Eisiges Licht

von Huân Vu

+++ Eiswelt Lith, Nördliches Polarmeer

Ihr Blick glitt langsam über die frostige Landschaft. Das matte Licht der weit entfernten Sonne spiegelte sich im Eis zu regenbogenfarbenen Kaskaden. Überall begann das meterdicke Packeis des zugefrorenen Ozeans aufzubrechen, es wurde langsam Frühling auf Lith. Hier und da waren bereits einige Schollen abgedriftet und versunken, an ihrer Stelle glitzerten nun tiefblaue Seen. Der Himmel war zwar absolut wolkenlos und klar, es wehte aber ein strammer und vor allem eiskalter Sturmwind, der sie frösteln ließ.
Daher zog Sheala den runenbedeckten Mantel enger zusammen und versuchte, sich wieder zu konzentrieren, und sich nicht von dem faszinierenden Panorama ablenken zu lassen. Der Sturm würde dafür sorgen, dass der Feind nicht aus der Luft kommt, schloss sie nachdenklich. Ein kurzer Griff in den ledernen Beutel, den sie frierend an sich drückte, bestätigte ihre Vermutung: Der durchsichtige Stein, den sie nun in ihrer rechten Hand hielt, trug die dunkelblaue Iar-Yleth Rune - sie steht für alle Formen des Wassers. Damit war sicher, dass der Feind ihnen trotz der einsetzenden Frühlingsschmelze auf das Packeis folgen würde. Sheala steckte den Runenstein wieder in den Beutel und schnürte diesen mit lahmen Fingern wieder zu. Mehr wollte sie nicht wissen, der Rest war auch ohne den magischen Steinen vorhersehbar. Außerdem galt es ihre Kräfte für den bevorstehenden Kampf aufzubewahren.
Nachdem sie den klimpernden Lederbeutel fest an ihrem Gürtel befestigt hatte, drehte sich die Runenprophetin zu ihren Gefährten um. Traurig blickte sie durch das Visier ihres kunstvoll geschwungenen Helms auf die letzten Überlebenden des so stolz und siegessicher begonnenen Überfalls auf die vermeintlich schwach verteidigte Eiswelt Lith. Zwar konnte die machtvolle Dämonensense Thezkhattar, die von den törichten Terranern in ihrer maßlosen Neugierde und Unwissenheit aus dem ewigen Eis befreit worden war, gerettet werden, doch die Menschen trieben sie danach immer weiter zurück. Die blutigen Stellungskämpfe führten zu hohen Verlusten auf beiden Seiten. Der folgende mörderische Winter, dem viele Eldar zum Opfer fielen, war es dann, der die Wende brachte, denn die hier lebenden Menschen waren die Kälte gewohnt. Ihre Runenlesung ergab damals, dass die Verstärkung zu spät eintreffen würde, daher ließ sie Thezkhattar an einem vorerst sicheren Ort vergraben, auf dass die Sense später von jener gefunden und geborgen werden kann. Dann floh sie mit den Überlebenden hierher, in der Hoffnung, der einsetzende Frühling würde die Terraner mit ihren schweren Fahrzeugen lange genug aufhalten...
Doch was sie nun in ihren Brüdern und Schwestern erblickte, wischte die düsteren Erinnerungen weg: Sheala sah lodernden Hass in ihren funkelnden Augen und einen stummen Schrei nach Vergeltung auf den blassen und vor Kälte bebenden Lippen. Sie zückte ihr Hagun Zar und streckte die gleißende Klinge gen Himmel. Mit heller Stimme verkündete sie:
"Sie kommen bald, Brüder und Schwestern! Doch der Sieg wird unser sein, denn nur wenige von ihnen werden es wagen, das schmelzende Eis zu betreten, so plump und ungeschickt wie sie sind. Im Namen von Khaine und Tiêl-Shyar, der Menschen Tod sei unsere Rache!"
Wie erwartet brandete kein tosender Jubel auf, die Krieger nickten nur stumm und zustimmend. Dann gab Runenprophetin Sheala ihre Anweisungen an sie, sich auf den baldigen Kampf vorzubereiten.
Danach trat plötzlich der junge Runenleser Thaiôn an sie heran und fragte sie:
"Ehrwürdige Prophetin, wäre es nicht besser, den Rückzug anzutreten? Es kann nicht mehr lange dauern, bis die Verstärkung eintrifft. Wenn wir länger hier verharren, wird auch uns die Schmelze ---"
Die unterbrechende Handbewegung und der zornige Blick Shealas ließen ihn abrupt verstummen.
"Hier und jetzt werden wir uns ihnen stellen, Thaiôn! Die Fäden unseres Schicksals sind zu verworren, die Zukunft ist mehr als ungewiss. Daher müssen wir nun handeln, neue Schicksalsfäden ziehen und die alten durchtrennen. Verstehst du? Wenn wir nun weiterziehen, kann selbst ich nicht mehr uns durch diesen Mahlstrom des Unheils führen. Hier und jetzt wird unser aller Schicksal entschieden werden! Sieg oder Untergang!"
"Ich verstehe nun, Prophetin," antwortete Thaiôn knapp, "ich werde mich nun auf den Kampf vorbereiten. Der Sieg wird unser sein, das sehe ich bereits!"
Daraufhin zog er sich zurück. Sheala mochte ihn irgendwie, ständig stellte er ihre Anweisungen und Prophezeiungen in Frage, obwohl er ein unerfahrener Runenleser war, der erst kürzlich das dritte Cyaledh abgelegt hatte. Doch nur wer Fragen stellt, erhält Antworten und erlangt dadurch Weisheit. Die dummen Chem-Pan-Sey aber fragen nicht, sie nehmen sich einfach alles - auch wenn es ihre Vernichtung bedeutet...

