V
+++ Havarierter Raumfrachter 'Prometheus'
+++ Ebene VII, Planquadrat L8
Norehca lockerte seinen Schraubstockgriff, ließ die Schulter
des vor Ehrfurcht zitternden Mannes los und wandte sich ab, um seinen
Männern die weitere Vorgehensweise zu erläutern. Yelpir
lehnte sich erschöpft und ausgelaugt an die nächstbeste
Wand. Das kalte Stahl besänftigte die brennenden Schmerzen.
Das stramme Verhör hatte ihn viel Kraft gekostet, denn noch
immer lagen weite Teile der vergangenen Erlebnisse in düstere
Finsternis gehüllt. Aber er hatte dem Sergeant alles, woran
er sich noch erinnern konnte, berichtet. Die langwierigen Routineuntersuchungen
des Frachterwracks. Der plötzliche Tod Neilas. Nie würde
er jemals ihre entsetzlichen Schreie vergessen können. Yelpir
wusste ansonsten nur noch, dass er irgendwann einen der Kühlkomplexe
verbarrikadiert und die dortigen Klimakontrollen rekonfiguriert
hatte, um dort bis zu seiner Rettung auszuharren. Doch alles andere
verbarg sich in tiefer Vergessenheit. Bei jedem Versuch sich daran
zu erinnern, war es als ob sein Geist vor einer tiefen, unergründlichen
Höhle stehen würde. Er fürchtete sich vor dieser
Höhle. Er fürchtete sich davor sie zu betreten. Gar nur
von ihr zu denken. Er wusste, dass etwas hinter dem gnädigen
Schattenvorhang auf ihn lauerte. Etwas, das ihn in den Wahnsinn
treiben würde.
Ein Aufschrei von Bruder Senoj riss Yelpir aus seinen verworrenen
Gedankengängen.
"SERGEANT! Das Komm-Netz wird instabil. Die Verbindung zu
Sergeant Trebmals Trupp ist abgerissen!"
"Unmöglich! Die Geräte wurden noch vor dem Einsatz
von Techmarine-Brüdern gewartet."
"Es könnte Raumstrahlung sein, Bruder-Sergeant!"
"Oder Schlimmeres. Wann hat sich Bruder Trebmal zuletzt
gemeldet, Krub?"
"Bevor wir in den Kühlkomplex gestiegen sind. Laut
Anzeigen hat er den letzten Kampf von Corporal Rekraps Männern
mitgehört. Die Verbindung war ständig offen und stabil."
"Beim Imperator, was ist nur mit diesem Schiffswrack
los!? Es wird Zeit, dass wir dem ein Ende setzen, Männer!"
Es gab keine Widerrede.
"Wir begeben uns nun zum vereinbarten Treffpunkt Epsilon auf
Ebene XIV, Planquadrat Q8. Wir haben mit allem zu rechnen. Das Gebiet,
das wir durchqueren werden, wurde vom Exploratorenteam noch nicht
erfasst. Daher gilt: Äußerste Vorsicht! Wir werden uns
in kritischen Situationen mit Handzeichen verständigen müssen.
Unabhängig davon, ob wir unsere Brüder am Treffpunkt wiedersehen,
wird unser nächstes Ziel die Kommandobrücke sein. Vielleicht
können wir von dort aus eine Funkverbindung erstellen und Verstärkung
anfordern. Notfalls verschanzen wir uns dort und warten auf die
'Zornhammer'. Die Hauptstreitmacht müsste die Rebellion auf
Sedan Primus in einigen Tagen niedergeschlagen haben. Noch Fragen...?"
Die Space Marines blieben stumm. Yelpir trat langsam näher
und wollte sich zu Worte melden, doch als ihn die kalten Blicke
der fünf schwergepanzerten Übermenschen trafen, blieben
sie ihm im Halse stecken. Man hatte ihn wohl beinahe vergessen.
Er schluckte und räusperte sich.
"Entschuldigen sie, Sir! Anstatt die sieben Ebenen zu Fuß
hinunterzusteigen und noch mehr kostbare Zeit zu verbrauchen, empfehle
ich die Benutzung eines der Ladeaufzüge. Ich bin mir sicher,
dass ich alle Lifts reakti..."
Sergeant Norehca trat an Yelpir heran. Sein glasklarer Blick durchbohrte
ihn wie ein glühender Speer. Yelpir zögerte. Er hatte
ohne groß nachzudenken gesprochen. Der Einfall war ihm plötzlich
gekommen.
