Es war ein staubiger und heisser Sommer in Poison Creek gewesen, daran erinnerte sich der alte Mickey noch genau. „Weißt du, auf den Pilzfarmen ging es mehr schlecht als recht zu und her. Wasser fehlte und drei Viertel der Ernte war bereits verdorrt, bevor man überhaupt etwas retten konnte. Viele der Arbeiter hatten nichts zu tun und versoffen ihr letztes Geld in den schmierigsten Löchern der Stadt.“ Mickey hob beschwichtigend eine Hand. „Geht nicht gegen dicht, Bazza. Gib mir noch einen Drink.“ Der Wirt grunzte etwas Unverständliches und goss dem alten Mickey nach.
„Jedenfalls erreichte uns eines Abends die Nachricht, dass auf einer der abgelegerenen
Farmen, Tammy’s Hole, so hiess sie, ein Überfall stattgefunden habe. Alle seien
tot und aufgeschlitzt worden. Die wenigen Arbeiter, die Frau und der Sohn des
Besitzers, alle niedergemacht. Nur von ihm fehlte jede Spur. Man hat dann ein
paar Wächter hingeschickt und festgestellt, dass der Vorratsraum aufgebrochen
und alles geplündert worden war.“ Der alte Mickey räusperte sich und stürzte
seinen Drink hinunter. „Ich habe mich damals als junger Kerl den Wächtern
angeschlossen und glaub mir, der Anblick der von der Hitze aufgequollenen
Leichen war nicht schön. Träum immer noch davon. Gib mir noch einen, Bazza.“
Während der Wirt erneut nachschenkte, fuhr sich Mickey durch den grauen,
verfilzten Bart.
„Während ich draussen war und mir die Seele aus dem Leib würgte, haben die Wächter drinnen
die Leiche eines Orlock-Gangers gefunden. In Poison Creek war er als `Butcher`
bekannt gewesen. Ganz übler Bursche, wie der Rest der Gang. Kurz darauf hat man
die ganze Bande, `Abyss Devils` nannten sie sich, aus der Gegend gejagt.“ Der
Alte kratzte sich am Kopf. „Schätze, dass ist jetzt an die 15 Jahre her.“
„Und der Besitzer der Farm? Wie hiess der überhaupt?“ fragte Mickeys Gegenüber, ein junger
Hitzkopf, der aus der Hive-City heruntergekommen war. „Das ist das Seltsame,
Junge. Er war nur ein paar Mal in der Stadt, meist kam seine Frau, und hat sich
nie lange hier aufgehalten. Was den wenigen Leuten, die mit ihm gesprochen
hatten, bekannt war, war sein Name: Sam. Oh, und sie sagten, sie würden nie
seine Augen vergessen. Hart und kalt wie Stahl sollen sie gewesen sein. In den
Jahren darauf jedenfalls, hatten es die `Abyss Devils` schwer. Ich meine jetzt
nicht aufgrund irgend welcher Auseinandersetzungen mit anderen Gangs, nein.
Jedenfalls begannen sie, sich nach dem Massaker ziemlich bedeckt zu halten.
Vernachlässigten ihr Territorium und so. Schliesslich verliessen sie die Gegend
um Poison Creek und zogen weiter nach unten, Richtung Down Town. Das habe ich
auf jeden Fall gehört. Tja, aber um auf ihr Pech zurückzukommen: Das war schon
seltsam. Es schien immer nur einen aus Mal zu erwischen. Selbst wenn sie zwei
oder drei Mann losschickten um Besorgungen zu machen, kehrte immer einer
weniger zurück. Gerüchte fingen an, die Runde zu machen und nur der schlimmste
Abschaum des Underhives dachte überhaupt noch daran, mit ihnen Geschäfte zu
machen oder sich ihnen anzuschliessen.“ Mickey hob das Glas und nahm einen
Schluck.
„Ja, aber dieser Sam, ist der wieder aufgetaucht? Ist er von der Gang entführt
worden?“ fragte der junge Mann mit einem ungeduldigen Unterton. „Nur die Ruhe,
mein Junge. Alles zu seiner Zeit. Etwa vier Jahre nach dem Massaker in Tammy’s
Hole musste ich nach Dust Falls, warum ist nicht wichtig. Am Abend landete ich
in einer kleinen Spelunke. War wirklich nett dort und die hatten einen verdammt
guten Schnaps. Nichts gegen den hier, Bazza. Gib mir noch einen, ja?“ Der alte
Mickey wartete bis das Glas voll war und fuhr dann fort: „Nach einiger Zeit
brach an einem der hinteren Tische ein Streit aus. Viel konnte ich nicht
verstehen, da beide einiges geladen hatten. Einer der beiden schrie dann
jedenfalls, der andere solle die Klappe halten, da er von Tammy’s Hole nichts
wüsste, im Gegensatz zu ihm. Denn er sei damals ja schliesslich dabei gewesen
und nun sei er der Letzte der `Abyss Devils`. Auf einen Schlag war es still im
Raum und dem Typen dämmerte es langsam, dass er wohl einen Fehler gemacht
hatte. Unbeholfen zog er eine grosskalibrige Knarre unter seinem zerschlissenen
Mantel hervor und lallte, dass er jeden umbringen würde, der ihm zu Nahe käme.“
Mickey griff nach seinem Glas und nahm einen grossen Schluck.
„In diesem Moment, ich verscheissere dich nicht, Junge, in diesem Moment flog die Türe auf
und er war da. Einfach so. Schwarze Kleider hat er getragen. Schwarz wie die
Nacht, mein Junge. Über Nase und Mund hatte er ein rotes Staubtuch gezogen und
seine Augen wurden von einem breitkrempigen Hut beschattet. Trotzdem schienen
seine Augen zu leuchten. Diese Augen, mein Junge, die vergesse ich nie mehr.
Hart und kalt wie Stahl waren sie, glaub es mir. Als der Typ den Neuankömmling
erblickte, versuchte er gar nicht erst, zu schiessen. Er ging auf die Knie und
bettelte um sein Leben. So was habe ich noch nie gesehen. Ich weiss noch, wie
der Schwarzgekleidete seine Waffe hob und sie dem Ganger mitten auf die Stirn
setzte. Wie lange es dauerte bis der Schuss fiel, kann ich nicht mehr sagen. Es
schien eine Ewigkeit zu dauern. Niemand rührte sich, alle starrten in die Mitte
des Raumes und als wir uns schliesslich gefasst hatten, war der Kerl weg und
der Ganger hatte ein riesiges Loch in seinem Schädel. Erst viel später habe ich
erfahren, dass sich die `Abyss Devils` mit dem Falschen angelegt hatten, als
sie Tammy’s Hole überfielen. Es war Sam gewesen, der die Gang all die Jahre
gejagt und sie schlussendlich zur Strecke gebracht hatte. Was die Gang und
keiner in Poison Creek aber nicht wussten, war wer er war. Früher nannte man
ihn Sammy Grey-Eyes. Ich denke der Name sagt dir was, oder? Und ich sag dir
noch was, Junge. Er ist immer noch irgendwo da draussen, also pass auf, was du
tust. Pass auf dich auf.“ Der alte Mickey erhob sich und liess den jungen Mann
allein zurück, der sich nun ernsthafte Gedanken über seine Pläne im Underhive
machte.
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