Einer der Späher kehrte kurze Zeit später zurück und berichtete Sheala:
"Feindkontakt! Eine Standard-Patrouille bestehend aus zwei Chimären, mindestens zwanzig Soldaten draußen - weitere wahrscheinlich in den Transportern - und einem Leman Russ. Sie bewegen sich relativ langsam, da sie unsichere Stellen im Eis umgehen müssen und nicht einbrechen wollen. Ihr Kurs führte sie zu jenem Zeitpunkt genau hierher."
Die Runenprophetin setzte die anderen knapp darüber in Kenntnis und erklärte ihnen die weitere Strategie und Aufstellung.
Ruhig überprüfte sie danach nochmals die Positionierungen der Streitkräfte: Die fünf Ranger bezogen auf dem eingeschneiten Hügelkamm zu ihrer Linken Stellung. Von dort aus würden sie Ausschau nach den Menschen halten und sie mit ihren tödlichen Jagdgewehren beschießen können.
Sie selbst würde hier am Fuße des Bergs hinter der bizarren Eisfelsformation mit fünfzehn Gardisten und drei Jägern Asuryans dem Ansturm des Feindes begegnen.
Thaiôn erhielt das Kommando über den Sturmtrupp, der aus den wenigen überlebenden Nahkämpfern bestand. Zwei Skorpionkrieger, eine Banshee und fünf Sturmgardisten waren zwar viel zu wenige, um die Soldaten der Menschen aufzuhalten, ihre Aufgabe war es aber auch hinter dem Hügelkamm zu warten und dann den Gegnern in den Rücken zu fallen.
Weiter vorne, hielten sich zwei Feuerdrachen hinter einer Schneeverwehung versteckt, sie sollten versuchen die gepanzerten Fahrzeuge der Terraner aufzuhalten.
Hinter ihr, im Eingang zur Höhle, die ihre Zuflucht gewesen ist, warteten zwei Antigrav-Waffenplattformen darauf, die anrückenden Gegner unter Beschuss zu nehmen. Der Impulslaser würde sich um die Infanteristen kümmern, während die Infraschallkanone eine böse Überraschung für die Menschen in ihren vorsintflutlichen Fahrzeugen sein würde. Das Problem war allerdings, dass die Besatzung der Infraschallkanone und der Schütze des Impulslasers bereits gefallen waren. Der alte Eothen, das einzige überlebende Besatzungsmitglied, konnte aber während des Winters einer jungen Gardistin namens Siltiél die Bedienung der Waffen erklären. Zusammen würden die beiden es schon irgendwie schaffen...

Bald darauf konnte man am Horizont drei kleine schwarze Punkte im weißen Einerlei der Eiswüste erkennen, die bedrohlich schnell anwuchsen. Als man die Schatten als die Silhouetten der drei Panzer ausmachen konnte, wies Sheala ihren Kämpfern an, Ruhe zu bewahren und in Deckung zu bleiben. Den beiden Feuerdrachen, die sich weiter vorne versteckt hielten, sandte sie eine psionische Botschaft, die besagte, dass sie auf ihr Zeichen warten sollten.
Die Runenprophetin starrte nun angestrengt in Richtung der sich nähernden Feinde, öffnete ihren Geist und leerte ihn von jeglichen Gedanken. Langsam schloss sie die Augen und konzentrierte sich auf ihr Ziel. In ihrem Geiste raste ihr Blick fort von ihr, immer näher heran an die gegnerische Streitmacht. Schnell war zu erkennen, dass der mittlere Schatten der Leman Russ war. Dann war ihr Blick endlich nah genug, um die Soldaten zu erkennen: Sie liefen in vier Fünferreihen vor den drei Fahrzeugen her und blickten besorgt in alle Richtungen. Die Menschen machten nicht gerade den Eindruck, dass sie freiwillig bei dieser Mission teilnehmen. Doch Sheala empfand kein Mitleid für sie, nur grenzenlosen Zorn und den Durst nach Vergeltung für die Toten.
Langsam öffnete sie wieder ihre Augen, die Gedanken immer noch an das letzte Bild ihrer Weitsicht gefesselt. Ohne den Blick von den drei Schatten zu nehmen, öffnete sie ihren Lederbeutel und griff hinein. Sie nahm einen der Runensteine in die Hand und ballte sie zur Faust. Sheala wusste, dass es der Iar-Yleth Stein war.
Blitzschnell zog sie die Hand wieder aus dem Beutel, holte mit unbeirrtem Blick so weit sie vermochte aus - und schleuderte den Runenstein in Richtung der Gegner. Der glänzende Stein flog wirbelnd durch die Luft, während Sheala mit ernster Miene uralte Worte der Magie sprach. Mit der letzten verklungenen Silbe verwandelte sich der kleine gläserne Stein in einen gigantischen Eiszapfen, der nun auf die unwissenden Soldaten zuschoss...

