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DIE FLUCHT

"Können sie nicht schneller fahren?!" Konfessor Erich Thadeus, Mitglied des inneren Zirkels des Ordo Militaris des Adeptus Sororitas, blickte gehetzt über seine Schulter auf den hinteren Monitor der Fahrerkabine.
Die Chimäre raste mit 90 Meilen über die schlecht ausgebaute, bucklige Piste Richtung Deus Victus. Der Transporter bockte und rumpelte und warf die Besatzung gehörig durcheinander. "Wenn ich schneller fahre springen uns die Ketten ab!" Der Fahrer, ein stämmiger Mann mit gegerbtem Gesicht und der Uniform für Militärisches Hilfspersonal versuchte ruhig zu bleiben. Während er wie wild am Steuerhorn des Kettenfahrzeugs hantierte.
Thadeus nahm den Platz des Beifahrers ein. Der Richtschütze hatte in dem kleinen Gefechtsturm Platz genommen, aber durch die enge Konstruktion des Vehikels konnte Thadeus Unterleib und Beine des Mannes sehen, der keine 50 Zentimeter von ihm entfernt, auf dem erhöhten Kanonierssitz, hinter dem Fahrer trohnte. Wieder hetzten die Augen des Konfessors zum hinteren Sichtmonitor. Seine Finger krallten sich um die Haltestange rechts von ihm, so dass seine Fingerknöchel weiß hervor traten.
Er sah ein Bild des Grauens. Das imperiale Camp, welches den Planetaren Verteidigern als neues Basislager für Störangriffe hinter den feindlichen Linien dienen sollte, hatte sich in ein loderndes Inferno verwandelt. Flammen schlugen in den grauen Morgenhimmel und tauchten das Camp in schemenhaftes, rotes Licht.
Die Eldar waren gekommen.
Gekommen im Morgengrauen, und hatten den Plan innerhalb von 20 Minuten zerstört. Thadeus sah Dutzende Körper zwischen den zerfetzten Zelten liegen. Die verdrehten Wracks zweier mächtiger Leman Russ Kampfpanzer spien grotesken, öligen Rauch in die Atmosphäre. Der Truck, der Gestern mit Versorgungsgütern gekommen war rumpelte über die von Feuern und Schüssen erleuchtete Kaserneneinfahrt.
Thadeus sah die Explosion. Obwohl er nichts hörte spürte er buchstäblich wie die weißen Flammen der Detonation blütengleich unter dem Truck hervorschossen. Das Fahrzeug schlingerte, kippte zur Seite und rutschte noch einige Meter die Einfahrt entlang. Sofort sprangen die schemenhaften Gestalten von dunkelgepanzerten Aspektkriegern auf das Fahrzeugwrack. Sie feuerten mit ihren Shurikenpistolen aus kürzester Distanz in die Fahrerkabine und warfen einige Plasmagranaten auf die Ladefläche. Die Folgedetonationen rissen den Truck in zwei Teile, die brennend und wie Kreisel davon gewirbelt wurden...
Die Chimäre bockte plötzlich, und Thadeus wurde nach vorn auf die Beifahrerkontrollen gepresst. "Hey! Was soll...?" Er konnte sich die Frage selbst beantworten. Auf dem Sichtschirm konnte er die Umrisse zweier schwarzer Vyper-Fahrzeuge der Eldar sehen. Leichtgepanzerte, doch ernstzunehmend bewaffnete Sturmvehikel. Thadeus stockte der Atem. Langsam entschwand das Camp aus seinem Sichtbereich, und nur der blutrot gefärbte Abendhimmel zeugte noch davon, dass die Eldar immer noch unbarmherzig zwischen den Kasematten randalierten. Der Konfessor wusste, dass sie niemand am Leben lassen würden. Niemanden...
Ein Gedanke bohrte sich in seinen Schädel. Ein furchtbarer Verdacht! Aber das konnte nicht sein. Nein! Die Eldar hatten den Angriff sicher seit langem geplant. Sie hatten gewartet, um die imperialen Verteidiger unvorbereitet zu erwischen. Sie wussten, das sie den Streitkräften Orbi-Betas damit einen schweren Schlag versetzten würden! Sie waren doch nicht nur gekommen um ihn...
Nein! Unmöglich! Warum auch? Thadeus war sicher, dass die Eldar-Kommandanten ihre Ressourcen sinnvoller Einsetzen könnten...
Der Konfessor wurde nach links gedrückt, als der Fahrer einem Laserlanzenschuss der Vypers auswich. Die Verfolger passten sich dem Tempo des Kettenfahrzeugs an und stiegen und sanken unaufhörlich, während sie abwechselnd ihre Angriffe fortsetzten.
Der Fahrer zerrte verbissen am Steuerhorn und entlockte der Chimäre unglaublich geschickte Ausweichmanöver, während die hellblauen Lanzenschüsse den heller werdenden Tag durchbohrten. Schutt und Dreck wirbelte rechts und links, vor und hinter den Flüchtenden auf, als die Laser ihr Ziel wieder und wieder verfehlten...

