Ein lang erwarteter Tag
Nun ist es also endlich soweit, heute Abend werde ich endlich den Film
sehen, auf den ich schon so lange gewartet habe. All die Berichte von
den Dreharbeiten, die Analysen der Trailer und die Veröffentlichungen
von Bildern waren plötzlich nichtig, denn nun sollte dies alles auf
der Leinwand zu Leben erweckt werden.
Schnell legte ich mir den in letzter Sekunde fertiggestellten Elbenmantel
an (riesiges Dankeschön an dieser Stelle an meine Mutter und die
Großmutter!), stieg in den Wagen, holte meine Gefährten ab
und machte mich auf den Weg zum Ufa-Palast
in Stuttgart, wo sich bereits viele Fans zur anstehenden Mitternachtspremiere
versammelten...
Der unerwartete Fernsehauftritt
Punkt
22 Uhr waren wir schließlich am Orte des Geschehens, was eigentlich
viel zu früh war, doch ein gewisser Sicherheitspuffer musste sein,
falls bei der Herfahrt etwas dazwischen gekommen wäre. Außerdem
trafen sich die Mitglieder des großen Forums von Círdans
Website in einem Lokal neben dem Kino, zu denen wir uns dann ebenfalls
für eine kurze Weile gesellten (Dank an Lady Eowyn, die sich so wunderbar
um die ganze Organisation des Ticketkaufs gekümmert hat!).
Doch dann zog es uns mit ein wenig Unterstützung der überaus
freundlichen Bedienung wieder ins Kino, wo immer noch eine ganze Stunde
des Wartens und Bangens anstand... Just in jenem Moment überfiel
uns aus heiterem Himmel ein Fernsehteam des Lokalsenders B.TV
und wollte uns spontan für einige Aufnahmen und Interviews haben.
Natürlich sagten wir überrascht zu, und so waren wir die nächste
Zeit bis zur Öffnung der Kinosäle vollauf mit unserem Fernsehauftritt
beschäftigt - inmitten der Massen an Fans, die derweil das mehrstöckige
Gebäude zu füllen begannen. Den Bericht könnt ihr euch
unter folgendem Link als Video-Datei herunterladen:
Eine Parade im Dunkeln
Kurz
vor Mitternacht wurden die vorfreudigen Kinobesucher schließlich
in die Säle eingelassen, die sich daraufhin sehr bald füllten.
Doch um 0:01 Uhr sollten sich die Vorhänge nicht für den heiß
ersehnten Film öffnen, denn zuerst veranstaltete das Kino in Zusammenarbeit
mit dem Radiosender BigFM
(unter Buhrufen!) und Kostümschmiede
die Wahl des besten Tolkien-Kostüms an jenem Abend. So versammelten
sich die Teilnehmer des Wettbewerbs auf der Bühne vor der Leinwand
und wurden von einer dilettantischen Moderatorin nacheinander unter dem
Spotlicht dem Publikum vorgestellt, welche durch mehr oder weniger intensives
Klatschen ihre Wertung bekunden konnte.
Natürlich
hatte ich mit meinem einfachen Umhang nicht den Hauch einer Chance gegen
andere fabelhaft verkleidete Personen. Der Hauptpreis - ein Gutschein
über 400 DM bei der Kostümschmiede - ging an Gandalfs Zwillingsbruder,
der angeblich gar nicht wusste, "dass es einen Wettbewerb gibt".
Unter den anderen Preisen waren z.B. Film-Poster und lebensgroße
Pappaufsteller der Hauptdarsteller.
Nach dieser eher unprofessionell organisierten und präsentierten
Show wurde die Bühne dann endlich geräumt und es konnte losgehen
- das Fieber war auf dem Höhepunkt...
In Mittelerde und wieder zurück
Eine minutiös dargestellte Analyse des Films und meiner Reaktionen
auf das Erlebte wäre hier sicherlich fehl am Platz und würde
den Rahmen dieses Berichts bei weitem sprengen. Daher will ich hier im
folgenden einfach nur meine Gedanken und Meinungen zum Film erläutern.
Durch
meine Berichterstattung für diese Website habe ich im Vorfeld ja
schon viel vom Film gesehen und auch von vielen Änderungen gehört.
Im ersteren Fall wurde ich dennoch von der visuellen Brillianz total vereinnahmt.
Die fantastischen Landschaften von Mittelerde glichen überirdischen
Gemälden, während die bis ins letzte Detail angefertigten Setdekorationen
und Kostüme sich darin wunderbar einfügten. Das Auenland zum
Beispiel sprühte vor Leben und war so heimelig wie man es sich nur
erträumen konnte. Genauso beeindruckend auch das idyllische Bruchtal,
die schneebedeckten Gipfel des Nebelgebirges und die Verwandlung von Isengart
in eine Fabrik des Grauens.
