von Michael Zupp
"Dort!" "Wo?" kreischte Merk, und brachte in der selben Sekunde sein Lasergewehr
in Anschlag. Mit brennenden Augen suchte er in der dichten Vegetation des Dschungels
nach Anzeichen von einer Bewegung. Nichts.
Grodo, der neben ihm lehnte streckte langsam eine Hand aus und deutete in eine
unbestimmte Richtung. "Ich dachte, da habe sich was bewegt." Er zog die Hand wieder
ein. "Mensch!" zischte Merk. "Du Idiot kannst einen echt erschrecken. Aber mit
so was macht man keine Witze. Eigentlich..." "Aber ich dachte echt, da war was,"
unterbrach ihn Grodo aufgeregt. "So...zwischen den Bäumen." "Ist schon gut," fuhr
Merk fort. "Wir sind alle etwas übermüdet. Aber ich glaube sie kommen heute nicht
mehr." "Echt?" fragte Grodo ungläubig. "Nein." Merk schüttelte den Kopf. "Warum
hätten sie den Schutz der Dunkelheit verschmähen sollen. Wenn sie angreifen wollten,
hätten sie es am besten über Nacht getan. So aber... müssen sie warten..."
Merk war sich selbst nicht ganz klar ob ihn das beruhigen könnte. Aber es war
eine alles in allem logische Erklärung. Die ganze Nacht hatten so ziemlich alle
in der kleinen imperialen Garnison vor lauter Angst fast in die Hose gepinkelt.
Obwohl Merk sicher war, das es bestimmt einige getan hatten. Seit vier Tagen hielten
die Steinmauern der Kaserne nun Angriffswelle auf Angriffswelle der Tyraniden
stand, und Merk konnte nicht sagen, dass er doch mit einem gewissen Stolz bei
der Sache war. Ein wenig Stolz inmitten von viel mehr Todesangst.
Bis jetzt widerstanden die sandsteingelben Mauern der Festung hartnäckig den Angriffen
der Schwarmwesen. Aber die Lage sah gar nicht gut aus für die Verteidiger. Sie
besaßen nur noch ein funktionsfähiges Tarantula Abwehrgeschütz, das auf einem
der vier Wachtürme der Festung, notdürftig repariert angeschraubt war. Deweiteren
noch zwei Laserkanonen und sechs schwere Bolter, die fast alle nur noch teilweise
funktionsfähig waren. Ein weiteres Problem bestand darin, dass es fast keine Bedienungsmannschaften
mehr unter den wenigen übriggebliebenen Caladianern waren.
Vor zwei Tagen hatten die Tyraniden Leutnant Raul getötet. Merk wusste nicht genau,
wie es den Alten erwischt hatte, aber im Lager hieß es, daß es einige Symbionten
irgendwie geschafft hatten in das Kommandogebäude des Forts zu gelangen.
Zumindest zeugten die beiden entstellten Leichen der Wachen von einer Infiltration...
Dabei hatte alles so gut angefangen. Um seinen Wehrdienst abzuleisten, und dem
"HEILIGEN IMPERATOR ZU DIENSTEN ZU SEIN" wie sich sein Vater, Mitglied des Adeptus
Arbites immer ausgedrückte hatte, hatte er sich vor vier Monaten bei den Planetaren
Verteidigungsstreitkräfte auf Kap Caladis eingeschrieben, und war dann sofort
zu einer Befreiungsmission nach Telorin Prime eingezogen worden. Nun... letzteres
war nicht geplant gewesen. Trotz seiner eigenen und der Unerfahrenheit seiner
Kameraden hatte man ihn am nördlichen Kontinent von Telorin Prime abgesetzt. Der
dschungelüberwucherte Planet barg neben seinen vielen Gefahren auch eine akute
Tyranidenverseuchung. Jedoch wurde die Exterminierung durch orbitale Bombardierung
vorerst ausgesetzt, um angeblich wichtigen Lebensraum für neue Siedler zu schonen.
"Ha! Neue Siedler," dachte sich Merk, "mir würde es nicht im Traum einfallen auf
dieser verwucherten Dreckskugel leben oder gar sterben zu wollen!" Obwohl letzteres
von ihm als sehr wahrscheinlich angesehen wurde.