"Der Vorschlag ist gut. Wir werden nachsehen, ob der nächste
Lift einsatzbereit ist."
Sie setzten ihren Marsch unvermittelt fort. Yelpir benötigte
eine Weile, bis er sich wieder gefasst hatte. Es erfüllte ihn
mit Stolz, dass sein Rat von einem Space Marine angenommen wurde.
Seine Gedanken begannen während dem vorsichtigen Vordringen
in dunklen Korridoren und lichtlosen Hallen wieder zu kreisen. Er
stand erneut vor dieser Höhle. Kalte Angst kroch heraus und
kletterte an seinen Beinen herauf. Er fror. Er wollte umkehren,
diesen schrecklichen Ort für immer hinter sich lassen. Doch
es war ihm, als ob etwas ihn in die Höhle rufen würde.
Irgendetwas nagte an ihm. Irgendetwas zog ihn hinein. Doch er sträubte
sich dagegen. Er durfte es nicht zulassen. Dennoch ging er einen
Schritt auf den drohenden Höhleneingang zu. Sein Nacken brannte
lichterloh. Und plötzlich sah er eine dunkle Gestalt aus reiner
Finsternis vor ihm stehen. Die Silhouette verlor sich jedoch sofort
wieder in den unergründlichen Schatten des gähnenden Höhlenschlunds.
Yelpir wusste, dass die Antworten auf seine Fragen dort drinnen
verborgen waren. Doch die Erinnerungen waren vernebelt und unendlich
fern. Er wagte es nicht weiterzugehen. Er hatte Angst...
Ihr Weg führte sie schließlich zu einem breiten Gittertor.
Über ihm blinkte eine gelbe Signalleuchte und brachte in regelmäßigen
Abständen den weißen Schriftzug "LADELIFT BX03"
zum Vorschein. Sergeant Norehca winkte Yelpir herbei und deutete
stumm auf die Kontrollkonsole, die sich links neben dem Liftzugang
befand. Dieser hastete hin und betätigte einige der Tasten.
Gleichzeitig postierten sich die Space Marines an beiden Seiten
des Tors und blieben aufmerksam. Nach einer Weile blickte Yelpir
zu Norehca herüber und nickte wortlos. Der Sergeant nickte
zurück und ließ ihn den Rufknopf betätigen. Sofort
erscholl ein leises, allmählich anschwellendes Summen, als
der Aufzug aus einer der oberen Ebenen herabzusausen begann. Wenige
Augenblicke später konnte man durch das Gitter sehen, wie der
von leckenden Schläuchen übersäte Metallkasten ankam.
Mit einem Zischen öffnete sich daraufhin das Tor und die Signalleuchte
wechselte ihre Farbe zu einem hellen Grün. Die Marines durchleuchteten
und sicherten den Ladelift misstrauisch, bevor sie ihn schließlich
betraten. Yelpir folgte ihnen und gab auf der inneren Konsole ihre
Zielebene ein. Das Tor schloss sich ruckartig und die Kanzel setzte
sich langsam in Bewegung. Das Dämmerlicht des Eingangs, das
durch das Gitter in unzählige quadratische Lichtkegel geteilt
wurde, verschob sich nach oben, bis es völlig verschwunden
war. Finsternis durchflutete den Raum, die nur zweimalig einem matten
Schein weichen musste, als sie eine der spärlich beleuchteten
Ebenen durchquerten. Yelpir war in diesen Momenten fasziniert von
den Lichtquadraten, die tänzerisch über die stumpf glänzenden
Rüstungen seiner Mitfahrer huschten. Doch die meiste Zeit verbrachten
sie in Dunkelheit und Yelpir fühlte sich unwohl. Die Luft war
erdrückend und stank nach Metall, Öl und Benzin. Nichts
außer dem monotonen Summen des Aufzugs und den Atemgeräuschen
der Space Marines war zu hören. Wie gebannt starrte er auf
die leuchtende, von blassen Kondenstropfen bedeckte Positionsanzeige,
die sich immer nach einigen endlos scheinenden Augenblicken in die
nächsthöhere Zahl veränderte.
Ebene XI...
Die Sekunden verstrichen...
Ebene XII...
Die feine Servomotorik ihrer Rüstungen machte sich bemerkbar,
als sich die Space Marines aus ihrer Starre lösten und näher
an das Ausgangstor rückten.
