Die diesjährige Verleihung der begehrtesten Filmtrophäe der Welt gehört zu den spannendsten der vergangenen Jahre. Zu Anfang gab es wie im vorherigen Jahr nur erschreckend wenige potenzielle Filme, der einzige Kandidat für den Titel "Bester Film" war bis Herbst 2001 der lustige Animationsstreifen "Shrek". Das wäre das erste Mal in der Geschichte der Academy Awards gewesen, dass ein vollständig computeranimierter Film für diese Kategorie nominiert wird. Damit hätte "Shrek" in die Fußstapfen von Walt Disney's "Die Schöne und das Biest" treten können, welcher bislang der einzige klassische Zeichentrickfilm ist, der für den wichtigsten aller Oscars nominiert wurde. Doch mit der Einrichtung eines extra Oscars für Animationsfilme umging die Academy dies und musste sich nun auf die Suche nach fünf geeigneten Kandidaten machen.
Diese fand sie auch im Schizophrenie-Drama "Beautiful Mind", dem Fantasy-Epos "Die Gefährten", dem Musical-Revival "Moulin Rouge", dem mörderischen Verwirrspiel "Gosford Park" und der Familientragödie "In the Bedroom". "Beautiful Mind" von Ron Howard galt von Anfang an als der Hauptfavorit, setzt der Film doch die lange Tradition von Oscar-Gewinnern im Stile von "Forrest Gump" oder "Rain Man" fort. Doch ebenso gute Chancen hat Baz Luhrmanns "Moulin Rouge", da dieser an die Erfolge der Musical-Filme der 60er wie z.B. "West Side Story" oder "My Fair Lady" anknüpfen könnte. "Gosford Park" hat als typischer Altman-Film die ewige Rolle des Außenseiters, seine ungewöhnlichen Filme werden stets zur Anerkennung nominiert, doch nur selten gelingt es ihnen den Sieg davonzutragen. Über "In the Bedroom" lässt sich wenig sagen, doch gegen solch schwergewichtige Filme hat dieses kleine Drama wohl kaum Durchsetzungschancen.
Ja, kommen wir nun zu "Die Gefährten": Eine große Filmproduktion, die im Vergleich zu den Konkurrenten sehr viel mehr Hürden überwinden musste. Schließlich musste man nicht nur die hohen Ansprüche der Fans befriedigen, sondern auch die anderen Zuschauer überzeugen und fesseln, so dass der Fortbestand der nächsten beiden Teile und die Finanzierung des Großprojekts gesichert war. Im Hinblick auf die Oscar-Verleihung kam noch die typische Ablehnung der Jury gegenüber dem Genre Fantasy hinzu, doch diese Haltung konnte "Die Gefährten" mit insgesamt 13 Nominierungen klar und eindeutig brechen. Doch ob die Klasse des Films ausreichen wird, um noch weiter vorzustoßen und sich wie solch epische Vorgänger wie "Braveheart" und "Der mit dem Wolf tanzt" den begehrtesten aller Oscars zu sichern, werden wir wohl erst morgen Nacht erfahren.
Denn so eindeutig des öfteren die zahlreichen Film-Awards im Vorfeld der Oscar-Nacht in den vergangenen Jahren gewesen sind - diesmal ist es ein einziges Durcheinander: Im Januar wurde noch "Die Gefährten" vom American Film Institute als bester Film ausgezeichnet und Robert Altman als bester Regisseur. Einige Wochen später konnte sich Altman noch bei den Golden Globes halten, doch "Beautiful Mind" wurde als bestes Drama und "Moulin Rouge" als beste Komödie oder Musical prämiert. Der Producers Guild Award ging dann später an "Moulin Rouge", während die Directors Guild Ron Howard ("Beautiful Mind") für ihren Regiepreis auserkor und die Screen Actors Guild in "Gosford Park" die beste Darstellerriege sah.
Zu diesem Chaos kommen noch negative Schlagzeilen und Hetzkampagnen hinzu, besonders den Hauptfavoriten "Beautiful Mind" betreffend: Hauptdarsteller Russell Crowe wurde bei der Verleihung der British Film Awards handgreiflich, als man seine Dankesrede verkürzte und es kamen Einzelheiten über den Nobelpreisträger John Nash heraus, dessen Leben die Grundlage für diesen Film lieferte. Dessen Homosexualität und Antisemitismus seien im Film verschwiegen worden, was in den amerikanischen Medien zu hitzigen Debatten führte, welche die Siegeschancen des Streifens natürlich nun stark beeinträchtigen.
Nun sieht es also schon besser aus für "Die Gefährten" und "Moulin Rouge", wobei letzterer mittlerweile als der heimliche neue Favorit gilt. Denn "Die Gefährten" ist über allem ein nun mal finanziell äußerst erfolgreicher Film, der auch das Mainstream-Publikum begeistern konnte. Und dies sind Attribute, die den Juroren nicht so sehr gefallen, da viele wohl der landläufigen Ansicht sind, dass sich Geld und Kunst nicht miteinander vertragen würden.
Ein nur zu ähnliches Schicksal widerfuhr "Krieg der Sterne" vor fast 25 Jahren, als George Lucas Überaschungshit der Film einer neuen Generation wurde und dafür mit 10 Nominierungen bedacht wurde. Genauso wie "Die Gefährten" standen die Oscars für den Besten Film und die Beste Regie in Aussicht und bei beiden Filmen wurde auch einer der Nebendarsteller nominiert (damals Sir Alec Guinness als Obi-Wan, heute Sir Ian McKellen als Gandalf). Doch am Ende konnte das SciFi-Epos nur die sechs Oscars für technische Leistungen wie Spezialeffekte und Ton einheimsen.
Wie dem auch sei, wir dürfen gespannt sein auf die Entscheidung der 5.739 Mitglieder der Academy of Motion Picture Arts and Sciences...