Nun war es nicht so, dass Merk nicht am Leben hing. Er war in keinem Strafbatallion
oder irgendein verrückter imperialer Kommissar. Nein. Es war nur so, dass man
sich nach einer Woche im schwülen, verdreckten, morastigen Telorianischen Dschungel
die Hölle auch nicht viel schlimmer sein konnte.
Viele waren von den tückischen Tropenkrankheiten dahingerafft worden. Andere waren
wahnsinnig geworden und des Nachts davongelaufen. Und wenn die ihnen nachgeschickten
Suchtrupps dann endlich ihre von jeglicher Form befreiten Leichen, oder einfach
Überreste fand, und auch identifiziert hatte (Was im Allgemeinen ein wenig Zeit
in Anspruch nahm) hatte auch der Suchtrupp schon Verluste erlitten.
Zumindest hatte man den verzweifelten Verteidigern der imperialen Stellungen rasche
Entsatzung versprochen. Angekündigt wurde diese Hilfe gestern von Kommissar Lazera,
bei der sowieso überflüssig gewordenen Kompaniemusterung. Es gab nicht mehr viele
überlebende Soldaten. Lazera hatte von der Landung von Space Marines vom Orden
der Silver Skulls erzählt. Er hatte behauptet, dass diese Elitekrieger des Imperators
direkt in ihr Kampfgebiet versetzt würden. Aber bisher waren sie noch nicht zu
ihnen gestoßen. Warum auch. Wer waren sie denn schon? Keeli, ihr alter Seargent
hatte ihnen von den gewaltigen Ausmaßen des Imperiums erzählt. Von einer Seite
der Milchstraße zur anderen. Galaxieumspannend. Mit über einer Million Welten.
Bewohnt von Abermilliarden Menschen. Beschützt von Millionen Soldaten und Raumschiffen.
Heroisch seit zehntausend Jahren gegen alle Arten von Angriffen verteidigt, sowohl
äußere Konflikte wie Invasionen oder Überfalle, aber auch interne wie Verschwörungen
oder Rebellion. Mittelpunkt dieses zentralistischen Reiches war und ist der allmächtige
Imperator. Der Gottkaiser. Vater und Beschützer der Menschheit. Mittelpunkt des
imperialen Glaubens und Quelle der Menschlichen Herrschaft über die Sterne. Denn,
auch wenn das Imperium das größte Sternenreich in der Galaxis ist, so ist es doch
unvorstellbar dünn besiedelt. Nur ein Bruchteil der im All existierenden Planeten
war für menschliches Leben geeignet, und wiederum nur ein Bruchteil dieser ist
tatsächlich von Menschen bewohnt.
Diese Tatsache macht eine einheitliche Regierung natürlich unmöglich. Denn obwohl
sich die Menschen die Kräfte des Warp nutzbar gemacht hatten, und sich somit schneller
als das Licht bewegen konnten, dauerten Reisen im Warp manchmal Monate, aufgrund
der unglaublichen Entfernungen.
Man hatte Merk gesagt, dass sich in diesen unvorstellbaren Weiten immer noch Planeten
befinden, die nichts vom Imperator und seinen Dienern wissen, und deren Kolonien
schon lange vor dem Zeitalter des Weltenbrandes besiedelt worden waren. Viele
dieser Welten hatte ihr Verständniss für die wundersame Technologie, die der Menschheit
einst erlaubte ihr gewaltiges Reich aufzubauen verloren, und waren in Barbarei
und Steinzeit zurückgefallen.
Die gewaltige Aufgabe dieses Imperium wenigstens einigermaßen aufrechtzuerhalten
war die des Adeptus Administratum. Diese Organisation führte Buch über all die
Welten des Imperiums. Sie treiben die Abgaben der Planetaren Gouvernoure ein,
verwalten die gewaltigen Resourcen des Imperiums und lassen Armeen und Regimenter
ungeahnter Größe ausheben. Sie sind die Brücke der galaxieumspannenden Bürokratie.
Mit einemal wurde Merk klar, wie klein und nichtig sie doch alle waren und er
lächelte. Grodo sah ihn an. Er musste einen schlimmen Anblick bieten. Eingehüllt
in einen schweren, mit Tarnfarben bemalten Regenmantel, unter der Armaplast-Brustpanzerung.
