ERSTES KAPITEL
Der junge Gardist schritt frierend seinen Weg ab. Nachtpatroullie durch das
Rotlicht Viertel Wiesenbads. Sein Kollege, ein fülliger alter Veteran,
schwieg die meiste Zeit und kaute auf einer alten Meerschaumpfeife. "Das
wärmt von innen" pflegte er immer zu sagen. Tabak, so nannten ihn
seine Kollegen, gab wohl den größten Teil seines Soldes für
teuren Tabak aus Lustria aus. Der junge Gardist hatte viel von ihm gelernt und
wenn er auch nicht gerade gesprächig war, so war er in den letzten drei
Monaten zu einer Art Vaterfigur geworden. Tabak nahm den jungen Mann schützend
unter seine Fittiche und führte ihn in das harte Leben eines Wächters
ein. Balthasar, so der Name des jungen Wächters seinerseits war ein aufmerksamer
Schüler und erfüllt von jugendlichen Idealen.
Nun aber war es Winter geworden in Stirland und auch in einer so grossen Stadt
wie Wiesenbad war es bitterkalt. Balthasar sehnte sich nach einer heissen Tasse
Grog im "Wächters Ruh" und der zarten Umarmung von Charlotte,
der Kellnerin. Ihre Liesone war noch sehr jung und ihre Liebe frisch und Leidenschaftlich.
Auf seinen langen monotonen Wachgängen vermisste er sie am meisten. Vermisste
ihre geschmeidigen Hüften, vollen Brüste und ihr wallendes schwarzes
Haar. Aber am allermeisten vermisste er ihr Lächeln.
Das leise trommeln schwerer Regentropfen auf seinem Helm kündigte einen
neuen Schauer an.
"Balti, lass uns eine Kneipe "inspizieren", bis es trockener
ist." raunte Tabak.
"Ja, Wachtmeister. Eine gute Idee."
Zu ihren vielen Pflichten gehörte auch ein Auge auf die Kneipen und Bordelle
zu haben und in kalten regnerischen Nächten waren das die besten Momente.
Die Kneipe in die sie kamen trug den verheißungsvollen Namen: "Das
Loch in der Wand". Es war eine bekannte Abenteurer Absteige in der sich
Glücksritter auf der Durchreise oft ein Zimmer nahmen. Der grosse dreckige
Schankraum war fast leer als sie eintraten. Eine Gruppe von Binnenschiffern
saß an einem Tisch ein anderer war von einem Kriegerisch bekleideten Elf
(eine echte Seltenheit so tief im Reich) und zwei Menschen in Sholaren Kleidung
besetzt. Ausser zwei Huren und dem Wirt war die Kneipe sonst leer. Der Wirt
stand hinter dem auf Fässer genagelten Brett, das er Theke nannte und putzte
ein paar gammelige Holzkrüge. Als er die Wächter sah schaute er auf.
"Ahh, Herr Wachtmeister! Und der junge Rekrut ... Balthasar, nicht war?"
Er wischte seine Hände an seiner schmierigen Lederschürze ab und streckte
sie dem Jungen Wächter entgegen. Zögernd schüttelte Balthasar
die dargebotene Hand, was den Wirt zu einem neuen Wortschwall ermutigte:
"Ihr müsst euch setzen, die tapferen Männer der Stadtwache müssen
bestimmt durstig sein! Ein Bier? Ein Grog? Ihr seid eingeladen, ich bin glücklich
solange ihr für ruhe unter meinem Dach sorgt!"
Kupplerei war verboten und da "Das Loch in der Wand" wie viele andere
Kneipen in der Gegend seine Zimmer nicht nur Nächteweise vermietete waren
sie auf das Wohlwollen der Wache angewiesen. Den Wächtern war das nur recht
und sie hatten weiß Siegmar besseres zu tun als Freier um ihr wohl verdientes
Vergnügen zu bringen. Selbst Balthasar hatte das schnell verstanden.
"Wir nehmen zwei heiße Grogs, Nachbar." Antwortete Tabak für
sie beide und nahm an einem Tisch nahe der Theke platz.
Bedrückende Stille herrschte, nachdem der Wirt ihnen ihre Bestellung gebracht
hatte. Nur das Murmeln des Elfs und das leise Gespräch der Schiffer waren
zu hören.
Ein neues Geräusch zog Baltharsars Aufmerksamkeit auf sich: das Knarren
der Eingangstür. Ein weiterer Fremder, der Zuflucht vor dem Regen suchte.
