Der
Tag, dem viele Fans entgegengefiebert hatten, war gekommen: Die Ring*Con
- seit dem großartigen Debüt
vom letzten Jahr nun ja offiziell von Warner Bros. unterstützt
- ging in die zweite Runde! Selbstverständlich war jeder gespannt,
was dieses Mal so alles geboten sein würde, und so sollte das Bonner
Maritim Hotel vom 14. bis 16. November erneut von allerlei Tolkien-Fans
jeglicher Couleur heimgesucht werden
Der Preis des Erfolgs
Der nachhaltende Erfolg der Ring*Con 2002 war klar zu spüren und
zu sehen: Das Programm war um einiges angewachsen, und so manch einer
mag sich den Kopf zermartert haben, bei dem Versuch einen Weg zu finden,
nichts zu verpassen, was einen interessierte. In den Genuss eines jeden
Veranstaltungspunkts zu kommen war aber definitiv unmöglich, bei
einem Event solcher Größenordnung war das aber sicherlich auch
nicht zu erwarten, und bei einem solch vielfältigen Publikum wohl
auch nicht unbedingt gewollt.
Etwa
doppelt so viele Besucher konnte man dieses Mal empfangen, was beinahe
auch die Brandschutzbestimmungen des Nobelhotels sprengte. Doch obwohl
nun leere Korridore und Räume nur sehr selten zu erblicken waren,
war es nie unangenehm und wirkte nicht überfüllt - nur voller
eben. Die Atmosphäre leidete also keineswegs darunter, das gewachsene
Publikum sorgte vielmehr für eine beträchtliche Steigerung des
ganzen. Aus insgesamt 21 Ländern war man in die ehemalige Bundeshauptstadt
gereist, und entsprechend internationaler als im Vergleich zum Vorjahr
präsentierte sich die Convention dann auch. Das Programmheft war
diesmal durchgängig bilingual, sehr viel mehr Vorträge und alle
Showeinlagen wurden in englischer Sprache abgehalten. Zuhörer mit
geringen anglophonen Kenntnissen waren somit nun im klaren Nachteil, doch
das ist nunmal der Preis einer internationaleren Ausrichtung.
Vorträge & Lectures
Neben den "üblichen Verdächtigen" wie z.B. Friedhelm
Schneidewind, Frank Weinreich oder Marcel Bülles, gab es diesmal
viele neue Gesichter und viele neue Themengebiete kennenzulernen, so dass
man am Ende den altweisen Spruch "Man lernt nie aus" nur zu
gut anbringen konnte.
Ob nun Alexandra Velten (Übersetzerin des Rollenspiels zum Film)
über Ursprung von Sprache und Kultur der Rohirrim referiert, Rene
van Rossenberg (bekannter Tolkien-Sammler und -Ladenbesitzer) nicht wirklich
unernst vom Sex in Mittelerde berichtet, Rainer Knizia und Peter Neugebauer
(Spieleentwickler) von der Entstehung ihrer Werke und den Vorgängen
im Lizenzdschungel der Spieleindustrie erzählen - da war für
jeden Geschmack auf jeden Fall etwas geboten.
Weitere Vorträge beschäftigten sich zum Beispiel mit dem Dauerbrennerthema
des Rassismus in Tolkiens Werken oder der wunderschönen Schrift der
Elben oder der Definition des Guten im "Herr der Ringe". An
vielen konnte ich aufgrund des engen Zeitplans leider nicht persönlich
teilnehmen, aber ich denke dass der immens wichtige intellektuelle und
informative Anspruch des Tolkien-Fankults auch hier wieder neben all den
Filmstars und Verkaufsständen mehr als nur würdig vertreten
wurde.
Workshops & Spiele
Nachdem
letztes Jahr praktisch keine "interaktiven" Elemente vertreten
waren, sorgte man diesmal für eine ganze Sparte an Workshops, bei
denen man unter fachmännischer Anleitung mal selbst Dinge erlernen
konnte wie das Knüpfen von Kettenhemden, das Schreiben von Elbisch,
die Hobbittänze und das Anfertigen von Gewandungen und Schmuck. Selbst
teilgenommen habe ich an diesen Workshops leider nicht (neben Zeit- hier
natürlich auch wegen der begrenzten Teilnehmerzahl), aber halte diese
neue Programmsparte für überaus bereichernd.
Gespielt wurde wie immer eine ganze Menge. Tabletop-Hersteller Games Workshop
war selbstverständlich wieder in einem eigenen Raum anwesend, wo
man unter anderem die beiden Miniaturdesigner-Legenden Alan & Michael
Perry antreffen und das neue Minas Tirith Diorama bewundern konnte. Nebenan
gab es das kurzweilige neue Sammelfigurenspiel von Sabretooth zum Ausprobieren,
das Kartenspiel von Decipher war natürlich auch stark vertreten und
im Spieleraum im 1. OG konnte man sich in aller Ruhe mit den mittlerweile
unzähligen Brettspieladaptionen zum "Herr der Ringe" beschäftigen.