Sein Lasergewehr in seinen dünnen Armen, vor Hunger und Durst ausgezehrt. In einer
Hock-Stellung hinter einem schon lang umgestürzten Verteidigungsgeschütz kauernd.
Auf einer Mauer aus Sandstein. Erbaut im tiefsten Dschungel von... von wem auch
immer.
Es fing an zu regnen. Vielleicht hatte es auch schon vorher geregnet und er hatte
es nur nicht bemerkt. Der Himmel war düster geworden und schien sturmgepeitscht.
Mit einemal fing es an wie aus Eimern zu schütten. Merk und Grodo sahen nach oben.
Regen prasselte ihnen ins Gesicht, prallte von den Mauern aus Sandstein ab und
erzeugte einen wabernden knöcheltiefen Nebel. Der Sichtradius verringerte sich
und es donnerte. Zuerst nur leise...
Merk´s Tarnmantel war total durchnässt. Mit einemal hatte er es satt. Alles. Den
Dschungel, den imperialen Kult, seine Vorgesetzten, das Töten, und den Sold.
Naja, wenn man ihn immer pünktlich bekommen würde sicher nicht so.
Merk entschied seinen Posten zu verlassen, und in einer der Kasernenbaracken etwas
zu essen, und was gutes zu trinken zu suchen. Vielleicht fand er sogar seine Spielkarten
irgendwo wieder. Er beschloss seine Entscheidung Grodo mitzuteilen. "Was hältst
du davon..." begann er als durch das Prasseln des Regens plötzlich ein schrilles
Pfeifen zu hören war. Unfähig sich zu bewegen stand Merk da. Man konnte durch
die dicken, vom Wind aufgewirbelten Tropfen kaum etwas sehen. Er tauschte einen
besorgten Blick mit Grodo und hob sein Lasergewehr...
Grodo´s Kopf explodierte mit einem feuchtem Bampf. Blut und Hirnmasse schlugen
Merk ins Gesicht und schwappten auf dessen Tarnmantel. Fast wie in Zeitlupe kippte
die kopflose, knieende Gestalt Grodos zur Seite und rollte sich auf dem schmalen
Wehrgang der Sandsteinmauer auf den Rücken. Merk sprang auf, riss sein Lasergewehr
hoch und gab zwei ungezielte Impulsschüsse in die von ihm vermutete Richtung des
Angriffs ab. "Tyraniden!!!" schrie er gegen den böigen Wind an, bis ihm die Lungen
schmerzten. "Tyraniden!!!"
Sekunden später brach aus dem Dschungel die Hölle hervor. Von überall aus dem
Dickicht, das sich bis kurz vor die steilen Mauern der Festung erstreckte, stürmten,
hüpften, krochen und quollen Alptraumkreaturen hervor, wie man sie sich nicht
vorzustellen wagte. Niemals wäre ein menschlicher Geist auf die Idee gekommen,
sich biologisches Leben in so einer perversen Form vorzustellen.
Sechsarmige Symbionten, wuselten Seite an Seite mit gebückt laufenden Termaganten
und springenden Hormaganten zwischen den gewaltigen Säulenbeinen von riesigen
Tyranidenkriegern umher. Ein Carnifex donnerte aus der Deckung des Dchungels und
prallte gegen die Sandsteinmauer. Liktoren hielten sich im Hintergrund und schienen
die kleineren Schwarmwesen anzutreiben. Zwischen der Masse an wabernden, geifernden,
kreischenden und brüllenden Höllenkreaturen brandeten kleine Absorberlarven wie
ein Teppich aus lebendem Gewebe gegen die Befestigung und versuchten sie mit korrodierenden
Körperflüssigkeiten aufzuweichen. Und über diesem Schreckensszenario kreisten
am düsteren telorinischen Himmel Rotten von geflügelten Gargoyles, die die Verteidiger
der imperialen Garnison mit toxischen Flammenkugeln eindeckten.