"Mir gefällt das alles hier nicht," murrte Stiner während er vorsichtig durch den Schnee schritt und sich gegen den Sturmwind stemmte. Er murmelte es eher in sich hinein, aber der Soldat, der neben ihm marschierte, blickte zu ihm rüber und murrte mit tiefer Stimme zurück:
"Na und? Denkste etwa, das es mir oder sonst irgendeinen von uns hier gefällt?"
"So hab ich's nicht gemeint, ich hab einfach nur ein saudummes Gefühl..."
"Ja und wenn schon, das ist normal, mein Junge! So ist es halt im Krieg... Heiße übrigens Mawinski, wie lautet dein Name?"
"Stiner, dies hier ist erst meine dritte Mission--"
"--und wahrscheinlich auch deine letzte! He, war nur ein Scherz, Kleiner! Wollte dir keine Angst einjagen...
Tja, ich bin hier, weil ich dreimal versuchte habe zu desertieren und mehrere Schlägereien angezettelt habe. Versuchter Sabotage und der Befehlsverweigerung haben sie mich fälschlicherweise auch noch beschuldigt, ist aber Ansichtssache. Und was hast du ausgefressen, um für dieses Selbstmordkommando ausgewählt zu werden?"
Stiner konnte ihm nicht antworten, da in diesem Moment ein riesiger Eiszapfen durch seinen Körper jagte.

Der Eisdorn hatte mit einem lauten Krachen den Brustkorb des zuvorderst marschierenden Soldaten einfach durchbohrt und setzte seinen Flug mit ungebremster Geschwindigkeit fort. Nur einen winzigen Augenblick später wurden die drei Körper der hinter ihm stehenden Soldaten ebenfalls durchschlagen, zerfetzt und mehrere Meter weit nach hinten geschleudert. Eine Wolke aus Blut und Knochensplittern ergoss sich explosionsartig über die Umstehenden, die in diesen wenigen Sekundenbruchteilen noch nicht registrieren konnten, was eben geschehen war. Der blutrote und allerlei Eingeweide mit sich ziehende Eiszapfen setzte seinen Flug unbeirrt fort und schoss zerberstend in die massive Frontpanzerung des Leman Russ.
Sheala sackte schwer erschöpft in sich zusammen, der Zauber hatte viel von ihrer Kraft gekostet. Doch nun waren es vier Menschen weniger, die restlichen würden sich, dessen war sie sich sicher, nun ängstlich hinter ihren gepanzerten Fahrzeugen verstecken. Sie hielt kurz inne und sandte den Feuerdrachen das psionische Signal. Der Kampf hatte begonnen...

Das Beben wurde immer stärker. Schnee fiel auf ihre leuchtenden rotgelben Rüstungen. Die Vibrationen und Erschütterungen wurden schier unerträglich, das Fahrzeug der Terraner war nun nur noch einige Meter von ihrem Unterschlupf entfernt.
Plötzlich ertönte das psionische Signal in ihren Gedanken - das Zeichen zum Angriff! Sofort sprangen die beiden Feuerdrachen behende aus ihrem Versteck und richteten ihre Fusionsstrahler entschlossen auf die klappernd näherrollende Chimäre. Als die beiden feuerroten Hitzestrahlen auf das von Kälte und Rost zerfressene Stahl des Gefährts trafen, löste es sich sofort auf und schmolz zu einer zähflüssigen Substanz zusammen. Die beiden schweren Treffer bewirkten das unmittelbare Ende des Panzers, der von einer gewaltigen Explosion des entzündeten Treibstofftanks zerrissen wurde. Die beiden tapferen Krieger konnten ihren Triumph nur für wenige Augenblicke genießen, denn die zweite Chimäre raste plötzlich durch die pechschwarze Wand aus Rauchschwaden hindurch und eröffnete mit ihrem Multilaser das Feuer. Im Hagel der Lichtblitze wurden die Körper der beiden Feuerdrachen einfach zersiebt und gingen durchlöchert zu Boden.

