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DIE DUNKLE STADT TEIL 1

Kleine Wirbel aus Staub und Quarzsand drehten sich gemächlich um ihr Zentrum und stoben in einem jähen schillernden Wirbelsturm auseinander, als die Todesklinge durch die orbitalen Nebelschwaden pflügte wie ein mittelalterlicher Schoner durch die Wellen eines längst vergessenen Ozeans. Kleinere Asteroiden schlugen gegen die massive Frontpanzerung des Schlachtkreuzers/Trägers, während dieser den orbitalen Asteroidengürtel verließ, und prallten mit einem dumpfen, hohl klingenden Geräusch davon ab.

Tief unter dem im fernen Sonnenlicht matt schimmernden Rumpf der Todesklinge fegte der Feuersturm über die weiten Ebenen und üppig bewachsenen Dschungelgebiete Anaris´ und versengte Mensch und Tier zugleich in reinigendem, sengenden Feuer. Der ansonsten tiefblaue Ozean war einer weißen Wand aus Gischt gewichen, welche mit kochendheißem Dampf die küstennahen Gebiete versengte, während er langsam in sich zusammenzuschrumpfen schien. Die Atmosphäre hatte einen dichten, schwarzen Trauermantel aus Asche und Staub angelegt, durch welchen nur vereinzelte Plasmablitze wie das Flackern von Elmsfeuern nach außen drang. Die Apokalypse hinter sich lassend zündete die Todesklinge ihre Haupttriebwerke und verließ den Orbit Anaris´, welches nun, wie auch sein Bruder Badab, als verwüstetes, lebloses Ödland die schwach strahlende Sonne umkreiste.

Im Inneren des mächtigen Schlachtschiffes war von dem tobenden Inferno nicht mehr zu spüren als ein leichtes Vibrieren des Schiffbodens. Mit einem weithin hallenden metallischen Klang rasteten die Verstrebungen der letzten Landefähre in die vorgesehenen Halterungen ein, während sich die Bugklappe langsam senkte und Reihen um Reihen von schäbig gekleideten, blutigen, verstümmelten und kampfgezeichneten Menschen den Bauch des metallenen Ungetüms verließen, die Hände als Zeichen Ihrer Unterwerfung hinter den Köpfen verschränkt. Ein Korridor aus gezackten Klingen und wachsam blickenden Augen wies ihnen den Weg aus dem Hangar durch eine in den Boden eingelassene Rampe, welche schon nach wenigen Metern in der Dunkelheit verschwand.

Kheruakh hatte bereits kurz nach der Rückkehr seine Gemächer aufgesucht, während seine getreuen Untergebenen die Wyvern, Schattenbarken und Jetbikes in die vorgesehenen Haltepositionen manövrierten und mit metallenen Greifarmen fixierten. Arita wurde zusammen mit der immer noch bewusstlosen Sororita zurück in die Badekammer gebracht, welche Arita bei Ihrer Ankunft nach Ihrer Gefangennahme zum ersten und einzigen Mal gesehen hatte. Wie damals (war es wirklich erst zwei Wochen her?) standen die beiden ätherischen Eldarfrauen bereit, um den Neuankömmling zu empfangen.
Gedankenverloren blickte Kheruakh durch das gepanzerte Fenster seiner Gemächer auf die Unendlichkeit, welche nur ab und zu durch das diamantene Band der Milchstraße und den hell strahlenden Kern des galaktischen Zentrums unterbrochen wurde, als Arita hinter ihn trat.
"Sie ist immer noch bewusstlos, aber wir haben ihre Wunden behandelt und es ist nur eine Frage der Zeit bis sie wieder zu sich kommt."
"Sie wird noch eine Woche in Morpheus´ Reich weilen, wie Eure Literaten zu sagen pflegten. Das Gift, welches ich ihr verabreicht habe, wird sie perfekt auf ihre zukünftige Aufgabe vorbereiten, die für sie vorgesehen ist."
Er wandte sich um, und Arita versank, wie schon so oft zuvor, in den schwarzen, fast schon hypnotisch wirkenden Tiefen seiner Augen, gleich einem Brunnen ohne Grund.
"Und es sollte ausreichen, bis wir meine Heimstatt erreichen."