Wie als natürliche Reaktion auf den sich öffnenden Höllenschlund reagierten die
wenigen, noch verbliebenden Verteidiger. Das noch verbliebene Tarantula-Abwehrgeschütz
reagierte, und spuckte Granaten und Laserimpulse in die Masse der Angreifer. Die
schweren Bolter, die auf ihren mobilen Untersätzen bis ganz an den Rand der Verteidigungsplattform
gekarrt worden waren, ließen einen tödlichen Regen aus Hartmantelgeschossen auf
die Aliens niedergehen. Laserkanonen nahmen skalpellartige Schnitte an den größeren
Angreifern vor und ließen einen Tyranidenkrieger in der Mitte gespaltet zu Boden
sinken. Merk´s Kameraden hatten sich an die Zinnen gestürzt und feuerten aus Boltern,
Lasergewehren und Plasmawerfern auf die anrückenden Horden. Merk stürzte zu einigen
seiner Leute und feuerte über die Zinnen auf die Meute.
Die Verteidiger wehrten sich verbissen. Granate um Granate schlug in die Reihen
der Angreifer. Zentimeter lange Boltergeschosse zerfetzten Chitinpanzer und Hornschuppen.
Plasmawaffen verkochten und zerschmolzen die Angreifer. Lasersalve um Lasersalve
brachte die unheimlichen Invasoren zu Fall. Aber sie rückten unaufhaltsam vor.
Die Horde kroch und schob sich geifernd und kreischend über ihre Toten und sterbenden.
Ein Teppich aus Schleim, Alienblut und Gedärmen bedeckte den Boden. Sie waren
nicht aufzuhalten...
Mit einem lauten Knall explodierte das letzte Verteidigungsgeschütz und zerriss
dabei den brüllenden Ladeschützen. Merk starrte für eine Sekunde auf das aus der
Verankerung gehebelte Wrack der übergroßen Waffe... und warf sich dann instinktiv
zur Seite. Eine Flammenkugel, wahrscheinlich von einem Gargoyle Angriffsflieger
abgefeuert, zischte nur einige Zentimeter weit an seinem Kopf vorbei und versengte
ihm Haar und Ohr. Der Schmerz, der ihm in dieser Sekunde durch den ganzen Körper
schoss war auszuhalten. Der Soldat neben ihm hatte nicht soviel Glück. Die glühende
Flammenkugel traf ihn in Brusthöhe und schleuderte ihn aus dem Sitz seiner schweren
Bolter Belagerungswaffe zehn Meter weit über den Wehrgang, bis er an den Turm
knallte und buchstäblich zerplatzte.
Merk versuchte sich aufzurichten. Er rollte sich auf alle Viere und fing dabei
kurz den Blick des zweiten Kanoniers des schweren Bolters auf. Er war damit beschäftigt
gewesen neue Magazine fürs Nachladen zusammenzusuchen. Er kauerte an der Seite
der Waffe und starrte mit weit aufgerissenen Augen auf dem dunklen Fleck am Turm,
der einmal sein Waffenteamgefährte gewesen war. Dann schwenkte sein Blick ausdruckslos
zu Merk hinüber und die Augen des Ladeschützen bohrten sich in seine. Der Ladeschütze
bewegte die Lippen, aber Merk konnte durch den allgemeinen Gefechtslärm nichts
hören.
Fast im gleichen Augenblick sprang ein Tyranidensymbiont auf die Zinne vor Merk
und stürzte sich auf seinen Kameraden. Ein gewaltiger Schwall Blut klatschte Merk
ins Gesicht, als der Symbiont dem Ladeschützen den Kopf abriss und ihn beiseite
warf. Über die Zinnen in die tobende Masse hinein. Danach machte er sich daran
den restlichen Körper in Fetzen zu reißen und ignorierte Merk völlig.
Merk kroch apathisch ein Stück zurück, bis an den Rand der Wehrmauer. Er war tot.
Das Biest würde ihn töten. Irgendwie war es der Kreatur gelungen durch das Abwehrfeuer
die glatte Mauer zu erklimmen. Merk starrte auf die blau und purpur gepanzerte
Bestie, die ihm noch immer den Rücken zuwandte. Gebückt stand sie da. Den größten
Teil des Körpers in einer blauen, chitinartigen Substanz versteckt. Vier Arme,
von denen zwei aus mächtige Klauen, und die anderen zwei aus starken Krallenfingern
bestanden. Der Kopf klein und rund, die Augen tief in den deformierten Schädel
eingefallen und Zähne wie Rasiermesser. In mehreren Reihen im Rachen angeordnet.
Merk fand nicht die Kraft zu feuern. Irgendetwas hielt ihn davon ab. Sein Körper
schien es für sinnlose Energieverschwendung zu halten. Er konnte es nicht....
