FINSTERE SCHATTEN
Iriel rannte...
Sie rannte so schnell wie sie konnte...
Es war stockfinster und sie sah nicht wohin sie rannte. Es war auch
unwichtig, denn sie wurde gnadenlos verfolgt.
Dornenranken peitschten über ihren nackten Körper und
rissen peinigende Wunden hinein, die ihr beinahe die Sinne raubten,
während sich ihr langes blondes Haar ständig in tiefhängenden
Ästen verfing und von ihrem Kopf gerissen wurde.
Ihr Atem ging schwer und sie war am Ende ihrer Kräfte, doch
die Angst trieb sie weiter. Gehetzt blickte sie zurück, denn
Iriel wusste, dass die Verfolger ihr dicht auf den Fersen waren.
Sie stellte aber erleichtert fest, dass niemand zu sehen war und
setzte ihre Flucht mit neuer Hoffnung fort. Diese wurde ihr jedoch
jäh geraubt, als sie vor sich das Ende des düsteren Waldes
und dahinter den gewaltigen Schatten eines Abgrunds erblickte.
Entsetzt blieb Iriel am Klippenrand stehen und schaute hinunter.
So weit sie in der Dunkelheit sehen konnte, tat sich vor ihr ein
einziges Trümmer- und Ruinenfeld auf. Es waren die Überreste
der Ersten Schlacht, des Ausbruchs des grausamen Krieges, der bisher
so viel Leid über ihr Volk gebracht hatte.
Ihre vollen Brüste erbebten unter den rasenden Herzschlägen,
als sie verzweifelt und erschöpft auf die wenigen blassen Sterne
über ihr blickte, die schwach durch das zerstörte Kuppeldach
leuchteten. Das Blut hämmerte in ihren Schläfen und kalter
Schweiß bedeckte ihre rosige Haut.
Doch da glaubte Iriel etwas am Himmel erkennen zu können, das
so unbeschreiblich finster war, dass es sogar den tiefschwarzen
Weltraum verdunkelte. Es war riesig und schob sich langsam über
den gesamten Himmel. Ein einsamer Stern nach dem anderen wurde von
der unnatürlichen Finsternis verschlungen, bis kein einziger
Lichtstrahl mehr in die verwüstete Kuppel gelangen konnte.
Iriel spürte wie sich ihr Körper verkrampfte, als sie
mit Unglauben die völlige Umschattung des Weltenschiffs beobachtete.
'Dies ist das Ende,' hörte sie sich stammeln. Eine einzelne
Träne rann über ihre zarten Wangen...
Ein plötzliches Knacken ließ Iriel erschrocken herumwirbeln.
Sie sah wie eine schattenhafte Gestalt durch das Dickkicht auf sie
zu kroch und bevor sie auch nur reagieren konnte, schoss plötzlich
eine kreisende, messerscharfe Metallscheibe durch die Luft und zertrümmerte
ihr linkes Fußgelenk.
Als die Sehnen und Nervenbahnen durchtrennt wurden, verlor Iriel
den Halt und stürzte mit einem Schmerzenslaut rückwärts
in die Dunkelheit des drohenden Abgrunds...
DÜSTERES ZWIELICHT
Als Iriel erwachte, war sie von völliger Dunkelheit umgeben.
Verstört und verängstigt richtete sie sich auf und blickte
um sich. Ihr Körper war übersät von Schürf-
und Schnittwunden, die sie sich vom Absturz geholt hatte und nun
höllisch zu brennen begannen. Langsam erinnerte sich Iriel
wieder an die Hetzjagd.
Es war eine alte und äußerst beliebte Tradition unter
den Verdorbenen. Iriel hatte von diesen blutigen Jagdspielen gehört,
Anthara, die zweite Liebessklavin ihres Herren ist vor vielen Jahren
so in seinen Besitz gekommen. Denn es ist der Brauch, dass alle
Sklaven eines verstorbenen Kriegsherrn freigelassen werden, um dann
von dessen nächsten Verwandten und Freunden gejagt und wieder
eingefangen zu werden. Auf diese Weise gibt es keinen Streit um
die herrenlosen Sklaven und sie können ihre dunklen Gelüste
befriedigen.
Iriels Herr, Kodhos Thyakran, einer der mächtigsten Lords des
dunklen Herrschers, war in einem Gefecht gegen die Reingebliebenen
gefallen, nachdem er und seine Krieger sich bei einem Raubzug zu
tief in ihre Territorien gewagt hatten.