Ebene XIII...
Der Aufzug wurde langsamer. Eine Armee heller Lichtflecke begann
von unten ihre Körper zu besteigen. Ein leerer Korridor kam
hinter dem verbogenem Gitter zum Vorschein.
Ebene XIV...
Das Tor schob sich fauchend beiseite, die Space Marines stürmten
hinaus und gingen in Stellung. Yelpir blieb im Lift stehen. Alles
verharrte in einer grotesken Erstarrung. Keine Bewegung. Stille.
Anspannung. Yelpir lauschte dem Hämmern seines Herzen. Doch
nichts geschah...
Nach einer Weile gab Sergeant Norehca per Fingerzeig den Befehl
zum Weitermarschieren. Yelpir atmete erleichtert auf.
Zehn Standardminuten später hatten sie den Treffpunkt, eine
großräumige sechsarmige Kreuzung, endlich erreicht. Keine
Spur von Sergeant Trebmals Trupp. Norehca versuchte die Komm-Verbindung
wiederherzustellen, doch die Leitung blieb tot.
"Bruder Enak, Tiefen-Scan der unmittelbaren Umgebung!"
Der angesprochene Marine aktivierte sein Auspex und begann die auseinanderlaufenden
Gänge damit abzutasten.
"Ich habe sie! Alle zehn Positionsmelder sind aktiv."
"Wo halten sie sich gerade auf?"
"Planquadrat R8. Lagerhalle AM009. Sie haben ihre Untersuchung
anscheinend noch nicht beendet. Einen Moment, Bruder-Sergeant...
Da stimmt etwas nicht, sie bewegen sich nicht!"
"Schnell! Vielleicht kommen wir noch rechtzeitig!"
Sie waren tot. Alle. Tot. Allesamt.
Norehca starrte grimmig auf die verstreut herum liegenden Leichname.
Die meisten lagen zusammengekrümmt hinter einer Kiste oder
einem Fass, den Bolter noch im Anschlag. Um sie herum Patronenhülsen
und Blutspritzer. Andere wiederum lagen auf dem Bauch oder auf dem
Rücken und sahen so aus, als würden sie lediglich ruhen.
Die Zeit schien den Todeskampf der Space Marines eingefroren zu
haben. Auf bizarre und perverse Weise wirkte die ganze Szenerie
irgendwie idyllisch.
Norehcas Miene verfinsterte sich zunehmend, während seine Männer
die gefallenen Brüder untersuchten. Anhand seiner Beobachtungen
und Analysen versuchte der Sergeant nun die vergangenen Ereignisse
zu rekonstruieren. Trebmal und seine Männer hatten zuletzt
eine kreisförmige Stellung eingenommen. Dies bedeutete, dass
sie ihren Gegner nicht lokalisieren konnten, und dass der Angriff
von ihm ausgegangen sein musste. Doch die Verteidigungslinie wurde
augenscheinlich nie durchbrochen. Die Ordensbrüder wurden einer
nach dem anderen aus der Distanz ausgeschaltet. Das passte nicht
zusammen. Dies war mit Sicherheit nicht das Werk eines Xenomorphen.
Bruder Senoj bestätigte sogleich Norehcas Annahme, als er ihm
den Helm eines Gefallenen präsentierte.
"Sehen sie sich das an, Sergeant: Ein glatter Durchschuss.
Das Projektil hat die Stirn von Bruder Enopa frontal durchschlagen,
Gehirn und Zentralmark zertrümmert und ist dann wieder am Hinterkopf
ausgetreten. Seltsamerweise habe ich es nirgendwo finden können.
Ebenso gibt es keinerlei Spuren vom Angreifer."
Norehca nahm den durchlöcherten Helm an sich und betrachtete
ihn eingehend. Bruder Namrog gesellte sich zu ihnen.
"Bei den anderen haben wir ein ähnliches Muster
entdeckt. Gezielte Schusswunden an kritischen Körperzonen,
jedoch keine weiteren Anzeichen, die auf den Einsatz von Schusswaffen
zurückzuführen sind. Unsere Brüder konnten keinen
einzigen Treffer erzielen. Der Feind muss sehr gut getarnt gewesen
sein und ist äußerst geschickt vorgegangen. Ich glaube,
dass es ein Hinterhalt gewesen ist, Bruder-Sergeant!"
Norehca löste seinen Blick von dem Helm. Ein dunkler
Schatten der Vorahnung war auf sein Antlitz gefallen.
