Lord Karzul

von Micha Giesemann

Explosionen erschütterten die einst strahlende Kathedrale der Tempelwelt Sanctaris. Sowohl innerhalb als auch außerhalb der gewaltigen Kirche war der Tod allgegenwärtig und erbarmungslos. Erst vor zwei Tagen hatte der Angriff der Dark Eldar von der Kabale der Schwarzen Schlange begonnen, und doch war der Planet bereits ein einziger Trümmerhaufen, übersät von Leichen und brennenden Panzerwracks. Rauch und Asche waren in die Atmosphäre des Planeten aufgestiegen und ließen nicht einen Lichtstrahl durch die dichte Wolkendecke scheinen. Saurer Regen goss in Strömen aus den Pechschwarzen Wolken und fielen nieder auf das mit Leichen und Einschlagslöchern bedeckte Gebiet. Innerhalb von nur diesen zwei Tagen war eine goldene, strahlende Welt der Sororitas zu einem gewaltigen, brennenden Schlachtfeld verkommen.

Die Hauptstreitmacht der Dark Eldar fegte wie ein scharfer, schneidender Windstoß über das brennende Ödland und ließen nichts als Verwüstung, Leichen und den schreien der Sororita-Kriegerinnen, die, in Stücke gehackt und zurückgelassen, um das bloße Überleben kämpften. Jetbikes, Ravens und Schattenbarken flankierten die schwer bewaffneten Fußsoldaten, während sie unaufhaltsam, wie ein Messer, das durch Butter schnitt, auf die letzte Bastion ihrer Feinde vorrückten.

Lord Karzul überwachte das Geschehen von der Spitze der beinahe gänzlich zerstörten Kathedrale aus. Sein tiefschwarzer Umhang und sein ebenso schwarzes Haar wehten im Wind, der nach Blut und Tod stank und von Ruß durchsetzt war. Die Flammen und Explosionen der blutigen Schlacht spiegelten sich in seinen tiefroten Augen und seinem blassen, ebenmäßigen Gesicht wieder. Im Angesicht von so viel Tod, von so viel Blutvergießen, musste er unwillkürlich lächeln. Wie er es doch liebte, die Menschen zu bekämpfen. Ihnen zu zeigen, das ihr Leichengott ihnen im Kampf nicht beistehen konnte. Wie gern er sah, wie ihre Zuversicht zu ihrem "Gott" schwand, während sie zusahen, wie ihre Kameraden schreiend von seinen Kriegern in Stücke gehackt wurden. Und wie gerne er sich an ihrer Hoffnungslosigkeit ergötzte, als ihnen klar wurde, das ihr Glaube nichts weiter als eine gewaltige Lüge war.

"Mein Lord", riss ihn Dracyth Lazar aus seinen Gedanken, "die Chen-pan-sey leisten weiterhin erbitterten Widerstand. Unser Sieg steht außer Frage, doch wir werden noch hohe Verluste hinnehmen müssen, wenn wir uns nicht vorerst zurückziehen und neu organisieren." Karzul blickte auf seinen Untergebenen nieder. Dracyth Lazar hatte ihm in seinem kleinen Krieg gegen die Menschen schon lange treu gedient, und sein taktisches Geschick stand außer Frage, jedoch fehlte es ihm an Hingabe und Leidenschaft für den Krieg. Er dachte kurz nach, während er den Blick nicht von dem niederknienden Lazar abwandte. "Rückzug? Jetzt, wo wir so kurz davor stehen, diese Narren endgültig niederzuringen? Jetzt, wo der Sieg zum greifen nahe ist?" Lazar antwortete nicht, sondern verharrte weiter in seiner knienden Position. "Wir können uns jetzt unmöglich zurückziehen. Sieh dich doch einmal um" er streckte die Hand aus und lies sie über das brennende, zerstörte Schlachtfeld schweifen. "Ein Rückzug würde doch die Bedeutung des Moments verderben." Er grinste, als eine weitere Reihe von Explosionen die Kathedrale, auf der er stand, erzittern lies. Dann ergriff Lazar wieder das Wort: "Mein Lord, wenn wir weiterkämpfen, werden noch hunderte weiter..." "Genug!" unterbrach Karzul ihn. Die von ihm gewünschte Stille trat sofort ein. "Wir werden diesen Planeten erst verlassen, wenn jeder einzelne Mensch gestorben ist. Und bis dahin werden wir uns nicht einen Meter zurückziehen. Verstanden?" "Ja, mein Lord" kam die kleinlaute Antwort. Karzul starrte noch kurz Lazars Hinterkopf an, dann traf er eine spontane Entscheidung. "Ich werde selbst in die Schlacht eingreifen" sagte er, und ohne auf eine Antwort zu warten sprang er von der Kathedrale in die Tiefe. Er meinte noch kurz einen entsetzten Ruf Lazars zu hören, doch es kümmerte ihn nicht. Lazar würde wohl nie die wahre Bedeutung und Symbolik dieses Krieges verstehen.
Auf halber Strecke drückte er rasch einen kleinen Knopf am Handgelenk seiner Rüstung, und zwei lange, starre Flügel schnappten aus seiner Rüstung unterhalb seines Umhangs und trugen ihn zum Kern der Schlacht.