Voller Trauer musste Iriel nun an Anthara denken. Sie konnte anfangs
gut mit ihr Schritt halten, doch im düsteren Wald begann sie
immer weiter zurückzufallen und ihre Verfolger kamen immer
näher. Einmal hatte Iriel sich zu ihr umgewandt. Obwohl graue
Nebelschwaden ihr die Sicht erschwerten, konnte sie im Zwielicht
ganz klar ihr Gesicht erkennen. Nie wird sie Antharas flehenden
Blick vergessen können. Angst, Furcht, Pein und Schmerz spiegelten
sich darin wieder, es war ein stummer Schrei nach Hilfe, doch sie
ist weitergerannt, ohne sich noch einmal umzuwenden. Selbst als
sie Antharas markerschütternden Todesschreie gehört hatte,
die die idyllische Stille des Waldes durchschnitten hatten. So verlangten
es die grauenvollen Bräuche der Verdorbenen - Sollte die Beute
keine spannende und belustigende Jagd geliefert haben, so steht
es dem Jäger zu, sie auf der Stelle töten zu dürfen.
Iriel konnte ein Schluchzen nicht mehr unterdrücken. Anthara
ist ihre beste Freundin gewesen und die Zeit nach ihrer Ankunft
war der angenehmste Teil ihrer langen Dienstzeit. Mit Trauer erinnerte
sie sich daran, wie sie sich nach den blutigen Lustspielen ihres
Herrn liebevoll gegenseitig die Wunden versorgten. Dabei erzählte
sie ihr immer von der Zeit vor dem Krieg und der Schönheit
einer Welt des Friedens und der Freiheit. Denn Anthara war jung,
sie war in dieser Welt aufgewachsen und kannte nichts außer
Tod und Gefangenschaft. Wie ihre kristallblauen Augen geleuchtet
haben, wenn Iriel ihr von den blühenden Gärten und dem
unbeschwerten Leben von damals berichtet hatte. Oft musste sie Antharas
endlosen Wissensdurst mit Erfundenem stillen, denn Iriel konnte
sich kaum noch an das Leben vor dem Krieg erinnern.
Sie war sehr jung als die Verdorbenen ihre Kuppel im Laufe der Ersten
Schlacht stürmten, ihre Eltern ermordeten und sie von ihren
Geschwistern trennten. Sie hatte die schrecklichen Massaker miterlebt,
die ihr neuer Herr, Kodhos Thyakran, angeordnet hatte und denen
unzählige Eldar zum Opfer gefallen sind. Vor einiger Zeit,
als Kodhos guter Dinge war, wagte Iriel es endlich, ihm die Frage
zu stellen, ob ihre Geschwister damals ebenfalls den Tod gefunden
hatten. Der grausame Lord antwortete ihr nur mit einem allessagenden
Grinsen... Der Tod ihres Herrn verängstigte sie später
wegen der bevorstehenden Hetzjagd, doch gleichzeitig empfand sie
dabei auch eine tiefe Genugtuung...
Erschrocken fuhr Iriel plötzlich aus ihren schweifenden Gedanken
und horchte. Sie vernahm das Klirren von herabstürzenden Steinen
- jemand war dabei, die Klippe herunterzusteigen!
Iriels Herz begann zu rasen und das Blut schoss ihr in den Kopf.
Blind umhertastend versuchte sie aufzustehen, doch ihr linkes Bein
war taub vor Schmerz. So zog sie sich langsam an einer verwitterten
Säule hoch, die sie neben sich vorfand.
Humpelnd und vor Anstrengung schnaufend schleppte sie sich mühevoll
durch die verfallenen Ruinen. Ihre Augen hatten sich inzwischen
an die Dunkelheit gewöhnt und sie konnte erkennen, dass sie
auf einer Erhebung stand, die einmal vor langer Zeit ein großes
Gebäude gewesen sein musste. Das Gelände war abschüssig
und Iriel versuchte vorsichtig weiterzugehen, als auf einmal der
Boden unter ihren Füßen nachgab und sie einbrach...