Der Symbiont drehte sich zu Merk um. "So, das war es also!" dachte er sich. Hier
würde er sterben. Allein und verlassen in irgendeinem Höllenloch weit weg von
zuhause. Merk hatte sich oft gefragt wie er einmal sterben würde. Aber in letzter
Zeit war es ihm bewusst geworden, dass er nur im Kampf fallen könnte. Gegen einen
Feind der keine Gnade, kein Mitleid kennt oder versteht. Geopfert in einem sinnlosen
Kleinkrieg. Ausgelöst von irgendjemandem im Adeptus Administratum, der wahrscheinlich
schon lang tot war. Im Kampf um ein dreckiges Stück Dschungel weggeworfen. Ohne
Bedauern, ohne Sinn. Der Symbiont vor ihm kannte keine so komplexe Gedankengänge.
Er bekam seine Befehle von irgendeiner Synapsenkreatur unter ihm an den Mauern
der Burg. Sein Ziel bestand darin zu töten. Er brauchte keine Begründung und hatte
keine moralischen Komplexe wenn er jemanden umbrachte. Wie perfekt schienen Merk
diese Kreaturen. Ein Leben geprägt von Vermehrung und Überleben. Vielleicht die
einzigen Werte in der Galaxis die heute noch Sinn machten. Zumindest in der komplexen
und dekadenten Gesellschaft des Imperiums der Menschheit... Doch halt. Das Imperium
erstreckte sich von einem Teil der Galaxie zum anderen. Es gab eine Million Welten,
und viele waren bewohnt, und die meisten dieser Welten waren von Menschen bewohnt.
Der dominierenden Spezies in der Galaxis. Die Menschheit hatte schon vor dem Imperator
große Reiche aufgebaut. Ihr Drang nach Wissen hatte die menschlichen Kolonisten
bis an den Rand der Milchstraße getrieben. Im Dunklen Zeitalter der Technologie
hatte die Menscheit große Geheimnisse besessen. Auch wenn es heute nicht mehr
viel davon gab, so war jedoch eins sicher. Die Menscheit hatte sich einst über
alle anderen Spezies in der Galaxis gestellt. Sie hatte sich unaufhaltsam ausgebreitet.
Sie hatte ihre Größe dadurch zur Schau gestellt, daß sie jeden Krieg, jede Seuche,
jede nur erdenkliche Katastrophe irgendwann irgendwie gemeistert hatte. Und das
nicht nur mit Wissen, sondern mit Tapferkeit, Mut und Zähigkeit.
Diese Erkentniss traf Merk wie ein Blitz. Davon hatten der Feldkaplan und der
Kommissar also immer gesprochen. Jetzt, im Augenblick des Todes verstand Merk
das alles und noch vielmehr. Aber um darüber nachdenken zu können musste er noch
ein bischen weiterleben. Und um das zu tun, musster er sich eines kleinen Problems
zuerst entledigen...
Der Tyranidensymbiont sprang. Ein siegessicheres Brüllen drang aus der unförmigen
Kehle, als er ansetzte, dem kleinen Menschen da den Todesstoß zu versetzen. Merk
rollte sich blitzschnell herum, ergriff sein Lasergewehr, dass ihm irgendwie weggerutscht
sein musste, riss es hoch und feuerte. Er traf den Symbionten mitten in das aufgerissene
Maul. Die Schädeldecke des Schwarmwesens wurde nach hinten abgerissen, der Körper
aber hatte noch soviel Schwung, dass er fast auf Merk geprallt wäre hätte dieser
nicht sein Bein ausgestreckt um den zuckenden Körper abzufangen. Er trat ihn zurück
und sprang auf. Gleichzeitig landete ein weiterer Symbiont auf der Zinne, aber
noch ehe dieser sich orientieren konnte zog ihm Merk seinen langläufigen Laserkarabiner
über den gräßlichen Schädel. Der Tyranid taumelte kurz und schlug mit einer langen
Klaue unbeholfen nach Merk. Der Schlag streifte ihn nur, hatte aber dennoch genug
Kraft um ihn nach hinten zu schleudern. Offenbar etwas zu weit nach hinten. Merk
verlor den Halt und kippte mit rudernden Armen von der geländerlosen Wehr.
