Hier einige interessante Aussagen aus dem Interview in freier Ãœbersetzung:
Philippa Boyens hat mit der "Herr der Ringe" Trilogie ihr allererstes Drehbuch abgeliefert, und hat damit einen eigenen Traum in Erfüllung gehen lassen. Seit ihrer Kindheit ist die Lehrerin und ehemalige Vorsitzende der neuseeländischen Autorengilde ein begeisterter Tolkien-Fan. Und es war nur ein glücklicher Zufall: Sie erhielt den Job über einen Freund, der wusste dass sie ein Fan ist, und sie mit Regisseur Peter Jackson bekannt machte.
Das war 1997, vor fünf Jahren. Und heute arbeitet sie immer noch an der Adaption des "Herr der Ringe" - bis schließlich der letzte Teil Dezember 2003 in die Kinos kommen wird.
Creative Screenwriting: "Die Geschichte des 'Herr der Ringe' scheint ein ideales Material für einen Film zu sein, doch gleichzeitig wirkt sie durch ihre gewaltige Größe fast unverfilmbar. Nun da ihr die Hälfte der Trilogie erreicht habt, würdest du dem zustimmen?"
Philippa Boyens: "Ich glaube jeder Film ist schwer zu machen. Ich habe viel Respekt vor jemanden, der einen Film drehen will. Was ich herausgefunden habe, ist dass es große Unterschiede zwischen der Erzählweise eines Buches und eines Filmes gibt. Von Fran und Peter habe ich gelernt, dass Adaptionen ihren eigenen Weg finden müssen. Wenn man sich z.B. hinsetzen würde, um einen Film wie 'Die Gefährten' zu schreiben, dann gäbe es keine neun Gefährten. Man bräuchte keine vier Hobbits, sondern nur zwei. Es gäbe keine zwei Bösewichte, die sich so ähnlich sind und auch noch so gleich klingende Namen haben. Solche Dinge würde man bei einem Film nicht einbauen, aber sie sind Teile der literarischen Erzählung, die Professor Tolkien aus sehr guten Gründen in sein Werk integriert hat. Also mussten wir einen Weg finden dies alles innerhalb der Erzählstruktur eines Films zu verbinden."
CS: "Gibt es etwas, was du aus 'Die Gefährten' gelernt und dann bei den 'Zwei Türmen' anwenden konntest?"
PB: "Ich lernte auf das Publikum zu hören. Vieles im Aufbau der Geschichte konnte viel simpler gehalten werden als ich zunächst dachte. Die Dinge einfach zu halten ist eine gute Vorgehensweise. Zum einen will man natürlich die Tiefe von Tolkiens Werk beibehalten, aber man darf das Drehbuch nicht damit überladen - schließlich hören die Zuschauer das, wenn zu viele fremde Sprachen und Namen auf sie einprasseln. Und das kann bei Tolkien sehr schnell geschehen. Die Dinge einfach zu halten, ohne den Geist der Geschichte zu verlieren - das ist es was ich gelernt habe."
CS: "Ab dem zweiten Teil wird die Geschichte immer komplexer. Was für Herausforderungen stellt dies an einen Autoren?"
PB: "Eine der schwierigsten Aufgaben im Filmbusiness - und für mich war es die wohl größte Herausforderung meines Lebens - ist das Mittelstück einer Trilogie. Es gibt nur zwei Charaktere aus dem ersten Film, die nicht mehr auftauchen: Celeborn und Bilbo Beutlin. Da haben wir also fast alle Figuren aus dem ersten Teil plus sechs bis sieben neu hinzugekommene wichtige Personen. Und dann teilt sich die Handlung wie in den Büchern noch in drei Erzähllinien auf. Diese drei Geschichten zusammenzuhalten und miteinander zu kombinieren war sehr schwierig.
Tolkien hat das alles nie als Film konzipiert, und das hätte er natürlich auch nicht sollen. Aber was ich zuvor sagte, dass eine Adaption ihren eigenen Weg finden muss, trifft hier genau zu."