EIN SCHEIN IN DER DUNKELHEIT
Sie fiel tief und schlug hart auf. Ihr Absturz hatte viel Staub
aufgewirbelt, der ihr die Orientierung erschwerte, und Unmengen
an Geröll und Gestein mitgerissen, das nun verstreut auf dem
kargen Felsboden herumlag. Schwindelig und matt richtete sich Iriel
wieder auf und blickte nach oben. Doch aufgrund der Finsternis,
die sie umgab, konnte sie nicht erkennen, wo das Loch war, durch
das sie gestürzt ist. Da sie auch keine Decke sehen konnte,
folgerte sie, dass sie sich in einem großen unterirdischen
Gewölbe befinden musste. Rings um sie herum erkannte sie einige
umgefallene Säulen und Statuen, die mit uralten Symbolen und
Runen übersät waren - es musste sich hier um einen alten
Tempel handeln. Irgendwie ist damals dann beim Zusammensturz des
Gebäudes diese künstliche Höhle entstanden.
Iriel hoffte nur, dass sie einen Ausgang aus der Ruine findet und
schaute noch einmal dort hinauf, wo sich das Einsturzloch in etwa
befinden müsste. Jedenfalls, so dachte sie, war sie nun wenigstens
vor den Jägern sicher. Doch gerade als Iriel sich abwenden
wollte, sah sie zwei dunkelrot leuchtende Augen, die von oben durch
das Loch herabschauten. Sie fuhr erschrocken zusammen und warf sich
blitzschnell hinter einer der großen gebrochenen Säulen,
in der Hoffnung, dass ihr Verfolger sie in der Dunkelheit nicht
erkennen konnte und die Suche nach ihr aufgeben wird. Angespannt
kauerte sie hinter dem kalten Stein und erwartete jederzeit einen
Schatten, der aus der Finsternis auftaucht und sie niederstreckt.
Doch aus den ersten quälenden Minuten wurden bald lange Stunden,
und noch immer tat sich nichts. Bald atmete Iriel erleichtert auf
und begab sich vorsichtig aus ihrem Versteck. Sie schlich gebückt
ins Freie und schaute nochmal zur eigenen Versicherung nach oben.
Als sie dann unerwartet in die lauernden Augen des wartenden Jägers
blickte, blieb sie zuerst vor Schreck wie angewurzelt stehen. Ihr
Herz machte einen gewaltigen Sprung, als sie erkannte, in welcher
Gefahr sie sich nun befand. Fast schon gemächlich richtete
sich ihr unerbittlicher Verfolger auf und sprang behände durch
den Schacht. Dies löste Iriel aus ihrer Erstarrung, sie wirbelte
herum und rannte so schnell es ihr verletzter Fuß erlaubte
los. Hinter sich hörte sie wenige Augenblicke später ein
dumpfes Aufschlagen, das durch das ganze Gewölbe widerhallte
und von einem tiefen Knurren gefolgt wurde.
Panisch versuchte Iriel zu entkommen und rannte weiter blindlings
in die Finsternis hinein. Doch sie wusste, dass der Jäger mit
jedem Schritt aufholte...
Plötzlich wuchs vor ihr eine Felswand aus dem Schatten heraus.
Iriel bemerkte es zu spät und konnte ihren Lauf nicht mehr
rechtzeitig bremsen. So prallte sie gegen den harten Fels und blieb
benommen und taumelnd stehen. Als hinter ihr ein höhnisches
Gelächter erschallte, zuckte sie unwillkürlich zusammen
und drehte sich zu ihrem Verfolger um.
"Endlich ist die Jagd zu Ende, meine kleine Iriel," frohlockte er
und nahm seinen Helm ab, der mit scharfen Spitzen und Zacken bestückt
war. Iriel erkannte die Stimme und konnte im Zwielicht die Umrisse
eines wohlbekannten Gesichtes ausmachen. Es war Uried, einer der
engsten Freunde ihres früheren Herren. Uried galt als einer
der ruchlosesten und grausamsten Kriegsherren, schreckliche Geschichten
werden über seinen 'Verbrauch' von Sklaven erzählt. Kodhos
hatte Anthara vor einiger Zeit für eine Nacht an ihn ausgeliehen
- sie kam mit solch schlimmen Verletzungen zurück, dass sie
nahe dem Tode gewesen ist. Er also sollte ihr neuer Herr sein, was
sie nicht verwunderte, denn Uried galt aufgrund seiner Unnachgiebigkeit
und seines guten Instinktes auch als einer der besten Jäger.
