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DIE MENAGERIE

Sie wehrte sich mit ihrem ganzen Körper, doch es war zwecklos. Die beiden Wachen, die sie hielten, schleiften die in weite Umhänge gekleidete Außerirdische durch den Schiffskorridor, warfen die Eldar-Runenleserin in einen Käfig und ließen die Tür hinter ihr zufallen. Der Käfig war sehr spärlich eingerichtet, eine weiche Liege und eine kleine Kabine mit fließend Wasser standen darin. Mühsam stemmte die Eldar sich auf, ihr linkes Bein war gebrochen.
Aufmerksam sahen ihre grünen Augen sich um. Der Käfig grenzte an weitere Käfige mit fremden Wesen. Neben ihrem Käfig war zum Beispiel eine Gruppe Orkinnen eingesperrt, die melancholisch vor sich hin starrten. "Interessante Aussichten?" fragte eine spöttische Stimme die Eldar auf imperialem Gotisch. Ihr Kopf zuckte herum und sie starrte einen Mann an, der in kostbaren Gewändern in der Nachbarzelle am Gitter stand. Böse funkelten ihre Augen den Menschen unter ihren langen tiefschwarzen Haaren an. "Du kannst ruhig antworten, ich weiß dass du mich verstehst."
"Was ist mit ihnen passiert?" fragte sie in der Menschensprache. Der Mensch zuckte mit den Schultern. "Unser großer Herr und Meister, Lord Murlochran, hat sie unter Drogen gesetzt weil sie zu oft und zu heftig randaliert hatten. Er ist ihnen überdrüssig geworden." Der Mensch begleitete seine Tirade mit weit ausholenden Gesten. Irgendwie fand sie den Menschen nicht bedrohlich, sondern richtig interessant. "Und weshalb hat man dich eingesperrt?" fragte die Eldar. Der Mensch zuckte mit den Schultern, eine Geste die die Eldar schon oft gesehen hatte und zu interpretieren wusste. "Mein Pech ist es, Gedanken anderer lesen zu können und in manchen Fällen sogar zu beeinflussen. Ich glaube dass ich es übertrieben habe, vor Lord Murlochrans Domizil alle verfügbaren Frauen mir hörig gemacht habe. Das hat leider seinen Blick auf mich gerichtet. Immerhin bin ich den Häschern des Imperiums entkommen. Wer weiß, vielleicht wäre ich bereits im Astronomicon vergangen."
Auf einmal verabscheute die Eldar den Menschen, der wohl schon lange ihre Gedanken gelesen hatte. Schnell breitete der Mensch die Arme aus, die Handflächen nach außen. Die Eldar kannte auch diese Geste der Abwehr von Beschuldigungen. "Ich versichere dir, dass ich nur deine emotionalen Reaktionen beobachtet habe. Deine Gedanken blieben unversehrt." "Warum soll ich dir glauben?" fauchte die Eldar. "Wir sind bereits in den Warp gegangen. Wenn ich nun meine Kräfte gebrauche, laufen wir Gefahr angegriffen zu werden. Ich hänge an meinem Leben, auch wenn es nicht besonders gut aussieht." Die Eldar fühlte in sich rein und bemerkte wirklich das leichte Ziehen des Warpraumes. Sie schauderte, denn sie würde sehr schutzlos den Kräften des Warps gegenübertreten, falls etwas passieren würde. Nur ihr Seelenstein versprach Rettung, aber wenn das Schiff im Transit zerstört würde, war sie selbst in ihrem Seelenstein ewiger Verdammnis ausgesetzt.
"Also gut. Ich denke, deine Argumente sind schlüssig," meinte die Eldar. "Und was passiert jetzt?" Wie auf das Stichwort wartend, öffnete sich eine Bodenplatte in ihrer Zelle und eine geöffnete Kiste kam hervor. "Anziehen!" befahl eine Stimme aus einem Lautsprecher. Neugierig griff die Eldar in die Kiste und zog etwas hervor, das an einem Gürtel hing und aus rosaroter Seide bestand, die äußerst durchsichtig war. Mit der anderen Hand zog sie ein passendes Oberstück und eine Schale mit Geschmeide. Die Eldar fluchte leise in ihrer Sprache. "Das soll ich anziehen?" spuckte sie. "Ich würde es schnell anziehen," riet der Mensch. "Warum sollte ich mich für einen Chem-Pan-Sey erniedrigen?" fauchte sie. "Tu es," drängte der Mann. Kaum hatte er ausgesprochen, da zuckte sie unter dem Stromschlag zusammen, der durch den Boden übertragen wurde. Sie taumelte zur Seite und der Mensch streckte durch die Gitterstäbe seine Hände aus. Er konnte sie gerade noch auffangen und half ihr wieder auf die Beine, so gut das durch die Gitter ging.