Mawinski, immer noch von Stiners Blut übersät, rannte geduckt hinter das immer noch brennende Wrack der Chimäre. Die Hitze der Flammen war unerträglich. Er fluchte und robbte vorsichtig bis zur hinteren rechten Kette des ehemaligen Panzers, um einen kurzen Blick auf seine Kameraden zu werfen. Entsetzt blickte er auf die unzähligen Leichen, die das Gebiet zwischen dem Hügelkamm und der brennenden Chimäre pflasterten. Vier von ihnen, darunter Sergeant Tashman, konnten sich hinter einen großen Eisblock retten und lieferten sich mit einem Haufen Eldar, die sich hinter seltsam geformten Eisfelsen versteckt hielten, ein Feuergefecht. Weiter hinten sah Mawinski die zweite Chimäre, die eben ihre Ladung herausließ. Die Soldaten stürmten mit den Lasergewehren im Anschlag heraus, um die Eldarstellung auszuheben, als plötzlich die beiden zuvorderst laufenden Soldaten von grellen Lichtstrahlen niedergestreckt wurden. Mawinski zuckte zusammen - die Laserschüsse kamen aus einer Höhle des Eisberges. Die Eldar hatten also dort eine Artilleriestellung aufgebaut! Taktisch klug, wird schwierig auszuheben sein, dachte er sich, dabei hieß es doch, die Eldar besäßen keine funktionierenden Schweren Waffen mehr! Der Kommandant der Chimäre hatte anscheinend die Gefahr erkannt und ließ die Quelle des Laserbeschusses mit den Waffen des Panzers zudecken.
Mawinski kannte und liebte das Geräusch, das sich ihm von rechts näherte, nur ein Leman Russ Kampfpanzer rumpelte und schepperte auf diese Weise. Das röhrende Stakkato der beiden Schweren Bolter betäubte seine Ohren während das gleißende Licht des dicken Laserstrahls ihn blendete. Er sah nur noch, wie ein Eldar nach dem anderen zu Boden fiel oder in Stücke geblasen wurde. Dann sah er Sergeant Tashman, der zu ihm hinüberblickte und wild mit seinen Armen gestikulierte. Mawinski sah, wie er seinen Mund bewegte, konnte aber kein Wort verstehen, und wie er erst auf ihn und dann auf seinen Kopf zeigte. Er verstand nicht, das Donnern der Schweren Bolter betäubte seine Sinne. Zufällig glitt sein Blick auf eine der vor ihm liegenden Leichen. Der Soldat sah aus, als er ob er friedlich schlafen würde, wenn nicht ein kleines, rotes Loch in seiner Stirn gewesen wäre...
Scharfschützen! durchschoss es ihn. Mawinski begriff und warf sich sofort zur Seite. Während er sich hinter das Wrack der Chimäre rollte sah er, wie der Schnee an jener Stelle aufspritzte, an der bis vor kurzem noch sein Kopf lag. Er wollte eben zum Fluchen ansetzten, besann sich aber eines besseren und sandte dann ein Dankgebet an den Imperator.

Sheala war fassungslos. Blitzschnell duckte sie sich, als eine weitere Salve des Leman Russ über ihre Stellung ging. Eissplitter und Blut flogen durch die Luft und bedeckten ihren schützenden Mantel. Geduckt kroch sie hinter einen sicherer wirkenden Eisfelsen und versuchte einen Ausweg aus ihrer brenzligen Lage zu finden. Sie schaute zu der Höhle hinüber, die unter dem heftigen Bombardement der Menschen zur Hälfte eingestürzt war. Seit einigen Minuten war der Impulslaser verstummt und keine Lebenszeichen mehr zu erkennen.
Dann sah sie am Fuße des Berges Thaiôn und seinen Sturmtrupp hinter einem Schneekamm kauern. Sie schlichen sich von Deckung zu Deckung, und ihr Ziel schien die Chimäre und die sieben Soldaten dahinter zu sein. Sheala begriff, was Thaiôn vorhatte und wollte ihn aufhalten. Doch da riss sie die Druckwelle einer nahen Detonation von den Beinen. Geistesgegenwärtig rollte sie sich ab und drückte sich in den Schnee, bis das Salvenfeuer der Schweren Bolter verklang. Als sie sich wieder aufrappelte, riss plötzlich die Verschnürung ihres Lederbeutels, der dann klimpernd zu Boden fiel. Ein schwarzer Obsidianstein kullerte heraus und blieb im Schnee liegen. Die Runenprophetin bückte sich, um ihn aufzuheben, und sah dann, dass er die Shakzarr-Rune trug. Dies bedeutete Tod und Vernichtung!
Doch für wen? fragte sich Sheala, während sie Thaiôns weiteren Vormarsch beobachtete. Aber war sie selbst es nicht, die ihm geraten hatte, das Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen und selbst neue Schicksalsfäden zu weben? Eine weitere Feuersalve, die den Berg erzittern ließ, unterbrach ihre Gedanken und zwang sie, hinter dem nächstbesten Felsen Schutz zu suchen. Nur knapp entkam sie den Laserstrahlen des Multilasers, die neben ihr zischend im Schnee verschwanden. Sie steckte den Shakzarr-Stein wieder ein und begann mit ihrer Shurikenpistole auf die Menschen bei der Chimäre zu feuern. Zwar waren sie eigentlich viel zu weit entfernt, um getroffen zu werden, doch mit Hilfe ihrer Macht lenkte sie eine der wirbelnden, messerscharfen Scheiben in die Kehle des Anführers. Dann befahl sie den wenigen Gardisten, die noch bei ihr waren, auf die Soldaten zu feuern, sofern sie es noch nicht taten. Dies würde sie lange genug von Thaiôn und seinen Kriegern ablenken...

