"... allen von uns hing seit dem Eindringen in die Kellergeschosse dieser faulig-feuchte Geruch nach Blut und Erbrochenem in der Nase. Die Männer des Trupps hielten sich erwartungsgemäß gut, trotz der Verluste von Mac Gregor und Temper." Van Hauser spähte vorsichtig um die Biegung des Tunnels.
Die Abteilung der PVS hatte auf dem Weg durch den oberirdischen Hauptkomplex schwere Verluste erlitten. Von den 45 Mann des Zuges waren nur noch 19 am Leben. Es machte den Einheimischen weit schwerer zu schaffen als den Gardisten, die für solche Missionen ausgebildet worden waren. Es waren harte Häuserkämpfe gewesen. Block für Block waren sie in den Verwaltungskomplex vorgedrungen, um den Anführer dieses Aufstands auszuschalten, um der Rebellion im Vorfeld die Führung zu nehmen.
Van Hauser verfluche die schlechte Aufklärung vor dieser Mission. Es hätte eine einfache Untersuchung auf mögliche Korruption der örtlichen Verwalter werden sollen. Niemand hatte vorher ahnen können, worauf sie hier getroffen waren.
Van Hauser lauschte ...
"Jackson, zu mir nach vorne." flüsterte er. Sein Funker hatte mit Abstand die schärfsten Sinne des Trupps. "Erkunden sie den Gang voraus" sagte er Jackson, als dieser bei ihm war. "Aye Sarge." Nach wenigen Momenten kam Jackson zurück und sagte der Gang wäre bis 250 Meter voraus frei, würde dann vor einer verriegelten Schleuse enden.
"Weiter geht's. Wir sehen uns das näher an."
Ihre klein geworden Streitmacht, angeführt von 8 Inquisitionsgardisten, bewegte sich durch den breiten, aber grob gehauenen, Tunnel. Keine Ecken, keine Nischen, scheinbar keine Verteidigungsmaßnahmen.
Van Hauser schaute sich um. Die Männer der PVS waren sehr angespannt. Die plötzliche Ruhe und die Enge dieses unterirdischen Ganges machten ihnen sichtlich zu schaffen. Das nervöse, hektische Umschauen nach jedem umgetretenen Steinchen. Die schwere, schnell gehende Atmung.
Van Hauser kannte diese Symptome. Er sah sie immer wenn örtliche Streitkräfte für solche Missionen herangezogen wurden. Und dieses hier waren nicht mal Garde-Soldaten. Echte Schlachten hatten sie noch nie gesehen.
Van Hausers Blick blieb, nach einem Schwenk durch die Runde, auf dem Truppführer der PVS liegen. Er ging sehr gebückt, mehr als er trotz seiner Größe von mindestens 1,90 hätte müssen. Sein langes schwarzes Haar hing ihm schweißdurchtränkt ins Gesicht und über den vollen Bart, der schon die ersten grauen Stellen hatte. Er musste mindestens 40 sein. Dorn heiß der Mann. Than Dorn erinnerte sich Van Hauser. Die eine Hand verkrampft um den Gewehrschaft, die andere zitternd am Griff.
Er schwitze weit mehr als es die Temperatur nötig gemacht hätte. Alle Symptome verrieten, wie nah er an den Grenzen seiner psychischen Belastbarkeit stand. Es passte Van Hauser gar nicht sich auf solche Leute verlassen zu müssen, aber was blieb ihm für eine Wahl.
Als seinem Trupp bei der Anfahrt auf den Komplex Abwehrfeuer aus dem unbefestigten Hauptgebäude entgegen geschlagen war, war klar, dass hier nichts mit Verhandlungen und Anklagen zu erreichen war. Solche Geschichten waren schon viel zu oft zu handfesten System-weiten Rebellionen geworden. Also hieß es schnell handeln, und diese Einheit der PVS war die einzige in Reichweite gewesen, um rechtzeitig Unterstützung zu leisten. Und sie kannten sich hier aus, was, so riet es Van Hauser seine Erfahrung, ein unschätzbarer Vorteil sein konnte.
Doch das alles bedeutete hier unten nichts mehr. Niemand von ihnen hatte geahnt welches Grauen, welch schreckliche Form von Korruption sie alle hinter der Schleuse erwartet hatte.
Jackson näherte sich dem schweren Stahlschott.
"Ramirez, versuchen sie ihr Glück" sagte Van Hauser. Sein Technikexperte machte sich sogleich an dem elektronischen Verschlussmechanismus zu schaffen. Nach ein paar Momenten gab das Schott ein mechanisches Rattern von sich. "Ich glaub ich hab´s Boss", gab Ramirez von sich. Mit Zischen öffnete sich die schwere Tür, und mit der ihnen eigenen militärischen Präzision stürmten die Gardisten die dahinter liegende Kammer, dicht gefolgt, wen auch weniger präzise, von den Leuten der PVS.
