Ring*Con 2003

Bericht von der zweiten Tolkien Convention im Maritim Hotel Bonn.

Der HauptsaalDer Tag, dem viele Fans entgegengefiebert hatten, war gekommen: Die Ring*Con - seit dem großartigen Debüt vom letzten Jahr nun ja offiziell von Warner Bros. unterstützt - ging in die zweite Runde! Selbstverständlich war jeder gespannt, was dieses Mal so alles geboten sein würde, und so sollte das Bonner Maritim Hotel vom 14. bis 16. November erneut von allerlei Tolkien-Fans jeglicher Couleur heimgesucht werden


Der Preis des Erfolgs
Der nachhaltende Erfolg der Ring*Con 2002 war klar zu spüren und zu sehen: Das Programm war um einiges angewachsen, und so manch einer mag sich den Kopf zermartert haben, bei dem Versuch einen Weg zu finden, nichts zu verpassen, was einen interessierte. In den Genuss eines jeden Veranstaltungspunkts zu kommen war aber definitiv unmöglich, bei einem Event solcher Größenordnung war das aber sicherlich auch nicht zu erwarten, und bei einem solch vielfältigen Publikum wohl auch nicht unbedingt gewollt.
Ring*Con 2003Etwa doppelt so viele Besucher konnte man dieses Mal empfangen, was beinahe auch die Brandschutzbestimmungen des Nobelhotels sprengte. Doch obwohl nun leere Korridore und Räume nur sehr selten zu erblicken waren, war es nie unangenehm und wirkte nicht überfüllt - nur voller eben. Die Atmosphäre leidete also keineswegs darunter, das gewachsene Publikum sorgte vielmehr für eine beträchtliche Steigerung des ganzen. Aus insgesamt 21 Ländern war man in die ehemalige Bundeshauptstadt gereist, und entsprechend internationaler als im Vergleich zum Vorjahr präsentierte sich die Convention dann auch. Das Programmheft war diesmal durchgängig bilingual, sehr viel mehr Vorträge und alle Showeinlagen wurden in englischer Sprache abgehalten. Zuhörer mit geringen anglophonen Kenntnissen waren somit nun im klaren Nachteil, doch das ist nunmal der Preis einer internationaleren Ausrichtung.


Vorträge & Lectures
Neben den "üblichen Verdächtigen" wie z.B. Friedhelm Schneidewind, Frank Weinreich oder Marcel Bülles, gab es diesmal viele neue Gesichter und viele neue Themengebiete kennenzulernen, so dass man am Ende den altweisen Spruch "Man lernt nie aus" nur zu gut anbringen konnte.
Rainer Knizia Ob nun Alexandra Velten (Übersetzerin des Rollenspiels zum Film) über Ursprung von Sprache und Kultur der Rohirrim referiert, Rene van Rossenberg (bekannter Tolkien-Sammler und -Ladenbesitzer) nicht wirklich unernst vom Sex in Mittelerde berichtet, Rainer Knizia und Peter Neugebauer (Spieleentwickler) von der Entstehung ihrer Werke und den Vorgängen im Lizenzdschungel der Spieleindustrie erzählen - da war für jeden Geschmack auf jeden Fall etwas geboten.
Frank Weinreich Weitere Vorträge beschäftigten sich zum Beispiel mit dem Dauerbrennerthema des Rassismus in Tolkiens Werken oder der wunderschönen Schrift der Elben oder der Definition des Guten im "Herr der Ringe". An vielen konnte ich aufgrund des engen Zeitplans leider nicht persönlich teilnehmen, aber ich denke dass der immens wichtige intellektuelle und informative Anspruch des Tolkien-Fankults auch hier wieder neben all den Filmstars und Verkaufsständen mehr als nur würdig vertreten wurde.

Workshops & Spiele
KettenhemdknüpfenNachdem letztes Jahr praktisch keine "interaktiven" Elemente vertreten waren, sorgte man diesmal für eine ganze Sparte an Workshops, bei denen man unter fachmännischer Anleitung mal selbst Dinge erlernen konnte wie das Knüpfen von Kettenhemden, das Schreiben von Elbisch, die Hobbittänze und das Anfertigen von Gewandungen und Schmuck. Selbst teilgenommen habe ich an diesen Workshops leider nicht (neben Zeit- hier natürlich auch wegen der begrenzten Teilnehmerzahl), aber halte diese neue Programmsparte für überaus bereichernd.
Gespielt wurde wie immer eine ganze Menge. Tabletop-Hersteller Games Workshop war selbstverständlich wieder in einem eigenen Raum anwesend, wo man unter anderem die beiden Miniaturdesigner-Legenden Alan & Michael Perry antreffen und das neue Minas Tirith Diorama bewundern konnte. Nebenan gab es das kurzweilige neue Sammelfigurenspiel von Sabretooth zum Ausprobieren, das Kartenspiel von Decipher war natürlich auch stark vertreten und im Spieleraum im 1. OG konnte man sich in aller Ruhe mit den mittlerweile unzähligen Brettspieladaptionen zum "Herr der Ringe" beschäftigen.
Neu waren die Schnitzeljagd der DTG und das "Team Pictionary Game", sprich: "Montagsmaler" mit HdR-Fachbegriffen, welches unter der Leitung des charismatischen Showmasters Marc B. Lee stattfand, welcher überaus "beeindruckt" von dem zeichnerischen Können und vor allem der imaginativen Deutungskraft der Tolkien-Fans war. :)
Wieder sehr schwach vertreten war im übrigen erneut die digitale Fraktion - einzig Atari zeigte nennenswerte Präsenz, jedoch natürlich nicht mit einem HdR-Game...
SammelfigurenspielTabletop Minas Tirith DioramaTeam Pictionary Game