"Ja, wir haben noch jemanden hier an Bord. Jemanden, der seine
Sache sehr genau macht und seine Fährten verwischt. Jemanden,
der scheinbar mühelos zehn kampferprobte Space Marines des
Imperators ausschalten kann, ohne eine einzige Wunde hinnehmen zu
müssen!"
Norehcas Stimme überschlug sich vor Zorn und Verbitterung.
Yelpir hatte nach dem Verlust von Rekraps Trupp nicht geglaubt,
dass sich die Gesichtsfarbe des Sergeants in einen noch stärkeren
Rotton hätte verwandeln können. Er hatte sich gründlich
geirrt.
"Es könnten auch mehrere gewesen sein..."
"Ja, eventuell... Dennoch..."
"Sergeant?"
"Nichts weiter... Wie steht es um die Progenoiddrüsen?"
"Sind bei allen zehn Gefallenen intakt geblieben."
"Gut. Mehr können wir hier nicht tun. Möge der
heilige Imperator sein ehernes Schild über ihre tapferen Häupter
ausbreiten. Wir werden sie rächen!"
Yelpir konnte nicht hinsehen. All die Toten, all das Blut... Böse
Erinnerungen erwachten aus ihrem tiefen Schlummer. Die Höhle
rief ihn wieder, lockte ihn, drohte ihn zu verschlingen. Er folgte
dem stummen Befehl. Finsternis umgab ihn, aber inmitten der umzingelnden
Schatten sah er ES wieder. Den Jäger. Yelpir starrte in seine
bleiche Totenmaske. Das Herz blieb ihm stehen. Sein Nacken glühte.
Sein gesamter Körper schrie danach, umzudrehen und aus der
Höhle herauszurennen. Doch er tat es nicht. Er konnte nicht.
Etwas berührte ihn an seiner Schulter. Es war der kalte Handschuh
eines Space Marines. Yelpir blickte auf. Die Totenmaske hatte sich
in den Helm eines Space Marines verwandelt. Es war Bruder Krub.
"Alles in Ordnung? Können sie weitergehen?"
Yelpir bemerkte, dass er auf dem Boden lag. Die Decke kreiste
über ihm wie wild. Ihm war schwindelig und speiübel. Trotzdem
log er: "Es geht... Nur ein kleiner Schwächeanfall..."
"Halten sie durch. Bis zur Kommandobrücke ist es
nicht weit."
Der Space Marine half ihm hoch. Yelpir taumelte zunächst,
aber es gelang ihm auf seinen wackligen Beinen stehen zu bleiben.
Dann setzten sie ihren Marsch fort. Die Totenmaske hatte sich jedoch
in Yelpirs Geist gebrannt und schwebte ihm unablässig vor den
Augen. ES folgte ihm.
VI
+++ Havarierter Raumfrachter 'Prometheus'
+++ Ebene XV, Planquadrat Z8, Kommandobezirk
"Achtung! Ich habe hier ein paar Echos im Vorfeld. Schwache
Anzeichen von Molekularverlagerung."
"In Deckung! Feuerbereitschaft!" befahl Sergeant Norehca
mit Zuhilfenahme einiger knappen Handzeichen. Zusammen mit Enak
und Namrog rannte er dann nach links und presste sich an die graue
Korridorwand. Bruder Enak legte sich vor ihm auf den Boden und robbte
ein kleines Stück vorwärts, während Namrog sich neben
ihm hinkniete. Alle drei hatten ihre Bolter im Anschlag und leuchteten
mit ihren Suchscheinwerfern nach vorne in das ungewisse Dunkel.
Yelpir rückte mit dem Rest des Trupps an der rechten Wand bis
zu der Einmündung eines Seitengangs vor, wo sie dann hinter
der Ecke in Deckung gingen.
Im Licht der Scheinwerfer konnte Yelpir am Ende des Korridors die
Schemen einer großen, offenstehenden Tür sehen, aus der
ihm schwach einige bunte Miniatursterne entgegenblinzelten. Es war
der Haupteingang zu der Brücke des Frachters. Die Distanz betrug
vielleicht gerade einmal 200 Meter. Aber da draußen war etwas,
das schienen sie alle zu spüren. Die unzähligen seitlichen
Abzweigungen des Hauptflurs wirkten wie gähnende Mäuler.