Ein leichtes Lächeln umspielte Kheruakhs Gesicht, als er sich von Arita abwandte und über den Transmitter seiner Armschiene dem Steuermann den Befehl zum Aufbruch gab.
"Nehmt Kurs auf den Maelstrom!"

Die Luft der Brückensektion der Todesklinge war erfüllt von einem steten, tiefen Summen, nur kurz unterbrochen von elektronischen Klickgeräuschen und den wiederholenden Blips der Sensorenphalanx. Kheruakh hatte auf seinem erhabenen Thron Platz genommen, zu dessen Füßen Arita auf Ihrer Kissenstatt ruhte. Die Weiten des Raumes und die darin eingebetteten Sterne strahlten nur verschwommen und undeutlich durch die schmalen Sehschlitze der dicken Panzerschotts. Noch während Arita mit zusammengekniffenen Augen versuchte, durch die Öffnungen nach draußen zu spähen, betätigte einer der Brückenbesatzungen auf einen Wink Kheruakhs hin einen Schalter außerhalb ihres Gesichtsfeldes, und die schweren Panzerschotts glitten mit durchdringendem hydraulischen Dröhnen in ihre Versenkungen.
Mitten in der Schwärze des Raumes, etwa zwanzigtausend MSK vor ihnen, schwebte in der Leere ein Loch, schwärzer als die dunkelste Nacht, und angsteinflößender als jedes noch so bösartige Wesen des Universums, so grausam es auch sein mochte. Die Ausmaße dieses Lochs überstiegen jegliches Vorstellungsvermögen, in seinem Durchmesser könnte mit Leichtigkeit ein ganzes Sonnensystem bequem Platz finden. Eine naheliegende Sonne wurde Ihrer Materie beraubt und bildete von ihrer Oberfläche ausgehend einen mehrere Lichtjahre langen Schweif, der von dem Loch angezogen wurde. Nur diesem Schweif und dem kosmischen Staub, der man im Universum recht häufig antraf, war es zu verdanken, dass sich das Phänomen in seiner gesamten schrecklichen Schönheit zeigte.
Mitten in der unendlichen Leere schwebte ein, grob gesagt, massiver Strudel, wie man ihn eher von der stürmischen Oberfläche eines Ozeans her kennen würde. Dieses Exemplar betäubte einen jedoch allein durch seine schiere Größe, da jegliche Versuche, sie einzuschätzen, unweigerlich fehlschlugen. Arita war froh, dass sie sich niedergelassen hatte, denn die nun auftretenden Schwindelgefühle und das starke Zittern hätten sie mit Sicherheit zu Boden gehen lassen.
"Ich weiß deine Bewunderung wirklich zu schätzen", tönte die wohlklingende Stimme Kheruakhs durch die allgemeine Stille. "Ich habe den Maelstrom auch erst vor kurzem in seiner ganze Herrlichkeit gesehen. Leider waren bislang direkte Anflüge meist zu gefährlich." Kheruakh beugte sich vor und Arita glaubte, ein Aufblitzen in seinem dunklen Auge zu sehen.
"Bislang!"
Noch bevor Arita die Bedeutung seiner Worte zu erkennen vermochte, veränderte sich Ihre Wahrnehmung. Ihr ganzer Körper schien sich zu dehnen, sich zu strecken, und sie bemerkte mit einem plötzlichen Aufflammen von Todesangst, dass sie sich das nicht einbildete. Die Brücke quetschte sich in eine unmögliche Breite, bis sie von einer Seite der Unendlichkeit zur andern Seite der Unendlichkeit zu reichen schien. Nur undeutlich nahm Arita die immer langsamer klingende Stimme Kheruakhs wahr, die sich in der Tonlage immer tiefer und tiefer senkte, bis sie nur noch aus einem undeutlichen tieffrequenten Dröhnen bestand. Die rhythmisch wiederkehrenden Blips der Sensorenphalanx verklangen langsam, wie das EKG eines Herzens, welches beschlossen hat, immer langsamer zu schlagen, um dann aufzuhören. Diese letzte Pause bis zum typischen Klang der Nulllinie zog sich in die Unendlichkeit, bis Arita die Sinne schwanden und sie in eine gnädige Ohnmacht sank.

