte sich gegenüber seinen Kameraden keine Blöße geben.
Keeth und Metman standen sich eine halbe Minute Auge in Auge gegenüber.
Keiner sagte ein Wort.
Bis Metman Schwert und Pistole sinken ließ, den Kopf senkte und sich mit Daumen und Zeigefinger der linken Hand das Nasenbein rieb.
"In Ordnung," sagte er gepresst. "In Ordnung, ihr dürft alles was ihr findet behalten..."
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