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RUF DER MACHT KAPITEL 8

Teil 8:

"Dort ist es!"
Landril konnte nichts sehen, da ihm die Morgensonne in die Augen stach. Das Licht schmerzte in den Augen als er versuchte in die Richtung zu blicken in die Shalla wies. Mit einem verhaltenem Fluch auf den Lippen hob er die Hand und überschattete seine Augen. Er sah nichts was wie ein Raumschiff aussah. Allerdings hatte er in seinem Leben auch noch nie ein Raumschiff gesehen.
Nein, korrigierte er sich in Gedanken. In den Träumen, die ihn seit Tage jede Nacht heimsuchten, hatte er mehr als genug Raumschiffe gesehen.
Landril konnte es sich nicht erklären, aber je bewußter er sich seiner psionischen Kräften wurde um so intensiver wurden die Träume. Jeden Abend lehrte Shalla ihn in kleinen Lektionen wie er seinen Geist beherrschen und in einen Zustand bringen konnte um den Warpraum anzuzapfen. Es war nicht viel, was sie ihm so beibrachte und seit er sie vor einigen Tagen so verärgert hatte, war sie verschlossener als vorher. Doch da waren noch die Träume. Er hatte es der alten Frau noch nicht erzählt. Aus irgendeinem Grund sträubte er sich dagegen. Es war wie eine innere Hemmschwelle, die er noch nicht überwinden konnte. Er würde es ihr schon noch erzählen. Später.
Jetzt spähte er über die flache Khavgrassteppe, die nur von gelegentlichen niedrigen Bäumen und Büschen unterbrochen wurde. Ganz selten erhob sich eine kleine Erhöhung aus dem Gras oder eine Senke unterbrach das monotone Bild.
Landril kniff die Augen zusammen, doch bis auf eine kleine Herde Hrutons die an der Flanke eines langgestreckten Hügels grasten war nichts zu sehen. Die Tiere suchten sich zwischen dem höheren und auch zäherem Khavgras die zarteren Halme des dunkelgrünen Belmfußes heraus. Belmfuß war eine kleine, breitblättrige Pflanze die immer zwischen dem hochgewachsenem Khavgras wuchs. Hrutons liebten Belmfuß. Leider führten die stinkenden hellroten Säfte des Gewächses auch dazu, das das Fleisch der Hrutons nicht mehr eßbar war. Aus diesem Grund trieben die Jäger die Tiere erst zusammen und setzten sie für Wochen auf eine reine Khavgrasdiät. Danach konnten die Tiere verkauft und geschlachtet werden. All das wußte Landril seit er ein Kind war.
Was er nicht wußte, war was die Alte meinte. Wollte sie ihn zum Narren halten?
Verärgerte ließ er die Hand sinken und drehte sich mit verschränkten Armen zu der alten Frau, die neben ihm auf ihrem eigenartigen Reittier saß. Shalla war die einzige Frau, der einzige Mensch, den er kannte, der sich ein Farris als Reittier ausgesucht hatte. Diese Tiere waren eigentlich zu nichts zu gebrauchen. Im Allgemeinen mochten sie keine Menschen, dieses hier hatte ihn schon mehr als einmal versucht ihn zu beißen, man konnte sie nicht essen und auch sonst nicht zur Arbeit heranziehen.
"Was soll das denn jetzt schon wieder", brauste er auf.
"Ich habe es langsam satt, das du ständig leere Versprechungen machst, das wir bald am Ziel wären. Da ist doch nichts!"
Die Alte funkelte ihn von oben herab gereizt an.
"Nur weil du mit deinem Bauernverstand nichts sehen kannst, heißt das noch lange nicht, das da nichts ist. Denk nach, Bengel! Du bist doch der große weise Hrutonjäger, der sich in den Ebenen auskennt. Ich bin hier vor einer halben Ewigkeit abgestürzt. Was passiert wohl wenn etwas großes über 30 Jahre lang hier in der Gegend herumliegt, häh? Was wohl?"
Landril kniff die Augen zusammen und wandte sich wieder um. Erneut hob er die Hand um das Sonnenlicht abzuschirmen. Da war doch nichts! Nur Gras, Büsche, Bäume, die Senken, der lange Hügel und die Hrutons.
