Das Vierte Zeitalter
Die Reise ist zu Ende. Der Ring ist vernichtet und die Rückkehr
des Königs ist geschehen. Nun blicken wir auf ein neues Zeitalter
- dem Zeitalter nachdem die größte Geschichte aller Zeiten
auf Leinwand gebannt wurde. Ein Zeitalter, das vermutlich niemals wieder
einen solch epischen, spektakulären und herzergreifenden Film sehen
wird...
Peter Jackson hat Recht behalten - "Die Rückkehr des Königs"
ist der beste Teil der Trilogie. Es fällt natürlich
schwer die drei Filme miteinander zu vergleichen, doch es ist wie in
der Buchvorlage so, dass das Endstück der Geschichte die vorhergehenden
erst richtig auf eine Linie zueinander bringt. Wir kennen die Charaktere
nun, wir haben die Hindernisse ihrer langen Reise miterlebt - und nun
werden alle Fäden zusammenverwoben, in einem allesentscheidenden
und alles zum Abschluss bringenden großartigen Finallauf. Ich
bin mir sicher, dass man in den zukünftigen über 11-stündigen
HdR-DVD-Marathons auf nichts gespannter sein wird als zum krönenden
Schluss die Silberscheiben des dritten Films einlegen zu dürfen.
Grandios wie "Die Rückkehr des Königs" eingeleitet
wird - die bereits in "Die Zwei Türme" erwartete Rückblende
auf den Ringfund von Déagol und Sméagol. Keinen besseren
Einstieg hätte es geben können, denn in der kurzen aber hochdramatischen
Szene rekapituliert sich furios der innerste Kern der gesamten Trilogie.
Der Ring der Macht, und das Böse das er in allen Geschöpfen
hervorruft.
War die Erzählgeschwindigkeit bei beiden Vorgängern noch teilweise
etwas holprig und gar zu hastig (in den Kinoversionen), so ist das Pacing
hier nun perfekt. Langsam aber beständig gewinnt die Dramatik an
Fahrt, und man kann sehr gut verstehen wieso Saruman der Schere zum
Opfer gefallen ist. Die Geschichte wird mit großer Kraft vorangetrieben,
und wir verfolgen das Geschehen bald auf einer Vielzahl von Erzählebenen,
zwischen denen völlig schwerelos hin- und hergeschnitten wird.
Bei keiner Charaktergruppe wird zu lange verweilt, und keine kommt zu
kurz.
Und so erhebt er sich dann alsbald, ein wahrer Behemoth unter den Filmen.
Wenn die Kamera über Minas Tirith gleitet, kreisend den Lauf der
Signalfeuerkette auf den Ausläufern des Weißen Gebirges mitverfolgt,
oder völlig losgerissen dem Flug eines Felsbrockens während
der Belagerung bis zu seinem Einschlag beiwohnt, versprüht jeder
einzelne Quadratzentimeter der Kinoleinwand mehr Epik als so manch anderer
komplette Film. Doch ein Krieg ist entbrannt und die gewaltigste Schlacht
der Filmgeschichte gilt staunenden Auges und brennenden Herzens miterlebt
zu werden. Saurons Aufgebot an digitalen Heeren ist enorm, und begleitet
werden sie von Belagerungstürmen, Katapulten, Trollen, Mûmakil
und nicht zuletzt den Nazgûl. Doch auch wenn Helms Klamm zu einem
Scharmützel degradiert wird, so fehlt doch dieselbe psychologische
Intensität, da der Kampf auf den Pelennor-Feldern bei Tageslicht
stattfindet und nicht in der Nacht bei strömendem Regen. Dennoch
ein Hochgenuss zu sehen wie die Rohirrim über das Feld fegen, Nazgûl
in das Getümmel hinabstoßen, Trolle in Minas Tirith wüten
und stampfende Mûmakil zu Fall gebracht werden. Adrenalin pur,
gegossen in Bildern, die die Welt noch nicht gesehen hat. Gerade in
solchen Momenten erinnert man sich erschrocken daran wie unglaublich
es anmutet, dass ein gewöhnlicher Mensch, ein Professor aus England,
all dies erdacht haben kann. Und wieviel Respekt den Filmemachern gebührt,
da es ihnen gelungen ist dies nun für uns alle sichtbar zu machen.
Doch trotz all des mörderischen Kampfes vergisst der Film seine
Charaktere nie. Denethor, den man schon in der DVD-Fassung von "Die
Zwei Türme" kennenlernen durfte, fügt sich wunderbar
in die grandiose Darstellerriege ein. Dummerweise ähnelt er zwar
anfangs zu sehr König Théoden, der sich zunächst wieder
einmal trotzig zeigt und nicht dazu bereit ist Gondor zu Hilfe zu eilen,
doch bald offenbart sich, dass echter Wahnsinn unter den schweren Roben
des Truchsessen lauert. Filmisch exzellent in Szene gesetzt als er "genüsslich"
speist während Pippin zum Singen gezwungen wird und sein Sohn Faramir
dem sicheren Tod entgegenreitet.
