Angst und Hoffnung
von Jörg Nemitz
Zhyria verschließt gerade das Bruststück ihrer Rüstung, als ihr Geliebter Ardrass
die Rüstungskammer betritt. Warm durchfährt es sie, als sie seine Gegenwart
in ihrem Rücken spürt. Sie dreht sich um und lächelt ihn an. "Nach dem Einsatz
machen wir es uns in meiner Kammer gemütlich. Ich habe eine Überaschung für
dich," verspricht Zhyria. Ardrass streichelt ihr Gesicht und gibt ihr einen
Kuss. "Ich werde dich daran erinnern." Ardrass nimmt sich eine Laserpistole
aus einem Schrank und steckt sie in das Holster. "Ich habe unseren Falken schon
inspiziert. Alles in Ordnung," bemerkt Ardrass. "Dann fahre ich die Systeme
hoch. Die anderen sind sicher schon bereit," meint Zhyria. "Beeile dich," flüstert
Zhyria ihm noch zu und geht in den Hangar.
Ardrass nimmt die Handschuhe und streift sie über. Dann geht er Zhyria hinterher.
Seine Einheit, ein roter Falken Antigravpanzer mit einer gemalten sich windenden
Schlage auf dem Rumpf, steht in der Mitte der Formation aus fünf Panzern. Ardrass
war der Kanonier des Panzers. Als er an den anderen Panzern vorbeigeht, unter
anderem einem von zweien Illum Zars, sieht er die anderen Eldar Gardisten ihre
Plätze einnehmen. Er steigt eine kurze Leiter hoch und schwingt sich in seinen
Sitz. Nachdem er das transparente Cockpitdach geschlossen hat, streift er sich
das optische Visier über, das ihm Daten der Zielerfassung in sein Gesichtsfeld
überträgt. Dann überprüft er die Funktion der beiden Geschütze in seinem Turm
und die der beiden Shurikenkatapulte im Rumpf. Als er keine Fehler finden kann,
gibt er die Klarmeldung durch und öffnet die Leitung zu Zhyria an ihrer Fahrzeugkontrolle.
"Hast du schon mein Geschenk gefunden?" fragt er sie.
"Es ist sehr schön," antwortet sie. Sie hält die kleine Kristallskulptur der
Regenbogenrose in der rechten Hand. Ardrass war sehr geschickt geworden auf
seinem Weg der Kristallkünstler. Sie verstaut das Kunstwerk in einem Fach unter
der Armlehne und öffnet die Kommunikation zu den anderen Einheiten. Jetzt war
nicht die Zeit über ihre Gefühle zu Ardrass nachzudenken. "Schlangenführer bereit,"
sagt sie und wartet die Meldungen der anderen Einheiten ab. Nach und nach melden
alle Einheiten Bereitschaft. "Flugkontrolle, Schlangenschwarm 14 bereit für
Einsatz," meldet sie. "Hier Flugkontrolle, sie haben Startfreigabe zum Übersetzen
zum Landungsschiff," kommt es zurück. Zhyria gibt Schub und manövriert den Panzer
aus dem Hangar des Weltenschiffes in das Landungsschiff, das die Schwadron auf
den Planeten bringen würde.
Die Geschwindigkeit, mit der sie dem Planeten entgegenrasen, drückt Ardrass
in die Konturliege. In großer Höhe hat das Landungsschiff sie losgelassen und
nun würden sie zum Einsatz kommen. Sie sind eine von mehreren Schwadronen, die
diesen Planeten für eine schnelle Überprüfung anfliegen. Ardrass rechnet nicht
mit Problemen, und überlegt sich, was Zhyria wohl vorbereitet hat. "Achtung!
Übergang in die Horizontale... jetzt," kommt es aus dem Lautsprecher des Funks.
Langsam dreht der Rumpf des Panzers sich dem Horizont zu und rast über das Land.