Uried kam langsam näher und sie konnte ein schiefes Grinsen
in seinem Antlitz erkennen.
"Du warst eine gute Beute, meine Schöne. Kaum jemand hat es
bisher bis zu den Ruinen geschafft... Apropos: Es tut mir Leid wegen
Anthara, doch sie hat es nicht anders verdient. Sie war einfach
zu schwach..."
Iriel wich seinem bohrenden Blick aus und klammerte sich an die
brüchige Felswand. Als Uried ihre Brust mit seiner Hand berührte,
drückte sie sich noch fester an sie ran.
"Was ist? Du wirst dich schon sehr bald an deinen neuen Herren gewöhnen...
Hmmm, du fühlst dich sehr gut an... Jetzt weiß ich warum
mir der alte Kodhos dich immer vorenthalten hat. Ich glaube wir
sollten noch eine Weile hier bleiben, findest du nicht? Hier sind
wir sicherlich ungestörter als in meinem Palast."
Mit diesen Worten glitt seine kalte Hand zwischen Iriels Beine und
sein Gesicht näherte sich ihr langsam. Voller Hass blickte
sie in sein hässliches Antlitz und verkrampfte sich. Auf einmal
sah sie wieder Anthara vor sich, wie sie auf der Flucht war und
verloren um Hilfe flehte. Iriel konnte die angestaute Wut nicht
mehr zurückhalten und riss mit aller Kraft einen Felsbrocken
aus der Wand, mit dem sie dann Uried einen wuchtigen Hieb ins Gesicht
versetzte. Der dunkle Lord ging getroffen in die Knie und bedeckte
aufheulend sein Gesicht mit seinen Händen. Iriel packte den
Stein nochmal fest mit beiden Händen und schmetterte ihn mit
voller Wucht auf ihren verhassten Gegner, der dann stöhnend
zu Boden ging. Sie wusste, dass dies ihre letzte Chance war und
begann an ihm vorbei in die entgegengesetzte Richtung zu laufen.
Bald hörte sie Uried ihr hinterherschreien: "Das wirst du mir
büßen! Versuch nur zu entkommen, ich werde dich jagen
und wieder fangen! Und dann steht dir ein Ende voller Qualen und
Schmerzen bevor! Der dunkle Herrscher soll deine Seele verschlingen!"
Ihr Fuß brannte vor Schmerz, aber sie rannte unbeirrt weiter.
Doch auf einmal konnte sie in der Ferne einen schwachen Lichtschein
ausmachen.
GLEISSENDES LICHT
Der bläuliche Schein wurde vor ihr immer größer
und stärker. Bald war das Licht so hell, das ihre die Dunkelheit
gewöhnten Augen anfingen zu tränen. Hinter sich hörte
sie die verhallenden Schritte ihres unbarmherzigen Verfolgers, der
gnadenlos aufholte, und Verzweiflung befiel sie.
Doch als sie sich an die Helligkeit gewöhnt hatte, konnte sie
in der Ferne eine weitere Felswand erkennen. Doch diese Wand bestand
nicht aus Schutt und Geröll sondern stellte einen intakt gebliebenen
Teil des ursprünglichen Tempels dar. Die Mauer war übersät
von bläulich fluoriszierenden Runenschriften, die den hinteren
Teil des Gewölbes in ein sanftes Zweilicht hüllten.
Schnaufend kam Iriel vor der Wand zum Stehen und suchte angestrengt
nach einem Fluchtweg. Doch hier endete das Gewölbe und damit
auch ihre lange Flucht. Sie versuchte die Schriftzeichen zu entziffern,
doch viele Runen waren beschädigt und die Sprache war alt.
Ihre Gedanken rasten, Iriel wusste, dass ihr Vorsprung gegenüber
Uried nicht allzu groß war. Doch bald hatte sie die Runen
entschlüsselt:
'Selbst in hellstem Licht findet sich ein schwacher Schatten.
Denn das Böse schlummert nur, es kann nie völlig vergehen.
Selbst in tiefster Finsternis findet sich ein matter Lichtschein.
Denn die Hoffnung schwindet nur, sie kann nie völlig vergehen.'
Die alten Verse brachten Iriel kein Deut weiter, sie drehte sich
um und erwartete todesmutig ihr Ende. Schon trat eine dunkle Gestalt
in den blassen Lichtkegel hinein und plötzlich blitzte ein
langes Messer auf. Iriel ging unwillkürlich einige Schritte
nach hinten, während Uried mordlüstern immer näher
kam. Bald spürte sie die kalte Mauer in ihrem Rücken.