Eine gebückte dunkle, ganz in Mantel und Kapuze gehüllte Gestallt
stand im Türrahmen. Balthasar wollte sich gerade wieder seinem Grog widmen
als ihm der Mantel des Mannes auffiel. Unruhig zuckte etwas auf dessen Rücken
hin und her und kurz konnte Balthasar einen behaarten Schwanz sehen.
"Mutant!" schrie er und stieß sich vom Tisch ab. Auch Tabak
kam schläfrig auf die Beine, schaute aber nur Balthasar fragend an. Eine
der Huren stieß einen schrillen Schrei aus, als sich die Fremde Gestallt
vom oberen Absatz der Eingangstreppe abstieß, seinem Umhang fahren lies
und ansatzlos Balthasar angriff. Dieser starrte wie gelähmt auf das hässliche
Rattenmonster das ihn ansprang. Der ganze Körper des Skaven war in Schwarze
Tücher gewickelt und verschiedene Messer und Wurfsterne waren zu sehen.
Der Aufprall der Kreatur warf Balthasar zu Boden. In seinen letzten Augenblicken
wanderten seine Gedanken zurück zu Charlotte und ihrem herrlichen Lächeln,
die diese Nacht vergeblich auf seine Rückkehr warten würde. Auch Tabak
starb schnell und bevor er verstand war geschah in der wirbelnden Attacke der
Assasine.
Nur der Elf war schnell genug. Er wirbelte um die eigene Achse, hatte das Schwert
schon gezogen und erwartete die Attacke des Mutanten.
"SSSSchtirb Fraosssssssch!" stammelte das Wesen uns stieß sich
zu einem Sprungtritt vom Tisch der Wächter ab. Der Elf reagierte schnell,
doch noch bevor die Kontrahenten aufeinander trafen ging der Skaven schreiend
in Flammen auf und stürzte Tod vor die Füße seines Gegners.
Einer der Scholaren massierte beiläufig sein Handgelenk aus: "Sieht
so aus Fraoch, als würden deine Freunde dich noch immer suchen!"
"Ja, " stimmte der andere ihm zu "und sie werden alles versuchen
dich zu kriegen. Wiesenbad sieht unruhigen Zeiten entgegen. Wir sollten den
Magistrat warnen"
Hauptmann Kessel betrachtete die sich Formierende Horde der Skaven über
die Zinnen hinweg. Tausende dieser Rattenwesen waren dabei Gräben aus zu
heben und Schutzwände hoch zu ziehen. Sie richteten sich auf eine Belagerung
ein.
Bürgermeister Haberschreck trat neben ihn auf den Wehrgang. der feiste
Mann atmete schwer nachdem er die Leiter erklommen hatte.
"Nun Hauptmann wie sieht's aus?"
"Seit Stunden sind keine neuen Kräfte mehr eingetroffen. Das da unten
scheinen alle ihre Leute zu sein. Grosse Überraschungen sehe ich nicht"
"Na ja, " sagte der Magistrat mit ängstlichem zittern in der
Stimme " das scheinen mir aber bei weitem genug zu sein."
"Ungefähr, zwei bis drei tausend würde ich sagen." Kessel
war die Ruhe selbst. Auch im Angesicht dieser tödlichen Gefahr war in seinem
Narben gezeichneten Gesicht unter den kurzen grau melierten Haar keine Regung
zu sehen.
"Und was haben wir?" Das Gesicht des Beamten verlor immer mehr an
Farbe, je länger er die fleißigen Belagerer beobachtete. Angstschweiß
glänzte auf seiner hohen Stirn.
"Die Garde und die Wache, plus die Stadt Batterie. Ca. 200 Mann."
Der Berufsoldat spuckte braunen Tabaksaft über die Brüstung. "Dazu
noch die Zünfte das sind fast tausend Mann. Allerdings völlig ohne
Training und schlecht Bewaffnet."
"Haben wir eine Chance?" Der Bürgermeister zitterte im kalten
Wind.
Kessel lachte trocken: "Die Mauern sind hoch und mit dem alten Furchmahr
und seinem Schüler haben wir zwei gute Zauberer. Angeblich ist einer der
Fremden ebenfalls magisch begabt."
"Siegmar hat uns diese Krieger geschickt!" Habeschreck beschrieb das
Zeichen des Hammers.