Weta Workshop
Ein absolutes Highlight war die Vorführung der beiden Makeup-Spezialisten Rogier Samuels und Carola Brockoff, welche drei Jahre lang an der HdR-Produktion entscheidend mitgewirkt haben. Das Publikum durfte über drei Stunden zusehen, wie aus einem Ring*Con-Besucher mit passenden Gesichtszügen und Körpergröße, sowie ausgestattet mit Original-Requisiten, welche eigens aus Neuseeland direkt von den Dreharbeiten eingeflogen werden mussten, in einen waschechten Ork verwandelt wurde (bis auf die Kontaktlinsen weil dies medizinische Tests verlangt hätte). Während die beiden Maskenbildner auf der Bühne ihre bis vor kurzem noch praktisch alltägliche Arbeit verrichteten, erzählten sie von lustigen und interessanten Anekdoten aus ihrer Zeit und ihren Erlebnissen in Neuseeland. Auch viele Profi-Details und -Geheimnisse wurden nebenbei erläutert, so dass man einen guten Einblick in ihr Werken und Tun erhalten konnte. Doch weitaus beeindruckender war es miterleben und sehen zu können wie viel unglaubliche Mühe in der Maske aufgebracht, und vor allem wie viel Durchhaltevermögen und Geduld von den Statisten, Stuntleuten und Schauspielern gefordert werden musste, um Menschen in Orks, Elben, Zwerge, Uruk-hai & Co. zu verwandeln.
Und am Ende der Vorführung am Samstag existierte an Stelle der Freiwilligen Regina schließlich ein grässlich und absolut "authentisch" aussehender Ork, der daraufhin für ein paar Stunden durch das Maritim Hotel trollte, zum Erschrecken und zur Begeisterung der Besucher.
Regina vorherEin Ork entstehtEin Ork entstehtEin Ork entstehtEin Ork entsteht
Ork-RequisitenEin Ork entstehtEin echter Ork Stolze Eltern


Star-Gäste
Hauptmagnete der Fan-Conventions sind von jeher die auftretenden Film-Schauspieler - und auch hier konnte man bei der Ring*Con 2003 mächtig aufstocken. Mit Gimli-Darsteller John Rhys-Davies war endlich ein echter Hauptdarsteller vertreten, und die Nebendarstellerriege war nicht nur quantativ sondern auch qualitativ sehr gut besetzt:
Star-Gäste Lawrence Makoare (Lurtz, Hexenkönig, Ork-Hauptmann Gothmog), Sala Baker (Sauron), Bruce Hopkins (Gamling), John Leigh (Háma), Nathaniel Lees (Uglúk) und Jorn Benzon (Haldirs Bruder Rúmil sowie unzählige Statistenrollen). Und wieder mit von der Partie waren die beiden Publikumslieblinge Mark Ferguson (Gil-galad) und Craig Parker (Haldir), deren sympathisches und witziges Auftreten letztes Jahr ja entscheidend zum Erfolg mit beigetragen hatte.
Über das Merchandising von Autogrammkarten, Fotos und dergleichen sei hier im übrigen nicht eingegangen. Ich persönlich interessiere mich nur marginal für solche Dinge, kann also auch nicht sagen ob die Preispolitik, der Ortswechsel der Autogrammstunden und die Einrichtung der Foto-Sessions positiv oder negativ anzusehen sind.
Sehr viel interessanter waren wie immer die Panels der Darsteller, bei denen sie sich auf der Hauptbühne den Fragen der Besucher stellten. Jeder von ihnen hatte so einiges zu erzählen und es war schön anzusehen, wie jeder seine eigene Persönlichkeit zur Schau brachte (wobei man bei Schauspielern ja nie sicher sein kann, wie nah am wahren Ich ihr Auftreten in der Öffentlichkeit ist). Lawrence und Sala mit all ihrer Coolness, John Leigh mit seinem Wortwitz, Bruce Hopkins mit spontanen Kasper-Einlagen - doch über allen thronte auf jeden Fall John Rhys-Davies. Mit seiner tiefen Stimme, langen intellektuellen Monologen und grollendem Witz gelang es ihm den gesamten Saal zu bannen und zu stehenden Ovationen zu bringen.
John Leigh, Bruce Hopkins & Rohan-FrauenJohn Rhys-DaviesCraig & Mark Comedy-ShowCraig & Mark Comedy-Show
Einzig Craig und Mark hatten relativ wenig zu erzählen, schließlich wurden sie beide schon letztes Jahr ausgiebig ausgefragt. Von daher hatten beide mehr die Rolle von Entertainern, und diese füllten sie wie gehabt überaus gut aus. Ob nun bei ihrer Comedy-Show, wo sie altbekannte aber erfrischend improvisierte Bühnenspielchen trieben, oder bei ihren Panels, wo sie abermals durch junge und nicht so junge weibliche Besucher und altbekannte Tabletop-Gegner in prekäre Situationen gebracht wurden, oder die Geschichte von Mark's verlorenem Pass bei ihrer Herreise - die Zuschauer amüsierten sich prächtig.
Wie auch letztes Jahr kann ich Heimgebliebenen nur raten sich die DVD zur Convention zu besorgen. Allein schon wegen den verpassten Panels lohnt es sich!


