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STARGAZER, TEIL 1

Das Stampfen tausender Soldaten und dröhnende Rasseln hunderter von Panzern ließ die Ebenen von Agos Virgil erbeben.
Die Imperiale Armee war auf dem Vormarsch - und nichts und niemand würde sie aufhalten können.
In mehreren Säulen bewegten sich die Soldaten auf den Feind zu, flankierten die vorrückenden Panzer und Kampfläufer auf ihrem Weg in Richtung Schlachtfeld, wo Offiziere und Kommissare die Kompanien zu einer breiten Front münden ließen.
Noch mussten große Teile der motorisierten Truppen ihre Aufstellung nehmen, doch bald schon würde die Generalität den Angriffsbefehl geben und damit eine todbringende Maschinerie aus Leibern und Waffen auf den Feind hetzen, um ihn mit der schieren Masse ihres Vorhandenseins zu erdrücken.
Es ging gegen die Orks.
Fünf Regimenter hatte die Imperiale Armee entsandt, um die Feinde des Imperators zu zerschmettern, zehn weitere waren bereits ausgehoben und auf dem Weg durch den Warp in das Kampfgebiet.
Doch auch die Orkoiden waren nicht untätig gewesen. Sämtliche ihrer auf dem Planeten befindlichen Truppen hatten sich zusammengerottet, um den anrückenden Menschen entgegenzutreten. In wenigen Stunden würde an diesem Ort eine blutige Schlacht über das Schicksal dieses Planeten ausgefochten werden, noch aber genügte man sich damit, einander durch gegenseitiges Belauern und Einschüchterung zu bedrohen.
Walküren und Vulture-Bomber kreischten über das baldige Schlachtfeld, sondierten das Gelände und bereiteten sich darauf vor, die anrückende Imperiale Armee mit Feuerkraft und Reservetruppen zu unterstützen.
Baldrian Lenhim maß der Tatsache, Mitglied einer gewaltigen Streitmacht zu sein, wenig Bedeutung zu. Für ihn zählte nur das Stoßkommando, das in dem abgeschlossenen Raum der ihnen zugewiesenen Walküre saß und darauf wartete, an einen Punkt des Schlachtfelds abgesetzt zu werden, um dort eine wichtige Position zu verstärken oder feindlichen Sturmtruppen in den Rücken zu fallen.
Lenhim war ein erfahrener, sehr linear denkender Sergeant mit dunkelblonden Haaren, fast ebenso hellen grünen Augen und einem von Narben gezeichneten, scharfen Gesicht, dessen finsterer Blick allein die meisten Soldaten respektvoll zurückweichen ließ.
Doch so hart sich Lenhim auch gab, er sorgte sich um seine Männer - eine Verhaltensweise, wie man sie in den Regimentern des Gott-Imperators nicht oft fand und die er auch erst mit der Zeit erlernt hatte.
Tatsächlich setzten die Kommandeure ihre Truppen meistens in gewaltigen Massenschlachten ein, selektierten die weniger wertvollen Einheiten aus und setzten die Kerntruppen aus den überlebenden Soldaten zusammen, um eine Elite zu haben, um die sich die neuen Rekruten formieren ließen, denn dafür waren sie schließlich da, oder? Nur in der Schlacht zeigte sie, wer wirklich für den Krieg geeignet war.
Für das Überleben der ihnen anvertrauten Menschen hatten die Kommandeure wenig Sinn, auch wenn das Imperium die erbarmungslose Vernichtung seiner eigenen Soldaten durch den Feind heroisierte.
Das Leben eines Menschen mochte in der Imperialen Armee nicht mehr wert sein als die eisernen Körper der Leman Russ Panzer, doch mit ihnen verhielt es sich genauso wie mit den stählernen Kolossen: je besser man sie pflegte und behandelte, umso länger konnte man sie einsetzen.
So hatte es ihn Galard Ekko, sein Kommandeur, gelehrt. Lenhim konnte oft selbst nicht umhin anzuzweifeln, weshalb man die nahezu unerschöpflichen Ressourcen der imperialen Welten schonen sollte, doch auch das hatte ihm Ekko hinreichend erklärt.
"Einen Soldat misst man nicht an der Masse seines Körpers oder der Anzahl von Schüssen aus seinem Lasergewehr. Man misst ihn an seinem Können und seiner Effektivität gegen den Feind", murmelte er die Worte des Kommandeurs leise vor sich hin und ließ seine Gedanken kurz in Richtung des Colonels abschweifen.