Verwirrte drehte er sich wieder herum zu der alten Frau die ihn spöttisch ansah. Nachdenklich fuhr er sich mit der Hand über das Gesicht. Seine Finger fühlten den Bart, der ihm gewachsen war, seit er von der Ruine die sein Heim gewesen war geflohen war. In seinem Verstand arbeitete es.
Landril drehte sich wieder in die Richtung, in die Shalla gezeigt hatte. Er ließ die Hand sinken. Konnte das sein?
"Der Hügel da", schloß er seine Gedanken und drehte den Kopf zu der alten Frau hin.
Sie nickte.
"Bist doch nicht so dumm, wie? Ja, Jüngelchen. Der Hügel! Im Laufe der Jahre haben die Herbst- und Winterstürme so viel Dreck und Erde um das Schiff geweht, das es irgendwann nicht mehr zu sehen war."
Ungläubig sah sich Landril den langgestreckten Hügel näher an. Er war von wogendem Gras bewachsen und an seinen Flanken hatten sich einige Büsche niedergelassen. Aber die Größe! Trotz seiner lehrenden Träume war er darauf nicht vorbereitet. Er schätzte die Länge des Hügels - des Schiffes! - auf fast tausend Meter. Es war an der Landril zugeneigten linken Seite höher als am anderen Ende, doch auch dort vermutete er die Höhe auf gut hundert Meter. Zu der Breite konnte er noch nichts sagen, aber ein Gebilde von dieser Größe war einfach unglaublich. Es sich fliegend vorzustellen sprengte seinen Vorstellungsrahmen.
"Hast wohl doch noch was davon, das du dich mit mir abgibst, was", versetzte sie spitz während sie an ihm vorbei ritt.
Landril setzte zu einer Erwiderung an, schluckte sie jedoch wieder herunter. Die alte Frau war beleidigt und es war seine Schuld. Durch seine Äußerung schien er sie schwer getroffen zu haben. Und obwohl er sich noch am gleichen Tag entschuldigt hatte, war sie immer noch darauf aus es ihm mit ihren Bemerkungen heimzuzahlen. Er hob die Schultern und setzte sich in Bewegung, da er ihr nicht einen zu großen Vorsprung lassen wollte. Die alte Frau lehrte ihn seine Fähigkeiten auszubauen und im Gegenzug half er ihr das psionische Feld aufzulösen, das die Besatzung des Schiffes festhielt. Es war ein Geschäft. Es half ihm von dieser Welt zu fliehen. Also konnte er mit ihren Bemerkungen leben.
Je näher sie dem unter dem Hügel liegendem Schiff kamen um so mehr wurde Landril bewußt wie groß es sein mußte. Es war für ihn schwer zu begreifen, das Menschen so etwas gigantisches bauen konnten. In seinem Verstand tauchten Fragen auf, die ihm auch die Träume nicht beantworten konnten und so lenkte er seine Schritte zu der etwas abseits reitenden Shalla.
"Shalla? Wie kommt man dort hinein? Es muß doch so etwas wie eine Tür oder Luke geben."
Sie warf ihm einen finsteren Blick aus den Augenwinkeln zu ehe sie den Kopf zu ihm herüber drehte. Ihr Mund war verkniffen und die früher mal schön geschwungenen Lippen so fest aufeinander gepreßt das sie fast blutleer wirkten.
"Sicher gibt es eine Tür. Du kannst sie nur nicht sehen. Ist versteckt. Soll ja nicht jeder hergelaufene Bauer sich in meinem Schiff ‚rumtreiben, oder?"
Landril unterdrückte ein genervtes Augenrollen, das sich ihm aufgrund ihres Tonfalls förmlich aufzwang.
"Ich meine", erwiderte er so ruhig wie möglich, "ob wir ohne Schwierigkeiten in das Schiff hinein kommen oder ob es da Probleme geben kann?"
"Eine Tür", schnaubte sie leise wie zu sich selbst, "was glaubt denn der? Viele Türen. Hangartore, Frachtluken, Andockschleusen und der Bengel fragt nach einer Tür. Pah!"
Sie schüttelte den Kopf, als könne sie es nicht glauben das jemand mit soviel Dummheit gestraft sein könnte.