"Lagebericht, Jewpaijova!" schnarrte die monotone Befehlsstimme Kirokovs, des Kommandanten des Leman Russ Kampfpanzers.
"Die letzten Eldar haben sich am Fuße des Berges auf 11 Uhr versammelt und werden von Chimäre XI Rho und Trupp Alpha Charlie beschossen. Die Überlebenden des Sträflingstrupps haben sich am Hügelkamm auf 2 Uhr eingegraben. Es rückt aber niemand weiter vor - sollen wir ihnen Feuer unterm Hintern machen, Kommandant? Meine Süße hier ist geladen und allzeit bereit, hehe!"
erklang es vom Turm herunter, dessen Kampfgeschütz bisher kalt geblieben war.
Kirokov schmunzelte kurz und bellte dann zurück:
"Ruhe bewahren, Soldat! Finde lieber heraus, wieso sie nicht vorrücken!"
"Kommandant! Ich sehe hier einen der Sträflinge, tanzt auf 10 Uhr vor dem Wrack der Chimäre VI Beta herum. Sieht aus wie Mawinski, der alte Säufer!" meldete daraufhin Jewpaijova, wurde aber von den donnernden Schweren Boltern unterbrochen, die den Panzer vibrieren ließen.
"Was macht das Verräterschwein? Wieso ist er nicht schon längst desertiert?" fragte Kirokov lachend, nachdem der Widerhall verklungen war.
"Er zeigt die ganze Zeit auf den Hügel und dann auf die toten Kameraden, Kommandant."
Kirokov stutzte und kletterte schnell hinauf in den engen Turm.
"Lass mal sehen!"
Es folgte eine weitere Feuersalve, wieder wackelte der ganze Panzer. Der wegen dem sich hineinzwängenden Kommandanten zerquetschte Jewpaijova murmelte nur ein "Wie dick hier wohl das Packeis ist, Kommandant?"
Kirokov antwortete nicht und rutschte schnell die Leiter herunter.
"Jewpaijova! Bereit machen zum Feuern! Auf mein Kommando warten, alle anderen Waffen Feuerpause! Und gut festhalten..."

Mawinski sah, wie sich der Turm des Leman Russ langsam drehte und der Lauf des mächtigen Kampfgeschützes auf den Hügel gerichtet wurde. Endlich hatten sie es begriffen!
"Heizt ihnen ein, Kameraden!" brüllte er durch den Schlachtenlärm, ging vorsorglich schon mal in die Knie und hielt sich mit seinen Händen die Ohren zu.
Ein gewaltiger Donnerschlag ertönte, als das Geschütz abgefeuert wurde. Das Echo des Kanonendonners hallte von dem Berg zurück und verklang zu einem tiefen Brummton. Trotz seiner Vorkehrungen wurde Mawinski von der Schockwelle betäubt und durchgeschüttelt. Er sah, wie der Rückstoß den Panzer mehrere Meter weit nach hinten hat schlittern lassen und kroch dann ins Freie, um den Hügel zu betrachten.
Es war ein Volltreffer, wie Mawinski erfreut feststellte, die gesamte Hügelspitze war nicht mehr. Dafür klaffte dort nun ein riesiger Krater, aus dem graue Rauchschwaden zogen, die vom abflauenden Sturmwind zerrissen wurden. Niemand hätte diese gigantische Explosion überleben können. Langsam schwebte nun die Wolke aus aufgewirbeltem Schnee auf das blutige Schlachtgelände hernieder...