Neu waren die Schnitzeljagd der DTG und das "Team Pictionary Game",
sprich: "Montagsmaler" mit HdR-Fachbegriffen, welches unter
der Leitung des charismatischen Showmasters Marc B. Lee stattfand, welcher
überaus "beeindruckt" von dem zeichnerischen Können
und vor allem der imaginativen Deutungskraft der Tolkien-Fans war. :)
Wieder sehr schwach vertreten war im übrigen erneut die digitale
Fraktion - einzig Atari zeigte nennenswerte Präsenz, jedoch natürlich
nicht mit einem HdR-Game...
Weta Workshop
Ein absolutes Highlight war die Vorführung der beiden Makeup-Spezialisten
Rogier Samuels und Carola Brockoff, welche drei Jahre lang an der HdR-Produktion
entscheidend mitgewirkt haben. Das Publikum durfte über drei Stunden
zusehen, wie aus einem Ring*Con-Besucher mit passenden Gesichtszügen
und Körpergröße, sowie ausgestattet mit Original-Requisiten,
welche eigens aus Neuseeland direkt von den Dreharbeiten eingeflogen werden
mussten, in einen waschechten Ork verwandelt wurde (bis auf die Kontaktlinsen
weil dies medizinische Tests verlangt hätte). Während die beiden
Maskenbildner auf der Bühne ihre bis vor kurzem noch praktisch alltägliche
Arbeit verrichteten, erzählten sie von lustigen und interessanten
Anekdoten aus ihrer Zeit und ihren Erlebnissen in Neuseeland. Auch viele
Profi-Details und -Geheimnisse wurden nebenbei erläutert, so dass
man einen guten Einblick in ihr Werken und Tun erhalten konnte. Doch weitaus
beeindruckender war es miterleben und sehen zu können wie viel unglaubliche
Mühe in der Maske aufgebracht, und vor allem wie viel Durchhaltevermögen
und Geduld von den Statisten, Stuntleuten und Schauspielern gefordert
werden musste, um Menschen in Orks, Elben, Zwerge, Uruk-hai & Co.
zu verwandeln.
Und am Ende der Vorführung am Samstag existierte an Stelle der Freiwilligen
Regina schließlich ein grässlich und absolut "authentisch"
aussehender Ork, der daraufhin für ein paar Stunden durch das Maritim
Hotel trollte, zum Erschrecken und zur Begeisterung der Besucher.
Star-Gäste
Hauptmagnete der Fan-Conventions sind von jeher die auftretenden Film-Schauspieler
- und auch hier konnte man bei der Ring*Con 2003 mächtig aufstocken.
Mit Gimli-Darsteller John Rhys-Davies war endlich ein echter Hauptdarsteller
vertreten, und die Nebendarstellerriege war nicht nur quantativ sondern
auch qualitativ sehr gut besetzt:
Lawrence Makoare (Lurtz, Hexenkönig, Ork-Hauptmann Gothmog), Sala
Baker (Sauron), Bruce Hopkins (Gamling), John Leigh (Háma), Nathaniel
Lees (Uglúk) und Jorn Benzon (Haldirs Bruder Rúmil sowie
unzählige Statistenrollen). Und wieder mit von der Partie waren
die beiden Publikumslieblinge Mark Ferguson (Gil-galad) und Craig Parker
(Haldir), deren sympathisches und witziges Auftreten letztes Jahr ja
entscheidend zum Erfolg mit beigetragen hatte.
Über das Merchandising von Autogrammkarten, Fotos und dergleichen
sei hier im übrigen nicht eingegangen. Ich persönlich interessiere
mich nur marginal für solche Dinge, kann also auch nicht sagen
ob die Preispolitik, der Ortswechsel der Autogrammstunden und die Einrichtung
der Foto-Sessions positiv oder negativ anzusehen sind.
Sehr viel interessanter waren wie immer die Panels der Darsteller, bei
denen sie sich auf der Hauptbühne den Fragen der Besucher stellten.
Jeder von ihnen hatte so einiges zu erzählen und es war schön
anzusehen, wie jeder seine eigene Persönlichkeit zur Schau brachte
(wobei man bei Schauspielern ja nie sicher sein kann, wie nah am wahren
Ich ihr Auftreten in der Öffentlichkeit ist). Lawrence und Sala
mit all ihrer Coolness, John Leigh mit seinem Wortwitz, Bruce Hopkins
mit spontanen Kasper-Einlagen - doch über allen thronte auf jeden
Fall John Rhys-Davies. Mit seiner tiefen Stimme, langen intellektuellen
Monologen und grollendem Witz gelang es ihm den gesamten Saal zu bannen
und zu stehenden Ovationen zu bringen.