'Dieses Mal werde ich nicht so gnädig sein, Sklavin!' Mit diesen
Worten sprang Uried auf sie zu und wollte zustechen...
Doch auf einmal gab die Wand hinter Iriel nach und mit einem überraschten
Schrei stürzte sie rückwärts hindurch. Dann vernahm
sie nur noch, wie sich die geheime Türe wieder schloss und
wie Uried hasserfüllt gegen die Mauer schlug.
Das nächste was Iriel verspürte, war eine tiefe Stille
und ein unbeschreibliches Gefühl, wie als würde sie einen
endlosen Abgrund hinunterfallen. Die Zeit schien stillzustehen...
Dunkelheit umgab sie, doch ein kleiner weißer Lichtpunkt raste
auf sie zu und wuchs mit großer Geschwindigkeit an. Bald füllte
das gleißende Licht ihr gesamtes Blickfeld, und wenige Augenblicke
später hatte es ihren Geist erreicht und völlig überflutet.
In jenem Moment verschwand Iriels Geist für immer und verschmolz
mit etwas derart Großem, als würde ein winziger Wassertropfen
in das weite Meer fallen...
Uried tastete zornig die Wand ab und versuchte die alten Schriften
zu verstehen. Aber die verborgene Türe blieb verschlossen.
Nach einer Weile gab er es entnervt auf und steckte sein Messer
weg. Die Niederlage war bitter, noch nie zuvor war ihm ein Sklave
entkommen...
Doch da sah er aus dem Augenwinkel eine kleine Bewegung und wirbelte
kampfbereit herum. Die Geheimtüre hatte sich wieder geöffnet.
In ihr stand nun eine große Kriegerin, die eine weiß
glänzende Rüstung trug. Ihr kalter Blick ruhte auf Uried,
in ihrer Rechten hielt sie eine lange archaische Waffe, an deren
Spitze ein schimmernder Kristall thronte, und ihre Linke umklammerte
einen goldenen Stab, der in zwei geschwungenen Klingen endete.
'Wer im Namen des Dunklen Herrschers...?' stieß Uried verblüfft
aus, als er die fremde Kriegerin betrachtete. Er beendete seine
Frage aber nicht, da die Kriegerin sich plötzlich duckte und
zum Sprung ansetzte. Mit unglaublicher Kraft stieß sie sich
vom Boden ab und sprang auf ihn zu. Uried ließ sich so schnell
er vermochte zur Seite fallen, doch die Kriegerin hatte nicht beabsichtigt
ihn anzugreifen und flog weit über ihm vorbei.
Uried rollte sich ab und richtete sich behände wieder auf.
Er löste knurrend eine dornenbesetzte Peitsche von seinem Gürtel
und entrollte sie langsam. Die Kriegerin war verschwunden, er hatte
keinen Laut einer Landung vernommen. Verwirrt starrte er angespannt
in die Dunkelheit jenseits des blauen Zwielichts.
'Wo versteckst du dich? Komm heraus, dein Kopf wird eine schöne
Trophäe abgeben!'
Lauernd blickte er um sich und da sah er sie wieder. Die Kriegerin
stand regungslos im Halbschatten. Uried bleckte seine Zähne
und stürmte auf sie zu. Wenige Meter vor ihr holte er weit
aus und ließ die tödliche Peitsche mit einem lauten Knall
auf sie niederschnellen. Doch die energiegeladenen Lederriemen jagten
durch den Körper hindurch, als wäre er nur aus Luft. Verdutzt
verlangsamte Uried seinen Angriff und blieb vor der Gestalt stehen.
Ein leiser Fluch entwich ihm und er wandte sich von dem Trugbild
ab.
Aber auf einmal stand vor ihm die fremde Kriegerin, ihre Waffe war
auf ihn gerichtet. Bevor er reagieren konnte, schoss ein greller
Lichtblitz auf ihn zu, und obwohl er seine Augen schloss, wurde
er von der blendenden Lichtflut überströmt.