Thaiôn und seine Gefährten duckten sich, als Eissplitter auf sie niederprasselten. Er blickte kurz hoch auf den zerschossenen Hügel und trauerte um die Gefallenen. Mit Gram im Herzen schaute er dann über den Rand der Senke, in der sie sich versteckt hielten.
Das primitive Kettenfahrzeug der Barbaren feuerte immer noch unablässig auf Shealas Stellung. Die sechs Soldaten begannen nun, nachdem die Scharfschützen ausgeschaltet worden sind, langsam vorwärts zu marschieren und auszuschwärmen.
Thaiôn blickte stolz auf die versammelten Krieger hinter ihm und deutete mit der summenden Klinge seines Hagun Zar in Richtung der Feinde. Durch den Schlachtenlärm hindurch ertönte seine helle und klare Stimme:
"Der Sieg wird unser sein! Sie sind nur zu sechst, weiter hinten kommen aber noch vier weitere von ihnen angekrochen. Wir müssen daher so schnell wie Kuanors Pfeil und so unbarmherzig wie Khaines blanker Zorn zuschlagen. Um das gepanzerte Fahrzeug werde ich mich kümmern! Wir greifen an, wenn die Schneewolke niedergeht. Der Wind ist günstig, die schwächlichen Terraner werden uns nicht entdecken. Im Namen von Khaine und Tiêl-Shyar! Der Tod der Menschen sei unsere Rache!"
Wenige Momente später hüllte sie der weiße Schleier der Schneewolke ein. Blitzschnell sprang Thaiôn aus der Grube heraus und stürmte auf die Feinde zu. Die anderen folgten ihm, schwärmten aus und feuerten mit ihren Shurikenwaffen in den milchigen Dunst hinein. Thaiôn sah vor sich ein Schatten auftauchen und streckte den ahnungslosen Soldaten im Vorbeirennen nieder. Ein röchelnder, langsam verstummender Laut zeugte vom Ableben des Opfers. In der Ferne vernahm der Runenleser ein schrilles Heulen - die Banshee setzte zum Angriff an. Unmittelbar danach folgten ein Gewitter aus Laserstrahlen und die Antwort in Gestalt eines Hagelsturms aus Shurikengeschossen. Die Todesschreie und Schmerzenslaute kamen von überall, bald konnte Thaiôn nicht mehr zwischen denen der Freunde und denen des Feindes unterscheiden. Er musste sich beeilen, bald würde der sie verbergende Schneenebel verschwunden sein, und die Schützen der Chimäre warteten sicherlich nur auf diesen Moment.
Da tauchte urplötzlich der massige Schatten des Panzers vor ihm auf. Ein Scheinwerfer ging an und trübes Licht zerschnitt das Schneegestöber. Thaiôn setzte seinen Sturmlauf ungeachtet des einsetzenden Multilaserfeuers fort. Zwei glühende Laserlanzen verfehlten ihn nur knapp, eine weitere traf ihn dann mitten in die Brust, doch die mächtigen Schutzrunen auf seinem schwarzen Mantel bewahrten ihn vor dem Tode. Die Wucht des Treffers ließ ihn aber taumeln und ausgleiten. Er rutschte mehrere Meter geradeaus weiter uns stieß dann mit seinem Kopf gegen etwas Hartes.
Das plötzliche Einsetzen eines lauten Ratterns und die heftigen Vibrationen des Untergrunds weckten ihn aus seiner Betäubung auf. Als er sich umblickte, sah er wie sich die Ketten des Panzers rasselnd auf ihn zubewegten, und wie sie drohten ihn zu zermalmen. Geistesgegenwärtig packte er das Hagun Zar fest mit beiden Händen und schwang es mit voller Wucht durch die Kette. Der Schwerthieb durchtrennte den Stahl mühelos und unter lautem Ächzen verbogen sich die schweren Kettenglieder. Schrauben und Metallteile flogen durch die Luft, als der Panzer weiter beschleunigte, bis mit einem kreischenden Bersten die ganze rechte Antriebsapparatur auseinanderflog. Die Chimäre bekam Schlagseite und schlitterte unkontrolliert durch den Schnee.
Thaiôn stand auf und rannte dem beschädigtem Panzer hinterher. Aus der Umgebung vernahm er immer noch Feuerduelle und Sterbende, er musste seine Mission nun beenden.
Bald hatte er den qualmenden Panzer erreicht. Mit aller Kraft stieß er die vibrierende Klinge tief in die Hecktür hinein, verkeilte das Schwert, stieß sich daran hoch und landete sanft auf dem Dach des Fahrzeugs. Die Chimäre sackte nun seitwärts weg und begann sich um die eigene Achse zu drehen. Thaiôn klammerte sich fest, um nicht heruntergeschleudert zu werden, bis der Panzer nach einigen Pirouetten endlich stehen blieb.
Er stand schnell auf und zog das Hagun Zar aus dem gespaltenem Stahl. Dann wirbelte er herum und kletterte auf den Turm. Dort ließ er die Klinge mit den letzten Kräften auf die Panzerluke niedersausen. Er griff an seinen Gürtel und nahm eine rötlich schimmernde, faustgroße Kugel in seine Hände. Er presste sie zusammen und warf sie in das klaffende Loch in der eisernen Schale des Panzers.
So schnell er vermochte, sprang er dann vom Dach herunter, rollte sich ab und legte sich flach auf den Boden. Sekunden später wurde die Chimäre von einer heftigen Explosion zerrissen.
Erschöpft stand Thaiôn wieder auf und betrachtete stolz die brennenden Überreste des Menschenfahrzeugs. Da bemerkte er ein tiefes Rumpeln und Scheppern, das sich ihm von hinten näherte. Bevor er sich umdrehen konnte, wurde er von einem dicken Laserstrahl durchbohrt...

