War Mittelerde Europa?

von Ronald Kyrmse, übersetzt von Christl & Inge Schemm


Von J.R.R. Tolkien wird behauptet, dass er gesagt habe, "Mittelerde" sei Europa. Er meinte, es sei der Nord-Westen der Alten Welt östlich des Meeres. Auf dieser Basis habe ich probiert, eine enge Verbindung zwischen den zwei Kontinenten aufzubauen (oder ist es ein und der selbe, nur durch die dazwischen liegenden Jahrtausende verändert?). Die späteste verfügbare Unterlage ist Tolkiens Landkarte des "Westens von Mittelerde am Ende des dritten Zeitalters". Also habe ich diese zu meiner Grundlage gemacht.
Die Hauptfrage war der Aufbau einer Überlagerung (Schichtung) zwischen zwei Merkmalen, die in besonderer Weise verbunden sind, eine in Europa, die andere in Mittelerde. Es gibt unzählige Möglichkeiten solcher Gleichsetzungen:

Letztlich wurden Hobbingen und Sarehole von mir ausgewählt. Das schien besser zu passen, denn in einer Weise waren das Orte, wo alles begann: Bilbos Reise (die zum Besitz des Ringes führte und all den anderen Welt erschütternden Ereignissen) zum einen, und Tolkiens Leben in England (mit all den Eindrücken, die seine späteren Beschreibungen des Auenlandes beeinflussten) zum anderen.Deshalb habe ich diese zwei Punkte zur Grundlage der Identifikation übereinander gelegt.
Meine Längen-und Breitengrade für Sarehole, also Hobbingen, sind die gerundeten Koordinanten von Birmingham: 52.5° N, 2.0° W
Der Maßstab war schon definiert, und ich habe ihn als Konstante für die ganze Landkarte genommen. Da, wenn ich die Linien gleicher Breite - wie ich es auch tat - als Waagerechte zeichnen würde, die Längengrade im oberen Teil der Karte zusammenlaufen müssten, habe ich festgesetzt, dass nur der Meridian durch Hobbingen vertikal verläuft, und ihn am Nordpfeil der Kompassrose ausgerichtet.
Das Ergebnis ist im beigelegten Diagramm zu sehen. Es ist natürlich nur annähernd genau. Aber trotzdem sind einige interessante Ähnlichkeiten festzustellen.
Der Anduin fließt genauso wie der Rhein, allerdings in entgegengesetzter Richtung. Der französische Golf von Biscaja sieht der Küstenlinie von Minhiriath und Enedwaith zwischen der Mündung des Baranduin und des Drúwaith Iaur sehr ähnlich.
Auch die folgenden Ähnlichkeiten sind es wert, erwähnt zu werden:

Flüsse Berge Sonstige Gebiete
  • Gwathló - Loire
  • Onodló - Po
  • Lhûn - Shannon
  • Celduin - Weichsel (entgegengesetzte Richtung)
  • Ered Nimrais - Franz. Zentralmassiv & Nördl. Apenninen
  • Ephel Dúath - Südl. Apenninen
  • Pinnath Gelin - Cévennes
  • Emyn Muil - Dolomiten
  • Ered Lithui - Dinarische Alpen
  • Emyn Beraid - Cambrian Mountains
  • Südlicher Düsterwald - Böhmischer Wald
  • Udûn - Istrien


Nicht alles gehört zur beigelegten Landkarte, könnte aber leicht davon abgeleitet werden. Als ein eventueller Beweis für die passend ausgewählten Breitengrade könnte eine Erwähnung Tolkiens in den Nachrichten aus Mittelerde ("The Disaster of the Gladden Fields") dienen, in der es heißt, dass es zum Zeitpunkt des Unglücks in Bruchtal mindestens 11 Stunden und im Hochwinter weniger als 8 Stunden an Tageslicht gibt. Dies würde perfekt zu der angenommen Breitenkoordinate 52.5° N passen (11,5 Std. im späten September, 7,5 Std. im späten Dezember).
Die Frage ist noch nicht ausdiskutiert, und die Diskussion wird weitergehen. Ich glaube aber trotzdem etwas zur Lösung beigetragen zu haben von etwas, das für mich immer ein verwirrendes Problem war.


ZUSATZ
aus dem "Historischen Atlas von Mittelerde" von Karen Wynn Fonstad:
In seinem Aufsatz "Über Märchen" erklärt Tolkien, dass die Sekundärwelt die "innere Folgerichtigkeit der Realität" haben müsse, um ein imaginäres Land (und die Geschichte, die sich darin abspielt) glaubhaft zu machen. Je mehr eine Sekundärwelt sich von unserer Primärwelt unterscheide, desto schwieriger werde es, sie an jeder Stelle glaubwürdig zu machen. Dies erfordere eine "Art Elbenkunst". Tolkien wollte keine völlig neue Sekundärwelt erschaffen. In einem Interview sagte er: "Wenn sie wirklich wissen wollen, worauf sich Mittelerde gründet, so sind es mein Erstaunen und meine Freude über die Erde, besonders die natürliche Erde". Und er wollte für England eine neue Mythologie schaffen. Also nahm er unsere Welt mit all ihren Entwicklungen und durchsetze sie grade mit so vielen Veränderungen, um sie "märchenhaft" zu machen.


Autor: Ronald Kyrmse
Übersetzung: Christl & Inge Schemm



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