CS: "Was war die schwierigste Entscheidung für dich, als es darum ging, etwas aus dem Originalplot herauszuschneiden oder beizubehalten?"
PB: "Ich glaube es gab gar keine solchen schweren Fälle. Es war nur schwierig sicherzugehen, dass die Geschichte nicht auseinanderfällt und keinen Zusammenhang mehr bildet. Die meisten Entscheidungen bezüglich der Struktur wurden schon sehr früh von Fran und Peter gemacht. Wann der Film anfängt, wo er endet, und wieviel Zeit wir für Rückblenden aufwenden. Es wird nicht viele Rückblicke geben, kein "Was bisher geschah". Aber wir lassen den zweiten Teil auch nicht als eigenständigen Film auftreten. Ich denke selbst Leute, die den ersten Film nicht gesehen haben, werden zurecht kommen und gleichzeitig werden sich auch diejenigen, die ihn gesehen haben, nicht von allzu vielen bekannten Szenen gestört fühlen."
CS: "Das alles hat 'Das Imperium schlägt zurück' auch erreicht. Es ist auch ein sehr guter Film und kommt ohne Rückbezug auf 'Krieg der Sterne' aus."
PB: "Absolut. Genau der Meinung bin ich auch. Lustigerweise sah ich 'Das Imperium schlägt zurück' lange nachdem ich den ersten Teil gesehen hatte. Aber es ist wirklich so, was muss man denn zu Beginn des Films wissen? Nur dass eine Gruppe von Rebellen gegen ein unterdrückendes Regime ankämpft. Die Feinheiten in den Beziehungen zwischen den Charakteren zeigen sich von alleine. Selbst wenn man den ersten Film nicht gesehen hat, bekommt man schnell mit, dass es Spannung zwischen Leia und Han Solo gibt."
CS: "Als Tolkien-Fan und als Drehbuchautorin, was stellt für dich die Besonderheit des zweiten Teils der Trilogie dar?"
PB: "Eines der besten Bestandteile, und da stimmt Fran Walsh ebenfalls mit mir überein, ist die Einführung von Gollum. Ich finde er ist eine geniale Figur, eine der großen Charaktere der Literatur. Und seine Auswirkungen auf Frodo lassen es zu einem echten inneren Kampf für ihn werden. Die wachsende Last der Bürde auf ihn ist unglaublich bewegend. Frodos innerer Konflikt eskaliert zwar im dritten Teil, aber hier im zweiten Teil beginnt das ganze.
Das erste Buch von 'Die Zwei Türme' habe ich beim ersten und den folgendenn Malen eher schnell durchgelesen und ohne tief darin einzutauchen. Aber während der Adaption erkannte ich, was darin zu finden war: Die Einführung der Welt der Menschen und solcher Probleme wie Politik und wie sich die Ziele und Wünsche von Völkern und Nationen auswirken. Das Volk von Rohan und das Volk von Gondor, und der Umstand, dass Rohan zunächst für sich selbst kämpfen muss und später Gondor zu Hilfe eilt. Man beginnt mit einer Welt, in der Uneinigkeit unter den Menschen herrscht, aber das ändert sich als sie bemerken, dass eine neue Welt am entstehen ist. Sie müssen von der Vergangenheit loslassen, aber gleichzeitig ehren sie sie auf diese Weise auch."
CS: "Was würdest du als das Grundthema des 'Herr der Ringe' bezeichnen?"