*
Principalis Agnea vom Orden der Sacred Rose führte den Widerstand gegen die Xenos an. Sie hatten große Verluste hinnehmen müssen, doch sie zweifelte nicht an ihrem Sieg. Der Heilige Gott-Imperator würde sie zum Sieg führen, wie er es schon unzählige Male davor getan hatte. Dies war lediglich eine weitere Prüfung ihres Glaubens, und sie würden auch diese mit Bravour bestehen. In einer kleinen Ruine, einem ehemaligen Tempel, hatte sie sich mit ihren übrigen Schwestern verschanzt. Nur noch wenige dutzend von ihnen waren übrig, doch die automatischen Geschütze und Minen nahmen ihnen eine Menge Arbeit ab. Sie richtete sich kurz auf und schoss ein ganzes Magazin ihres Bolters in die Xeno-Brut hinein. Fast jeder traf sein Ziel, und eine Reihe Xenos ging nur wenige Meter vor ihr zu Boden. Sie konnten sie nicht mehr lange auf Abstand halten. Nur wenige ihrer Schwestern hatten überhaupt noch Munition, und die schweren Bolter waren ohnehin schon leer. Sie hatten keine andere Wahl, als ihren Feinden im Nahkampf entgegenzutreten. Doch wenn es das war, was der Imperator wünschte, sollte es so sein. Sie richtete sich auf und ließ ihren Bolter fallen. Sie blickte über die verbrannten, zerstörten Ruinen, die einst großartige Stätten der Anbetung für den Gott-Imperator gewesen waren. Ein brennender Zorn flammte in ihr auf, während sie ihr knisterndes, brennendes Energieschwert ergriff. Ihre Schwestern taten dasselbe, legten ihre Bolter nieder und ergriffen Flammenwerfer und Energieschwerter. Agnea deutete mit ihrem Schwert in die Richtung der größten Kathedrale. "Schwestern! Im Namen des Heiligen Imperators, wir werden Vergeltung üben! Wir werden seinen Zorn über seine Feinde bringen und jeden einzelnen dieser Xenos durch seiner Hilfe zerschmettern!" Weitere Sororitas richteten sich mit entschlossenem Blick auf. "Lasset uns die Wut des Imperators überbringen! Lasset uns diese Welt ein weiteres Mal -" sie sprang aus dem Graben, "mit Feuer und Stahl reinigen!"
Mit lauten Kampfschreien und Lobpreisungen an den Imperator auf den Lippen stürmten sie der Feindlichen Streitmacht entgegen. Diese waren den Bruchteil einer Sekunde verdutzt über diesen Ausfall, doch sie zögerten nicht lange und eröffneten ihrerseits das Feuer. Ein Gewitter aus Splitterkanonen und, wie es schien, puren Schatten, ergoss sich über Agnea und ihre Kriegsschwestern. Zwei ihrer Schwestern gingen, die Körper von Splittern übersät, zu Boden, doch die übrigen hielten nicht einen Moment inne. Weitere ihrer Kriegerinnen fielen unter dem nicht nachlassenden Beschuss, und sie schwor sich für jede einzelne der Gefallenen Rache zu üben.
Schließlich hatten sie den Feind erreicht. Nur zwanzig von ihnen waren übriggeblieben, doch deren Wille und Waffen waren ungebrochen. Aber sie musste nach wenigen Sekunden schon feststellen, dass der Nahkampf nicht sehr erfolgreich verlief. Sie streckte selbst einen Xenos nach dem anderen nieder, doch es waren stets zwei neue da, die dessen Platz einnahmen. Ihre Schwestern taten es ihr gleich und brachten die gerechte Strafe über dutzende von Xenos, und doch es schien kein Ende zu geben. Drei weitere ihrer Schwestern fielen, von der Übermacht ihres Feindes letztendlich überwältigt. Obwohl sie mit ganzer Hingabe kämpften, ging eine Schwester nach der anderen zu Boden, bis letztendlich nur noch fünf von ihnen in einem kleinen Ring beisammen standen. Sollte das etwa ihr Ende sein? Würde sie an dieser Prüfung scheitern? Hatte der Imperator sie verlassen? Doch sie schüttelte diese Gedanken sofort ab; der Imperator war steht's bei ihnen, schon hunderte Male hatte er ihnen zum Sieg über Mutanten, Ketzer und Xenos verholfen. Sie würden auch dieses Mal siegreich sein.