Arita erwachte durch das Flackern seltsamen grellen Lichtes, welches durch ihre geschlossenen Augendlider drang. Mühsam unterdrückte sie die Angst, die Augen zu öffnen und dem ins Antlitz zu blicken, was ihr so unerbittlich ins Gesicht strahlte. Sie gestattete sich, ihre Augen einen schmalen Spalt weit zu öffnen, und wurde sofort von dem grellen Licht geblendet, welches sich wie eine brennende Nadel durch ihre Sehnerven in ihr Gehirn zu bohren schien. Sie krümmte sich und verbarg ihren schmerzenden Kopf unter den seidenen Kissen, welche jedoch keinen großen Schutz vor dem sengenden Licht boten.
"Keine Sorge, du wirst dich bald daran gewöhnen," sprach Kheruakh mit ungewöhnlich normal klingenden Stimme und übte mit seinen Fingerspitzen kurz Druck auf ihre Schläfen, ihre Stirn und einen Punkt knapp oberhalb ihres Kinns aus, und Arita spürte förmlich, wie die Intensität des Lichtes rapide abnahm. Zögernd öffnete sie die Augen und sah Kheruakh, auf seinem Thron ruhend, und die gesamte Brücke und deren Besatzung in einem seltsam wogenden, blauweißen Licht illuminiert, einem Licht, das aus den Tiefen eines unergründlichen Ozeans zu strahlen schien und wie durch Wellengang diffus gebrochen durch die Panzerglasscheiben drang.

Eine weitere Welle aus gleißendem, reinen Licht brandete gegen die Panzerglasscheiben der Brücke und flutete diese mit einem erneuten heftigen Flackern, bevor sie über dem Schiff hinweghuschte und sich in der Ferne des Raumes verlor. Der Träger pflügte sprichwörtlich durch einen dimensionslosen, in einem hellen Blauton schimmernden Raum, nur unterbrochen durch zuckende Blitze reiner Energie und weiße, grell leuchtende Nebel- oder Energiewolken (welches von beiden zutraf war sich Arita nicht sicher - sie hatte ohnehin nie etwas dergleichen faszinierendes gesehen), welche wie die Wellen eines Ozeans durch den Raum strömten, aneinander prallten, sich voneinander lösten, sich wie die Körper zweier Liebender aneinander schmiegten, sich liebkosten, miteinander verschmolzen, nur um kurz daraufhin blitzartig wieder auseinander zu stieben und den Tanz von Neuem zu beginnen. Rings um das Schiff, in allen Richtungen, konnte man die Ströme aus weißem Licht erblicken, die durch die Geschwindigkeit des Schiffes zu breiten Lichtstreifen gedehnt wurden.
"Die Ebbe ist bald vorüber", riss Kheruakhs Stimme sie aus ihren Gedanken "wenn wir bald eine günstige Strömung finden wird sich unsere Reisezeit um einen erfreulichen Teil verkürzen."
Kheruakh erhob sich von seinem Kommandothron, schritt bedächtig an eine der Panzerglasscheiben und richtete seinen Blick in die Ferne, wobei seine Hand mit dem kleinen Schalter des Kommunikators an seiner Armschiene spielte.
"Du musst wissen, dass dieser Ort unvergleichlicher Schönheit mit mehr Gefahren gespickt ist, als jeder andere Ort im Universum. Aber war es nicht immer so, dass Schönheit gleichzeitig auch tödlich ist?" schloss er mit einem sinnigen Lächeln. "Manche Eures Volkes haben dies nicht erkannt und haben Schiffbruch erlitten, Ihre Körper der Leere und Ihre Seelen den Bewohnern dieser Ozeane übergeben. Dies ist wohl die Strafe für alle, die zu sehr nach Wissen und Macht streben...."
Kheruakhs Worte verloren sich in sinnigem Gemurmle, als Arita in der Ferne der blauweiß schillernden Wogen einen schwarzen Punkt zu erkennen glaubte, der schnell größer zu werden schien. Nach einigen Minuten konnte sie eindeutig die Umrisse eines imperialen Kreuzers erkennen. Dieser bewegte sich jedoch nicht auf einem geraden Kurs, wie Arita es vor kurzem noch geglaubt hatte, sondern drehte sich langsam um alle seiner drei Achsen, wie ein Bleistift, der in der Schwerelosigkeit des Weltraums angetippt wird und sich zu drehen beginnt. Oberflächlich schien der Kreuzer unbeschädigt zu sein, doch Arita wusste mit einem Gefühl des Grauens, welches Ihr einen kalten Schauer über den unbedeckten Rücken jagte, dass dort an Bord niemand mehr am Leben sein konnte.