Dann begann sich der Gefechtsturm der Chimäre plötzlich mit einem hydraulischen Geräusch zu drehen, und der Richtschütze feuerte mit dem turmgestützten Multilaser auf die Eldarfahrzeuge.
Hellgelbe Energiestrahlen suchten blind ihre Ziele, doch aufgrund der dauernden Ausweichmanöver, der holprigen Fahrbahn und der geschickten Piloten erwies sich das Gegenfeuer des Schützen als nutzlos. Thadeus Blick traf den des Fahrers, und beide wussten, dass es so nicht mehr lange weitergehen konnte...
Ein Lanzenschuss bohrte sich durch das Heck der Chimäre und spießte den Kommissar und einen weiteren Soldaten auf, bevor er an der ablativen Panzerung der Fahrerkabine zerfaserte. Die übrigen Soldaten, die sich im Mannschaftsraum des Truppentransporters befanden schrien in heller Panik. Thadeus versuchte nicht daran zu denken.
Er sah, das eine Vyper beschleunigte und sich genau über die Chimäre setzte. Jetzt wusste der Konfessor, dass es aus war...

Dann passierten mehrere Dinge gleichzeitig...

Die Vyper, die keine fünf Meter über ihnen schwebte, wurde plötzlich von einem Volley aus Langstreckenraketen zerrissen. Gleißende Explosion erhellte den Morgenhimmel und die Druckwelle wuchtete die Chimäre vorwärts. Der Fahrer versuchte verzweifelt gegenzusteuern und lenkte das Fahrzeug dabei genau in einen weiteren Lanzenschuss der zweiten Vyper. Der Schuss fuhr in den Turm und schnitt durch die schwache Panzerung. Der Waffenstand wurde samt dem immer noch feuernden Schützen sofort verdampft und die Explosion der Energiezufuhr fauchte durch die Fahrerkabine.
Der Fahrer wurde nach vorn geworfen, und sein Kopf schmetterte mit einem nassen Geräusch gegen die Kontrollen. Mit einem leisen Grunzen ließ er die Kontrollen los und sein Leichnam kippte vom Sitz. Thadeus bemerkte nicht, dass die zweite Vyper abdrehte, er konnte nur mit vors Gesicht geschlagenen Händen den Fahrer ansehen. Dann fiel sein Blick durch die vordere Sichtluke und sein Herz hörte Sekunden auf zu schlagen...

Das Kettenfahrzeug ratterte zielsicher auf einen Abgrund zu. Die Straße machte zwar eine Biegung, soviel konnte der Konfessor sehen, aber die schwachen Scheinwerfer erhellten die schreckliche Szenerie der gähnenden Schlucht vor ihm, und sie waren zu schnell um dem Straßenverlauf effektiv folgen zu können. Thadeus packte verzweifelt die Fahrerkontrollen, aber es war zu spät. Eine schreckliche Sekunde lang spürte er, wie sich das Fahrzeug über den Rand des Abgrundes schob. Dann fielen sie...
Die Chimäre kippte nach vorn, überschlug sich und landete sieben Meter tiefer auf dem Dach. Knacken, krachen und splittern waren die unmittelbaren Folgen, als der Stahlkoloss in die Tiefe rumpelte. Das Fahrzeug poltere sich überschlagend den abschüssigen Boden der Schlucht entlang, und wurde schließlich mit einem massiven, dröhnenden Bronzeton zwischen zwei massiven Granitfelsen eingeklemmt. Damit kam es zum Stehen...

Lange Zeit passierte nichts. Dann irgendwann, als die Sonne schon höher stand wurde die verklemmte und verzogene Notaustiegsluke der Chimäre aufgesprengt. Konfessor Thadeus rollte sich stöhnend aus dem schmauchenden Wrack. Sein linkes Bein schmerzte furchtbar und über seinem rechten Auge zerschnitt eine böse Platzwunde seine Braue. Blut ergoss sich über die Gesichtshälfte darunter, aber er achtete nicht weiter darauf.
Er hatte das Wrack überprüft. Von den Soldaten im Laderaum hatte niemand überlebt. Ihre grotesk verdrehten Gliedmaßen würden ihm wohl noch lange Zeit in Erinnerung bleiben...
Nachdem er eine Weile schwer atmend unter dem Fahrzeug gekauert hatte versuchte er auf die Beine zu kommen... schlechte Idee.
Dann zog er seinen kleinen Hold-Out Blaster aus seinem Halfter, überprüfte das Magazin und verstaute ihn wieder unter seiner ziemlich mitgenommenen Tunika.
Der Imperator hatte über ihm gewacht. Es war ohne Zweifel ein Zeichen gewesen, das die Manticore Raketen, die die Vyper erledigt hatten ihn vor dem sicheren Tod errettet hatten. Unglücklicherweise konnte die Stellung der Batterien noch weit entfernt sein. Aber es war seine Pflicht es wenigstens zu versuchen...

Er wusste jetzt, das die Eldar hinter ihm her waren. Obwohl er wusste, dass es die Pflicht der Soldaten gewesen war ihn zu beschützen, fühlte er sich schuldig. Aber das musste warten. Zuerst musste er versuchen zurück zu den imperialen Linien zu kommen. Er musste nach Deus Victus, und dabei helfen den Eldarabschaum zu besiegen.
Während er humpelnd das Weite suchte konnte er nur beten das das überhaupt möglich war...



Urheberrecht: Michael Zupp, 2001



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