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BEGEGNUNG

Makus irrte schon seit Stunden durch den Dschungel. Von seinem Trupp und seiner Kompanie getrennt, in dieser fernen, fremden, tödlichen Umgebung, die Energiezelle seines Lasergewehrs fast leer, hatte er schon fast aufgegeben lebend wieder zurück zu kommen.
Eigentlich hatte er von Anfang an ein komisches Gefühl. Als würde sich etwas verändern. Dieses Gefühl, dass er nie mehr lebend aus dieser Schlacht zurück in die Kaserne kommen, nie mehr wieder durch das große Portal am Eingang der Kaserne treten würde. Aber diese Gedanken hatte er sofort verworfen, als er den Planeten betrat. Diese widerlichen blauen Alienes, Tau, hatte ihr Kommissar sie damals genannt, würden durch seine Hand und sein Lasergewehr sterben, egal ob er selber den Tod finden oder wieder auf seinen Heimatplaneten zurückkehren würde. Er würde es für seinen Gottkaiser tun.
Und nun lief er schon mindestens einen halben Tag durch dieses Dickicht ohne einen Schluck Wasser. Alles was er noch in seinem Rucksack hatte, war eine Flasche talzianischer Brandy, den er nach den Kampfhandlungen zusammen mit seiner Einheit trinken wollte, und eine halbe Schachtel Zigaretten, langen Papierstäbchen, die mit getrockneten Kräutern gefüllt waren und die man rauchte. Sein Bajonett war abgebrochen, als er es einem echsenähnlichen Söldner der Tau in den Schädel rammte, bevor ES ihm den Schädel mit dem Beil, dass es trug, spalten konnte.
Doch voraus sah er plötzlich etwas blau schimmerndes; das konnte nur Wasser sein. Ein kleiner See, ein Bach, ein Tümpel – egal, Hauptsache, man könne es trinken. Er begann seine letzte Kraft zu sammeln und durch das Unterholz zu rennen.
Es war Wasser! Ohne jegliche Anstallten sich umzuschauen, schmiss er sich auf die Knie und sein Lasergewehr zur Seite, schickte dem Imperator ein Dankgebet und steckte den Kopf ins Wasser. Seine Kehle war durstig und der Brandy war nicht ohne Soda oder Wasser oder irgendetwas Anderes zum Verdünnen zu genießen und so trank und trank er. Er nahm die Hände voll und schüttet es sich ins Gesicht und trank.
Doch plötzlich vernahm er hinter sich ein Geräusch. Vielleicht ein anderer verirrter Kamerad oder einer dieser verruchten Aliens – egal, er hob sein Gewehr auf und hielt es im Anschlag. Trotz der leeren Energiezelle zielte er auf was auch immer gerade das Geräusch von sich gab.
An einen Baum gelehnt sah er eine blauhäutige Gestallt, zweifellos einer der Tau, der seinen Helm abgenommen hatte, der neben ihm lag, und dem Blut vom Kopf troff. In seiner, Makus so unbekannt und unwirklich erscheinenden, roten Rüstung lehnte er dort, nichts machend. Doch ehe Makus reagieren konnte sprach es mit ihm.
"Schieß doch Gue’la. Schieß doch, so wie es eure unzivilisierte Art ist."
Es sprach in seiner eigenen Zunge, ein wenig mit unbeholfenem Dialekt, aber es sprach in der Sprache der Menschen. Der Sprache des unsterblichen Gottkaisers. Welch Frevel.
"Aber glaube nicht, dass ich Angst vor dir hätte jämmerlicher Gue’la. Ich kann von hier, mit meinem letzten bisschen Augenlicht die roten Warnleuchten deiner primitiven Waffe erkennen, sie ist leer."
Makus war fassungslos. Der Alien sprach nicht nur seine Sprache, sondern kannte auch seine Waffe.
"Ich sollte dich mit bloßen Händen töten...", sprach Makus mit leicht unruhiger Stimme. Er konnte immer noch nicht begreifen wie so etwas möglich war.
"Ja das glaube ich dir, Mensch", würgte der Tau hervor. "Ihr Gue’las seit doch alle gleich. Das hatte uns unser Schas’O schon gesagt, bevor wir hier herkamen..."
"Sei still Alien, sei still. Du dürftest gar nicht mit mir reden. Es ist ein Verbrechen an meinem Imperator, wenn du mit mir sprichst. Ich verrate alles, für das ich kämpfe, wenn..."
"Wenn du mich nicht tötest," unterbrach ihn der Tau. "Aber warum solltest du. Ich sterbe so oder so. Und wie kann eine Unterhaltung zwischen zwei Lebewesen ein Verbrechen an irgendwem oder irgendwas sein."