Mit zusammengekniffenen Augen und aufeinander gepreßte Lippen blickte Landril zu der alten Frau. Sie schaffte es immer wieder ihn bis zur Weißglut zu reizen. Er merkte das seine geballten Hände feucht geworden waren und wischte sie an seiner Hose trocken. Vor ihm schritt im gemächlichem Tempo das Farris mit seinem wackelndem Gang.
Selbst ihr Reittier ist ein Miststück, dachte er zornig. Er konnte gar nicht mehr zählen, wie oft es ihn in den Tagen ihrer Reise versucht hatte zu beißen.
Landril sah auf seine Hände, die schmutzig und rissig waren. Schon immer waren seine Hände voller Hornhaut gewesen, die ihn gegen die meisten Unbilden des täglichen Lebens auf einer Hrutonfarm geschützt hatte. Er hatte große Handflächen und lange sehnige Finger mit kurzen, oft abgebrochenen Nägeln. Als er die Finger gegeneinander rieb, fühlte er wie rauh die Haut war und er spürte den leichten Schweißfilm der sich bereits wieder zu bilden begann.
Es lag nicht an der Temperatur, so warm war es nicht. Nein. Er war schlicht und ergreifend nervös. Dort vor ihm lag ein Raumschiff, wie ein gefallener Titan, der im Laufe der Zeit mit Erde bedeckt und mit Pflanzen bewachsen worden war.
Was würde er dort drinnen sehen? Was würde ihn dort erwarten? War es wirklich möglich, das dieser mit Gras und Büschen bewachsene Hügel sich in die Luft erhob und zu anderen Welten fliegen konnte?
All das waren Fragen die ihn bewegten und all diese Fragen würde er von Shalla nicht beantwortet bekommen. Sie hatte ihn nur mitgenommen damit er ihr half. An ihm persönlich lag ihr nichts. Als sie ihm vor ein paar Tagen gerettet hatte, war dies in dem Gedanken geschehen, das er noch gebraucht würde. Wie würde sie zu ihm stehen, wenn sie hatte was sie wollte?
Angespannt sog er die Luft ein. Er würde aufpassen müssen. Versprechen konnte sie ihm viel, aber würde sie sich auch daran halten?
Während er nachdachte, waren sie dem abgestürztem Schiff immer näher gekommen. Erst jetzt wurde offenbar wie groß es war. Landril sah an der Seite des Schiffes entlang und legte den Kopf in den Nacken um daran hoch zu sehen. Es war unvorstellbar!
Das Farris kam neben ihm zum stehen. Er spürte eine Berührung an seiner Schulter. Shalla hatte ihn leicht mit dem Fuß angestoßen. Sie wies mit der Hand auf einen Punkt in etwa sechzig Meter Höhe, wo die leicht abfallenden Flanken des Hügels abrupt steiler zu werden begannen.
"Da ist ein Eingang. Dort wo der verkrüppelte Baum wächst."
Langsam um ihre schmerzenden Gelenke zu schonen ließ sie sich aus dem Sattel gleiten. Landril sah ihr dabei ungerührt zu. Mit einem ächzendem Laut streckte sie sich und blickte ihn mit verkniffenen Gesichtszügen an.
"Danke für die Hilfe, Bengel", schnarrte sie ätzend.
Ungerührt sah Landril auf die kleinere Frau herab und zuckte nur kurz mit den Schultern. Die Zeiten in denen er sich ungefragt angeboten hatte waren vorbei. Dafür hatte das Schicksal in der letzten Zeit gesorgt.
"Da oben", wiederholte sie und nickte dann bekräftigend.
Landril sah hinauf. Khavgras hatte die Seiten des Schiffes bewachsen. Praktisch überall hatte sich Erde abgelagert. Selbst bis ganz nach oben.
"Und wie sollen wir dort hinein kommen", fragte er.
Shalla drehte sich langsam zu ihm um und schenkte ihm einen undefinierbaren Blick aus ihren blassen Augen. Sie hatte die Hände in die Hüften gestemmt und um ihre Lippen kräuselte es sich.
"Du wirst graben müssen, Jüngelchen", antwortete sie ungerührt.
Ebenso ungerührt hob Landril seine Hände und präsentierte sie der alten Frau.
"Womit graben? Mit den Händen?"
Sie schob das Kinn vor.
"Warum nicht? Bist doch ein starker Bauernbengel! Du..."
"Schluß damit!"