"Ich weiß nicht wer sie geschickt hat", Kessels Blick verriet
Skepsis, "aber ich hoffe, sie sind was sie behaupten."
"Warum sollte der Elf lügen?"
"Ich kenne das arrogante Pack. Bevor er sich nicht im Kampf bewiesen hat
schenke ich keinem seiner Worte glauben."
"Äh Hauptmann" Habeschreck war kreidebleich und stotterte "was
hat das da zu bedeuten!"
Kessel folgte dem ausgestreckten Arm des Magistrats.
"Das sind Rattenoger. Es geht los, Sir. Feldwebel, geben sie Arlarm und
sie Bürgermeister holen besser ihre neuen Freunde!"
Dunkle Schwärme pelziger Rattenkörper brandeten gegen die Mauern Wiesenbads.
Fiebsige Schreie und das Brüllen verzweifelter Verteidiger erfüllten
die Luft. Lange Faserige Pulverschwaden zogen über das Schlachtfeld und
der Boden vor der Mauer war glitschig vom Blut der Angreifer. Das Donnern der
Stadtbatterie zerriss den Lärm der Schlacht und zum dritten Mal zog sich
die Woge der Skavenkrieger von den Wällen zurück nur um Minuten später
aufs Neue gegen das menschliche Bollwerk an zu rennen.
Hauptmann Kessel stand auf dem Haupttor bei der Großkanone und den Fahnen.
Hier tobte die Schlacht am ärgsten, Skaven und Menschen fielen im Sekundentakt.
Berge entstellter Kadaver türmten sich diesseits und Jenseits der Mauer
auf. Siegmar sei dank vor allem auf der Jenseitigen Seite. Furchmahr und sein
Schüler entfesselten einen magischen Mahlstrom vom Südtrum aus und
drängten auch dort die Skaven zurück. Kessel lud seine Pistole erneut
und warf einen Blick zum Nordturm. Dort Kämpfte der Elf und seine fremden
Zauberer Freunde. Was der Hauptmann dort sah beunruhigte ihn mehr als alle Sturmratten
vor dem Tor. Ein gewaltiges magisches Duell wurde über die Zinnen des alten
Schanzwerks ausgetragen. Eine grässliche weisse Ratte die auf einer von
Rattenogern getragenen Sänfte stand warf schwarz-grüne Blitze auf
den Turm. Um diesen hatte sich eine blaue Energiekugel gebildet über welche
die schwarzen Flammen hungrig aber vergeblich loderten.
Ein rot flammender Strahl vom Turm versengte eine Gruppe Rattenkrieger die eine
Sturmleiter in Stellung brachten. Kessel war gebannt vom Anblick dieses magischen
Duells.
"Achtung! Hauptmann!"
Kessel fuhr aus seinen Gedanken hoch. Gerade rechtzeitig.
Wie von einer Sprungfeder angetrieben schoss ein Skaven der in schwarze Wickel
gehüllt zu sein schien über die Brüstung. Kessel stiess sich
mit dem linken Fuß von der Brüstung ab, gerade aus der Reichweite
der Ratte. Im Fall riss er die Pistole hoch und drückte ab. Schmerzhaft
prallte er auf die rechte Schulter und für Augenblicke wich jedes Gefühl
aus seinem Arm. Gehetzt blickte er sich nach der Ratte um. Tot. das Monster
lag verkrümmt auf den Steinplatten vor ihm.
Verdammt, ermahnte er sich selbst du bist hier zum kämpfen nicht zum gaffen.
Froach stand af der Plattform des Nordturms. Vor ihm am Boden sass Heinerich
mit verschränkten Beinen vor seinem Beschwörungskreis und meditierte.
Schweiß rann in Bächen über seine Stirn und jedes Mal wenn der
Blaue Energieschild des Elementaristen von einer Attacke des Grauen Propheten
getroffen wurde spannte sich sein sonst so gelassenes Gesicht. Johan, der Kampfmagier,
stand an den zinnen und schleuderte Verderben auf die heranstürmenden Skaven.
Der Halbelf selbst konnte nichts tun. Er war zwar darin geübt die Kraft
seines Geistes zu kontrollieren und auch zu einigen magischen Kunststücken
fähig, aber im vergleich zu seinen beiden Freunden war er ein Stümper.
Er hatte die beiden vor mehr als fünf Jahren in Nuln getroffen. Sie hatten
in ihrem Labor in der Stadt gemeinsam nach den Geheimnissen des Arkanen geforscht.