Als das unbemannte Schiff längsseits an der Todesklinge vorbeizog, konnte Arita deutlich die offensichtlich von Explosionen zerstörten Heckschildgeneratoren erkennen. Stahlträger stachen aus der ansonsten glänzenden Umhüllung wie die schwarzen Rippen eines vor Urzeiten verbrannten Skelettes. Die Schotts der Hangardecks waren entweder von innen gesprengt oder von außen mit einer schier unglaublichen Kraftanstrengung aus ihren Angeln gerissen worden. Der goldeingefasste Turm des Navigators war mit langen, klaffenden Rissen verunziert, und die an der Spitze des Turms verankerte Kristallkuppel in tausende Splitter zerborsten, der erhabene Thron verlassen und leer. Unschwer erkannte Arita den imperialen Doppeladler zu beiden Seiten des Bugs und die darunter angebrachte Namensplakette des einst zweifelsohne mächtigen und imposanten Raumkreuzers. Justis Retributor
Schnell entschwanden die kläglichen Überreste des Stolzes des Imperiums aus Aritas Blickfeld, und ein plötzlicher, heftiger Stoß zog ihr sprichwörtlich den Boden unter den Füßen weg, worauf sie der Länge nach zu Boden fiel. Das gesamte Schiff schien einen Satz nach vorne zu machen und seine Geschwindigkeit verdoppelte sich innerhalb eines Sekundenbruchteils. Der Bug vibrierte unregelmäßig, als das Schiff durch die Warpströmung mitgerissen wurde, lose Gegenstände der Brücke knallten unkontrolliert gegen Wände, Displays und Besatzungsmitglieder, und Arita musste sich mit aller Kraft an den wenigen Verstrebungen festklammern, um nicht auch gegen die nächste Wand geschmettert zu werden.
Nach einer halben Ewigkeit endete der Höllenritt abrupt, und nur mit Mühe konnte Arita ihre verkrampften Finger dazu überreden, die Verstrebung loszulassen. Das Schiff trieb in einem Meer aus blauem Licht, die Energieströme und Nebelwolken waren verschwunden. Nur in weiter Ferne hinter dem Schiff waren noch ein gelegentliches Aufflackern und einige Lichtblitze zu sehen. "Das Meer der Stille" erklärte er, "ein etwas gemütlicherer Ort dieser Region, und für unsere Zwecke ruhig genug." Kheruakh wechselte einige Worte in seiner fremden Sprache mit den beiden Steuermännern, welche ihm in kurzen, knappen Sätzen antworteten. Arita hatte es sich abgewöhnt, aus purer Neugier nachzufragen und mehr erfahren zu wollen, sie zog dadurch nur mehr Aufmerksamkeit auf sich als nötig.
Arita hatte sich auf ihre Kissenstatt niedergelassen, als eine Bewegung außerhalb des Schiffes ihre Aufmerksamkeit erregte. Neben und über dem Schiff waren wie aus dem Nichts etwa zwanzig Wesen erschienen, die Arita noch nie zuvor in ihrem Leben gesehen hatte. Ihre Körperform ähnelte den visuellen Aufzeichnungen von Meereslebewesen, wie es sie auf vielen erdähnlichen Planeten gab. Ihren Namen hatte Arita irgendwann einmal schon gehört, aber im Laufe der Zeit vergessen. Die Kreaturen schwebten wie atmosphärische Gleiter neben dem Schiff her, mit breiten, deltaförmigen Flügeln und einem langen, dünnen Schwanz, der in einem spitzen Dreieck endete. Die Wesen hatten jedoch nicht wirkliche Körper, es schien Arita, als würden sie ihre fließenden Körperformen von Sekunde zu Sekunde verändern, in einer stetigen Bewegung. Die beinahe durchsichtigen Wesen glühten aus ihrem Inneren mit eigenartigen Farben, welche irgendwo zwischen hellgrün, neonblau und rosa anzusiedeln waren und einen ganz wirr im Kopf machten. Dumpfe Schreie drangen durch die Scheiben, welche entfernt an die Gesänge von Walen erinnerten und in der Ferne des Raumes verhallten.