In V-Formation beginnt die Schwadron mit ihrem Suchmuster. Ardrass bedient den
Computer. "Ich habe eine Hitzeanzeige auf Vektor 260. Erbitte Kontrolle," sagt
er in den Funk. Sofort ändern alle Eldarpanzer die Richtung. Nach kurzer Zeit
haben sie die Stelle gefunden, woher die Hitze herkommt. Es ist eine glimmende
Waldfläche. "Sieht aus wie Trümmer," kommt es von Einheit zwei. "Bestätigt.
Es sind Trümmer. Woher sie stammen ist jetzt wichtig," meint Ardrass.
"Geschütze feuerbereit machen," befiehlt Zhyria. "Vermutlich sind die Verursacher
der Trümmer noch in der Nähe." "Verstanden!" Zhyria nimmt Geschwindigkeit weg,
um sich die Trümmer besser ansehen zu können. "Schlangenschwarm an Landungsschiffkontrolle.
Wir haben Trümmer gefunden. Bestätigen sie," ruft sie über Langstreckenfunk.
Es kommt keine Antwort. "Landungsschiffkontrolle, bestätigen sie Kontakt," ruft
Zhyria wieder. Dann sieht sie im Display der Funkanlage: Funkverkehr gestört.
"Der Funk ist gestört. Voller Sensorscan der Umgebung," befiehlt Zhyria. "Nicht
mehr nötig," kommt eine unbekannte Stimme aus der Funkfrequenz in Eldar. Auf
einmal landet ein Stiefel auf dem Cockpit des Falken. Vor Schreck reißt Zhyria
die Steuerkontrollen herum. "Dunkeleldar," ruft Syrlia aus Einheit vier. "Abschütteln
und um mich formieren," ruft Zhyria. Der Feuerball des explodierenden zweiten
Falken blendet sie kurz.
Ardrass versucht die Waffen auf die fliegenden Gestalten zu richten. Von links
fliegen die Laserimpulse und von rechts kommt ein langer Strahl des Pulsarlasers.
Mehrere Harpyen überleben den Angriff nicht. Langsam fangen auch die anderen
Panzer an zu feuern. "Wir sind umzingelt! Seht, aus allen Himmelsrichtungen
kommen Schattenbarken," ruft Ardrass. "Konzentrierter Angriff auf die Schattenbarke
vor uns. Wir müssen ausbrechen," befiehlt Zhyria. Ardrass richtet das Zielkreuz
auf den schlanken Rumpf der Barke. Als das Bereitschaftssymbol aufleuchtet,
drückt er die Auslöser. Fast im selben Augenblick treffen die Strahlen von den
vier Eldarpanzer auf die Schattenbarke und reißen sie auseinander. Als die Trümmer
zu Boden fallen sind die Panzer vorbei und lassen die Dunkeleldar hinter sich.
Ardrass und die anderen Kanoniere drehen ihre Geschütztürme und richten ihre
Waffen wieder auf die sie verfolgenden Dunkeleldar. Deren Antwort ist ebenso
intensiv. "Pulsar ist ausgefallen," meldet Einheit drei. "Weiterfeuern," antwortet
Ardrass. Dann sieht er einen schwarzen Strahl auf ihn zukommen. Zhyria kann
den Treffer nicht sehen, aber dafür besser spüren. "Antrieb getroffen! Auf Aufprall
vorberei.." Weiter kommt sie nicht. Wie ein Stein trifft der Falke auf das Blätterdach
des Waldes. Durch die hohe Geschwindigkeit reißt der Falke eine lange Schneise
in den Wald. Zhyria muss kurzzeitig ohnmächtig geworden sein, denn als sie wieder
zu sich kommt, liegt sie eingequetscht unter einem mächtigen Ast in ihrer Liege.