Nach einigen nervenzerreißenden Augenblicken meldete Bruder
Enak knapp und so leise, dass Yelpir auf der anderen Seite des Korridors
es mehr nicht verstehen konnte: "Echo verloren."
Norehca deutete mit ausgestrecktem Arm auf die offene Tür und
befahl: "Langsam vorrücken. Seitengänge kontrollieren."
Senoj und Krub, die neben Yelpir knieten, verstanden die Gestik
sofort, ohne den genauen Wortlaut der Befehle wirklich vernommen
zu haben.
Enak stand vorsichtig auf und ging geduckt voran. Er hielt sich
dicht an der Wand. Namrog und der Sergeant folgten ihm auf einigen
Metern Abstand. Auf der rechten Seite rückten Krub, Senoj und
Yelpir vor. Die ersten Seitengänge, die ihren Weg säumten,
erwiesen sich als leere Sackgassen.
Noch 175 Meter...
Heißer Schweiß tropfte von Yelpirs Stirn. Das Herz schlug
ihm bis zum Halse, und um ein Vielfaches schneller als Bruder Enaks
monoton piepsende Scanner.
Noch 150 Meter...
Eine große Kreuzung lag still vor ihnen. Norehca schickte
Enak vor, der Rest ging auf Feuerbereitschaft. Enak lugte vorsichtig
um die Ecke und durchleuchtete den kreuzenden Gang gründlich.
Dann gab er das Zeichen dafür, dass die Stellung sicher war.
Der Trupp setzte sich wieder in Bewegung.
Enak ging noch drei einsame Schritte weiter, seine letzten.
Denn mit einem beißenden Zischen schnellte plötzlich
neben ihm die Stahlwand empor, als eine verborgene Tür geöffnet
wurde. Heraus schoss eine riesige Klaue, die den überraschten
Space Marine senkrecht aufspießte.
"FEINDKONTAKT!!!"
Sofort eröffneten seine Brüder das Feuer. Die Klaue wurde
blitzschnell wieder zurückgezogen und verschwand in der schwarzen
Öffnung. Sergeant Norehca löste eine Sprenggranate von
seinem Gürtel, zog die Sicherung mit gebleckten Zähnen
heraus, und schleuderte sie im Vorbeilaufen hinterher.
"GRANATE! IN DECKUNG!"
Das Feuer brach abrupt ab. Die Marines warfen sich flach hin, der
untätige Yelpir wurde von Senoj mit zu Boden gerissen. Er hielt
seinen Kopf unten und biss die Zähne zusammen. Eine einsame
Sekunde später erfolgte die Detonation. Boden und Wände
vibrierten durch die Explosion.
Yelpir blickte zaghaft auf. Grauer Dunst strömte aus der Öffnung.
Totenstille, wenn nicht das Klingeln in seinen Ohren gewesen wäre.
Dann ein markerschütterndes Kreischen. Ein gewaltiger Körper
schob sich durch die Tür ins Freie und zerfetzte die blassen
Nebelschwaden.
"FEUER FREI!!!"
Das Mündungsfeuer der Bolter tauchte den Korridor in ein Blitzgewitter,
während das Stakkato der Salven vielfach verstärkt von
den Wänden widerhallte. Ungeachtet ihrer Verwundungen stürmte
die Bestie vorwärts. Pfeilschnell schoss etwas Hakenfömiges
aus ihrer Brust und bohrte sich in den Unterleib von Bruder Krub.
Der Fanghaken zog den unablässig weiterfeuernden Space Marine
direkt vor das Angesicht des Ungetüms, wo er dann von mehreren
Hieben durch die zwei mächtigen Klauenarme in Stücke gehackt
und zerfleischt wurde. Norehca steckte die Boltpistole ein und zog
sein Kettenschwert.
"Yelpir, rennen sie so schnell wie sie nur können!"
Yelpir brauchte eine Weile, bis er den einfachen Befehl verstanden
hatte und seinen Blick von den zuckenden Körperteilen des zerstückelten
Kriegers lösen konnte. Dann wirbelte er endlich herum und rannte
los.
Noch 125 Meter...
Der vielgliedrige Körper des Xenomorphen erbebte unter den
unzähligen Einschlägen der Boltgeschosse, die auf ihn
einprasselten. Eine der beiden Sensenklauen hing schlaff herunter.
Rosarotes Blut spritzte auf Boden und Wände.
"Feind als Liktor klassifiziert," erklang die beiläufige
Bemerkung von Bruder Senoj.
Noch 100 Meter...