*

Lord Karzul flog über das Schlachtfeld und beobachtete begeistert die Szene, die sich ihm dort unten bot. Die Chen-Pan-Sey hatten ihre letzten Krieger versammelt und stürzten sich in einem letzten heroischen Akt in seine Armee hinein. Ihre Lage war aussichtslos, und doch kämpften sie weiter. Kämpften und starben für eine Leiche, die sich nicht einen Deut um ihr Schicksal scherte. Sie waren umringt von feindlichen Soldaten, ihre Heiligen Stätten waren zerstört, ihre Kriegerinnen nur noch verbrannte, zerschmetterte, leblose Körper, und dennoch gaben sie nicht auf. Seine Augen weiteten sich in Anbetracht dieser Darstellung, und sein Grinsen war breiter denn je. "Menschen sind wirklich..." er ließ seine Flügel wieder zurück in die Rüstung schnappen, "...amüsierend" er ließ sich fallen.

*

Agnea war erschöpft, doch sie durfte in ihren Bemühungen nicht nachlassen. Wieder und wieder hob sie ihr Schwert und ließ es auf einen Xenos nach dem anderen niederfahren. Zwei weitere ihrer Schwestern waren tot zu Boden gegangen, sodass sie nun nur noch zu dritt da standen, von ihren zahllosen Feinden umringt.

Doch plötzlich war es still. Die Xenos hatten den Beschuss eingestellt, und auch ihre barbarischen Nahkämpfer sprangen zurück. Bevor sie sich groß den Kopf darüber zerbrechen konnte, was die plötzliche Ruhe zu bedeuten hatte, sah sie es. Ein gewaltiges Monstrum, scheinbar Humanoid, doch mit gewaltigen, tiefschwarzen Schwingen, schwebte elegant über das Schlachtfeld. Plötzlich, völlig unerwartet, verschwanden die Flügel und die Kreatur ließ sich fallen. Agnea war erfahren genug, um zu sehen, wo sie landen würde, und sprang schnell zurück.

*

Karzul drehte im Fall eine Pirouette und landete elegant in gebückter Haltung dort, wo die Principalis noch vor Sekunden gestanden hatte. Er verharrte noch einen kurzen Moment in dieser Stellung, dann richtete er sich langsam auf und sah sich seine letzten drei Feinde an. Die Principalis stand vor ihren beiden Schwestern, von denen eine mit einem Flammenwerfer, eine mit einem Energieschwert bewaffnet war. Die Principalis selbst trug ebenfalls nichts weiter als ein Energieschwert als Waffe, diese jedoch war von merkwürdig goldener Farbe und schien zu brennen. Er beschloss, sie nach seinem Sieg eingehend untersuchen zu lassen. Doch bevor er sich dessen annahm, musste er erst einmal seine Kontrahentinnen ausschalten. Er lächelte angesichts des vor ihm liegenden Blutvergießens. Er nahm seine Sensenklinge in die Hand und deutete auf die Principalis. Er genoss noch kurz den Moment und das Bild, das sich ihm bot, dann sprach er nur fünf Worte. Die fünf Worte, die er schon oft gesagt hatte, und die sein gegenüber jedes Mal aufs Neue in Raserei versetzten.

"Wo ist dein Imperator jetzt?"

Dann begann der letzte Kampf auf Sanctaris.


