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SKALTRA INFERNUM 1

Dicker öliger Rauch hing in der Luft. An mehreren Stellen brannte es und die nervös tanzenden Flammen warfen ein flackerndes, unwirkliches Licht auf die breite Strasse der Makropolstadt Labour-1. Von irgendwoher kam ein dumpfes, rhythmisches Geräusch, das die Erde erbeben ließ. Es mussten die großen Stahlwerke sein, welche nun neue Waffen für die Verräter produzierten. Und Labour-1 war der Schlüssel zu diesen Fabriken. Es war das oberste Ziel, Skaltra Infernum komplett zurückzuerobern, koste es was es wolle.
Geduckt rannte ein Zug des Todeskorps von Deckung zu Deckung, während ein Waffenteam in den Trümmern eines Gebäudes in Stellung ging, um den weiteren Vorstoß zu decken. Wie aus dem Nichts fegte plötzlich die Salve eines schweren Bolters über die Strasse und die Nachhut des Zuges wurde in blutige Stücke zerfetzt. "Verdammt! Alle in Deckung!" schrie Leutnant Palmer und warf sich auf den staubbedeckten Boden. Seine Gedanken rasten. Sie steckten schwer in der Klemme, das wusste jeder Soldat des Zuges. Palmer seufzte. Dabei hatte alles so gut angefangen. Das Todeskorps war ungehindert auf Skaltra Infernum gelandet und die ersten vier Kompanien waren wie ein Wirbelwind durch Labour-1 gefegt. Palmer erinnerte sich noch gut daran. Sie hatten große Teile der untersten Stadtbereiche zurückerobern können, ohne auf nennenswerten Wiederstand gestoßen zu sein. Bis vor drei Tagen. Da waren die ersten Verrätermarines aufgetaucht. Obwohl es nur wenige waren, hatten sie große Lücken in die vier Kompanien gerissen, bevor sie besiegt werden konnten. Trotzdem war der Sturmangriff ins Stocken geraten. Der Wiederstand war nun härter geworden und die Kultisten verteidigten jeden Meter der Makropolstadt, indem sie sich selbstmörderisch auf die imperialen Soldaten stürzten.
"Wo sind die verfluchten Bastarde?" rief Palmer und lugte aus seiner Deckung hervor. Sofort hagelte es Boltergeschosse und er zog hastig den Kopf zurück. Seine Kommandoabteilung hatte mittlerweile zu ihm aufgeschlossen und sicherte die nähere Umgebung. "Verfluchte Scheiße," grollte Sergeant Vreck, ein stämmiger Hüne, und schob eine frische Energiezelle in sein Lasergewehr. Erneut strich eine Salve über ihre Stellung. Sie durften sich hier nicht festnageln lassen oder sie waren verloren. Nur unbewusst vernahm Palmer die Schreie weiterer Verletzter, die sich in ihrem eigenen Blut wanden. Keiner konnte ihnen helfen, oder er war ebenfalls tot. "Noch immer keine Verbindung?" fragte der Leutnant und fummelt an seiner Gasmaske herum. Sein blutjunger Funker schüttelte niedergeschlagen den Kopf. Obwohl das Gesicht des Funkers verborgen blieb, spürte Palmer seine Angst und er nickte ihm aufmunternd zu. So wie er es in den vergangen Tagen immer und immer wieder getan hatte.