"Drei! Holt uns hier ab," hört sie Ardrass aus dem Funk. "Ardrass," ruft sie
mit schwacher Stimme. "Ich bin eingeklemmt, kann mich nicht bewegen." "Halte
aus, Geliebte," antwortet er. "Achtung, die Schattenbarken halten. Sie laden
aus." Furcht durchschießt Zhyria. "Bitte, lasst mich nicht in die Hände der
Dunkeleldar fallen," fleht sie ängstlich. "Ich werde nicht zulassen dass sie
dich entführen," sagt Ardrass neben ihr. Er war aus seinem Turm gestiegen, um
sie zu retten. Sanft zieht er ihr den Helm auf und wischt ihr Blut von der Stirn.
Neben ihrem Wrack landet Einheit drei und öffnet die Transportluke. Ardrass
zieht die Laserpistole und zerschießt den Ast in kleinere Stücke. "Hagashîn,"
hört sie jemanden über Funk rufen. Zhyria entfährt ein kurzer Angstschrei. Mit
der einzigen Hand, die sie bewegen kann, krallt sie sich in Ardrass Arm. "Lass
nicht zu, dass sie unser Kind nehmen," kreischt sie hysterisch.
Ardrass ist wie betäubt. "Unser ... Kind?" stottert er. Zhyria schlägt bestätigend
die Augen nieder. Ardrass kann wegen dieser Neuigkeit nicht denken. Er sieht
die Hagashîn schnell näher kommen. Es war für ihn keine Zeit. "Terqu'alar, hol
Zhyria heraus. Ich verschaffe euch Zeit zu fliehen," sagt er in den Funk und
springt wieder den Panzer hoch in seine Liege. Ohne die Unterstützung des ausgefallenen
Computers feuert er den Impulslaser ab. Immer wieder feuert er, ständig in Sorge
um Zhyria. Doch gegen diese Übermacht kommt er nicht an. Der Hagashîn-Succubus
springt mit einem Satz auf den Panzer und schwingt den Peiniger. Ardrass krümmt
sich unter den elektrischen Blitzen und dreht den Turm. Die Mündung des Pulsars
kracht in den Rücken des Succubus und bringt ihn aus dem Gleichgewicht. "Geht
in Schönheit," flüstert Ardrass in den Funk, ein letzter Gruß an seine Gefährten,
als der Succubus seine Splitterpistole auf Ardrass richtet. Ardrass umschließt
schützend seinen Seelenstein und wartet auf die tödlichen Splitter. Doch plötzlich
wird der Dunkeleldar in Stücke gerissen. Dutzende oder hunderte Shurikensterne
treffen den Succubus und die anderen Hagashîn. "Schnell, Ardrass," kommt eine
lautsprecherverstärkte Stimme von rechts. Ardrass sieht eine offene Rampe in
der Höhe seines Turmes schweben. Doch bevor er aussteigt, öffnet er auf der
linken Seite ein Fach und zieht einen roten Hebel. Dann springt er in die Luke
und schreit: "Selbstzerstörung läuft!" Sofort bewegt sich der Falke Nummer drei,
noch bevor die Luke vollständig geschlossen ist. Kurz darauf erschüttert die
Druckwelle des explodierenden Panzers den fliehenden Falken.
Zhyria erwacht durch eine Berührung. Über sich sieht sie Ardrass Gesicht schweben.
Er kniet neben ihr und hat sie in seine Arme genommen. "Oh, Geliebte, warum
hast du nichts vorher gesagt," seufzt er. Zhyria muss schlucken. Tränen fließen
über ihre Wangen. "Ich wollte es dir heute abend sagen. Ich wollte es in einem
ruhigen Augenblick sagen," flüstert sie. Lange Zeit sprechen sie nicht. Dann
nickt Ardrass. "Ich verstehe dich. Und jetzt ruh' dich aus. Ich werde über dich
wachen." "Werden wir hoffen können, dass unser Kind eine gute Zukunft haben
wird?" fragt Zhyria. Ardrass nimmt ihre Hand. "Es gibt immer Hoffnung wenn wir
zusammen sind," beruhigt er sie. Dann gibt er ihr einen Kuss.
Einen Kuss der Art, die selbst in den dunkelsten Zeiten Bestand hat.
Einen Kuss voller Zuneigung und Hoffnung zwischen zwei Lebewesen.
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