Alle anderen Schauspieler vollbringen ebenfalls durchweg gute Leistungen.
Aragorn, Gimli, Legolas und Gandalf in alter Manier (wobei die "Verprügelung"
von Denethor durch den Weißen Zauberer doch etwas arg übertrieben
wirkte...), und auch Théoden überzeugend als der dem Untergang
trotzig ins Auge sehende Anführer seines Volkes. Aber wie im Buch
sind es die kleinen Helden und ihre Taten, welche den großen Helden
und ihren pathetischen Ansprachen die Schau stehlen.
Zum Beispiel Miranda Otto als Èowyn, welche - getrieben von ihrer
versagten Liebe zu Aragorn und dem grenzenlosen Mut sich für jene
zu opfern, die sie liebt - das Schwert mit dem Oneliner "Ich bin
keine Frau!" durch die Maske des Hexenkönigs jagt und damit
gleichzeitig auch jegliche altbackenen Kritiker hinfortfegt, welche
noch immer in Tolkiens Werken Patriarchismus und Reaktionäres zu
finden glauben. Nur traurig, dass Unwissende Éowyn wohl als das
mittlerweile längst übliche und dem Zeitgeist entsprechende
"emanzipierte Mädel" ansehen werden.
Doch wieder ist es das Dreieck zwischen Frodo, Sam und Gollum, das uns
am stärksten ergreift und damit einen mindestens genauso mächtigen
Gegenpol zu der Schlacht um Minas Tirith bildet. Sowohl Elijah Wood,
als auch Sean Astin und natürlich Andy Serkis brillieren in einem
bösartigen Psycho-Spiel, das zwar so nicht im Buch vorkommt, die
drei Charaktere aber über ihre Vorlage hinaus ausdefiniert und
dramatisiert. Riesenspinne Kankra, die tricktechnisch durchaus überzeugend
umgesetzt wurde, wird vom gemeinen Sméagol, der in Gollum aufzugehen
beginnt, auf die hinteren Ränge verwiesen. Denn das wahre Monster
ist er! Gerade hier muss man Peter Jacksons Co-Drehbuchautorinnen Fran
Walsh und Philippa Boyens besonders loben - es ist ihnen gelungen eine
der interessantesten Figuren der Literatur in gleichem Maße in
den Film hinüber zu transferieren. Und so tobt der unheimliche
Kampf um den Einen Ring, von der ersten Filmminute bis zu seiner Vernichtung
im Schlund des Orodruin.
Bis dahin zeigt sich - genauso wie im Buch - dass Samweis der heimliche
wahre Held der ganzen Geschichte ist. Wenn jemand für den (unwahrscheinlichen)
Nebendarsteller-Oscar in Frage kommt, dann ist es diesmal Sean Astin,
noch vor Andy Serkis.
Doch nachdem die große Schlacht vor und in den Mauern der Weißen
Stadt geschlagen ist, beginnt der bis dahin einwandfreie Eindruck seine
allerersten Risse zu bekommen. Viel zu schnell sind die Wunden geleckt,
viel zu hastig bricht man auf und viel zu früh kommt man am Schwarzen
Tor an, das nur einen Steinwurf entfernt zu sein scheint. Besonders
hier wird die SEE im nächsten Jahr viel auszubügeln haben.
Sowohl Faramir und Éowyn sowie die heilenden Hände Aragorns
wird man dann sehen können, als auch wie das Heer des Westens an
Minas Morgul und der gestürzten Königsstatue an der Wegscheide
vorbeikommt (welche dann wohl auch Sam und Frodo zuvor erblicken werden).
Hier merkt man dann doch sehr deutlich was für ein Kraftakt es
ist, diese epische Geschichte in dreieinhalb Stunden erzählen zu
müssen.
Ein Kraftakt muss auch die Entstehung des Drehbuchs gewesen sein. Der
Lob an die drei Autoren ist jedoch nicht grenzenlos. Denn ähnlich
wie bei "Die Zwei Türme" sind praktisch alle Plot-Änderungen
zwar gut begründet und überzeugend umgesetzt, doch bei genauerem
Hinsehen erzeugen sie wieder einige Lücken in der inneren Logik
der Geschichte.
Wieso liegt Arwen z.B. plötzlich im Sterben und ist an den Ring
gebunden? Nur damit Aragorn durch diese Nachricht den letzten Anstoß
erhält, seinem Schicksal endlich entgegenzutreten?
Oder: Wie kann Rohans Heer auf einmal wieder so groß und stark
sein, wenn man im Vorgänger-Film doch etabliert hat wie schwach
verteidigt das Volk von Rohan ist? Hätte man nicht schon gegen
Saruman eine Heerschau abhalten sollen, wenn auf diese Weise so viele
neue Krieger zusammengetrommelt werden können?