Mittlerweile hatte sich Vreck im Schutz von Trümmern einige Meter nach vorn gearbeitet. Er feuerte einige Schüsse ab und spähte dann kurz über die zerbrochenen Stücke eines imperialen Adlers: "Sir, ich hab' sie! Auf 10 Uhr, hundert Meter Entfernung! Im dritten Stock!" Palmer nickte grimmig und spurtete los. Boltergeschosse rissen kleine Krater in den Asphalt und die herumfliegenden Splitter durchlöcherten den grauschwarzen Mantel des Leutnants. Schwer atmend warf er sich hinter einen ausgebrannten Wagen und sondierte die Lage. Da waren sie! Die Kultisten hatten sich in einem mehrstöckigen Wohngebäude verschanzt. Matt schimmerte der Lauf des Bolters im Schein der Feuer. Palmer fluchte leise. Wenn sie besser aufgepasst hätten, wären sie nicht in diese Lage gekommen. Doch nach drei Tagen Dauereinsatz waren die Sinne abgestumpft. Palmer wusste, dass es nur eine Möglichkeit gab. Sie mussten das Gebäude stürmen, sonst konnten sie nicht weiter vorrücken. Tief durchatmend betätigte er den Schalter seines Kehlkopffunkgerätes: "Zuhören! Schaffen sie ihre Männer zu mir, Hunt. Die anderen geben uns Feuerschutz. Los, los, los!" Das Waffenteam des Zuges begann zu feuern und die Strahlen der Laserkanone rissen ganze Mauerstücke aus der Fassade. Staub wirbelte auf und verdeckte die Sicht. Ein zweischneidiges Schwert, wie Palmer wusste. Hinter sich hörte er das klappern schwerer Stiefel. Es war Sergeant Hunt mit seinen Männern. Palmer nickte ihm zu und rannte los. Noch immer feuerte die Laserkanone und die Feuerunterstützung der Soldaten liessen den feindlichen Bolter schweigen.
Unbeschadet erreichten sie den Eingang des Gebäudes. Der Leutnant zog sein Kettenschwert und eine uralte Plasmapistole. Ein vergilbtes Reinheitssiegel flatterte in einem schwachen Luftzug. ‚Hoffentlich wirken die Gebete noch,' dachte er und gab das Zeichen zum Sturm. Zwei Kultisten in roten Roben richteten sich erschrocken auf. Sie hatten nicht damit gerechnet, dass sie es bis hierher schafften. "Blut für den Blutgott, Knochen für..." begann einer zu kreischen, doch ein gleißender Plasmastrahl brachte ihn zum Schweigen. Der andere Kultist wurde von mehreren Laserstrahlen durchbohrt und sackte zuckend in sich zusammen. Vorsichtig schlichen die Männer vorwärts und säuberten die erste und zweite Etage. Sie begegneten niemandem mehr. Es schien so, als sei nur noch die Besatzung des schweren Bolters übrig. Leise bewegten sie sich zur Treppe und stiegen hinauf. Sie gelangten in einen schmalen Korridor mit mehreren Türen. "Lassen sie Zweiergruppen bilden, Sergeant," flüsterte Palmer. Hunt nickte und gab den Befehl so leise wie möglich weiter. Nachdem sich die Soldaten vor den Türen postiert hatten, wurden sie der Reihe nach geöffnet, doch die Räume waren leer. Nur ein vergessenes Kleidungsstück oder ein verkohltes Stofftier zeugte noch von den ehemaligen Bewohnern dieses Gebäudes. Es blieb nur noch eine Tür übrig, die zu einem Zimmer auf der Straßenseite führte. Palmer stieß sie auf und erstarrte. Etwa zwanzig Kultisten hatten sich um den schweren Bolter herum verschanzt. Der Leutnant gab mehrere ungezielte Schüsse ab und warf sich aus der Türöffnung. Dort wo er eben noch gestanden hatte, schlugen zahlreiche Laserstrahlen in die Wand. "Sir, was ist das für ein Piepen?" fragte Hunt beunruhigt. Irritiert blickte Palmer auf seine Plasmapistole hinab. Eine rote Warnleuchte blinkte hektisch. "Überhitzung!" schrie er und warf die Pistole durch die Tür. Es war keine Sekunde zu spät. Eine Explosion erschütterte das Gebäude und mehrere verkohlte Körperteile flogen auf den Korridor. "Stürmen!" schrie Palmer und sprang auf. was im Raum noch lebte, wurde gnadenlos niedergemacht. "Verfluchter Abschaum," knurrte Hunt und trat auf die Leiche eines Kultisten in PVS-Uniform ein. Der Leutnant zog sich seine Gasmaske vom Kopf und zündete eine Zigarette an. "Wir bleiben hier, Sergeant. Lassen sie die anderen Soldaten holen. Bevor wir weiter vorrücken, muss ich Verbindung zum Oberst haben." Hunt nickte und machte sich an die Arbeit. Er postierte Wachen an strategisch wichtigen Punkten und stellte einen Trupp zusammen, der das Gebäude gründlich durchsuchen sollte.