Uried heulte auf, bedeckte seine schmerzenden Augen mit der freien
Hand und taumelte geblendet zurück. Er schlug mit der Dornenpeitsche
wild um sich, denn er konnte seine Gegnerin nur noch verschwommen
erkennen. Diese sprang nun auf ihn zu und versetzte ihm mit ihrer
leuchtenden Klingenwaffe einen mächtigen Seithieb, der ihm
den Unterleib aufschlitzte. Mit dem Schwung des ersten Angriffs
wollte die Kriegerin eine volle Drehung vollziehen und den Gegner
mit einem weiten Rundumschlag köpfen. Trotz des schweren Treffers
konnte Uried aber nochmal mit seiner Peitsche ausholen und zuschlagen,
die den linken Fuß der weißen Kämpferin traf.
Obwohl der Treffer gering war, verharrte sie plötzlich in ihrer
anmutigen Bewegung und blickte auf ihren getroffenen Fuß,
als ob er schmerzen würde. Mit schmerzverzerrtem Gesicht umklammerte
Uried seinerseits keuchend seinen Bauch, der eine klaffende Wunde
trug, und richtete sich stöhnend wieder auf. Die beiden Gegner
starrten sich für einen kurzen Augenblick verwirrt an.
'Iriel?' entfuhr es Uried plötzlich.
'Iriel existiert nur noch in der Erinnerung. Genauso wie ihre Verletzungen!'
sprach die leuchtende Kriegerin, der Schmerz in ihrem Fuß
schien verschwunden zu sein.
Sie richtete ihre Waffe auf ihn und feuerte. Uried konnte dem gleißenden
Lichtstrahl im allerletzten Moment noch ausweichen, indem er sich
zur Seite abrollen ließ. Gleichzeitig schnellte wieder die
Dornenpeitsche hervor und wickelte sich um den Klingenstab der geheimnisvollen
Gegnerin. Uried zog mit aller Kraft daran, doch er musste feststellen,
dass sie um ein Vielfaches kräftiger war als er. Nur mit dem
linken Arm hielt sie ihm stand, die Peitsche war bis zum Reißen
gespannt.
Wieder richtete sie ihre Waffe auf ihn und eine Lanze aus Licht
schoss aus dem funkelnden Prisma. Dieses Mal war Uried zu langsam
und wurde von der Wucht des schweren Treffers gegen die runenbedeckte
Wand geschleudert.
Gebrochen stand er langsam wieder auf. Blut strömte aus unzähligen
Wunden und tropfte auf den heiligen Boden des Tempels. Mit einem
lodernden Blick zog er sein Langmesser und brüllte wie im Wahn:
'Verdammt seiest du! Komm her und spüre meinen Biss!'
Uried war überrascht, als die Kriegerin seinem Aufruf folgte
und sich zum Zweikampf stellte. Voller Hass stürzte er sich
auf sie, Funken stoben, als ihre Klingen kollidierten. Gespenstische
Schatten tanzten durch das Gewölbe, während ihre klirrenden
Hiebe von den Wänden widerhallten. Doch sie wehrte seine zornigen
Angriffe mühelos ab. Bald drehte der Sturmwind und Uried fand
sich in einem Hagel aus kreisenden Lichtblitzen wieder. Die Hiebe
und Schläge der Kämpferin prasselten auf ihn nieder, und
bald war sein blutüberströmter Körper mit unzähligen
Wunden übersät.
Verzweifelt sammelte er seine letzten Kräfte und holte zu einem
mächtigen Hieb aus. Die Kriegerin sah die Lücke in seiner
Verteidigung und stach zu. Die Klinge strahlte gleißendes
Licht aus, als sie durch Urieds Körper jagte. Während
er zu Boden sank, entwich ihm nur noch ein ungläubiges Röcheln.
Langsam zog die Kriegerin die Klinge wieder heraus, ein Schwall
warmen Blutes ergoss sich auf den kalten Steinboden. Doch sie gab
ihm nicht mehr die Gelegenheit, jämmerlich zu verbluten und
bereitete ihm einen schnellen Tod, indem sie ihn mit einem plötzlichen
Rundumschlag köpfte.
'Anthara ist nun gerächt...'
Der Gleißende Stern war endlich erwacht.
Die Armeen des Dunklen Herrschers marschierten bereits gegen die
letzten Bastionen der Reingebliebenen.
Das Volk von Tiêl-Shyar war in großer Not.
Doch selbst in tiefster Finsternis findet sich ein matter Lichtschein.
Denn die Hoffnung schwindet nur, sie kann nie völlig vergehen.