Ekko war ein vorzüglicher Offizier, der sich vor allem dadurch einen Namen gemacht hatte, dass er seine Männer durch die beste Elitekämpfer seines Regiments schulen ließ.
Soldaten in Ekkos Regiment besaßen eine ungewöhnlich hohe Lebenserwartung und waren zum Teil effektiver als die meisten anderen Imperialen Armeeangehörigen.
Das 512. Regiment Sera, ein Zehntregiment des Planeten Bastet III, war deswegen seit langer Zeit berühmt für die Humanität, die in seinen Reihen herrschte.
Humanität nicht in dem Sinne, dass die Soldaten verhätschelt wurden und verweichlichten, sondern dass einer, der verletzt zurückblieb, sicher sein konnte, dass er wenig später gefunden wurde und einer, der starb, wusste, dass er nicht vergessen wurde. Gerade das war es, was einen Mann wie Lenhim Stolz machte.
Weshalb er jetzt an die Vierte Imperiale Sonate denken musste, konnte er sich selbst nicht erklären, doch die schweren, mächtigen Klänge füllten seine Ohren und seinen Kopf, überstimmten das dumpfe Summen der Turbojet-Triebwerke.
Dann jedoch fiel es ihm wieder ein: Die Vierte Imperiale Sonate hatte man in seiner Heimatstadt an dem Tag gespielt, als das ursprüngliche Regiment ausgehoben worden war. Es war ein Tag gewesen, dem er voller Stolz entgegen gefiebert hatte - fast genauso, wie er dieser Schlacht entgegen blickte und Stolz fühlte: Die erste Schlacht des Regiments seit seiner Neustrukturierung.
Gleichzeitig erinnerte er sich daran, wie viel er in den letzten Jahren erlebt und durchlebt hatte. Sein Trupp selbst war, auch wenn er nur aus zehn Mann bestand, fast eine kleine Chronik des Regiments.
Lenhim sah auf und warf einen Blick auf seine Männer.
Da waren anfangs Klingen und Donja. Sie waren zusammen mit Lenhim die ersten gewesen, die sich für das 512. Regiment Sera gemeldet hatten, als dessen Aushebung noch nicht einmal offiziell gemacht worden war. Man sollte sie besser nicht fragen, wie die drei das damals herausbekommen hatten, aber seitdem dienten sie zusammen in den Reihen des 512.
Sie hatten an allen bisherigen Schlachten des 512. teilgenommen, diverse Kommando- und Strategiewechsel mitgemacht und sogar die beinahe vollständige Auslöschung des Regiments überlebt, in dessen Nachwirkungen Galard Ekko Sera neu strukturiert hatte.
Ebenfalls aus seinem Trupp nicht mehr wegzudenken waren die beiden Cadianer Gorak und Melbin, die direkt vor der letzten Schlacht des alten 512. zu ihnen gestoßen waren und die Lenhim gut und gerne als Phänomen zu bezeichnen wagte, denn Gorak und Melbin hatte man noch nie anders als zu zweit gesehen. Wo Gorak auftauchte, war Melbin ebenfalls bald zu erwarten oder bereits eingetroffen (und natürlich auch andersherum). Sie hatten sich sogar gemeinsam zum Dienst im 512. gemeldet.
Für Lenhim bedeutete das eingespielte Duo einen immensen Vorteil im Gefecht, denn die Erfahrung und Leistung, die die beiden Soldaten gemeinsam erreichten, spielte im Grunde einen kompletten Trupp an die Wand.
Sie hätten sicherlich ein vorzügliches Waffenteam abgegeben, wenn Lenhim nicht so verbissen darum gekämpft hätte, sie bei sich zu behalten.
Tatsächlich war er nur knapp einer Exekution durch den Kommissar des 512., Kolwa Ligrev, entgangen, als er sich gegen den Befehl stemmte, der seine Einheit auseinander reißen sollte und ihn so wieder zum Führer eines Rekrutentrupps gemacht hätte.
Durch das Eingreifen von Colonel Ekko jedoch war das unfreiwillige Ableben Lenhims verhindert worden - allerdings nur unter der Auflage, dass sich der Sergeant mit seinem Trupp insgeheim zur persönlichen Verfügung Ekkos hielt.
Lenhim konnte nur froh sein, dass sein Trupp die inoffizielle Order recht positiv aufgenommen hatte und sich bereitwillig zur ›Elite des Colonels‹ erklärte.