Landril fuhr sich mit der rechten Hand über die Augen und massierte einen Augenblick seine Nasenwurzel mit Daumen und Zeigefinger. Schließlich ließ er die Hand wieder sinken und sah sie resigniert an.
"Shalla, das führt doch zu nichts! Du willst, das ich dir helfe und ich will das du mich von diesem Planeten bringst. Gleich, was einer von uns dem anderen gesagt hat, sind wir aufeinander angewiesen. Laß uns zuerst von hier verschwinden. Wenn du dich dann immer noch streiten willst... Bitte! Aber jetzt und hier ist es dumm!"
"Wen nennst du hier dumm, Bengel?"
Landril warf die Hände in die Luft und wandte sich von ihr ab. Wütend über ihre Verstocktheit stapfte er zu einem der niedrigen Büsche. Nach wenigen Augenblicken hatte er einen drei Finger dicken Ast abgebrochen. Die wenigen noch haltenden Holzfasern durchtrennte er mit seinem Messer. Mit dem gut einen Meter langen Ast in der Hand machte er sich daran die Flanke des Hügels zu ersteigen. Den Ast benutzte er dabei als Kletterhilfe, indem er ihn in die Erde rammte und sich dadurch zusätzlichen Halt schuf.
Auf halbem Weg drehte er sich noch einmal zu der alten Frau um die immer noch dort stand wo er sie stehengelassen hatte. Sie funkelte finster zu ihm herauf. Landril ignorierte ihre Blicke.
"Während ich grabe, solltest du etwas zu essen besorgen. Wasser ist auch kaum noch welches da. Unsere Vorräte sind aufgebracht. Sieh zu, das du dich nützlich machst, wenn du hier schon nicht mithelfen kannst."
Danach machte er sich daran weiter zu klettern ohne auf eine Antwort von ihr zu warten. Landril war es leid! Er hatte ihr die Hand geboten und sie bestand darauf sich wie ein kleines Kind zu benehmen.
Stoisch arbeitete er sich Meter für Meter den Hang hinauf bis er an der Stelle angelangt war, wo verkrüppelte Busch scheinbar aus der scheinbar grauen Felswand wuchs.
Landril hielt sich mit einer Hand an einem Ast des Busches fest und kratzte mit seinem Stock an dem grauen ‚Stein'. Der Stock hinterließ eine gut sichtbare Rille in der Wand, bei der es sich um nichts anderes als durch Stürme fest gepreßte Erde handelte.
Er ließ den Blick über die ganze Seite des Hügels, unter dem sich in Wirklichkeit ein Raumschiff befand, gleiten. Es war kaum zu glauben. Mit neuen Eifer faßte er den Stock nun mit beiden Händen und bearbeitete die hart gewordene Erde, das die Brocken nur so flogen. Landril arbeitete wie ein Besessener. Neugier und Ehrgeiz hatten ihn gepackt. Er wollte den Eingang finden und er würde ihn auch finden!
Während er Erdschicht um Erdschicht mit seinem provisorischem Werkzeug löste, merkte Landril wie seine Laune sich besserte. Endlich gab es wieder etwas zu tun. Etwas bei dem er ein vorwärtskommen sah. Nicht wie das eintönige Reisen mit einer zänkischen alten Frau.
Obwohl seine Muskeln nach einer Weile begannen zu schmerzen fühlte Landril sich wohler. Beinahe genoß er die Arbeit und nach einer gewissen Zeit schien sein Körper die nötigen Bewegungen wie von selbst durchzuführen, während sein Verstand wie in eine Art Trance glitt und nur noch ein Ziel kannte.
In das Schiff hinein zu gelangen.
Es war sein Ausweg. Auf dieser Welt konnte er sich nicht mehr sehen lassen. Seit der Landung der Space Marines in den sechs Städten waren seine Möglichkeiten jemals wieder unter die Menschen die er kannte zu gehen auf Null gesunken. Sie hielten ihn für tot. Noch! Es war keineswegs sicher, das sie die Heimstätte nicht untersuchen würden um zu sehen wo seine Leiche war.
Wenn die Mörder seines Vaters herausfanden, das er noch lebte würden sie ihn jagen, wo immer sie konnten.