Die Eldar sah ihm in die Augen und zog dann ihre Hände zurück. Dann öffnete sie die Mantelschnalle ihres Umhangs und entkleidete sich. Anstandsvoll drehte der Mensch ihr den Rücken zu. Als die Eldar splitterfasernackt im Käfig stand, öffnete sich eine weitere Klappe im Boden und ein Tischchen kam zum Vorschein. Die Eldar betrachtete argwöhnisch die einzelnen Töpfchen und Tüchlein, fing dann aber an sich zu waschen und Schminke aufzutragen. Dann griff sie nach dem dünnen Gewebe, dass das Kleid bildete. Durch einen breiten Ledergürtel wurde eine Art Lendenschurz aus hauchdünner Seide, der bis zu ihren Knöcheln reichte, zusammengehalten. Goldene Metallschlangen, die sich auf der Haut festsaugten, spannten locker ein Seidentuch des selben Materials vor ihrer Brust. Sie bekam keine Unterwäsche.
Die beiden ersten Tischchen versanken wieder im Boden und ein Sockel wurde in den Käfig gefahren. Darauf lagen zwei Armreifen aus einem goldenen Material und Scharnieren. Die Eldar betrachtete die Armreifen nachdenklich. "Anlegen!" befahl die Stimme wieder aus dem Lautsprecher. Langsam legte die Eldar die Reifen um ihre Handgelenke, und hörte wie winzige Schlösser einschnappten. Die Ringe konnten nicht mehr von ihr geöffnet werden "Bezaubernd," kommentierte der Telepath aus der Nachbarzelle. "Und jetzt?" fauchte die Eldar. "Jetzt kommt unser Besitzer und wird sich seine neueste Erwerbung ansehen wollen," antwortete der Mensch.
Und wie auf Stichwort schwang eine Tür am Ende des Ganges, der an den Käfigen entlang führte, und ein in prunkvollen purpurnen Gewändern gekleideter Mensch schritt hindurch. Langsam kam der Mann näher und die Eldar betrachtete ihn abschätzig. Der Mensch war groß und beleibt. Ein Auge war durch einen bionischen Ersatz getauscht worden und leuchtete hellrot. Ein lüsternes Grinsen trat auf sein Gesicht als er den Käfig der Eldar erreichte. "Willkommen in meiner Menagerie," sagte er mit verrauchter Stimme und stellte sich vor den Käfig. Die Eldar konnte den Duft von Weihrauch und Rauschkräutern, der von diesem Menschen ausging, riechen. Es widerte sie an. Der Mann ging zur Käfigtür und öffnete sie. Langsam kam er näher. "Ich glaube, Marcen hat dir gesagt, dass wir im Warpraum sind, also nutze deine Fähigkeiten nicht, wenn dir dein Leben lieb ist." Die Eldar schnaubte abfällig und verschränkte die Arme vor ihrer Brust. Das Grinsen des Menschen erlosch ein wenig, doch dann hob er seinen Arm und betätigte einen Knopf an einer Fernbedienung.
Plötzlich wurden die Arme der Eldar von magnetischen Kräften auseinander gerissen. Sie keuchte. Ihre beiden Arme wurden durch magnetische Kräfte, die durch ihre Armreife geleitet wurden, beinahe ausgekugelt. "Wenn du brav bist, lockere ich etwas deine Fesseln," flüsterte der Mensch, der einige Handbreiten vor ihr stehen blieb und die freie Hand an ihrer Seite entlang streichen ließ. "Ich kann sehr verständnisvoll sein, wenn du gefügig bist." Die Eldar war zornig. "Wenn ihr das sagt," presste sie durch ihre Lippen. Grinsend drückte Lord Murlochran wieder auf die Fernbedienung und die Magnetfesseln hörten auf zu wirken. Mit der Linken griff der Mensch die Eldar am Kinn und drückte es hoch, um ihr in die Augen zu schauen. Doch plötzlich sprang sie auf, griff mit beiden Armen zu und umklammerte seinen Kopf. "Wenn ihr das noch einmal macht, breche ich euer Genick," flüsterte sie in das Ohr des Menschen.
Doch der Mensch drückte ungerührt auf einen anderen Knopf und sofort floss elektrischer Strom durch die Armreifen. Die Muskeln der Eldar verkrampften sich und sie ließ los. Sich windend vor Schmerzen lag sie auf dem Boden, als der Lord wieder den Magnetismus aktivierte. Die Eldar schrie, als ihre Arme wieder extrem gestreckt wurden und gleichzeitig Hochspannung durch sie floss. "Ich glaube, ich muss extreme Maßnahmen ergreifen, um dich zu zähmen," redete der Mensch. "Marcen, ich fordere von dir, dass du sie mir gefügig machst. Sie ist keine Orkin, du dürftest wenigstens etwas Intelligenz finden, die du beeinflussen kannst," grinste der Menschenlord. "Ich werde mich nicht weiter von dir erniedrigen lassen," brüllte die Eldar heraus. Mit eisernem Willen griff sie hinaus. Warpenergien benutzend warf sie Blitze auf den Menschenlord. Der Angriff überraschte ihn völlig und er ging zu Boden. Die gebündelten Warpenergien zerstörten auch die Fernbedienung und sofort war die Eldar frei.