Einzig Craig und Mark hatten relativ wenig zu erzählen, schließlich
wurden sie beide schon letztes Jahr ausgiebig ausgefragt. Von daher hatten
beide mehr die Rolle von Entertainern, und diese füllten sie wie
gehabt überaus gut aus. Ob nun bei ihrer Comedy-Show, wo sie altbekannte
aber erfrischend improvisierte Bühnenspielchen trieben, oder bei
ihren Panels, wo sie abermals durch junge und nicht so junge weibliche
Besucher und altbekannte Tabletop-Gegner in prekäre Situationen gebracht
wurden, oder die Geschichte von Mark's verlorenem Pass bei ihrer Herreise
- die Zuschauer amüsierten sich prächtig.
Wie auch letztes Jahr kann ich Heimgebliebenen nur raten sich die DVD
zur Convention zu besorgen. Allein schon wegen den verpassten Panels lohnt
es sich!
Show & Wettbewerbe
Die Eröffnungszeremonie der Ring*Con 2003 bot kaum etwas Neues und
ist deswegen kaum der Rede wert. Zum bereits bekannten gewaltigen Sauron-Kostüm
und den Ringgeistern gesellten sich dieses Mal lediglich Ostlinge und
Uruk-hai. Die spektakuläre letztjährige Eröffnung war natürlich
schwer zu toppen, aber schade dass da nicht mehr draus gemacht wurde.
Aber ansonsten war auch in diesem Bereich eine ganze Menge geboten.
Neben dem neuen Kunst-Wettbewerb gab es erneut einen Video-Contest und
natürlich den großen Kostümwettbewerb am Samstag Abend.
Dieser gestaltete sich recht kurzweilig und man konnte viele originelle
Ideen in Form einer Bühnenperformance sehen, wie zum Beispiel Aragorn
und Arwen beim Schwäbeln oder Spezialeffekte in Form eines Föns.
Gewonnen hatte aber dann schließlich eine Gruppe von Orks und ein
4 Meter hoher Baumbart, welche einen überaus witzigen Sketch vorgeführt
hatten.
Als Pausenfüller gab es unter anderem musikalische Darbietungen sowie
Musikvideo-Clips aus HdR-Filmausschnitten, unterlegt mit mehr oder weniger
passenden Songs aus dem Pop-, Rock- und Schlagerbereich. Einige davon
waren gelungen, andere weniger, aber originell waren viele der Ideen auf
jeden Fall.
Ein recht unglücklicher Pausenfüller war dagegen die Modeschau,
welche sich fast als Showkiller erwiesen hatte, denn die Präsentation
der unzähligen (zweifellos wunderschönen) Kostümen unter
den Besuchern zog sich extrem lang hin und wurde auch sehr hölzern
moderiert. Das ganze hätte man auch im Schnelldurchlauf machen können,
denn die exakte Meterzahl an Stoff und die verwendeten Materialien sind
Informationen, welche das allgemeine Publikum herzlich wenig interessierten.
Ganz anders wiederum die beiden humorvollen "Mini-Theaterstücke".
Sowohl das Mittelerde-Reisebüro als auch das inszenierte Kartenspiel-Match
wussten zu gefallen und zeigten deutlich wie sehr auch eine solch große
und durchorganisierte Veranstaltung von den Impulsen und Beiträgen
der Fan-Gemeinde lebt und profitiert.
Bei der Schlusszeremonie der Ring*Con wurden dann auch noch die beiden
exklusiven Flugtickets zur Weltpremiere nach Wellington mitsamt Hotel-Aufenthalt
verlost, welche von Air New Zealand gesponsert wurden. Die Gewinnerin
des mit Sicherheit begehrtesten Preises wurde unter allen Ring*Con-Teilnehmern
ermittelt. Doch auch andere Sponsoren waren spendabel - so erhielten die
Gewinner des Video-Contests z.B. für ihren "Wrong Gollum"
HdR-Schmuckstücke aus dem Hause Nöll.
Die Reise geht weiter
Ohne
jetzt auf alle Einzelheiten der Ring*Con einzugehen sollte dieser Erlebnisbericht
soweit ausreichen, um einen kleinen Einblick in diese Veranstaltung zu
vermitteln, welche im Vergleich zum letzten Jahr ganz klar enorm gewachsen
ist. Man darf gespannt sein, was für ein ereignisreiches Wochenende
einen Ende Oktober 2004 erwartet, wenn die nächste Ring*Con stattfinden
wird. Und wie die Macher und Organisatoren (Stefan Servos von HdR
Film-News, Marcel Bülles von der Deutschen
Tolkiengesellschaft und die FedCon)
bereits andeuteten, könnten nächstes Jahr besonders im Bereich
Star-Gäste überraschende Namen fallen, da die Hauptdarsteller
dann ja nicht mehr durch irgendwelche Film-Promotionzwecke gebunden seien...
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