Show & Wettbewerbe
Die Eröffnungszeremonie der Ring*Con 2003 bot kaum etwas Neues und ist deswegen kaum der Rede wert. Zum bereits bekannten gewaltigen Sauron-Kostüm und den Ringgeistern gesellten sich dieses Mal lediglich Ostlinge und Uruk-hai. Die spektakuläre letztjährige Eröffnung war natürlich schwer zu toppen, aber schade dass da nicht mehr draus gemacht wurde.
EröffnungszeremonieEröffnungszeremonie
Aber ansonsten war auch in diesem Bereich eine ganze Menge geboten.
Neben dem neuen Kunst-Wettbewerb gab es erneut einen Video-Contest und natürlich den großen Kostümwettbewerb am Samstag Abend. Dieser gestaltete sich recht kurzweilig und man konnte viele originelle Ideen in Form einer Bühnenperformance sehen, wie zum Beispiel Aragorn und Arwen beim Schwäbeln oder Spezialeffekte in Form eines Föns. Gewonnen hatte aber dann schließlich eine Gruppe von Orks und ein 4 Meter hoher Baumbart, welche einen überaus witzigen Sketch vorgeführt hatten.
Der KunstwettbewerbDer KunstwettbewerbDer Kostümwettbewerb
Als Pausenfüller gab es unter anderem musikalische Darbietungen sowie Musikvideo-Clips aus HdR-Filmausschnitten, unterlegt mit mehr oder weniger passenden Songs aus dem Pop-, Rock- und Schlagerbereich. Einige davon waren gelungen, andere weniger, aber originell waren viele der Ideen auf jeden Fall.
Ein recht unglücklicher Pausenfüller war dagegen die Modeschau, welche sich fast als Showkiller erwiesen hatte, denn die Präsentation der unzähligen (zweifellos wunderschönen) Kostümen unter den Besuchern zog sich extrem lang hin und wurde auch sehr hölzern moderiert. Das ganze hätte man auch im Schnelldurchlauf machen können, denn die exakte Meterzahl an Stoff und die verwendeten Materialien sind Informationen, welche das allgemeine Publikum herzlich wenig interessierten.
Ganz anders wiederum die beiden humorvollen "Mini-Theaterstücke". Sowohl das Mittelerde-Reisebüro als auch das inszenierte Kartenspiel-Match wussten zu gefallen und zeigten deutlich wie sehr auch eine solch große und durchorganisierte Veranstaltung von den Impulsen und Beiträgen der Fan-Gemeinde lebt und profitiert.
Bei der Schlusszeremonie der Ring*Con wurden dann auch noch die beiden exklusiven Flugtickets zur Weltpremiere nach Wellington mitsamt Hotel-Aufenthalt verlost, welche von Air New Zealand gesponsert wurden. Die Gewinnerin des mit Sicherheit begehrtesten Preises wurde unter allen Ring*Con-Teilnehmern ermittelt. Doch auch andere Sponsoren waren spendabel - so erhielten die Gewinner des Video-Contests z.B. für ihren "Wrong Gollum" HdR-Schmuckstücke aus dem Hause Nöll.
Kartenspiel-MatchTickets-GewinnerinDie Party


Die Reise geht weiter
SchlusszeremonieOhne jetzt auf alle Einzelheiten der Ring*Con einzugehen sollte dieser Erlebnisbericht soweit ausreichen, um einen kleinen Einblick in diese Veranstaltung zu vermitteln, welche im Vergleich zum letzten Jahr ganz klar enorm gewachsen ist. Man darf gespannt sein, was für ein ereignisreiches Wochenende einen Ende Oktober 2004 erwartet, wenn die nächste Ring*Con stattfinden wird. Und wie die Macher und Organisatoren (Stefan Servos von HdR Film-News, Marcel Bülles von der Deutschen Tolkiengesellschaft und die FedCon) bereits andeuteten, könnten nächstes Jahr besonders im Bereich Star-Gäste überraschende Namen fallen, da die Hauptdarsteller dann ja nicht mehr durch irgendwelche Film-Promotionzwecke gebunden seien...


Huân Vu, 2003



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