Er prallte hart auf dem Rücken auf und schnappte nach Luft. Der knapp sieben Meter
lange Sturz von der Wehr schien ihm die Lungen geprellt zu haben. Keuchend kam
er hoch. Er konnte durch den noch immer wabernden Nebel nicht sehr weit sehen.
Aber er konnte hören. Und er hörte nur noch vereinzelt Bolterfeuer und Laserschüsse.
Die Tyraniden hatten sie überrannt.
Merk taumelte durch den Innenhof der Kaserne. Er hatte seinen Karabiner irgendwo
im Nebel verloren. Er war also unbewaffnet. Dieses Gefühl behagte ihm gar nicht.
Zumindest schien ihn der Tyranid von der Mauer zumindest nicht zu verfolgen. Auf
seinem Weg durch das Lager sah er noch mehr Tod und Zerstörung. Seine Kameraden
rannten wie aufgescheuchte Wachteln orientierungslos durch den Kasernenhof. Vereinzelt
waren Schüsse und Schreie zu hören. Die Überlebenden flohen von den Mauern bevor
eine riesige Welle aus Tyraniden sich wie heißes Blei über die Zinnen, hinein
in das Lager ergossen. Merk sah immer nur rennende, schreiende Schemen. Er hörte
imperiale Soldaten bald hierhin bald dorthin laufen. Vielen folgte blitzschnell
der sechsarmige Tod, als Termaganten und Symbionten ohne Probleme durch den Nebel
flitzten um die letzten Überlebenden kaltzumachen. Merk hörte wie einige seiner
Kameraden in den Dschungel flohen. Er gab ihnen keine hohe Überlebenschance.
Merk schleppte sich weiter an den Baracken vorbei zum Munitionslager. Er wusste
auch nicht wie er in dem wabernden Nebelregen überhaupt den Weg finden konnte,
aber er bewegte sich zielstrebig. Plötzlich hörte er hinter sich ein Geräusch
im Matsch. Durch den Schlamm arbeiteten sich unerbittlich sechsarmige Klauenhände.
Auf allen vieren rennende Tyraniden, die ihn witterten und rasch einzuholen schienen.
Merk beschleunigte sein Hinken. Es war nicht Angst, die ihn trieb, nein, merkwürdigerweise
war es eine Besorgnis ganz anderer Art. Er fürchtete zu sterben, ohne vorher ausreichend
Aliens mitgenommen zu haben. Vielleicht funktionierte der ganze imperiale Kult
so. Vielleicht musste man über das Stadium banaler Angst hinauswachsen um den
Umfang seines Glaubens festzustellen. Vielleicht baute das ganze imperiale System
nur auf das Blut von Märtyrern, die sich nicht für ihr Land, nicht für ihre Welt,
nein, für das ganze galaxieumspannende Imperium aufopferten. Denn die Menscheit
war schon immer da. Und für dieses Recht war er bereit zu kämpfen.
Merk sah vor sich die Umrisse der Munitionsbaracke. Einem einfachen Bau aus Holz
und Fertigteilen. Er stürmte auf den Eingang zu, als er bemerkte, dass seine Verfolger
ganz nah sein mussten. Er streckte die Hand nach der Klinke aus nur noch vier
Meter...noch drei...noch zwei...
Etwas sprang Merk von hinten an, klammerte sich an seinem Rücken fest und biss
ihm in die Schulter. Merk schrie vor Schmerz, taumelte, und brach rote Punkte
vor den Augen sehend durch die Tür des Munitionslagers. Er rutschte auf irgendetwas
glitschigem aus und stürzte.
"RUNTER" schrie irgendjemand. Im nächsten Augenblick hörte Merk das Rattern von
Bolterschüssen und er spürte wie ihn das Gewicht auf seinem Rücken verließ. Merk
kam auf dem Boden auf und rollte weiter. Er war auf der Treppe des Depots ausgerutscht
und pollterte nun zehn Stufen nach unten. Er kam äußerst unsanft unten an. Schien
so als hatte er sich einen Halswirbel verrenkt. Merk versuchte aufzustehen. Er
sah den toten, von Boltergeschossen zerrissenen Symbionten nicht, der an der Schwelle
zur Treppe lag. Er nahm auch nur noch sehr vage die Umrisse von Leutnant Dundee
und einigen imperialen Soldaten war. Sie schienen gerade dabei gewesen zu sein
ein kleines motorgetriebenes Scoutfahrzeug, mit einer gepanzerten Kabine zu besteigen.