Langsam war die zwielichtige Schneewolke endlich verzogen, und vor Mawinski offenbarte sich nun das ganze grausige Gemetzel. Die zweite Chimäre lag vernichtet am Rande des Schlachtfelds. Jenes war wiederum nur so von toten Soldaten und Eldarkriegern übersät. Von den Angreifern war keiner mehr am Leben, doch am Fuße des Berges waren immer noch einige Gegner, die auf Sergeant Tashmans Trupp feuerten. Erschrocken stellte Mawinski fest, dass außer ihm, Sergeant Tashman und seinen drei Männern keiner der ihren mehr am Leben war. Er verlangsamte seinen Schritt und betrachtete den Leman Russ, der nach erfolgreicher Jagd auf einen der Eldaranführer nun wendete und dabei war, den Beschuss wieder fortzusetzten.
Der bedrohliche Panzer, Symbol für die unerschütterliche Macht des Imperiums, erfüllte ihn wieder mit Zuversicht, doch da befiel ihn auf einmal ein seltsames, unergründliches Gefühl. Er blieb stehen und klammerte sich an sein Lasergewehr, da er unwillkürlich an Stiner denken musste.
Er zuckte plötzlich zusammen, als ein Bündel greller Lichtblitze durch seine vier Kameraden ging. Ihr warmes Blut schoss aus den durchlöcherten Körpern und sie gingen mit erschrockenen und ungläubigen Mienen zu Boden. Unmenschliche Schmerzensschreie der Todespein hallten von den Bergen wider.
Mawinskis Gedanken rasten: Die Laserstrahlen kamen aus dem halb verschütteten Höhleneingang! Es hatte also jemand das Trommelfeuer überlebt. Er blieb wie angewurzelt stehen, während eiskalter Schweiß von seiner Stirn rann. Wohin sollte er denn nun fliehen? Er stand mitten im Freien, weit und breit war keine Deckung zu sehen, die ihn vor dem Tod bewahren konnte! So gab er sich auf, ließ sich seufzend auf die Knie fallen und blickte verzweifelt hoch in das eiskalte Licht der Frühlingssonne. Er wollte eben ein letztes Stoßgebet an den Imperator richten, als er von den Lanzen des Impulslasers zersiebt wurde. Mawinski spürte, wie der warme Lebenssaft aus seinen Adern floss und kippte langsam zur Seite. Er spürte auch noch, wie sein Kopf auf das kalte Eis aufschlug, und wie sich die frostige Eiseskälte in seinen Gliedern ausbreitete. Dann aber schwanden ihm die letzten Sinne und unendliche Finsternis umhüllte ihn gnädig...

Sheala fasste neue Hoffnung, als der letzte Menschensoldat tot zu Boden sank. Voller Trauer hatte sie, nachdem sich der Schneenebel gelichtet hatte, den heldenhaften Tod Thaiôns und seiner Gefährten feststellen müssen. Nun war nur noch der Leman Russ übrig, der mit einer weiteren Salve das Eis unter ihnen zum Erbeben brachte. Die fünf Gardisten und der Jäger Asuryans, die das bisherige Massaker überlebt hatten, duckten sich noch tiefer hinter die gesplitterten Felsen. Einer der Krieger schrie zu ihr hinüber:
"Prophetin! Wir können ihn nicht zerstören, unsere Waffen sind wirkungslos gegen seine Frontpanzerung! Wir müssen uns zurückziehen, Prophetin!"
"Auf keinen Fall! Uns bleibt noch ein Schicksalsfaden, der uns zum nahen Sieg führen wird und dem wir folgen können!" schrie sie zurück und blickte zur Höhle hinüber.
Von herabgestürztem Eis und Schnee begraben lagen dort die beiden Antigrav-Plattformen. Siltiél, die eben noch mit ihren letzten Kräften den Impulslaser abfeuern konnte, lag nun schwer verwundet am Boden, sie schien dem Ende nah zu sein. Eothen war nirgends zu sehen, der weiße Tod musste seine tapfere Seele genommen haben. Siltiél sah verzweifelt auf den näherkommenden Panzer und wusste, was sie zu tun hatte. Mühsam und unter großen Schmerzen begann sie sich zur Infraschallkanone zu schleppen.
Als Sheala sah, wie der Leman Russ immer näher kam, sah sie auch wie der Schicksalsfaden zu reißen begann, wie Siltiéls Lebensfaden ihn schneiden und beide zugrunde gehen würden. Sie begriff sofort und sandte Siltiél einen psionische Warnruf:
"Siltiél! Schnell, die Infraschallkanone! Beeil dich!"
Siltiél war nun an der Zielkonsole der Infraschallkanone und begann sie verzweifelt auszurichten.
Gleichzeitig raste der Leman Russ über das Eis und richtete die Laserkanone in seinem Rumpf auf den Höhleneingang aus.
Sheala sah, wie sich die Schicksalsfäden schon kreuzten und wie Siltiéls Lebenskraft immer mehr schwand...
"Halte durch, Siltiél! Halte durch!"

"Feuer frei!" brüllte Kirokov.

Sheala sah, wie Siltiéls Faden riss und wie sich ihre Zukunft ins Nichts aufzulösen begann. Das Nichts fraß sich mit unglaublicher Geschwindigkeit den Lebensstrang entlang, gleich würde es den Scheideweg der Gegenwart erreicht haben...

In diesem Moment feuerte die Laserkanone.