Landril wußte aus seinen Träumen, die er jede Nacht hatte, wie verbissen die Space Marines hinter denen her waren, die sie Mutanten, Ketzer und Verräter der Menschheit nannten. Er wollte nicht zu diesen Gejagten gehören. Auf einer anderen Welt konnte er sich verbergen. Vielleicht sogar sein Talent schulen und an Macht gewinnen. Shalla hatte es selbst gesagt. Ihr Talent erhob sie über normale Menschen. Warum sollte er dies ausschlagen? Mit genügend Einfluß würde er die Mörder seines Vaters finden können. Er würde über sie richten und ihrer Strafe zuführen können.
Der Gedanke erzeugte ein Gefühl der Hochstimmung in Landril. Der Schmerz, den der Tod seines Vaters gerissen hatte, war noch immer da, doch der Gedanke seine Mörder bestrafen zu können milderte ihn eigenartigerweise ab.
Er merkte, das er einen trockenen Mund bekommen hatte. Was dachte er denn da? Nichts konnte seinen Schmerz mildern! Was nutzte es denn wenn die Mörder tot waren? Brachte es ihm seinen Vater zurück. Oder seinen Bruder? Sein altes Leben? Nein!
Ein Zittern durchlief Landril's Körper und er hielt in seiner Arbeit inne. Inzwischen war er über und über mit dem Staub der trockenen Erde bedeckt, die er los gekratzt hatte und der Staub brannte in seinen Augen. Landril schmeckte die Erde in seinem Mund. Angewidert spie er aus.
Woher kamen diese Gedanken über Rache? War das wirklich sein eigener Wunsch? Er zwang sich zur Ruhe, konzentrierte sich auf seinen hämmernden Pulsschlag und lauschte in sich hinein. In den abendlichen Lektionen mit der alten Psionikerin hatte Landril viel gelernt. Es half ihm das Wissen, welches sie ihm mittels ihrer Gabe in dem Kopf gepflanzt hat, wachzurufen und zu verstehen.
Unwillkürlich fuhr er sich mit der Hand über die Schläfe. Wer weiß was sie ihm alles dort hinein gepfropft hatte? Wie so oft in letzter Zeit verfluchte Landril die Alte in Gedanken, dann besann er sich auf sein eigentliches Anliegen.
Er schickte seine Sinne in sein Inneres. Lauschte, ob dort ein Verlangen nach Rache lauerte. Nach dem Streben nach Macht und Einfluß. In seinem alten Leben, mit dem er geglaubt hatte zufrieden zu sein, hatte er nie diesem Wunsch gehabt.
Erst seit der Begegnung mit den Space Marines, die seinen Vater ermordeten und seinen Bruder mit sich nahmen. Oder seit seine Gabe sich gezeigt hatte?
Landril zog die Stirn in Falten und wischte sich Staub aus den Augen.
War seine Gabe nicht erst aufgetreten als die Space Marines ihr Verbrechen verübten? Oder war es nur Zufall, das es gerade zu diesem Zeitpunkt geschah?
Er glaubte einen Kloß im Hals zu spüren als die Bilder vor seinem inneren Auge wieder auftauchten. Das Blut und der Körper seines Vaters, der ins Gras stürzte. Das Gesicht des Sergeant's. Nie würde er dieses Gesicht vergessen können! Landril spürte den Haß auf diesen Mann in sich aufsteigen. Und auf die Männer die ihn begleiteten. Sie hatten kein Recht dazu gehabt in ihr Leben einzugreifen! Und solange sie niemand aufhielt würden sie es immer wieder tun.
Seine nächtlichen Träume fielen ihm wieder ein. Hatten sie ihm nicht unzählige Welten gezeigt auf denen Menschen unterdrückt, .... getötet wurden, von diesen angeblichen Kämpfern gegen das Böse.
Die Erkenntnis traf Landril wie einen körperlichen Schlag.
Ja. Sie verdienten den Tod! Und er wollte derjenige sein, der ihn brachte. Er wollte diesen Sergeant Canus töten. Ihn mit seinen Kräften in Blitze hüllen, wie er es mit dem Space Marine getan hatte, der seinem toten Vater den Brustkorb geöffnet hatte.
Erschöpft kehrte Landril mit seinen Sinnen in die Wirklichkeit zurück. Erst jetzt wurde ihm bewußt, das er seinen Körper vorher nicht mehr gefühlt hatte. Nun konnte er seine erschöpften Muskeln wieder spüren, den Schweiß der seine Kleidung an seinen Körper klebte und sein Herz das immer noch einen hämmernden Rhythmus schlug. Alles schien zu schmerzen, doch es tat gut wieder zu fühlen, auch wenn er den Verlust dieses Gefühls vorher gar nicht bemerkt hatte.