PB: "Gute Frage. Ich weiß nicht ob ein universelles Grundthema in diesen Büchern steckt. Professor Tolkien hat selbst immer Allegorien innerhalb seiner Geschichten zu vermeiden versucht, aber er sagte mal in einem Interview, dass der Tod das Hauptthema sei. [lacht] Was nicht gerade das beste ist, um ein Filmstudio zu überzeugen! Aber in gewisser Hinsicht denke ich auch an Tod - in Bezug auf das Leben und wie die Menschen es leben. Als Frodo sich am Ende des ersten Films wünscht, dass das alles nicht hätte passieren sollen, und Gandalfs Antwort darauf, sehe ich auf jeden Fall als eines dieser Grundthemen an - die Entscheidungen, die man trifft, und wie sie sich auf einen auswirken. Es geht darum sich selbst und anderen treu zu sein."
CS: "Die Kultur von Mittelerde ist ein so wunderbares Quellenmaterial für einen Deehbuchautoren. Wer oder was sind deine Favoriten?"
PB: "Ich muss gestehen, dass mir die Hobbits sehr gefallen. Baumbart und die Ents sind fantastische Kreationen - die Idee von diesen uralten Wesen, die sich plötzlich in einer Art modernen Konflikt wiederfinden ist einfach genial. Ich habe auch immer Kankra sehr gemocht, die große Spinne. Und Zwerge. Es gibt in 'Die Zwei Türme' eine kleine Sequenz, in der auf die Geschichte der Zwerge näher eingegangen wird. Ich glaube meine Fasziniation für sie rührt noch vom 'Kleinen Hobbit' her."
CS: "Bislang ist es klar, dass Peter Jackson so nah wie möglich am Text bleiben möchte. Wird es größere Änderungen in Teil Zwei und Drei geben?"
PB: "In 'Die Rückkehr des Königs' wird es wohl weniger Überraschungen geben wegen seinem gewaltigen Höhepunkt, der der filmischste Teil des 'Herr der Ringe' ist, seitdem die Technik ihn verfilmbar gemacht hat. Die Mission von Frodo und Sam den Ring zu zerstören. Sauron lässt seine Armeen los und es kommt zu einer gigantischen Schlacht. Aragorns Weg zum Königstitel. Das ist alles ganz schön spannendes Material für eine Geschichte."
CS: "Aufgrund der Struktur und des Erzählflusses sind einige Ereignisse aus dem zweiten Teil bereits im ersten gezeigt worden. Gibt es weitere Schlüsselszenen aus 'Die Zwei Türme', die umarrangiert werden mussten?"
PB: "Ja, für 'Die Gefährten' dachten wir es wäre nötig und ich glaube es war die richtige Entscheidung. Wir haben zudem die Begegnung mit Kankra in den nächsten Film verlegt. Aus zwei sehr guten filmischen Gründen: Zum einen wäre es sehr hart gewesen den Zuschauern zwei Höhepunkte zu bieten, Helms Klamm und der Kampf mit Kankra. Das wäre sehr unstimmig gewesen, da beide auf völlig unterschiedlichen Emotionen basieren. Zudem glaube ich auch nicht, dass der wundervolle Moment im Buch von Frodos vermeintlichen Tod als Cliffhanger funktioniert hätte. Man hätte zu schnell herausgefunden, dass es nicht der Fall ist. Genauso auch wie die Rückkehr Gandalfs nicht wirklich geheim gehalten werden kann. Der zweite Grund war einfach, dass wir dann zu wenig über Frodo und Sam im dritten Teil zu erzählen gehabt hätten."
CS: "Warst du angesichts all dieser Feinheiten und schweren Entscheidungen beunruhigt über die Kritik von Hardcore Tolkien-Fans?"
PB: "Natürlich sind sie von ihrer Sichtweise überzeugt, aber glücklicherweise scheinen diese Filme von den Fans sehr positiv aufgenommen zu werden, da sie wissen was wir hier zu erreichen versuchen. Von Anfang habe ich gehofft, dass es Fans sind, die die Bücher verfilmen werden - und es hat sich bewahrheitet. Eine andere Gruppe von Fans würde das alles ganz anders angehen, also kann man nur seiner eigenen Vision treu bleiben - oder in diesem Fall der von Peter, die wir alle teilen. Das ist alles was man machen kann."
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