Dort waren sie auch hinter das Geheimnis des Artefakts gekommen. Froach hatte
sie für ihre Suche zunächst gut bezahlt, aber als sie die Gefahr erkannten
welche das Relikt in sich trug hatten sie seinen Kampf zu ihrem gemacht. Tatsächlich
hatten sie es geschafft Sknitsch sein Kleinod zu entreißen.
Als sein Blick wieder auf eben jenen Grauen Propheten viel, tasteten seinen
Finger unwillkürlich nach dem Samtbeutel an seinem Gürtel. Ja es war
noch da!
"Du kannst es auch spüren, nicht war Sknitsch?" zischte er. Er
fixierte die ferne Gestallt des Skaven und alter Hass verlieh seinem Blick die
Schärfe einer Rasierklinge.
Er sah wie der Skaven sich mit Warpstein voll stopfte um seine arkane Kraft
zu mehren. Schwarzer Speichel troff ich auf sein weißes Fell. Irrsinn
loderte in seinen roten Augen. Ein grünliches Schwären umspielte seine
Widderhörner. Mit beiden Armen wie ein ertrinkender um sich schlagend beschwor
er einen neu Attacke herauf. Der Graue Prophet warf seinen Oberkörper nach
vorne, öffnete sein Maul und spie den Verteidigern seine Macht entgegen.
Heinerichs Schirm erzitterte. Die Züge des Mannes spannten sich und Fraoch
sah wie die Äderchen in seinen Augen platzten Blut lief ihm aus Ohren und
Nase. Dann verlor der Zauberer das Bewusstsein und mit ihm kollabierte ihr Schirm.
Sknitsch stieß einen Triumphierenden Schrei aus! Ohne zu zögern warf
er sich erneut in Pose, noch immer glühend vor Arkaner Macht. Mit der rechten
Pfote griff er weit nach Hinten aus und richtete die Linke auf den Turm, als
wolle er einen Ball schleudern. Wirklich formte sich in seiner Rechten Klaue
eine Kugel nachtschwarzer Energie in der ein grünliches pulsieren zu erkennen
war. Grade als Sknitsch den Zauber loss schicken wollte zerriss ohrenbetäubender
Donner den Lärm der Schlacht. Einer der Träger-Rattenoger hatte plötzlich
keinen Kopf mehr und die Sänfte des Rattenmagiers stürzte zusammen.
Im Sturz stiess Sknitsch seine Energie von sich und der mächtige Spruch
landete im Regiment seiner eigenen Sturmratten. Alles Fleisch wurde von den
Knochen der Krieger gefressen und Tod und Verderben breiteten sich Wellenförmig
durch die gesamte Skaven Armee aus. Mit leeren Augenhöhlen stürzten
dutzende Krieger noch in hundert Schritt Entfernung zu Boden. In Panik flohen
die Skaven.
Froach sah zum Haupttor und konnte erkennen wie Hauptmann Kessel dem Meisterkannonier
anerkennend auf die Schultern klopfte.
"Nur einen Meter höher", dachte der Elf, " und wir wären
alles Probleme ledig."
Furchmahr schritt durch die langen dunklen Gänge des Rathauses. Die dicken
Teppiche dämpften seine Schritte und die prächtigen Gobelins an den
Wänden schluckten jedes Geräusch. Der Magier lebte länger in
der Stadt, als selbst ihr ältester Einwohner sagen könnte. Scheinbar
seit Jahrhunderten bewohnte er den südlichsten Turm der Stadtmauer und
nutzte die im Hügel darunter liegenden Uralten Verliese. Alle in der Stadt
begegneten ihm und seinen Lehrling mit grossem Respekt, nein, mit Angst. Man
vermied es ihm zu begegnen und wenn man seine Hilfe brauchte verhandelte man
lieber mit Gurdon, seinem Famulus.
Niemand wagte sich auszumalen, was er hinter den Mauern seines Turmes oder in
den finsteren Tiefen der Verließe für grauenhafte Experimente trieb.
Mansche Leute behaupteten nachts gellten schreckliche Schreie aus dem Verlies
und das Rasseln von Ketten sei zu hören. Wer konnte auch nur ahnen welche
Schrecken der finstere alte Mann dort gefangen hielt. Nein niemand mochte Furchmahr,
aber alle respektierten ihn und seine Meinung. Nur Hauptmann Kessel bezeichnete
den Zauberer ab und zu als "kauzig". Haberschreck, der Bürgermeister
hatte eine geradezu abergläubige Angst vor dem Magier, aber es gab auch
nicht viel, vor dem er nicht Angst hatte. Haberschreck war Händler und
deswegen hatte man ihn auch gewählt und nicht um Chaoskreaturen die Stirn
zu bieten. Dafür hatte man Kessel angeheuert und verlies sich auf Furchmahr.