Ein Schweißtropfen rann über seine Stirn, hinunter zu seiner Nase, wo er einen Moment kitzelnd hängenblieb und dann herabfiel. Landril wischte sich mit dem Ärmel über das Gesicht. Er sah sich um.
Shalla war nirgends zu sehen. So hatte er wenigstens seine Ruhe. Er glaubte nicht, das er sich so in sich hätte versinken lassen können, wenn sie in der Nähe gewesen wäre.
Das war eine wichtige Erfahrung gewesen. Nun wußte Landril, das er Rache wollte. Es hatte keinen Sinn sich etwas vor zu machen. Er hatte ein Ziel vor Augen. Eines das vielleicht nicht zu erreichen war, aber es war ein Ziel. Und der erste Schritt auf dieses Ziel hin war in dieses alte Raumschiff zu gelangen.
Mit neuer Kraft hob Landril den mittlerweile stark abgenutzten Stock und rammte ihn in die hart gebackene Erde. Er traf auf einen Widerstand, der so stark war das es ihm fast den Stock aus den Händen geprellt hätte.
Vorsichtiger begann Landril die Erde mit dem Stockende weg zu kratzen. Da war etwas unter der Erdschicht. Sollte er tatsächlich hindurch sein?
Immer mehr Erdbrocken fielen zu seinen Füßen, als er eine tellergroße Fläche frei kratzte. Er ließ den Stock sinken und fuhr mit den Fingerspitzen über das was darunter zum Vorschein kam.
Es war Metall, eindeutig. Jedoch nicht so glatt wie Landril bearbeitetes Metall bisher gekannt hatte. Es wirkte stumpf, von unzähligen Rillen und Riefen, Rissen und kleinen Löchern überzogen, das es sich unter seinen Fingern beinahe weiche anfühlte. Das mußte die Hülle des Schiffes sein.
Eine gute Stunde später hatte er einen Bereich freigelegt, der etwas höher als er selbst groß war und beinahe ebenso breit. Deutlich konnte er nun erkennen, das dieser Teil des vermeintlichen Hügels nicht natürlichen Ursprungs war.
"Du mußt ein wenig weiter rechts graben, Jüngelchen", hallte von unten die Stimme der alten Psionikerin herauf.
Landril erschrak über ihr plötzliches Erscheinen so sehr, das er beinahe das Gleichgewicht verloren und den Hang hinunter gefallen wäre. Mit schlingernden Bewegungen fand er schließlich Halt.
Leises Gelächter erklang vom Fuß des Abhangs.
"Sehr lustig," rief er zu ihr runter.
"Warum kommst du nicht herauf und zeigst mir wie man dieses Tor öffnet von dem du gesprochen hast. Ich kann es bisher noch nicht einmal sehen."
Shalla stand neben ihrem eigentümlichen Reittier und spähte zu ihm hinauf. Um sich vor den Sonnenstrahlen zu schützen hatte sie eine Hand erhoben und schattete die Augen damit ab. Ohne ihm zu antworten setzte sie sich in Bewegung und erklomm auf allen Vieren den stellenweise recht steil abfallenden Hang.
Landril nutzte die Zeit, welche die alte Frau brauchte um selbst ein wenig auszuruhen. Die Arbeit mit dem Stock als provisorischem Werkzeug hatte ihn ausgelaugt. Je näher Shalla ihm kam, desto deutlicher konnte er ihr Gefluche hören, das jede ihrer Bewegungen begleitete. Er grinste als er ihre vollkommen undamenhaften Worte aufschnappte.
Als sie schließlich zu ihm aufschloß, hatte ihr Gesicht einen tiefroten Farbton angenommen und sie keuchte schlimmer als bei ihren härtesten Hustenanfällen. Eine ihrer Hände krallte sich in seinen Ärmel und sie zog sich in eine aufrechte Position. Vorsichtshalber ließ Landril sein Grinsen verschwinden ehe sie ihm ins Gesicht sehen konnte. Statt dessen setzte er eine schwer zu deutende Miene auf, die eine Mischung aus seiner eigenen Erschöpfung und einer Spur Mitgefühl für sie enthielt.