Yelpir wagte es nicht zurückzuschauen. Er hielt die Rettung
verheißende Tür fest im Blickfeld.
Der Liktor schien die tiefen Wunden mühelos wegzustecken und
stürzte sich mit einem ohrenbetäubenden Gebrüll auf
die drei verbliebenen Marines. Norehca konnte sich noch rechtzeitig
zur Seite abrollen, doch Namrog wurde von dem anstürmenden
Monstrum umgerannt. Er ging zu Boden und verlor seine Waffe. Gerade
als er sich wieder hochstemmen und nach dem Bolter greifen wollte,
war der Liktor schon über ihm. Der Xenomorph rammte ihm seine
Beinkrallen in den Rücken und drückte ihn nieder. Dann
fuhr die gesunde Sensenklaue wie ein Donnerblitz senkrecht in das
Genick des zappelnden Space Marine.
Noch 75 Meter...
Yelpirs Lungen schmerzten bei jedem Atemzug wie von tausend Nadeln
gestochen. Er vernahm einen heiseren Kampfschrei.
Norehca sprang auf den stacheligen Rücken des wütenden
Gegners, der noch über seiner erschlagenen Beute thronte. Sein
Kettenschwert heulte auf und schnitt sich mit einem zerquirlendem
Geräusch in das dunkle Fleisch der Bestie. Der gepeinigte Feind
gab einen schrillen Schmerzenslaut von sich und versuchte den Angreifer
abzuschütteln. Blutige Hautfetzen und Knochensplitter flogen
aus der tiefen Wunde, die Norehca in ihn hineingrub. Bruder Senoj
stellte das Feuer ein, um ihn nicht noch zusätzlich zu gefährden.
Noch 50 Meter...
Yelpirs Atem flog. Nasses Haar klebte auf seiner Stirn. Beinahe
wäre er im vollen Lauf ausgerutscht und hingefallen, doch er
konnte sich noch taumelnd an der glatten Wand festhalten. Beim Aufprall
verstauchte er sich die rechte Hand, doch er merkte es nicht einmal.
Er rannte blindlings weiter ohne sich umzudrehen.
Der Liktor warf sich rücklings gegen die Wand, um seinen Gegner
endlich loszuwerden. Der Kopf des Sergeants schlug hart gegen den
Stahl auf und der Schädelknochen brach. Er verlor den Halt.
Befreit von dem garstigen Stachel in seinem Nacken richtete sich
der Liktor wieder zu voller Größe auf. Trotz der klaffenden
Verwundungen und der zerschundenen Glieder loderte noch immer ein
heißer Blutdurst in den grausamen Augen. Senoj eröffnete
sofort wieder das Feuer auf ihn und wich einige Schritte zurück.
Die Sprengmunition riss gewaltige Löcher in die bereits zersiebte
Haut des Geschöpfes. Wutentbrannt drehte es sich um und holte
zu einem mächtigen Schlag aus. Senoj pumpte unablässig
eine Salve nach der anderen in die kreischende Todesgestalt, doch
sie schien unaufhaltsam. Sein Todesschrei hallte durch durch den
blutüberströmten Gang.
Noch 25 Meter...
Yelpir ignorierte den Schrei und seine brennende Beinmuskulatur.
Er hatte nur noch eines im Sinn: Die Tür. Die Rettung. Die
rettende Tür. Sie war so nahe. So nah...
Der Xenomorph wandte sich um und geiferte seinen letzten verbliebenen
Gegner an, der sich eben wieder erhoben hatte. Norehca spuckte Blut
und Speichel. Blut sickerte aus seiner Kopfwunde. Sie starrten sich
an. Dann stürmten sie aufeinander los. Im vollen Lauf zog Norehca
seine Boltpistole und feuerte. Gleichzeitig setzte der Liktor zu
einer Sprungattacke an. Wie in Zeitlupe sah Norehca das Ungetüm
auf sich zufliegen. Er schleuderte die Pistole fort, packte sein
Schwert mit beiden Händen und brüllte ihm mit grimmiger
Miene seinen Hass entgegen.
GESCHAFFT!
Yelpir flog förmlich durch die offene Tür. Sein Herz vollführte
Freudensprünge der Erleichterung. Die Erschöpfung überwältigte
ihn. Er sank nach Luft ringend zu Boden.
Und er bemerkte nicht, dass er nicht alleine auf der Brücke
war...
FORTSETZUNG FOLGT...