Diese Gedanken ließen seinen Blick zum nächsten seiner Soldaten schweifen, mit dem er bereits viele Kämpfe bestritten und gewonnen hatte: Marek Rebis.
Rebis, Corporal und Stellvertretender Truppführer, diente seit knapp acht Jahren in der Imperialen Armee, hatte jedoch in über zwanzig Schlachten gekämpft und gehörte wohl zu den erfahrensten Männern, die aus dem ursprünglichen 512. Sera noch lebten.
Zwar hatte ihn diese Erfahrung auch einen schlimmen Preis gekostet, denn er war oft verwundet worden und hatte sich von den seelischen Verletzungen niemals wirklich erholt, doch einen besseren Stellvertreter als den schwarzhaarigen, etwa einen Meter achtzig großen Mann, dessen grüne Augen stets wachsam umherschweiften, konnte sich Lenhim nicht wünschen.
Zu Anfang war er der oftmals unangenehmen Art von Rebis sehr skeptisch begegnet, doch inzwischen schätzte er das ehrliche, wenn auch gerne vorschnelle Mundwerk des Corporals genauso wie seine Art zu kämpfen.
Wer an Marek Rebis Seite in die Schlacht zog, konnte sicher sein, dass der Corporal immer darauf Acht gab, einen sicher wieder zurückzubringen. Und dabei war sich Rebis, genauso wie Lenhim, bewusst, dass ein einzelner imperialer Soldat so gut wie keinen Wert für die Strategie der Generäle besaß.
Wer fiel, wurde einfach ersetzt.
Als er das dachte, blickte Lenhim unwillkürlich zu den Neulingen seiner Einheit: Kalor, Hougner, Grouphan und Rahael. Sie waren allesamt Cadianer und stammten aus einem ehemaligen Rekrutenzug, der in der letzten Schlacht des 512. bis auf diese vier Männer aufgerieben worden war. Bisher hatte Lenhim nicht die Zeit gehabt, sich näher mit ihnen zu beschäftigen, denn bereits sechs Wochen danach waren sie verlegt worden, um die nächste Schlacht gegen die Feindes des Imperiums zu bestreiten. Ziel war eine kleine Welt namens Agos Virgil gewesen.
Und wenn sie von hier abrückten, konnte er sicher sein, dass wieder einige seiner Männer tot waren und er die Reihen mit Neulingen auffüllen musste, die in die Fußstapfen der Gefallenen traten - auch, wenn niemand, der gefällt worden war, jemals zu ersetzen gewesen wäre.
Aber Krieg war nun einmal ein grausames Geschäft.
Das brachte ihn zurück ins Hier und Jetzt. Die Imperiale Sonate war längst verstummt, wieder übergegangen in das Jaulen der Turbojet-Turbinen, die ein leises Lied seiner Befehle summten.
Lenhim lehnte sich etwas zurück. Der Auftrag war klar definiert: Aufklärung, Unterstützung, Angriff.
So wie sein Trupp kreisten noch mehr Soldaten in Walküre-Sturmtransportern über dem Aufmarschgebiet und warteten darauf, dass die Schlacht begann. Sobald sich die imperialen Regimenter in Bewegung setzen und den Angriff beginnen würden, mussten die kleinen Trupps sofort bereitstehen, um eventuell Unterstützung für die vorrückende Armee zu stellen, um andere Einheiten zu verstärken oder zu entsetzen oder sogar die Einnahme wichtiger Schlüsselpositionen zu übernehmen.
Als wenn es in dieser trostlosen Ödnis noch irgendetwas besonders wertvolles gegeben hätte.
"Wie es jetzt wohl unten aussieht?", dachte Rahael laut nach. Der junge Cadianer zog den Kinnriemen des Helms noch ein Stück fester und lehnte sich erwartungsvoll vor. Seine Begeisterung für den Kampf war in Lenhims Trupp wohl ohnegleichen, auch wenn der Sergeant sich wegen der Unerfahrenheit des Soldaten sorgte.
"Bestimmt trostlos", brummte Rebis. Die anderen Soldaten fingen an, leise zu lachen.
Urplötzlich machte die Walküre einen Satz, heulte auf und neigte sich spürbar nach links. Lenhim griff instinktiv nach der ihm nächsten Haltestange und kämpfte mit wenige Sekunden mit seinem Gleichgewicht, bevor er es schaffte, sich zu stabilisieren.