Und Furchmahr glaubte eine Lösung für ihr Problem gefunden zu haben.
Mit einer Beiläufigen Bewegung seines Stabes stieß er die doppelflüglige
Tür zu Haberschrecks Arbeitszimmer auf. Der rundliche Mann hinter dem Schreibtisch
fuhr erschreckt hoch, nur um dann wie eine Marionette mit zerschnittenen Schnüren
auf seinem Polster Sessel zusammen zu sinken.
"Ihr..Ihr seid es, bei Siegmar ihr habt mich erschreckt"
Der Bürgermeister war blass und die Augen saßen tief in seinen Höhlen.
Der Stress tat ihm nicht gut und Furchmars Anwesenheit sorgte nicht dafür
das er sich entspannte.
"Magistrat, ich habe vielleicht eine Lösung für euer dringendstes
Problem."
Der Magier war von imposanter Statur. Fasst sechs Fuß gross und mit langem
weissen Bart stand er Kerzengerade im Raum, als sei er eben aus dieser Stelle
emporgewachsen. Der knorrige Holzstab in seiner Rechten wies keinerlei Verzierung
auf und er trug die weiten Gewänder seiner Zunft.
"Was?"
"Wie ihr vielleicht wisst stehe ich in Verbindung mit Mächten die
eure Vorstellungskraft weit überschreiten. Im geheimen Konzile mit eben
jenen Kräften habe ich den Grund für das hier sein des Rattenvolkes
erfahren!"
"Und warum
äh
ist das Rattenvolk hier?" Haberschreck
wand sich auf seinem Stuhl unter dem Blick des Zauberers. Alles Übernatürliche
war ihm zu wieder und erschreckte ihn zutiefst.
"Der Elf und seine Freunde, sie haben dem Anführer der Ratten, dem
Grauen Propheten Sknitsch, etwas gestohlen, das er nun wieder zu erlangen hofft."
"Und was schlagt ihr vor?"
"Ich habe mit den Skaven Kontakt aufgenommen
"
"Ihr habt was?" Der Magistrat saß kerzengrade auf seinem Stuhl,
die Augen vor Überraschung geweitet. "Ihr habt euch mit diesen Teufeln
eingelassen, fürchtet ihr nicht um eure Seele?"
Das Gelächter des Magiers ging dem Bürgermeister durch Mark und Bein
und schallte trotz der schweren Stoffe weit durch die Korridore des Rathauses.
"Ihr Narr!" Die Augen des Zauberers waren hart wie Diamanten "Ihr
habt keine Ahnung von den Geheimnissen der Magie und der Seele"
Haberschreck hatte Angst, und dafür begann er Furchmahr zu hassen, aber
er hatte keine Wahl, als den Rat des Mannes an zu nehmen. Für das Wohl
seiner Stadt.
"Also was schlagt ihr nun vor?"
"Die Ratten stellen ihre Angriffe ein, wenn wir eine kleine Gruppe von
ihnen in die Stadt lassen um sich zu holen was ihnen gehört. Wenn sie es
haben werden sie abziehen und die Belagerung aufgeben."
"Aber das wäre Verrat!"
"Verrat an wem? An den Fremden die uns in diese Situation gebracht haben?
An denen die uns absichtlich die wahren Hintergründe verschwiegen haben?"
"Aber sie haben uns gewarnt!"
"Erst als es bereits zu spät war! Sie missbrauchen uns um eine private
Fehde auszutragen!"
"Aber
nagut, wie viele Skaven?"
"Nur fünf Ratten!"
Ischika sprang lautlos von Dach zu Dach. Er war der perfekte Schatten in der
Nacht. Unsichtbar, lautlos, tödlich. Seit ihm sein erstes Fell gesprossen
war, war er vom Estin Clan dazu ausgebildet worden zu töten und zu gehorchen.
Er war die tötlichte Ratte der alten Welt, hatte seine Kräfte mit
den besten gemessen und hatte Triumphiert. Er war den Assasinen der Elfen entgegen
getreten und hatte überlebt, ja sogar seinen eigenen Meister hatte er erdolcht.