"Du verstehst nicht," sagte Makus mit tiefem Groll in der Stimme und setzte sich auf den Boden, das Lasergewehr immer noch fest in den Händen. "Du kannst das gar nicht verstehen Tau, oder? Ich müsste dich töten, meinem Gottkaiser zu liebe, aber meine Waffe ist leer, und erwürgen kann ich dich auch nicht, weil ich mir die Hände dann an einem Xenomorsen, oder wie unser Kommissar das nannte, schmutzig mache."
"Ich verstehe nicht, ja, Gue’la? Das waren deine Worte?", der Tau versuchte sich ein wenig zu drehen, legte sich aber unter Schmerzen wieder zurück. "Ich habe einige eurer Rasse gesehen: einige auf unseren Welten, einige auf dem Schlachtfeld und nun dich hier. Alle tut ihr das Selbe, ihr dient irgendeinem längst gestorbenen König auf eurem Heimatplaneten und tötet alles und jeden, egal ob es sich währt oder hilflos ist, um ihn zu beschützen." Der Tau beobachte Makus, als er diese Worte sagte. Sein Gesicht war nicht seinem zugewandt, der Mensch starrte auf den Boden und verzog wie unter Schmerzen gekrümmt das Gesicht, als er das von sich gab. "Und du verstehst MICH nicht? Erklär mir erst mal, was eure Rasse macht, bevor du mich irgendwas für schuldig befindest?"
Makus schaute dem Alien nun ins Gesicht. Seine blaue Haut war nicht von Falten gezeichnet, seine schwarzen Augen waren leicht zusammengekniffen, vermutlich wegen den Schmerzen, er hatte Blut am unbeharrten Kopf kleben. Seine Rüstung war an manchen Stellen aufgebrochen oder von Feuer versänkt und überall von Staub und Blätterresten bedeckt. Das dunkle Rot seiner Rüstung glich mehr einem Schlachtfeld von Farbe und Beschaffenheit, als irgendeiner Rüstung.
"Ich muss doch verrückt sein, es unterhält sich mit mir...", murmelte der Soldat der imperialen Armee zu sich selbst.
"ES?", fragte der Tau mit einer Stimmlage, die seiner Situation nicht passend war. "Hör zu Gue’la, wir sind beide Lebewesen – du ein Mensch, ich ein Tau. Ich wurde von meinen Mitkriegern getrennt, nachdem ich von einem deines Volkes eine Kugel abbekam. Ich liege im Sterben, es ist egal was du tust, der einzige der davon weiß bin ich..." der Tau hustete kurz und unterdrückte dabei das Blut, das in ihm hochkam.
"Du hast ja irgendwo recht. Irgendwo, wohl gemerkt." Auch wenn es nicht richtig ist, ich werde auch bald sterben, wenn ich keinen mehr finde, dachte Makus bei sich selbst, bevor er sagte: "Ich heiße Makus, Tau, Soldat der imperialen Armee."

"Oh, ES ist höfflich..."
Markus wusste nicht ob der Alien lustig sein wollte oder konnte oder ob diese Bemerkung verächtlich gemeint war, aber er musste anfangen zu lächeln.
"Mein Name wäre zu kompliziert für deine Zunge, Mensch. Aber du kannst mich Tok nennen, auch wenn das all meiner Ehre wiederstrebt. Krieger der Feuerkaste."
Makus nickte ihm kurz zu. "Und nun zu deiner ketzerischen Bemerkung dem Gottkaiser gegenüber...", er fragte sich kurz ob der Alien überhaupt die Bedeutung des Worts Ketzer kenne und suchte nach Worten. "Mein Gottkaiser für den ich kämpfe ist nicht tot. Auch ist er kein König, sondern der allmächtige und unsterbliche Herrscher der Menschheit. Und ihn gibt es nur auf Terra, wo er auf seinem goldenen Thron sitz, im imperialen Palast." Er unterbrach kurz und langte langsam in seinen Rucksack, um die Schachtel Zigaretten und Streichhölzer hervorzuholen.
"Was machst du da, Mak’us? Eine religiöse Huldigung an deinen Herrscher?", fragte der Tau, der anscheinend noch nie jemand rauchen gesehen hatte.
"Nein, nein", lachte Makus, " Tok, das nennt man rauchen." Er entzündete das Streichholz und zog an seiner Zigarette. "Möchtest du auch eine?"
Der Tau sah ihn sichtlich verwundert an, nickte dann aber. "Warum nicht. Vielleicht hilft mir so ein verrückter menschlicher Brauch dabei euch Gue’las zu verstehen."
Der Tau hustete beim ersten Zug und fluchte, anscheinend in seiner eigenen Sprache.
Die beiden saßen dort neben dem kleinen kristallklaren See, der von einer Quelle gespeist wurde und redeten. Makus hatte längst vergessen, welchen Frevel er begangen hatte, wusste aber gut, dass er nie jemandem davon etwas erzählen würde.