"Beschuss!", meldete der Pilot knapp. Wieder bockte das Schiff. "Sie greifen uns mit leichten Waffen an."
Obwohl er aus der vom Funk verzerrten Stimme des Piloten eine Form von Entwarnung heraushörte, entspannte sich Lenhim kaum. Orks waren heimtückische Monster, die Menschen um jeden Preis zu vernichten versuchten. Sie würden die Walküre sicherlich nicht nur mit leichten Maschinengewehren oder Boltern attackieren.
Die meisten von ihnen mochte sicherlich egal sein, dass die Walküre mit ihren einhundertfünf Millimetern Rumpfpanzerung einen einfachen Bolt-Treffer lachend wegsteckte und einfach weiter flog. Die Oberbosse der Grünhäute jedoch waren intelligent genug, um ihre schweren Truppen gegen die Flugmaschinen der Menschen in Gang zu setzen. Und das konnte sehr böse werden.
"Ist jemand verletzt?", erkundigte sich der Sergeant mit fester Stimme. Egal, wie Furcht erregend sich der Beschuss der Orks auch anfühlen mochte: besonders hier, in der Luft über dem Schlachtfeld, mussten seine Soldaten ruhig und konzentriert bleiben, denn wer einmal in Panik geriet, wurde unberechenbar und vielleicht zu einer Gefahr für die eigenen Leute.
Ob eine Antwort auf die Frage gekommen wäre, erfuhr er nicht mehr.
Ein lauter Knall warf die Soldaten an die Seitenwände oder auf den Boden. Die Walküre machte einen Sprung, sackte dann allerdings schnell in die Tiefe.
"Wir sind getroffen!", rief irgendjemand, als sich der Transporter ein weiteres Mal schüttelte und nach heftig nach rechts kippte.
Lenhim fühlte, wie er in die Luft gehoben wurde und ruderte hilflos mit den Armen, bekam ein Haltestange zu fassen und klammerte sich daran fest, als der Sturmtransporter immer weiter kippte und keinerlei Anstalten machte, sich wieder aufzurichten.
Ohne Vorwarnung setzte das Singen der Vector-Turbojets aus. Vorher noch ein sattes Fauchen, wandelte es sich - auf jeden Fall bei einem - zu einem stotternden Wimmern, das Lenhim an das Gurgeln eines Ertrinkenden erinnerte. Oder einen Schrei. Einen Todesschrei.
Dieser Gedanke jagte ihm kalte Schauer über den Rücken, und diese Schauer vertieften sich, als er erkannte, weswegen die Walküre in Todesqualen schrie: Über ihnen verformten sich die Schaufelblätter einer der beiden Turbinen.
Er schaffte es noch "Festhalten!" zu schreien, dann zerriss das Triebwerk kreischend.
Die Walküre brach dermaßen stark nach oben aus, dass Lenhim in die Knie gedrückt wurde und beinahe die Haltestange losgelassen hätte.
Wie Bolts schlugen Metallteile durch die Außenhülle in den Truppenbereich und rissen faustgroße Löcher in die fünfundsiebzig Millimeter dicke Panzerung des Transporters, als wäre sie aus Papier.
Der Sergeant wurde herumgewirbelt und rang verzweifelt gegen die Kräfte, die auf ihn einwirkten, um sich weiter fest zu klammern, als ihn einer der Metallbolzen traf, durch seinen Schulterpanzer krachte und seinen Arm aufschlitzte. Das Blut, das aus der Wunde austrat, wurde durch die heftigen Bewegungen sofort über seinen Körper und die Haltestange verteilt.
Lenhim grunzte, als Blut in sein Auge spritzte und es verklebte.
Noch während die Querschläger durch die Walküre heulten, bahnte sich das nächste Unheil an.
Begleitet vom Knirschen reißenden Metalls brach die Heckklappe auf. Ein tosender Wirbelsturm raste ins Innere des Transporters und versuchte, die Männer hinaus in die Luft zu zerren.
Die Soldaten kämpften regelrecht darum, irgendwo Halt zu finden, damit sie nicht umher geschleudert wurden. Schreie und Flüche rangen mit dem Sturm um die Vorherrschaft im Truppenbereich.
Lenhim betete für sie alle, dass es ihnen gelang, den Absturz zu überleben.
Kalor und Klingen hatten nicht das Glück.