Die drei Kriegerinnen stürzten sich mit wütendem Geschrei auf ihn, zuvorderst die Principalis mit ihrem brennenden Schwert, doch er sprang einfach über sie hinweg und landete stehend in der Mitte der drei. Die von ihm erwünschte Reaktion blieb nicht aus; die Sororita mit dem Flammenwerfer drehte die klobige Waffe laut schreiend in seine Richtung und drückte den Abzug durch. Doch Karzul glitt einfach unter den Flammen durch, und anstatt seiner, verbrannte das rote Feuer die hinter ihm stehende Schwester, die, lichterloh brennend und markerschütternd schreiend, zu Boden ging. Karzul stand nun hinter der Kriegerin, die noch immer entsetzt auf das starrte, was sie soeben angerichtet hatte. Er ergötzte sich noch den Bruchteil einer Sekunde an ihrem Leid, dann brach er ihr mit einem schnellen Handgriff das Genick. Dies alles hatte weniger als zehn Sekunden gedauert. Dann wandte er sich der Principalis zu, der letzten noch stehenden Verteidigerin dieser einst strahlenden Welt.
Sie blickte ihn nur hasserfüllt an. "Du wirst für all das hier mit deinem Blut bezahlen, unheiliger Xenos! Ich werde dich und deine ketzerische Armee im Namen des Imperators verbrennen und vernichten!" Die meisten Dark Eldar schienen von dieser Zuversicht leicht beeindruckt, doch Karzul bemerkte die leichte Spur von Zweifel, die sich in ihre Stimme und ihr Gesicht geschlichen hatte. Hinter ihren hasserfüllten Augen sah er deutlich, dass sie sich ihrer aussichtslosen Situation bewusst war. Er antwortete nicht. Er sah sie nur grinsend an und brach dann in schallendes, wahnsinniges Gelächter aus. "Du? Du kleines Menschlein willst UNS auslöschen?" Sowohl seine eigenen Krieger als auch die Principalis waren durch diesen Ausbruch sichtlich überrascht. Sie ließ ihr Schwert sinken und blickte ihren Feind gespannt an, wie eine Schlange, die zum Stoß ausholt. Karzul lachte weiter und ließ seine Hand über seine Armee und das verbrannte Ödland schweifen. "Sieh nur, was ich innerhalb von zwei Tagen aus dieser Welt gemacht habe. Aus einer Welt, die früher selbst vom Orbit aus golden strahlte, ist nun nichts weiter als ein Trümmerhaufen geworden ist, ein Sinnbild eures sterbenden Imperiums. Innerhalb dieser zwei Tage wurde aus dieser Stätte, wo ihr früher euren Leichengott angebetet habt, eine Hölle aus Krieg und Tod! Deine Schwestern sind unter uns gefallen wie Heu unter der Sense!" Er brach wieder in Gelächter aus, beruhigte sich jedoch wieder, starrte die Principalis mit geweiteten Augen und einem wahnsinnigen Grinsen an. "Wo war dein Gott, als wir diesen Planeten ins Auge fassten? Wo war er, als wir ihn vom Rest eures Imperiums abschnitten? Wo war er, als wir eure Flotte überfielen und restlos zerstörten? Wo war er, als wir auf diesem Planeten landeten und ihn in ein verbranntes Ödland verwandelten? Wo war er, als jene, die ihm ihr ganzes Leben gewidmet hatten, von uns in Stücke gesprengt wurden? Wo, kleiner Mensch?" "GENUG" schrie die Principalis, "ich werde nicht zulassen, dass du mit deiner dreckigen Xeno-Zunge weiter seinen heiligen Namen besudelst!" Und ohne auf eine Antwort zu warten, stürzte sie sich mit erhobener Klinge auf ihn. Karzul war kurz überrascht, doch er fasste sich rasch und lenkte ihre Klinge mit der seinen ab, sodass sie nichts als Luft zerschnitt. Mit einem Aufschrei hob sie ihre Klinge erneut und ließ sie niederfahren, um seinen Kopf zu spalten, doch er wich ihren Plumpem angriffen beinahe tänzelnd aus. Er unternahm keinen Versuch, seinerseits Offensiv zu werden. Er spielte nur mit ihr, genoss ihre Verzweiflung, ihre Wut. Er lachte spöttisch, doch dann sauste ein Hieb nur Millimeter an seinem Gesicht vorbei. Er konnte die knisternde Hitze der Energieklinge spüren, die seine Haut leicht versengte. Dann wusste er, dass die Spielereien vorbei waren. Sein Gesicht nahm einen ernsten Zug an, und plötzlich ging er selbst zum Angriff über. Seine Klinge schien überall, und die Principalis konnte sich des plötzlichen Gegenangriffs kaum erwehren, sie konnte bestenfalls verhindern, dass sie ein Körperteil verlor, doch sie bekam überall kleine Schnitte und Wunden ab. Karzul war den Kampf plötzlich leid geworden, er wollte ihn schnell zu Ende bringen. Seine Angriffe wurden noch zorniger und schneller, doch er konnte die Verteidigung der Principalis nicht komplett brechen um ihr ernsthaften Schaden zuzufügen. Er bleckte zornig die Zähne und ließ seine Flügel wieder aufschnappen. Diese waren im Kampf eher hinderlich, jedoch verfehlten sie nicht die von ihm erwartete Wirkung; erschrocken sprang die Principalis reflexartig zurück und ließ ihre Deckung dabei völlig offen. Doch als sie ihren Fehler bemerkte, war es bereits zu spät; Karzul setzte ihr hinterher und trennte ihr mit einer raschen Bewegung den linken Arm ab. Er berauschte sich kurz an ihren Schreien und dem Blut, dass ihn Fontänen aus ihrem Armstumpf schoss, dann schnitt er ihr auch den rechten Arm ab und brach ihr mit einem kräftigen Tritt das Kniegelenk.