Dichter Dunst, der anfangs die Sicht auf alles verdeckte, hing in der Luft und derselbe organische Gestank, nur zigfach schlimmer, durchdrang ihre Atemgeräte. Einige der PVS, die nicht über diese Ausrüstung verfügten, übergaben sich unter Krämpfen auf den Höhlenboden. Nach und nach verzogen sich Teile des Dunstes in den Gang und gaben die Sicht auf die Abscheulichkeit in der Mitte der etwa 100 Meter weiten und 20 Meter hohen Halle frei.
Wimmern und Schluchzen war von einigen der PVS´ler zu vernehmen als sie des Schreckens gewahr wurden das sich im Herzen ihrer Heimat eingenistet hatte.
Die Wände waren komplett überwuchert mit organischem Gewebe und kreisum mit metergroßen Blasen behangen, unter deren Oberfläche sich Dinge bewegten, von denen Van Hauser gar nicht genau wissen wollte, was sie waren.
Doch ungleich Groteskeres und Schrecken erregendes befand sich in der Mitte der Halle. Aufgebläht auf einem obskuren Thron sitzend und an von der Decke hängenden organischen Gewebefasern befestigt sahen sie sich einer 3 Meter großen, 4-armigen mit chitinartigen Platten bewachsenen Gestalt gegenüber, die sie alle aus ihrem räuberisch breitem Gesicht anlächelte. Neben ihm eine in eine Kutte gehüllte Gestalt, den Kopf in einer Kapuze. Nur Menschen-groß aber, wie die Gestalt auf dem Thron, mit vier Armen, von denen 2 einen Stab hielten. Der Rest war unter der Kutte verborgen.
Um den Thron herumkniend, wie in einer verdrehten Nachahmung eines Gottesdienstes der Ekklesiarchie, waren Hunderte ekelhaft entstellte Gestalten, die nur mit viel Phantasie noch als einst menschlich zu erkennen waren. Alle hatten sie statt Haaren mehrere Reihen Platten auf dem Schädel und mehrere, mal 3 mal 4, Arme, die in Krallen bewährten Händen oder sensenartigen Klauen endeten. Alle aber waren wie eine schreckliche Kreuzung aus Mensch und dem Wesen das Sie verehrten.
Wie von einem einzigen Bewusstsein gesteuert, wanden sie alle zugleich ihre Köpfe in Richtung der Eindringlinge.
Einen einzigen Augenblick, nicht mehr als den Bruchteil einer Sekunde lang, der sich aber scheinbar für Minuten hinzog, herrschte Stille in der Höhle. Dann erhoben sich, unter schrecklichem Kreischen, die "Gläubigen" und stürmten auf den plötzlich sehr klein erscheinenden Trupp von tapferen Verteidigern der Menschheit zu.
"FEUER NACH EIGENEM ERMESSEN!!!" war Van Hausers einziger Befehl.
"Ein Symbiontenkult" dachte Van Hauser, als er und seine treuen Gardisten glühende rote Salven aus ihren HEL-Gewehren in die anstürmende Horde feuerten. "Ein verdammter Symbiontenkult".
Er war gut ausgebildet, und hatte in seiner langen Lehrzeit unter seinem Inquisitor von viele möglichen Formen der Korruption erfahren. Diese hier war eine der gefährlichsten, da sie, wenn nicht rechtzeitig entdeckt, den Tod nicht nur für den Planeten, sondern das ganze System oder gar große teile des Sektors bedeuten könnte, wenn sie eine Tyrannidenflotte anlockte. Diese hier war gerade noch im Aufbau begriffen und hatte sich noch nicht auf die offen lebende Gesellschaft dieser Welt ausgebreitet. Aber dennoch, dafür waren er und seine Männer nicht ausgerüstet. Zu wenig Männer, er dachte an seinen erbärmlich kleinen Trupp, zu wenig Unterstützung, er dachte an den kleinen Haufen PVS-Soldaten und viel zu leichte Waffen, er dachte an seine HEL und die normalen Laser-Gewehre der PVS´ler. Was ein einzelner Flammenwerfer alleine hätte bewirken können.
Dieses, und manch anderes, Verwünschungen, Flehen und Stoßgebete, dachte Van Hauser in den wenigen Sekunden die die Meute brauchte um die kurze Entfernung zu ihm und seinen Leuten zu überbrücken. "Viel zu wenige", dachte er noch,"viel zu wenige von ihnen sind im Gewehrfeuer gefallen. Wir sind so gut wie Tod". Es waren die letzten bewussten Gedanken, die er dachte, bevor seine trainierten Reflexe die Arbeit aufnahmen und seinem ersten Nahkampfgegner mit dem Gewehrkolben die Gesichtsknochen zertrümmerte. Trotz des Lärms des Nahkampfes, dem Geschrei der Kultisten, den eigenen Kriegsrufen, hörte Van Hauser seine Männer sterben. Das laute und dann schnell nur noch gurgelnde Schreien von Ramirez, das Gänsehaut verursachende Knacken des Schädels von Jackson, der eben noch neben ihm gestanden hatte. Schreien, Kreischen, Weinen und Wimmern war das Letzte, was er von den Männern hörte, mit denen er schon so viel er- und überlebt hatte. 2-mal so oft hörte er den Tod von Leuten, die er nicht kannte, und konnte damit sicher sein das auch die PVS den entscheidenden Unterschied in diesem Kampf erwartungsgemäß nicht machen konnten.