"Hübsch, nicht wahr?" bemerkte Kheruakh verträumt, "man nennt sie As´amanijah, in eurer primitiven Sprache würde man dies mit "Wesen des Warp" übersetzen, wobei mir jedoch manche Begriffe eurer Sprache unbekannt sind ... Wesen ... am ehesten würde diese Beschreibung auf eine dieser mythologischen geflügelten Gestalten zutreffen, welche ich vor nicht allzu langer Zeit auf einem Banner dieser grüngepanzerten Chem-Pan-Sey bemerkte ... aber lassen wir dies. Die As´amanijah folgen oft Schiffen, welche durch den Warp reisen, da die Energierückstände der Schiffe sie magisch anziehen. Warum dies so ist, ist selbst uns unbekannt, jedenfalls heißt es, dass sie den reisenden Schiffen Glück bringen sollen."
Arita hatte sich erhoben und trat näher an die Panzerglasscheibe, hinter der in nur einem Meter Entfernung ein As´amanijah neben dem Schiff herschwebte. Sie berührte die Scheibe sanft mit ihrer Hand und strich darüber, wobei sie eine intensive Wärme ausgehend von dem As´amanijah spürte, welche ihr bis in die Knochen drang und sie mit einem bislang unbekannten Wohlbehagen erfüllte. Sie spürte beinahe eine telepathische Verbindung zu dem As´amanijah und fragte sich gedanklich, was er ihr wohl mitteilen wollte. Der Farbenrausch in seinem Körperinneren wirkte fast hypnotisch und ließ all die bösen Erinnerungen, die sie in den letzten Wochen erfahren hatte, für eine kurze Zeitspanne verblassen. Für eine kurze Zeitspanne.
Denn abrupt drehten die As´amanijah ab und verschwanden innerhalb eines Herzschlages aus ihrem Blickfeld. "Was ist los?" fragte Arita verwirrt, "wo sind sie so plötzlich hin?" Kheruakh richtete sich auf und atmete tief ein. Seine Haltung verriet Anspannung, und seine Antwort war nicht mehr als ein Flüstern, welches in der zurückgekehrten Stille tonlos und ungewohnt gefährlich klang.
"Ich würde sagen, uns hat soeben sprichwörtlich unser Glück verlassen."

Beschreiben wir es am Besten als eine Wolke. Eine dunkle Wolke inmitten der gleißend hellen und schimmernden Umgebung. Wobei der Begriff "dunkel" eigentlich unpassend für dieses Gebilde war, welches Arita erblickte, als sie Kheruakhs starrem Blick durch die Panzerglasscheiben hinaus folgte. Denn im Vergleich zu Licht beschreibt "dunkel" nur die Abwesenheit des selbigen. Dieses Gebilde war jedoch das genaue Gegenteil von Licht, also eine Art Anti-Licht (Da es dem Autor genauso wie vielen anderen unmöglich gelingen wird, diese Eigenschaft genau und verständlich zu beschreiben, verbleiben wir bei dem unspektakulären Begriff "dunkel).
Die Wolke bewegte sich aus den gleißenden Tiefen des Raumes auf das Schiff zu, mit einer eigenartigen Zielstrebigkeit, welche man einem natürlichen Phänomen mit Sicherheit nicht zuordnen würde. Erst als die Wolke bis auf wenige tausend MSK herangekommen war, hörte Arita ein eigenartiges Schwirren und Kratzen in der Luft, als ob man an einer dicken Wand lauscht und in ihrem Inneren Mäuse oder Ungeziefer rascheln und zirpen hört. Ein schrilles Kreischen hallte gegen die Außenwände des Schiffes, welches einem durch Mark und Bein ging und Gänsehaut verursachte. Aritas Augen weiteten sich, als sie in der wogenden dunklen Masse unzählige kleine bleiche Punkte erblickte, welche sich beim Näherkommen als starr blickende Augen entpuppten.