Shalla stieß abgehackte Wortfetzen in einer Sprache hervor die Landril nicht kannte und ließ sich neben ihm auf dem Boden nieder. Es dauerte eine ganze Weile bis sie sich wieder erhob und ihn mit normaler Stimme ansprach.
"Nun gut, Jüngelchen. Ich sehe du warst nicht untätig. Lass mich mal sehen. Ja....hier muß doch irgendwo...."
Ihre Finger tastete über die Metallplatten. Strichen über Ausbuchtungen und griffen in Vertiefungen. Endlich schien sie gefunden zu haben was sie suchte. Am rechten Rand der Stelle die er freigelegt hatte fuhren ihre Finger durch eine Rinne im Metall.
"Hier! Hier mußt du noch mehr freilegen. Das hier ist die Verschlußklappe einer Schalttafel. Damit läßt sich das Tor öffnen."
Sie wischte sich die staubigen Finger an ihrem Mantel ab und hinterließ auf dem Kleidungsstück dabei zwei hellbraune Streifen.
Er nickte und schob sich an ihr vorbei, um sich an die Arbeit zu machen. Nach wenigen Minuten hatte er die gewünschte Fläche freigelegt. Nun konnte auch er die Umrisse einer in die Schiffswand eingelassenen Klappe erkennen. Er trat zur Seite und gab ihr mit einem Wink zu verstehen, das sie vortreten konnte.
"Bitte sehr", sagte er förmlich.
"Eine freigelegte Schalttafel zu ihrer Verfügung."
Sie ignorierte seinen spöttischen Tonfall und warf ihm nur einen scharfen Blick zu. Mit einem Grunzen schob sie sich an ihm vorbei und machte sich an der Klappe zu schaffen.
Ein schnappendes Geräusch ertönte und die Metallplatte fuhr nach oben in die Wand hinauf. Kleine Tasten mit Runen darauf, die Landril nicht lesen konnte, waren dahinter zu sehen.
Mit vor Aufregung zitternden Fingern begann Shalla einige der Runen zu drücken.
Landril erschrak als hinter ein Wand ein dumpfes Dröhnen ertönte. Das Rumoren wurde lauter und metallisches Kreischen mischte sich darunter. Schlechtgeschmierte Gelenke begannen sich zu bewegen.
Erde platzte von der Wand ab, als ein Teil von ihr sich zu bewegen begann. Staub wallte auf und hüllte Landril und Shalla ein. Die beiden Menschen fingen an zu husten und Landril konnte sich nur mit Mühe an dem abfallenden Hang halten, da der Boden angefangen hatte zu vibrieren. Er sah etwas dunkles vor sich aufragen und spähte angestrengt durch den Staub.
Eine Öffnung war erschienen. Das was er freigelegt hatte war nur der Teil eines größeren Schotts gewesen. Er stand vor einer dunklen Öffnung von über vier Metern Höhe und mindestens fünf Metern Breite. Tageslicht fiel in die ansonsten vollkommene Dunkelheit und beleuchtete einen Raum, der sich hinter dem Tor befand. Er erstreckte sich vielleicht fünf Meter in das Schiffsinnere und war so breit und hoch die das Tor. Erdbrocken waren auf den steingrauen Boden gefallen, dessen Wände von eigenartigen Geräten bedeckt wurden. Ansonsten war der Raum leer.
Shalla drückte ihn zur Seite und setzte einen Fuß auf den Boden des Raums.
"Na also", brummte sie zufrieden.
"Ich hatte schon bedenken, das der Mechanismus der Luftschleuse nicht mehr funktioniert."
Sie grinste ihn spöttisch an und entblößte dabei ihre zahlreichen Zahnlücken.
"Bin schließlich seit sechs Jahren nicht mehr hiergewesen, da kann schon mal was passieren."
Landril hörte ihr ungläubig zu. Wie schon so oft verspürte er den Drang ihr den Hals umzudrehen. Aber er beherrschte sich und begnügte sich mit einem gequältem Lächeln.
"Da haben wir dann ja noch mal Glück gehabt", murmelte er statt dessen und folgte ihr in die Luftschleuse hinein.


Fortsetzung folgt.....



Urheberrecht: Heiko Stallmann, 2007



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