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STEIGENDER ANGRIFF

Die Mauern der Makropole sind so hoch, dass der Erdboden nicht mehr von oben zu sehen ist. Auf der Mauer bewegt sich eine einsame Streife in der Nachtluft. Viel ist nichts zu tun, aber genau so wenig zu sehen, denken die Menschen. Doch in Wahrheit sind sie genau an der Stelle, die einige Gestalten sich erhofft hatten. Diese Gestalten, kaum mehr als dunkle Schatten, befinden sich an der leicht nach außen geneigten Wand des Palastes und klettern langsam hinauf. Derish, der Exarch der Skorpionkrieger, bewegt sich gleichmäßig, schlägt die Handschuhe mit den verstärkten Spitzen immer wieder in den Fels der Mauersteine. Sein Blick ist starr nach oben gerichtet.
Endlich ist Derish an der Mauerkrone angelangt. Vorsichtig sieht er über den Rand und bemerkt die Menschen. Ein schneller Blick auf den Chronometer in der oberen Ecke seines Helmes zeigt Derish, dass nach den Voraussagen des Runenpropheten noch Zeit bleibt. Mit einem schallgedämpften Werkzeug schießt Derish einige Haken in den Fels der Mauer. Dann nimmt er das Seil um seinen Hüften und sichert sich an einen Haken. Von seinem Rücken nimmt er eine größere Spule, hakt das Seil ein und wirft die Spule in die Dunkelheit unter ihm. Dann drückt sich Derish gegen die Mauer und wartet.
Nach und nach kommen die Skorpionkrieger bei Derish an und sichern sich ebenfalls ab. Dann sind die letzten Spulen in die Untiefen der Makropole geworfen und alle Eldar machen sich so klein wie möglich. Währenddessen spannen sich die Seile und Derish weiß, dass die unten wartenden Eldarkrieger sich auf den Weg gemacht haben. Mit Seilzügen werden sie einzelnen Krieger der Aspekte die Strecke, die Derish und seine Krieger geklettert sind, zurücklegen. Jäger Asuryans, Feuerdrachen und Schwarze Khaindhar sind bereit die Mauer so schnell wie möglich zu besetzen, um der Gefahr zu begegnen, von der die Menschen dieser Welt noch nichts wissen. Derish konzentriert sich auf seinen Körper und lockert seine beanspruchten Muskeln. Er ist bereit für den Kampf. Bald wird es soweit sein. Bald wird er das Blut des Feindes von seinem Kettenschwert lecken können, wie zu dem Zeitpunkt, als er zum Exarchen wurde. Doch das Blut dieses Feindes würde ihm schmecken, denkt er und grinst.
Dann ist der Zeitpunkt gekommen. Die geschärften Sinne Derishs hören Schritte aus dem Turm kommen. Es sind keine schlurfenden Schritte von Menschen, sondern schnelle trippelnde Schritte von Termaganten. Die Wächter haben kaum Zeit zu reagieren, als die Tyraniden ihre Biowaffen abfeuern. Noch bevor die ersten Schreie der Menschen erklingen, hat Derish sich bereits auf den Gang geschleudert und sein Schwert aktiviert. Die hüfthohen Kreaturen zeigen kein Erstaunen, weil sie dazu nicht in der Lage wären. Wie ein Avatar schwingt Derish sein Schwert und feuert seine Shurikenpistole immer wieder ab. Obwohl immer mehr Termaganten aus der Tür des Turms kommen, stellt sich Derish der Flut entgegen. Auf dem schmalen Wehrgang behindern die Tyraniden sich gegenseitig, so dass Derish viele Wesen einfach über die Mauer schleudern kann. Selbst für diese Kreaturen wird der Aufprall auf dem Erdboden tödlich sein. Endlich feuern auch die Menschen ihre Lasergewehre ab. Weitere Termaganten fallen unter der Laserenergie aber die Flut ebbt noch nicht ab.
Plötzlich schlingen sich schleimige Tentakel um Derishs Hüfte und ziehen ihn in die Höhe. Ein Liktor ist unbemerkt auf das Turmdach gesprungen und hat nun interveniert. Kühl analysiert Derish seine Lage. Eine riesige Klaue schießt ihm entgegen. Da das Kettenschwert in die rechte Armschiene eingearbeitet ist, kann Derish die Klaue greifen und ablenken. Mit der Shurikenpistole feuert er auf einen Punkt, wo der Arm der Klaue mit dem Körper verschmilzt, ähnlich wie die Achselhöhle der Menschen. Der Shurikenstern durchtrennt mit Leichtigkeit Sehnen und Knochen, nicht abgeschwächt durch dicke Chitinpanzerung weil an dieser Stelle keine harten Platten sind. Der Liktor brüllt vor Schmerz und lässt Derish fallen. Der Exarch fällt auf leeren Boden, übersät nur mit Leichen der Termaganten, und rollt über die Schulter ab. Kaum steht Derish wieder auf seinen Beinen, steht der Liktor wieder über ihm. Mit der unverletzten Klaue schlägt die Kreatur nach Derish, der unter dem Hieb durch taucht und hochspringt. Mit dem linken Fuß tritt er in den Rumpf der Kreatur, um höher zu kommen, und hakt dann das rechte Bein über die "Schulter" des Liktors ein. Derish steht jetzt parallel zum Boden mit dem Rücken zum Torso des Tyraniden und schaut über die Schulter.
Für einen Augenblick treffen sich die Blicke des Skorpionexarchen und des Tyraniden. Der Skorpionexarch kann keine verständlichen Regungen in ihnen lesen.
Dann feuert Derish seinen Mandiblaster in das Gesicht der Kreatur ab. Kristallene Nadeln bohren sich in die Haut des Tyraniden, die nachfolgenden Laserblitze verdampfen das Material und wandeln es in Plasma um, das sich weiter in den Kopf arbeitet. Um die Vernichtung zu vervollständigen, holt Derish mit seinem rechten Arm aus, trennt den Kopf mit dem Kettenschwert ab und nutzt den Schwung, um in der Luft eine Drehung zu springen und auf beiden Beinen zu landen. Hinter Derish fällt die Leiche des Liktors in sich zusammen.
Für einige Momente bleibt Derish steif stehen. Dann dreht er sich um und mustert die Leiche. Der Liktor war ein interessanter Gegner.
Doch nun muss Derish weiterkämpfen. Tyranidenkrieger drängen durch die Tore des Turms, aber die restlichen Eldarkrieger haben sich bereits auf der Mauer verteilt. Shurikensterne, Melterstrahlen und Raketen fliegen an Derish vorbei und in die Tyraniden. Wären die Tyraniden zu menschlichen Regungen fähig, würden sie vor Angst zurückschrecken vor dem Anblick, den Derish bieten muss: über einem Liktor stehend mit einer Aura aus tödlichen Geschossen.
Dann bewegt sich Derish wieder. Er ist ein Skorpion, ein Exarch, er verkörpert brutale Kraft im Sinne des Kriegsgottes Khaine. Er würde sich heute noch Arbeit holen müssen.
Aber daran wird es nicht mangeln.



Urheberrecht: Jörg Nemitz, 2001



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