Die Wolke fächerte auseinander und teilte sich in hunderte durchsichtige, fast körperlose Wesen. Nur die bleichen, emotionslosen Augäpfel stachen aus dieser finsteren Masse hervor, genau wie unzählige zahnbewehrte Mäuler, von denen einige Wesen offensichtlich mehrere besaßen, auf ihren Köpfen, an ihren Körpern, sogar Mäuler innerhalb anderer Mäuler. Sie schwärmten um das Schiff herum wie ein Schwarm Bienen um den Bären, der gerade ihr Nest geplündert hat. Flackernd aktivierten sich die psychokinetischen Schilde des Schiffes, und Plasmaentladungen zuckten durch die "Körper" der Wesen, welche sich den Schilden zu weit genähert hatten. Ein zorniges Summen ließ die Brücke vibrieren wie ein sehr tiefer Basston. Wieder und wieder unternahmen einige der Bestien Versuche, den Schild zu durchdringen, und verbrannten zu Asche. Einige der größeren Untiere jedoch hielten sich auf Abstand und beobachteten das unbezwingbar scheinende Schiff, wie lauernde Wölfe.
Die rötlich schimmernden Schilde spiegelten sich auf den wirbelnden Körpern der grauenhaften Wesen und tauchten sie in unheimliches, blutiges Licht. Die lauernden Kreaturen bewegten sich langsam auf das Schiff zu, und Arita erwartete jeden Moment eine Plasmaentladung, welche die Kreaturen vernichten würde. Eines der kleineren Wesen näherte sich zögernd dem brummenden Schild und verharrte kurz davor. Langsam begann es zu flackern, und nahm die rötlich schimmernde Farbe des Schildes an. Fast wie in Zeitlupe, schmiegte es sich an die pulsierenden Energien des Schildes, liebkoste sie förmlich, rief aber nur ein paar kleinere Funken durch seine Berührung hervor, und verschmolz mit ihnen - nur um sich einen Sekundenbruchteil später innerhalb des Schildes zu materialisieren! Es verharrte nur kurz, während andere der dunklen Kreaturen es ihm gleichtaten, und warf sich mit aller Macht gegen seine Beute. Wie Blutegel hefteten die Bestien sich an die Außenwände des Schiffes und die Panzerglasscheiben und quälten sich langsam aber stetig durch die gepanzerte Außenhülle.
Die Brückenbesatzung war längst von ihren Plätzen aufgesprungen und hatte ihre Waffen gezogen. Kheruakh wandte sich an seine Steuermänner und fragte etwas in seiner unverständlichen Sprache. Der angesprochene Eldar warf einen kurzen Blick auf das vor ihm in hellem grün schimmernde Display und antwortete mit unruhigem Ausdruck im Gesicht auf Kheruakhs Frage. Ohne Zweifel schien Kheruakh die Antwort nicht zu gefallen, denn auch er erhob sich von seinem Thron und zog sein Schattenkatapult aus dem Holster an seinem Kommandothron.
"Ich schlage vor, du suchst dir ein gemütliches Plätzchen für die nächsten paar Minuten," meinte Kheruakh sarkastisch und löste Aritas Ketten aus ihren Halterungen. Sofort war Arita auf den Beinen und drängte sich an die hintere Wand der Brücke, weg von diesem körperlosen Grauen, welches sich gegen die Scheibe warf und versuchte hereinzukommen, heranzukommen, an Wärme, an Körperliches. Das erste der Wesen, welche den Schild passiert hatten, war bereits zur Hälfte durch die Außenwand gedrungen und erhob sich nun vom Boden der Brücke. Geistlose, verständnislose, bleiche Augen blickten auf die illustre Runde und näherten sich langsam einem der Steuermänner, welcher vor dieser entsetzlichen Kreatur zurückwich, bis er buchstäblich mit dem Rücken zur Wand stand. Furcht und Grauen stand in seinen dunklen Augen, und er hob seine Waffe und zielte unsicher auf die plötzlich innehaltende Kreatur. Es war schwer, festzustellen, wer nun Jäger und wer Beute war. Sekunden verstrichen, doch keiner der beiden Kontrahenten bewegte sich auch nur einen Millimeter.