Nun war er der Meister und seine Gossenläufer waren die berüchtigtsten
in den Tunneln unter dem Imperium. Dieser Auftrag war eine Kleinigkeit. Eine
gut bezahlte Kleinigkeit, denn seine Dienste waren nicht billig. Der graue Prophet
hatte eine Menge Warpmünzen berappen müssen um sein Kleinod wieder
zu bekommen. "töte den Elf und bring mir alles was er bei sich trägt!"
Nichts leichter als das.
Überflüssiger Weise hatte de Auftraggeber darauf bestanden, das er
ein Team Gossenläufer zur Unterstützung mitnahm. Auch dafür hatte
er gut gezahlt.
Ischika warf einen Blick in die Gasse hinab und sah seine vier Schützlinge
dem Wind gleich durch die Müllberge Wiesenbads huschen. Farschk ihr Anführer
würde einst Ischikas Nachfolger werden. Es dauerte noch eine Weile bis
er ihn verraten und töten würde um selbst Meister zu werden, aber
er hatte gute Anlagen und Ischika war sehr stolz auf ihn.
Der Meister hatte einen Augenblick zu lange in seinem Stolz geschwelgt und sich
zu weit nach vorne gelehnt. Farschk hatte ihn bemerk und warf ihm einen Lob
erheischenden Blick zu. Abgelenkt stürzte der junge Gossenläufer über
einen zerbrochenen Nachttopf und schlug einem Geschoss gleich in mehrere Mülltonnen
an der Ecke. Ohrenbetäubendes Getöse zerriss die Stille der Nacht.
Fluchend zog Ischika sich zurück. Dieser hoffnungslose Anfänger hatte
ihren ganzen Plan ruiniert. Er hatte immer gewusst, das Farschk zu wenig Selbstkontrolle
besaß um es weit zu bringen.
Hauptmann Kessel hatte ein letztes Mal die Barraken inspiziert und den Soldaten
Mut zu gesprochen. Der Kampf war blutig, doch wenn seine Männer standhaft
blieben würden die Ratten nie einen Fuss in die Strassen seiner Stadt setzen.
Kessel ging allein zu seinem Quartier und genoss die Nächtliche Ruhe in
den Strassen der Belagerten Stadt. Dies war seine 8te Belagerung und es würde
seine letzte sein. Der Altgediente Söldner hatte in Wiesenbad seinen Altersruhesitz
gefunden und würde wenn sein Vertrag auslief ein kleines Geschäft
am Markt eröffnen. Das Gebäude hatte er schon gekauft. In Middenheim
hatte er seine erste Belagerung erlebt. Tiermenschen waren zu tausenden aus
den Wäldern um die Stadt erschienen, scheinbar aus dem nichts hatte sich
eine furchtbare Armee formiert. Nach drei Monaten hatte Entsatz aus Altdorf
die Stadt befreit und Kessel war in die Garde eingetreten. Der Anfang einer
langen und blutigen Karriere.
"Es ist nur recht, dass ich meine Karriere auch in dem Mauern einer belagerten
Stadt beende." Dachte er.
Ein lautes Scheppern riss ihn aus seinen Gedanken. Eine Katze konnte so einen
Krach nicht machen. Wie von selbst glitten Pistole und Rapier aus seinem Gürtel.
Das Geräusch kam von Norden, vielleicht zwei Blocks entfernt. Kessel verfiel
in den Laufschritt.
Auch Fraoch war allein unterwegs. Nach Heinerichs Tod brauchte er einen klaren
Kopf. Johann lag betrunken im "Goldenen Pferd". Fraoch verstand den
Magier, immerhin hatte er mit Heinerich zusammen studier und sie waren Freunde
gewesen, aber die Kraft des Mannes würde Morgen wieder gebraucht werden.
Betrunken konnte er keine Hilfe sein. Leise Fluchte er in der Sprache der Elfen.
Welches Unglück dieses Verfluchte Artefakt gebracht hatte. Vor allem aber
welches Unglück würde es noch bringen wenn sie versagten. In den Händen
des skrupellosen Grauen Propheten stellte es eine Gefahr für das gesamte
Imperium da. Außerdem war es Fraochs ererbte Pflicht den Schlüssel
zu beschützen.