Oder: Warum sieht nur Pippin, dass Faramir noch lebt? Ist die Treue
der Gondorianer derart groß, dass sie nicht nur seelenruhig dabei
zusehen, wie ihr einstiger Herr dem Wahnsinn anheim fällt, sondern
ihm auch noch bei seinem Vorhaben kräftig unterstützen? Löst
Tolkien das nicht viel besser mit der heimlichen Verbrennung und dem
beherzten Beregond?
Diese Beispiele, so wie auch Szenen wie diejenige, in der Faramir als
einziger vom Ausfall der Kavallerie zurückkehrt, mit nur wenigen
hundert Metern Vorsprung vor dem gesamten Heerwurm der Morgul-Streitmacht
- oder der Umstand, dass das Herannahen der riesigen Mûmakil-Stampede
trotz sonstiger Panoramasicht quer über das Anduin-Tal nicht vorzeitig
bemerkt wurde - kann man jedoch wohl getrost als kleine ungenaue Details
oder eben als "typisch Film" abtun. Andere Änderungen
sind dagegen sehr plausibel gewesen und betten sich nahtlos in die Geschichte
ein, wie z.B. die Rettung von Minas Tirith durch die Geister von Erech,
das Entzünden des ersten Leuchtfeuers durch Pippin (auf Gandalfs
Befehl) oder die "öffentliche" Offenbarung des Palantírs.
Änderungen beinhalten auch weggelassene Szenen, und derer gibt
es wahrhaft viele. Abschließend darüber urteilen kann man
wohl erst mit der SEE, aber es soll gesagt sein, dass es meiner Meinung
nach keine Szene in der Kinofassung von "Die Rückkehr des
Königs" gibt, die man an Stelle einer anderen hätte opfern
können (ganz im Gegensatz zu "Die Zwei Türme").
Auch wenn Peter Jackson sich für das Ende ausreichend viel Zeit
nimmt und einigen die hintereinander gestaffelten Abschlusszenen zu
langatmig vorkommen wird. Diese Geschichte muss vollständig und
respektvoll zu Ende erzählt werden, das ist nichts was man dem
regulären Publikum vorenthalten und nur für die Hardcore-Fans
auf eine DVD pressen kann. Schade um Ghan-buri-Ghan, Beregond, den Roten
Pfeil, dem Stein von Erech, dem Weißen Sämling und das Duell
zwischen Hexenkönig und Gandalf - aber es geht sehr gut auch ohne
sie.
Und somit endet die größte Geschichte, die jemals erzählt
wurde, auch genau so wie sie es im Buch tut und nicht anders. Oder fast.
Denn nichts wäre im Film fehler am Platze gewesen als dann noch
eine Rückkehr des Schreckens und eine Befreiung des Auenlandes
zu erzwingen. Daher erwartet die vier weit gereisten Gefährten
am Ende stattdessen auch nur eine vertraute idyllische Hügellandschaft,
ein mürrisch dreinblickender Hobbit, sowie vier Krüge voll
schäumendem Bier.
Frodos letzte hoffnungsspendenden Worte begleiten Sam als er nach Hause
kommt und sie sind somit auch direkt an das Publikum gerichtet:
Unsere Reise ist noch nicht vorüber. Es gibt noch vieles zu tun
und zu erleben, bevor auch wir in den Westen fahren...
(Sehr schön übrigens auch der Abspann, mit Konzeptzeichnungen
von Alan Lee und John Howe versehen, sowie den Porträts aller Hauptcharaktere.
Es lohnt sich also noch sitzenzubleiben - was man aber eh tun sollte,
um die Macher des Filmes zu würdigen.)
Fazit:
Wie schon zu Beginn verlautet - "Die Rückkehr des Königs"
ist der beste Teil der "Herr der Ringe"-Trilogie!
Peter Jackson und sein unglaublich enthusiastisches und engagiertes
Team haben es vollbracht, auf Grundlage von Tolkiens überbordender
Kreativität und Phantasie ein (weiteres) opulentes und tief beeindruckendes
Film-Meisterwerk zu kreieren. Während ich aber bei "Die Zwei
Türme" noch meinte, dass das Buch definitiv immer noch weitaus
besser sei (als der sehr gute Film), dann ist das hier schon nicht mehr
so einfach zu entscheiden. Denn es ist den Machern gelungen, neben und
auch an Stelle von unvergesslichen Momenten der Romanvorlage, neue unvergessliche
Momente hervorzurufen. Und genau dies ist das Geheimnis einer guten
Adaption - eigene, filmische, Akzente zu setzen, ohne die Integrität
der ursprünglichen Geschichte zu zerstören.
Dies wurde getan. Mit visionärer Kraft und Liebe zur Filmkunst,
die ihresgleichen sucht. Und so kann man unter anderem Geschichte schreiben.
Denn diese Filmtrilogie wird genauso wie die Buchtrilogie noch in Hundert
Jahren unvergessen bleiben!
Schade nur, dass es vermutlich nie wieder einen Film dieser Art und
Klasse geben wird. Aber schließlich wird es vermutlich auch nie
wieder ein Buch wie den "Herr der Ringe" geben...
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