Gleichzeitig verließ eine gewaltige Schockwelle die Höhle und schoss geradewegs auf den Panzer zu. Das breite Band der Vernichtung frass sich mit rasender Geschwindigkeit durch das meterdicke Packeis. Eis, Wasser und Schnee wurden einfach zur Seite und in die Luft geschleudert, ein Pfad der Verwüstung säumte den Weg der Schockwelle. Die geballte Wucht der Schwingungen ließ sogar das Packeis bersten und riss damit eine riesige Spalte in den Boden.
Als die unsichtbare Schockwelle auf den Leman Russ Kampfpanzer traf, setzte ein unglaublich tiefes Dröhnen ein, dem das bizarre Kreischen des sich verbiegenden Metalls folgte. Die Resonanzschwingungen zerrissen dann mit einem plötzlichen Schlag die komplette Frontpanzerung des Leman Russ. Metallsplitter, Schrauben und Zahnräder schossen explosionsartig durch die Luft. Langsam verebbte der tiefe Basston der Schockwelle und eine kurzer Augenblick der Stille folgte.
Das laute Krachen des unter der Wucht der Schwingungen und des Gewichts des Leman Russ brechenden Eises zerschnitt dann die Stille. Unter dem Panzer begann das Packeis auseinanderzubrechen und in den tiefblauen Fluten zu versinken. Mit einem Ächzen kippte der massige Panzer langsam vornüber und schoss mit einem Tosen in das finstere Wasser. Doch der Leman Russ verkeilte sich im Eis und versank nur zur Hälfte, der Turm und das Heck ragten noch aus den schäumenden Fluten.

Während ihre Gefährten sich jubelnd über den zuletzt doch noch errungenen Sieg freuten, sah Sheala traurig zum qualmenden Höhleneingang hinüber. Siltiél hatte sich geopfert und sie alle gerettet, doch den Treffer durch die Laserkanone konnte sie nicht überlebt haben.
Dennoch versuchte sie ein Lebenszeichen von ihr im Gewirr der Schicksalsfäden zu entdecken.
Doch mit Schrecken sah sie dann eine Unregelmäßigkeit darin, etwas Unvorhersehbares drängte sich hinein...

Im selben Moment drehte sich der Turm des Leman Russ, und der Lauf des Kampfgeschützes wurde ausgerichtet.

Die wenigen Überlebenden blickten verdutzt auf das Unfassbare, das eben geschah.

Einen Augenblick später wurde das Kampfgeschütz mit einem ohrenbetäubenden Knall abgefeuert. Die Granate schlug mitten zwischen den Eldar ein und ließ sie in einer gigantischen Explosion verschwinden. Eine riesige Wasserfontäne schoss empor und riss das gebrochene Eis und die zerfetzten Körper mit sich.

Sheala spürte nur, wie sie von der Druckwelle der Detonation mitgerissen und fortgeschleudert wurde. Die mächtigen Schutzzauber auf ihrer Rüstung bewahrten sie anscheinend vor Schlimmerem. Danach spürte sie, wie eiskaltes Wasser sie umschloss, wie ihr das Hagun Zar entglitt, und wie sie langsam unterging...

Doch der tiefe Hass und der unstillbare Rachedurst in ihrem Herzen hielten sie am Leben. Kurz bevor ihr die Atemluft ausgegangen wäre, erreichte sie die tanzende Wasseroberfläche und atmete die frostige Luft tief ein. Ihre Lungen brannten, sie war entkräftet und verzweifelt. Sheala ruderte zum schwankenden Rand einer in der Nähe treibenden Eisscholle und hievte sich aus dem Wasser heraus.
Triefnass versuchte sie Halt zu gewinnen und blickte hasserfüllt wie niedergeschlagen auf den Leman Russ, der durch den Rückstoss nicht vollends abgerutscht und gesunken war.
Sheala blickte tief hinein in das schwarze Mündungsloch des Kampfgeschützes, das genau auf sie gerichtet war. Sie blickte durch die Finsternis hindurch und sah die primitive Apparatur der Waffe, sah, wie eine riesige Granate in den Lauf gelegt wurde, sah, wie sie bereit zum Abfeuern gemacht wurde...

"Geschütz ist feuerbereit, Kommandant!" meldete der Turmkanonier.
"Feuer frei, Jewpaijova!" brüllte Kirokov mit einer höhnischen Grimasse.
"Aber... Der Rückschlag... Wir werden..." begann dieser zu stottern.
"Die unendliche Macht des Imperators, seine schützende Hand, wird uns vor dem Tode bewahren! Und wenn nicht... haben wir wenigstens den letzten verdammten Abhumanen mit in den Tod gerissen!" lautete Kirokovs zornige Antwort.
"FEUER FREI!"

Sheala starrte regungslos in den Lauf des Geschützes und wartete, ihrer letzten Kräfte beraubt, auf das endgültige Ende.

Eine gleißende Lichtkugel, greller und heller als ihre Augen ertragen konnten, hüllte da plötzlich den Panzer ein und zerschmetterte ihn völlig.
Sheala taumelte und ging geblendet zu Boden.
Einige lange Momente später, öffnete sie wieder die Augen und blickte direkt in das eiskalte Licht der fernen Sonne. Ein großer geschwungener Schatten schob sich in das Bild hinein und verdeckte kurz die blasse Sonnenscheibe.

Die Runenprophetin stand gebrochen auf und schaute dem Illum Zar nach, der eben in einer weiten Kurve beidrehte. Am Horizont tauchten unzählige schwarze Schatten auf, die mit großer Geschwindigkeit auf sie zurasten. Die Verstärkung war endlich gekommen...



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