Merk fühlte noch wie ihm Arme unter die Schultern griffen und ihn in das Innere
zogen. Weit weg von hier. An einen Ort, wo ein Mensch noch etwas zählte und wo
sich alle ihrem Platz im Universum als Menschen bewusst waren. Und an diesem Ort
würden auch jene von der größe der Menscheit erfahren die keine waren. Aber ob
sie sie begreifen würden.....
EPILOG:
Merk hörte ein Kratzen an der Frontverkleidung des Fahrzeugs. Seine Sehfähigkeit
kehrte langsam wieder zurück und auch das Gefühl in seinen Gliedern. Jetzt hatten
sie ihn endlich. Merk hatte schon fast daran geglaubt gerettet zu sein, als eine
gutgezielte Flammenkugel eines Gargoyles alle Hoffnungen zunichte gemacht hatte.
Das Fahrzeug schleuderte und war auf dem Rücken liegengeblieben. Rauch hatte sich
entwickelt und alle anderen außer Merk getötet. Jetzt mussten ihn die Tyraniden
gefunden haben. Er bereitete sich darauf vor zu sterben. Er hatte keine Angst...
Das Fahrzeug wurde umgedreht. Bevor Merk wusste wie ihm geschah kugelte er aus
der eingedrückten Kabine hinaus in den feuchten Humus des Dschungels. Er rollte
an etwas hartes und kaltes. Er blieb einige Sekunden lang liegen. Aber die Tyraniden
mussten ihn atmen gesehen haben. Sie stießen ihn an. "Erheben sie sich sofort
und identifizieren sie sich." Merk riss die Augen auf und starrte nach oben. Über
ihm stand ein fast zwei Meter großer, genetisch verbesserter Space Marine. Seine
Rüstung war in tiefem grau gehalten, und auf seinen Schulterpanzern prangte das
Symbol eines Schädels. Space Marines vom Orden der Silver Skulls! Es war tatsächlich
wahr.
"Stehen sie auf Soldat. Am Boden zu liegen ist eines imperialen Verteidigers ihres
Formates unwürdig." Der Riese hatte ein vernarbtes Gesicht, und drei Stahlbolzen
als Abzeichen für die Dienstjahre in der Stirn. Hinter dem Anführer konnte Merk
auch noch andere Space Marines, alle schwer bewaffnet ausmachen. "Was...Was..."
stammelte Merk. "Lassen sie mich zu ihrer Leistung gratulieren," sagte der unbehelmte
Marine mit den Bolzen. "Ich bin Captain Berdil Argenia von den Legio Astartes
Silver Skulls. Wir sind hier um ihre Leute zu entsatzen. Nicht schlecht der Ausbruchsversuch
mit dem Geländewagen. Wir haben den Crash gehört und sie somit gefunden.
Merk war von den Socken. Sollte das heißen...sollte das? "Kommen sie mit Soldat.
Sie kennen das Gelände hier besser als wir und außerdem können sie uns sicher
taktische Informationen über Feind und Truppenstärke liefern. Bei seiner Heiligkeit,
ich würde mich freuen sie sogar in einer unserer Scoutkompanien zu sehen. Wir
setzen auch die Suche nach Überlebenden fort. Aber unsere Hauptaufgabe ist es
die Tyraniden zu vertreiben. Es ist seit einiger Zeit ziemlich still in Richtung
des Forts." Argenia legte seine überdimensionierte Hand auf Merks aufgerissene
Schulter. "Kommen sie!" sagte er bestimmend. Er wandte sich ab und gab den anderen
Marines Befehle, die sich daraufhin gefechtsbereit machten. Merk wollte noch etwas
wissen. Eine Frage hatte er noch, dann konnte kommen was wollte. Es war egal,
aber eines...
"Sir!" schrie Merk als er wieder dazu imstande war einigermaßen zu sprechen. "Sir!"
Der Riese drehte sich um. "Ich gehe mit ihnen, ich habe nur eine Frage, Sir."
"Ja...was gibt es denn?" fragte Argenia fast ein wenig verwirrt. "Sir...," begann
Merk, "Sir... wenn ich mit ihnen gehe, darf ich dann auch Tyraniden töten?"
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