*

Agnea ging schreiend vor Schmerzen zu Boden. Sie durfte hier nicht sterben, sie konnte hier nicht sterben! Der Xenos war immer noch am Leben, und es war Ihre heilige Pflicht, die Galaxis von Übeln wie ihm zu befreien. Sie durfte nicht fallen!
Doch noch während sie unter Schmerzen aufzustehen versuchte, wusste sie, das es aussichtslos war; ihre Schwestern waren Tod, der Planet verwüstet, und selbst wenn sie den Anführer der Xenos töten konnte, war sie noch von abertausenden seinesgleichen umringt. Sie konnte nicht mehr gewinnen.

Der Xenos umschloss mit beiden Händen ihren Kopf und hob sie zu sich hoch. Er sagte noch einmal die Worte, mit denen er den Kampf auch eröffnet hatte. "Wo ist dein Imperator jetzt?" Das letzte Wort spuckte er ihr beinahe entgegen. Sie sammelte den letzten Rest ihrer Kraft, um nicht bewusstlos zu werden, und antwortete: "Der Imperator wird...dich deiner gerechten...Strafe...zuführen..." Sie wollte weitersprechen, doch noch während sie nach Worten suchte, wusste sie, dass es nichts mehr bedeutete.

Sie hatten dem Gott-Imperator von Terra ihr ganzes Leben lang gehuldigt, Millionen und Abermillionen ihrer Schwestern waren in seinem Namen im Kampf gestorben. Und doch waren sie nun hier alle gestorben. Ein ganzer Planet, der nur der Verehrung diente, war von einer Schar Xenos überrollt worden. Wenn es den Gott-Imperator wirklich gab, hätte er das niemals zugelassen. Ihr wurde klar, dass sie alleine war; alleine in einem völlig gleichgültigen Universum. Sie fühlte nichts mehr. Sie blickte nur mit leerem Gesicht in das ihres letzten, endgültigen Feindes, und sie sah in seinen Augen, dass er genau wusste, was sie dachte. Mit zufriedenem Blick ließ der Xenos sie fallen. Doch bevor Agnea den Aufprall spüren konnte, war sie schon tot.

*

Karzul verweilte noch kurz mit kalten, nachdenklichen Augen auf dem Leichnam der Principalis. Was für eine großartige Sklavin ihm da entgangen war. Er hätte sich gerne noch länger an ihrem Leid ergötzt, doch nun war es vorbei. Die letzte Verteidigerin der Tempelwelt Sanctaris lag tot vor ihm im Staub, und dieser Krieg war gewonnen. Doch sein Krieg mit dem Imperium war noch immer in vollem Gange. "Mein Lord!" Karzul drehte langsam den Kopf. Lazar war nun doch endlich gekommen. "Was ist?" fragte er schroff. "Mein Lord, bitte verzeiht, aber eine riesige Flotte der Imperialen Armee bewegt sich auf diesen Planeten zu! Wir wissen nicht ob sie wegen uns hier sind, aber in jedem Fall sollten wir uns von hier zurückziehen!"
Karzul blickte in den schwarzen, Ascheverhangenen Himmel. Er dachte ein paar Sekunden nach.
Er könnte warten, bis die Imperialen eintrafen. Er könnte auch sie in ihrem eigenen Blut ertrinken lassen. Er müsste bloß ein Wort sagen, und dieser Planet würde einen weiteren Krieg erleben und viele weitere würden sterben.

Doch er entschied sich dagegen. Er war mit dieser Welt fertig. Sanctaris war zerstört.

"Alle zurück zur Flotte. Ladet die Gefangenen und alles, was ihr findet ein, die Toten eingeschlossen, und zwar so schnell ihr könnt. Dann verschwinden wir von hier." Die Krieger antworteten nicht, sondern taten stumm das, was er ihnen aufgetragen hatte.

Karzul selbst blickte noch einige Minuten auf das Schlachtfeld. Ein brennendes, totes Ödland. Er grinste zufrieden und wandte sich ab.

Der nächste Krieg wartete schon darauf, geschlagen zu werden.




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