Er schoss eine Salve aus nächster Nähe in seinen Gegner, den es förmlich auseinanderschnitt, parierte einen gegen seinen Kopf geführten Hieb eines Klauenarms, duckte sich unter dem nächsten weg, um sofort einen Kultisten mit seinem Bajonett aufzuspießen....
Es konnte nicht mehr lange dauern, bis auch er fallen würde. Sie waren nach nur 1-2 Minuten des Kampfes höchstens noch zu zehnt. Er selbst, Jakobs und Kastring in den schwarzen Plattenpanzern der Inquisitionsgarde und 7 weitere in den grün-braunen Uniformen der PVS. Van Hauser blutete aus unzähligen Schnitten und Stichverletzungen. Auch hatte er ein paar unschöne Quetschungen infolge der Zangen-artigen Griffe der Klauenhände davongetragen. Sie hatten ihre Haut teuer verkauft, waren aber immer noch wenigsten 3 zu 1 in der Unterzahl und mittlerweile umzingelt.
Nur noch wenige Momente und sie alle würde ebenso tot sein wie die anderen.
"Achtung Hauser!"
Es war die stimme von Dorn, dem PVS-Truppführer. Van Hauser riskierte es und blickte für einen Augenblick über seine Schulter. Dorn stand in der Mitte des Kreises, den sie gegen den Ansturm der Kulstisten hielten und hatte ein Bündel aus großen Rohren in der Hand, zum Wurf bereit. "Sprengladung!!!" rief er laut und warf das Rohrbündel zur Höhlendecke. "Der alte Hund ist also nicht so unvorbereitet gekommen." dachte Van Hauser mit einem Lächeln. "Wenn die Höhle einstürzt sind wir alle Tod, aber das sind wir wohl eh. Und so wird keines dieser Abscheulichkeiten das Tageslicht wiedersehen."
Das Bündel Rohrbomben flog, von einem kräftigen Wurf beschleunigt, zur Decke bis außerhalb des Lichtscheins.
"Tapferer Soldat." dachte Van Hauser als gleißendes Licht, Hitze und Flammen die Kaverne fluteten.
Erst verschwommen und unklar, wie durch einen Schleier, dann, durch Schmerzen geschärft, kehrten seine Sinne zu ihm zurück. Schultern, Arme und Hals schmerzten schrecklich. Er ließ die Augen wandern. Die Höhle war wenigstens zu zwei Dritteln eingestürzt. Der Thron in der Mitte, mitsamt der widerlichen Gestalt, die darauf saß, war unter einem großen Brocken zerquetscht worden. Ähnlich war es großen Teilen der Kultisten ergangen. Viele waren gänzlich verschüttet oder zerquetscht, die Übrigen erschlagen von schwerem Schutt. Sein Blick wurde klarer und er erkannte einige Meter vor sich Than Dorn stehen, zitternd am ganzen Leib. Er hielt das Lasergewehr schlaff in den Händen und blickte in einer Mischung aus Entsetzen und Erstaunen in seine Richtung. Van Hauser bemerkte, dass etwas nicht stimmte. Er war eben erst wieder zu sich gekommen und stand doch schon aufrecht. Auch konnte er sich nicht so frei bewegen, wie er es gewohnt war. Langsam kam die Herrschaft über seine Sinne zu ihm zurück. Der Schmerz in seinen Armen und Schultern rührte daher, dass je eine kräftige, klauen bewährte Hand ihm beide Arme auf dem Rücken festhielt. Eine weitere Pranke hatte seine Haare gefasst und hielt seinen Kopf gestreckt.
"Was zum Horus ..." wollte er ausrufen als er durch die erste Bewegung seiner Kehle merkte, dass eine vierte Klaue ihm eine Klinge an den Hals hielt.
Neben seinem Kopf, gerade so noch in seinem Sichtfeld, erschien ein in eine Kapuze gehüllter Kopf, der mit Dorn sprach:
"...was hat denn der große Imperator je für dich getan Than? Zusammen können wir wieder aufbauen, was hier entstanden ist und eine Ordnung schaffen, in der alle gleich sind."
Van Hauser sah Tränen über Dorn´s Gesicht laufen.
Die Gestalt unter der Kutte sprach weiter: "Wolltest du nicht immer Teil von etwas Großem sein, BRUDER?"
Er hörte Than Dorn tief durch atmen. "Das bin ich bereits, beim Imperator", sagte Dorn. In dem Moment eines Wimpernschlages riss er das Lasergewehr hoch. Van Hauser sah, dass seine Hand nicht mehr zitterte als der Laserstrahl mit dem Fauchen einer Raubkatze an seinem Ohr vorbei in den Kopf des Monsters fuhr....