Als sich das Wesen abrupt aus der Starre löste und auf den Eldar zusprang. Ihm blieb nicht einmal Zeit für einen Schrei. Das Wesen schien durch ihn hindurchzugleiten, und der Körper des todgeweihten Eldar bäumte sich überrascht auf. Als das Wesen wieder aus seinem Körper austrat und durch die Wand in seinem Rücken verschwand, riss es etwas schwer definierbares mit sich aus dem Körper. Es mutete wie ein geisterhaftes Abbild des Eldars an, bläulich schimmernd, jedoch ohne genaue Details, nur die Gestalt des Eldars war erkennbar. Dieses geisterhafte Abbild wurde in dem Sog der Kreatur mitgerissen und verschwand ebenfalls durch die Wand, jedoch quälend langsam, es versank buchstäblich darin. Das Gesicht der Gestalt, welches nun leere Augenhöhlen aufwies, einem Totenschädel gleich, riss den Mund auf und versuchte zu schreien, es war jedoch nur ein seltsamer Ton zu hören, wie wenn jemand dicht am Ohr langsam und lautstark aushaucht. Das Gesicht glich einer verzweifelten, schmerzverzerrten Maske, als es durch die Wand tauchte und den Blicken der entsetzten Besatzung entschwand. Der Körper des Eldars, welcher sich immer noch in der selben aufgebäumten Position hielt, ließ die Waffe fallen. Fast wie in Zeitlupe sank der Körper auf die Knie, und mit einem in der wiedergekehrten Stille beängstigend lauten Poltern knallte er der Länge nach auf den Boden.
Das war nun eindeutig zuviel! Mehrere der Kreaturen hatten sich durch die Wände auf die Brücke gezwängt, und die Besatzung eröffnete mit brüllenden Schreien das Feuer. Kristallsplitter fetzten durch den Raum und durch die Kreaturen, jedoch ohne sichtbaren Schaden zu verursachen. Schwarze Energieblitze aus Kheruakhs Schattenkatapult durchzuckten die körperlosen Bestien mit etwas mehr Erfolg, denn viele wanden sich auf dem Boden, schrill kreischend vor Schmerz. Kheruakh gab mit lauter Stimme Befehle an seine Besatzung, welche in der wüsten Kakophonie aus Schreien, Schüssen und einem Kreischen, welches nicht von dieser Welt zu kommen schien, kaum zu hören waren. Mit hysterischer Stimme antwortete der verbleibende Steuermann, und Kheruakh bedeutete mit Gesten und Befehlen seiner Besatzung, was sie zu tun hatte. Die meisten der Eldar drehten sich auf der Stelle um und hechteten zu ihren Stationen, wo sie hektisch auf Displays und Schaltern herumtippten.
Auf diese Gelegenheit schienen die Kreaturen nur gewartet zu haben, denn sie stürmten aus ihrer defensiven Haltung vor und rissen die Besatzungsmitglieder zu Boden. Der Steuermann war aufgesprungen und schrie etwas in Kheruakhs Richtung, als er plötzlich, mit weitaufgerissenen Augen, verstummte. Kheruakhs Blick folgte seinem Körper, als dieser lautlos zu Boden sank und die bläulich schimmernde Gestalt von dem Wesen, welches durch den Boden gedrungen war, mitgerissen wurde. Mit einem lautstarken Fluch warf Kheruakh das Schattenkatapult zu Boden und schwang sich auf den erhöhten Sitz des Steuermanns, wo er mit einigen Handbewegungen Schalter drückte und Hebel in Bewegung setzte. Arita spürte förmlich, wie sich das Schiff aufbäumte und rapide an Geschwindigkeit zunahm, als sich vor Ihr ein Wesen aus dem Boden löste und ruckartig den Blick der leeren, bleichen Augäpfel auf Arita richtete. Ein rundes Maul öffnete und schloss sich langsam wieder, und entblößte einen Kranz scharfer, spitzer Zähne, wobei etwas wie Speichel dazwischen hervortrat und zu Boden tropfte. Aritas schriller Schrei tönte durch die Brücke, und Kheruakh stemmte sich gegen die Beschleunigungskräfte, holte aus und ließ seine Faust mit einem durchdringenden Aufbrüllen auf die rote Taste niederfahren, die seit einer halben Sekunde hektisch rot aufflackerte.



Urheberrecht: Martin Brandhuber, 2003



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