Trotz all dieser visuellen Eindrücke sollte man nicht die fabelhaften
Leistungen der Schauspieler vergessen, die es vortrefflich verstanden,
die von uns allen geliebten Charaktere lebendig werden zu lassen (bis
auf Hugo Weaving vielleicht, der in seiner Rolle als Elrond meinen persönlichen
Vorstellungen nicht ganz gerecht werden konnte).
Oder
die bombastische Musik von Howard Shore, die trotz ihrer Wucht angesichts
der noch viel gewaltigeren Bilder zu einer angemessenen und atmosphärischen
Begleitung wurde. Doch nicht nur in den spannungsgeladenen Actionsequenzen
sondern gerade auch in den emotionalen Momenten wie z.B. dem Fall Gandalfs
oder dem Zerfall des Bundes zeigt sich die meisterliche Klasse des packenden
Soundtracks.
Doch soviel durch den Film auch hinzugewonnen wurde, so vieles ging auch
wie zu erwarten war verloren - es verging kaum eine Szene, in der ein
aufgeweckter Fan nicht die eine oder andere Änderung am Original
entdecken konnte. Die meisten waren zu verschmerzen und fügten sich
gut in die neu inszenierte Geschichte ein, vor allem Charaktere wie Aragorn
und Boromir erlangten dadurch mehr Tiefe. Und überraschenderweise
kam ich mit Arwen, Lurtz und den Kokon-Orks sehr gut zurecht, aber eventuell
auch nur weil ich schon darauf vorbereitet war, ganz im Gegensatz zu Saruman
als Saurons Diener oder Gimli, der unbedingt nach Moria will.
Ich hatte mir zwar vorgenommen nicht auf die zahlreichen Änderungen
zu achten, doch es gelang mir einfach nicht. Immer wieder plagte mich
tief im Innern das Gefühl, dass da etwas nicht stimmte, dass da etwas
nicht so war wie es eigentlich sein musste... Angesichts des beileibe
nicht gerade spontanen und überschwenglichen Applauses am Ende des
Films war ich wohl auch nicht der einzige, der so fühlte, denn jeder
Leser hat nunmal so seine eigenen Lieblingsdetails und -begebenheiten,
die er im Film schmerzlichst vermissen musste.
Abgesehen davon gab es auch noch einige andere Einzelheiten, die das ansonsten
rundum gelungene Bild vom Film trübten. Die wenigsten werden meiner
Meinung sein, doch ich empfand die Ringgeister als viel zu schwach und
nicht mächtig genug dargestellt. Der Kampf auf der Wetterspitze ließ
sie wie viel zu einfach zu bezwingende Gegner aussehen.
Ein
anderes Problem betrifft die nicht-lebendigen Charaktere - die Massenschlacht
im Prolog, der Wächter im See, Gollum und auch der Balrog waren klar
als computeranimierte Wesen auszumachen, obwohl es hieß, dass sich
die Spezialeffekte nahtlos in diese fantastische Welt einfügen würden.
Sie wirkten zwar nicht direkt künstlich, aber halt auch irgendwie
nicht wirklich realistisch.
Heikel war auch die Verwandlung Galadriels in eine schreckliche Todesfee,
was man sicherlich auch hätte effektarmer umsetzen können. Insgesamt
gefiel mir der Lórien-Part in optischer Hinsicht ohnehin nicht
so recht. Den Goldenen Wald stelle ich mir viel wärmer und grüner
vor, und seine Herrin warmherziger und gütiger.
Dann wäre da noch Boromirs etwas unspektakulär klingendes Horn,
das mir einfach nicht imposant und herrlich genug war.
Zu guter letzt fiel mir noch auf, dass das Bild bei Einblendungen der
deutschen Untertitel einiges an Schärfe einbüßen musste.
Ich hoffe, dass die Produzenten dies spätestens bis zur DVD-Version
des Films beheben werden.
Der gerade Weg nach Hause
So verließ ich das Kino also mit einem höchst zwiespältigem
Gefühl, denn es wird sicherlich noch einige Zeit (und weitere Filmansichten)
brauchen, bis ich mich völlig an Peter Jacksons Version des Herr
der Ringe gewöhnt habe.
"Die Gefährten" ist mit Sicherheit ein großartiges
Werk und wird zweifelsohne mit voller Berechtigung als einer der erfolgreichsten
Filme in die Geschichte eingehen. Doch er stellt nicht die perfekte Inszenierung
des Buchs dar, welches für mich weiterhin ein unverfilmbares Stück
Literatur bleibt. Aber näher und eindrucksvoller an die Vorlage heranzukommen
als die Macher dieses Films wird wiederum wohl auch niemand.
Das Fazit also: Der Tolkienist in mir ist ein wenig unzufrieden, doch
der Film-Fan absolut begeistert!
Nun gilt es nur noch all jene zu bedauern, die auch nach dem Genuss des
ersten Teils nicht zum Buch greifen werden - denn der wahre "Herr
der Ringe" wird ihnen dadurch unweigerlich verloren gehen...
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