Währenddessen setzte sich der Leutnant an einen Tisch und breitete eine Karte der untersten Makropolstadtebene aus. Stirnrunzelnd trug er die neue Position seiner Einheit ein und fragte sich, wo die anderen Züge abgeblieben waren. Er fuhr sich durch das kurzgeschorene, braune Haar und inhalierte den Rauch seiner Zigarette. "Sir! Ich habe Kontakt!" rief der Funker. Palmer sprang auf und riss ihm den Hörer aus der Hand. "Hier Leutnant Palmer, Oberst. Ich erbitte neue Befehle." Er wischte sich nervös den Schmutz aus seinem bleichen, vom Schlafmangel gezeichneten Gesicht. "Sie leben? Wir haben sie schon abgeschrieben. Wo zu Teufel sind sie, Palmer?" krächzte Oberst Millers Stimme aus dem Funkgerät. Palmer atmete auf: " Wir sind auf Befehl in den Sektor A-9 vorgerückt, Sir. Ich erbitte Befehle für weiteren Vorstoß." Die Verbindung verschlechterte sich rapide und kurz bevor sie ganz abriss glaubte Palmer, Millers hysterisches Gelächter zu hören. Er zündete eine neue Zigarette an und lauschte auf das Rauschen des Funkgerätes. Dann, ganz plötzlich war Miller wieder da, wenn auch von Interferenzen gestört: "---erhole. Ziehen sie sich umgehend ---ück! Sie--- auf feindlichem Territorium. Erwarten ---enschlag in den nächsten fünfz--- ---unden. Unsere Posi--- ---tor A-3. Miller end---." Palmer musste sich setzen. "Wir sind abgeschnitten," sagte er lakonisch. Er schnippte die Asche seiner Zigarette auf den Boden. Langsam deutete er auf die Karte: "Wir sind hier. Das Hauptquartier befindet sich neu in Sektor A-3. Das sind mehr als zehn Kilometer durch zurückerobertes Gebiet!" Vreck schüttelte den Kopf: "Das können wir nicht schaffen, Sir." Der Leutnant nickte, sagte aber nichts. Was sollte er tun. Hier bleiben bedeutete ebenfalls den sicheren Tod.
Aufgeregt stürmte Sergeant Hunt in den kleinen Raum. "Sir, das Erkundungsteam hat im Keller etwas gefunden." Hinter ihm traten drei Soldaten ein. Palmer erhob sich: "Bitte." Einer der Männer trat vor: "Sir, wir haben eine Luke gefunden, die ins Fundament der Makropolstadt führt. Der Schacht war nicht eingezeichnet. Ein kurzer Erkundungsgang hat uns zu einer Kreuzung geführt, von der aus mehrere Korridore weiter in die Tiefe führen." Palmer beschloss, sich die Sache selbst anzusehen und folgte den Männern in den Keller. Nachdenklich betrachtete er die geöffnete Luke. Eine eiserne Leiter führte in pechschwarze Dunkelheit hinunter. Kalte und faulig riechende Luft strömte aus dem Loch. Plötzlich drang Motorenlärm in den Keller und eine Wache meldete sich durch das Kehlkopffunkgerät: "Sir, sie kommen! Hunderte... nein tausende von Kultisten marschieren auf unsere Position zu!" Palmer atmete tief ein. Das mussten die Truppen für den Gegenschlag der Verräter sein. Er warf die Zigarette fort und setzte die Gasmaske auf. Langsam griff er nach der eisernen Leiter: "Folgt mir. Das ist unsere einzige Chance." Bedächtig kletterte er in die Dunkelheit hinab. Was würde ihn und seine Männer im unerforschten Fundament erwarten?



Urheberrecht: Stefan Bernhard, 2002



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