Dem Blauhäutigen schien die Zigarette nicht wirklich geschmeckt zu haben, fragte nach geraumer Zeit nach einer weitern, teils sicherlich aus Höfflichkeit, teils aus Neugierde.
Sie redeten über ganz banale Dinge, wie ihre Dienste in den Armeen, ihren Glauben, über das, was sie von ihren Regierungen wussten, über Liebe und Sex in ihren zwei Völkern, über Schlachten, ihre Familien, ihre Heimat, über sich.
Stunden vergingen und es begann zu dämmern, als Makus eine wohlvertraute aber leise Melodie in der Nähe vernahm. Er Begann mitzusummen.
"Dem Imperator auf Terra zu Ehre, wir kämpfen mit Schwert und Gewehr...", murmelte Makus.
"Deine Einheit, Mak’us. Du musst zurück Gue’la."
"Ja Tok ich weiß. Ich finde nur Schade, dass ich nie mit jemandem über unser Gespräch reden kann."
"Ich weiß Mensch, mir geht es da nicht anders, auch wenn mein Volk sicher verständnisvoller wäre", er hustete wieder. Er kramte kurz in einer kleinen Tasche an seinem Kampfanzug und holte ein golden glänzendes Stück Metal hervor, das mit fremdartigen Zeichen beschrieben war. "Das hier ist ein Orden, wie du es vorhin nanntest, aus meinem Volk. Nimm ihn und sag er sei Kriegsbeute oder ein Andenken an einen dieser getöteten Blauhäuter oder was auch immer..."
"Tok, das kann ich nicht...", sagte Makus fast ein wenig traurig.
"Heil dem Imperator, der Planet ist sauber. Gibt es hier noch Diener unseres Imperators," es war die Stimme von Makus Sergeant.
"Jetzt nimm Mensch...Ich kann damit sowieso nichts mehr wollen...Falls du je in Gefangenschaft meines Volkes geraten solltest, dann zeig ihnen das und erzähle unsere Geschichte... Dir wird nichts passieren, glaub mir. Mein Volk ist nicht wie deins... in so vielen Dingen...".
Makus nahm die fremdartige, goldenen Münze an sich und verstaute sie in seinem Rucksack. Er wusste nicht was er sagen sollte.
"Ich habe gerade Soldat Steiner gehört, Makus muss da vorne mit dem Brandy sein, Sir. MAKUS!"
Es war die Stimme seines Freundes Ted, der ebenfalls von seinem Heimatplaneten stammte. Er war sein bester Freund in diesem, so verrückten Universum, mit dem er über alles reden konnte. Konnte wohlbemerkt, den dieses Gespräch würde nicht einmal Ted erfahren.
"Und nun Gue’la. Schlag mir mit deinem Gewehrkolben den Kopf ein..."
"Tok ich kann nicht...", zögerte Makus.
"Gue’la, tu was ich dir gesagt habe. Ob nun du... einen den ich meinen Freund nennen kann, mich erlöst, oder deine Kameraden mich als Kriegsbeute davontragen, oder qualvoll töten... oder mich schänden... Tu es einfach... Tau’va, für das höhere Wohl..."
"Makus! Da bist du ja, wir haben dich gesucht," rief Ted hinter seinem Rücken als Makus den Alien den Gnadenstoß mit seinem Gewehrkolben verpasste und innerlich hoffte ihn wirklich getötet zu haben, sodass er nicht noch weiterleiten müsse.
Ted nahm Makus am Arm und schleifte ihn zu seinem Sergeant. Er redete auf ihn ein, doch dass hörte Makus nicht, der nun wieder ,Soldat Makus Steiner, Sir’ war.
"Ich bin stolz auf sie Soldat Steiner," sagte der Sergeant, der gerade von Ted erfahren hatte, was er sah. "Einen widerlichen Alien, ohne einen Schuss des Imperators zu vergeuden, zu töten und so lange hier außen, auf sie alleine gestellt zu überleben. Sie werden von mir persönlich einen Orden für ihre Tapferkeit erhalten. Der Imperator und die imperiale Armee ist stolz auf sie..."
Makus brauchte keinen Orden mehr und ob der Imperator je wieder stolz auf ihn sein würde, wusste er nicht. Er wusste nur eins, keine Auszeichnung im Leben wird ihm je wieder soviel bedeuten, wie die, die kurz zuvor von dem Alien bekam, den er seinen Freund nennen konnte, aber nicht durfte. Makus bereute an diesem Tag nichts, außer dem einem: Er wollte Tok noch so gerne fragen, woher er seine Sprache kannte und wie es kam, dass andere Menschen auf Tauplanten lebten. Doch Makus, hatte nicht mehr die Chance zu fragen, er würde sie auch nie mehr wieder haben...



Urheberrecht: Tobias B. Böhner, 2002



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