"Du Bestie!" rief der Menschenlord. "Du hast die Dämonen auf uns gejagt!" "Mag sein. Aber ich fürchte mich nicht zu sterben." Sie blickte den gefangenen Menschen in der nebenliegenden Zelle an. "Sag dem Navigator sofort, dass sie den Warpraum verlassen sollen." befahl sie ihm. Der setzte sich in einen Schneidersitz und schloß die Augen. Kurz darauf veränderte sich das Geräusch der Triebwerke, als das Raumschiff aus dem Warpraum stürzte.
"Marcen! Du hintergehst mich?" rief Lord Murlochran wütend. Der Mensch in der Zelle zuckte mit den Schultern. "Ich habe ein besseres Geschäft mit der Eldar geschlossen." Mit einem Aufschrei stürzte sich der Menschenlord auf die Eldar. Die wich mit Mühen aus, das gebrochene Bein schonend. Dann griff sie selber an. Mit wirbelnden Händen schlug sie auf die Nervenpunkte, die sie im Schrein der Banshee gelernt hatte, kurz bevor sie zur Runenleserin geschult wurde. Lord Murlochran stolperte zurück und zog dann unter seinem Mantel zwei Dolche hervor. Mit Schaum vor dem Mund griff er an und drängte die Eldar zurück. Dann fühlte sie die Gitterstäbe ihrer Zelle im Rücken. Sie konnte nicht weiter zurück und der wahnsinnig um sich schlagende Mensch kam immer näher. Wieder sammelte sie ihr Gedanken und griff hinaus in den Warp. Mit ihrem Willen zwang sie die Energien in die physische Welt und feuerte Blitze auf ihren Gegner. Murlochran brach zusammen, als die Energien seinen Körper peinigten. Die Dolche rutschten auf den Boden.
Keuchend lehnte sich die Eldar zurück und schloß die Augen. "Und? Wie geht es weiter," fragte eine spöttische Stimme. Wütend sah sie Marcen in der Nebenzelle an. "Du Verräter!" brüllte sie ihn an. "Ich habe genau gefühlt, wie du diesen Chem-Pan-Sey aufgestachelt hast. Er war in berserkerhafte Wut ausgebrochen, als du mit deinen Kräften nach ihm gegriffen hast." Das Grinsen erlosch auf Marcens Lippen. "Na und?" "Unsere Vereinbarung ist gelöst," bestimmte sie. "Das glaube ich nicht. Wie willst du hier sonst heraus? Ich kann die Wachen rufen und dich erschießen lassen und ich kann dann das Schiff übernehmen, mit all seinen Reichtümern. Vielleicht behalte ich dich ja, und habe meinen Spaß," höhnte er. "Das denke ich nicht," antwortete die Eldar ruhig.
Sirenen ertönten. Aus einem Lautsprecher drang eine Stimme. "Alarm! Piraten greifen an! Bereit für Sturmtruppen machen! Stationen sichern!" Sofort fielen weitere Gitter um die Zellen der Menagerie des toten Lord Murlochran. Draußen auf dem Gang hörte man einen Schlag und danach Zischen und Schreie. Die Kampfgeräusche kamen schnell näher. "Verdammt! Das sind noch mehr Eldar," fluchte Marcen, der die Gedanken der Angreifer gelesen hatte. Wie auf Stichwort kamen einige Eldar in Aspektrüstungen angerannt. Die dunkelgrünen Rüstungen spiegelten sich im glänzenden Bodenbelag. Einer hob sein Schwert und hieb auf das Gitter ein. Das Schwert glitt ab und hinterließ keinen Kratzer. Doch ein anderer Krieger in aufwendigerer Rüstung trat vor und hob seinen Arm, der in einer Skorpionschere endete. Langsam aber präzise verbog er ein Gitterstab nach dem anderen bis eine ausreichend große Öffnung entstanden war.
"Versuch nicht erst, die Gedanken dieses Kriegers kontrollieren zu wollen," warnte die Eldar Marcen. "Seine Gedanken sind nur noch auf den Krieg ausgerichtet, du könntest das geistig nicht ertragen." Doch es war schon zu spät. Marcen griff sich an den Kopf und brüllte. Wütend tobte Marcen herum und versuchte die Gitter zu zerreißen.
"Kommt. Wir haben hier nichts mehr zu suchen," sagte die Eldar und warf sich ihre Umhänge über die Schultern. Sie wollte nicht in den primitiven Kleidungsstücken vor ihrem Runenpropheten erscheinen. Alle Eldar ignorierten die wahnsinnigen Schrei der Menschen, die durch die unkontrollierten Kräfte von Marcen in einen Blutrausch verfielen, und gingen auf ihre Schiffe zurück. Die Eldar sah durch eine Sichtluke zurück und fühlte die extrem gewalttätigen Emotionen. Dann wandte sie sich ab. Es war so geschehen, wie ihr Runenprophet vorhergesagt hatte. Eine unerwünschte Störung ihrer Arbeiten.
Sie war froh, dieses Abenteuer hinter sich zu haben.



Urheberrecht: Jörg Nemitz, 2001



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