Klingen, bereits von einem Metallteil getötet, das seinen Kopf vom Rumpf getrennt und diesen in einer Blutfontäne zurückgelassen hatte, wurde durch das Schlingern des Transporters umgerissen und wirbelte Richtung Heckklappe, als diese aufsprang. Die Masse des Körpers, der immer noch in der Armaplast-Rüstung steckte, traf den anderen Gardisten und ließ ihn regelrecht von der Haltestange platzen, an die er sich geklammert hatte. Durch die wilden Bewegungen der außer Kontrolle geratenen Walküre wurden die beiden hilflosen Leiber brutal in Richtung Heck katapultiert.
Kalors Schreie verhallten im grausamen Brüllen des Winds, der durch die offene Heckluke in die Walküre vorstieß und an den Soldaten riss, versuchte, sie mit sich zu ziehen.
Schon kurze Zeit später begann die Walküre, unkontrolliert um die Längsachse zu rotieren.
Vor der offenen Heckluke verschwamm die Welt zu einem Kreisel, der mal auf, mal ab tanzte, bevor er sich entschied, nach Unten aus dem Blickfeld zu wandern.
Sie stürzten dem Erdboden entgegen.
Unglaubliche Kräfte zerrten an Lenhims Körper, versuchten ihn in alle Richtungen zu drücken und zu ziehen.
Er fühlte, wie sich sein Magen hob, um dann nur wenige Herzschläge später wieder zu fallen und scheinbar mit dem Gewicht von Erz auf seinen Unterleib zu drücken, bevor er wieder nach oben schnellte.
Lenhims Körper wurde gegen die Haltestange geschleudert und schlug mit dem Kopf an die Wand. Sein Headset knackte laut und zerbrach, bevor die Wut der Physik es irgendwo hin schleuderte.
Der Sergeant unterdrückte den Drang, seinen dröhnenden Schädel zu berühren. Dazu hatte er auch gar nicht die Möglichkeit, denn nur einen Augenblick später riss es ihn in die andere Richtung. Lenhim stöhnte auf, als seine eisern um die Haltestange geklammerten Arme seinen bodenlosen Fall unvermittelt stoppten. Heißes Kribbeln zog durch seine Hände, als er wieder der Wand entgegen stürzte und mit dem Oberkörper dagegen krachte. Luft wurde aus seinen Lungen gepresst und vermischte sich mit dem Rauch der brennenden Turbine, der durch die Rotationen des Sturmtransporters um die Walküre verteilt wurde, in den Truppenraum eindrang und den hilflosen Männern fast den gesamten Sauerstoff nahm.
Lenhim hörte jemanden irgendetwas brüllen, konnte jedoch nicht sagen, wer es war oder was er geschrien hatte. Wieder krachte er gegen die Wand und schnappte nach Luft.
Er würde sich nicht mehr lange halten können. Schon spürte der Sergeant, wie sich seine Finger vom Metall der Haltestange zu lösen begannen, während seine von der Belastung schmerzenden Arme sich verkrampften. Eigentlich hielt ihn nur noch sein Wille fest und zwang ihn, sich nicht dem Tod preiszugeben.
Die Piloten, dachte er. Warum reagieren die Piloten nicht?
Er hatte nicht mehr die Zeit, sich diese Frage zu beantworten.
Ohne Vorwarnung schlug die Walküre auf die Planetenoberfläche. Lenhim wurde von der Haltestange abgesprengt, in die Luft gehoben und durch die zerschmetterte Heckklappe aus dem Sturmtransporter geschleudert. Er glaubte, eine Ewigkeit in der Luft zu schweben, bevor er, begleitet von wilden Ruderbewegungen, wieder auf dem Erdboden landete und, von seinem Schwung getrieben, noch etliche Meter weiter rutschte.
Stoff und Haut rissen, als wären sie aus Papier.
Lenhim stöhnte auf. Zu Schreien war er gar nicht mehr in der Lage.
Vor seinen Augen dämmerte wohlige Dunkelheit gleich einem Nebel auf und verdrängte den unerträglichen Schmerz, den er verspürte.
Die trostlose, vom Treiben der Orks verwüstete Welt versank in Schlieren und für einige Zeit fiel der Sergeant in eine tiefe Bewusstlosigkeit, die sein Körper brauchte, um die schrecklichen Schmerzen fürs Erste zu betäuben.



Urheberrecht: Michael Minden, 2010



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