Der Schlüssel von Lorcha, jenes Artefakt, das seinen Großvater einst
das Leben kostete und dem seit damals seine ganze Familie hinterher jagte. Bis
nur noch er allein übrig geblieben war. Der letzte der Bru´ensha,
halbmenschlicher Prinz aus einem Elfengeschlecht das älter war als der
Immergipfel. Edel wie der Phönixkönig, aber machtlos wie eine verblasste
Erinnerung. Erbe einer Sippe von Magiern aus einer Zeit lange vor dem Weissen
Turm. Hüter eines schrecklichen Geheimnisses und noch größerer
Verantwortung.
Ein lautes Scheppern direkt neben ihm lies ihn herum fahren. Ein Regenfass rollte
aus der Seitengasse zwei Meter vor ihm und ein dunkler Leib schlug auf die Strasse.
Ein Skaven. Im Licht einer einsamen Fackel wie ein Blitz aufleuchtend fuhr sein
Schwert aus der Scheide. Kaum war er in Abwehrstellung schossen drei weitere
Gestallten aus der Gasse, direkt auf ihn zu.
Die erste Ratte sprang in hohem Bogen auf ihn zu. Spitze Zähne und rote
Augen leuchteten auf. Froach warf sich nach links, vollführte mit dem Schwertarm
eine rasche Gegenbewegung und Spaltete den Angreifer in der Hüfte. Bevor
der Halbelf das Gleichgewicht wieder finden konnte warf sich ein zweiter Gegner
mit der Schulter voran gegen sein Standbein. Froach fiel über den Skaven
und landete mit Wucht auf dem Rücken. Bunte Sterne tanzten für Momente
vor seinen Augen. Das erste was er wieder sah war der Dolch des dritten Attentäters,
der auf seine Brust zuschnellte. Mit den Reflexen jahrelangen Trainings griff
er den Arm des Angreifers und brach mit einer schnellen Körperdrehung Elle
und Speiche aus ihren Gelenken. Nun wieder auf den Knien stieß er dem
heulenden Skaven die Handkante in den Adamsapfel. Röchelnd erstarb das
Tier. Der zweite Skaven hatte sich wieder erholt, eine Garotte gezogen und warf
dem knienden Elf die tödliche Schlinge um den Hals. Froach brachte die
Finger der linken Hand rechtzeitig zwischen Hals und Schlinge doch der Gossenläufer
stützte sich gegen seinen Rücken und zog mit seinem ganzen Gewicht.
Das stumme Ringen dauerte eine Ewigkeit. Die Ratte, die gegen die Regentonne
gerannt war kam langsam wieder zu sich. Als sie die Szene sah die sich vor ihr
abspielte stieß sie ein quiekendes Lachen aus, zog ein langes Messer und
kam langsam auf Fraoch zu. Mit Adrenalin geschärften Sinnen meinte Fraoch
auf dem Dach hinter dem sich nähernden Skaven sogar noch eine Gestallt
ausmachen zu können: einen großen grinsenden Schemen.
Ein greller Blitz hinter dem Messer-Skaven, ein lauter Knall und eine blutige
Eruption auf der Brust des Angreifers. Der beissende Geruch von Schiesspulver
in der Luft. Für Sekunden lies die Kraft des erschreckten Würgers
nach. Fraoch wirbelte herum bekam Fell zu greifen und schleuderte seine Last
gegen das nächste Haus. Entsetzt quiekend suchte der Skaven das Weite,
aber mit zwei Schritten war der Elf über ihm, packte seine Schnauze und
brach mit einem Ruck sein Genick.
"Saubere Arbeit!" Sagte Hauptmann Kessel, der gelassenen Schrittes
näher kam und seine Pistole neu lud.
Ischika konnte sein Unglück nicht fassen. Eben hatte es noch ausgesehen
als wende sich doch alles zum Guten und dann war dieser Mensch aufgetaucht.
Seisdrum, ein guter Assasine wusste wann er sich zurückziehen musste. Außerdem
war da ja noch plan B: Das unbewachte Ausfalltor, durch das sie in die Stadt
gelangt waren und ein Regiment Sturmratten, das in einer Senke vor der Stadt
bereit lag. Er konnte sein Leben nicht hier aufs spiel setzen, sondern musste
seinen Brüdern die Stadt öffnen. Armen Wiesenbad, du wirst den Morgen
nicht erleben und an dem Elf und dem Mensch werde ich persönlich Rache
nehmen!
Kessel half dem Elfen auf die Beine.
"Warum sind die Skaven wirklich hier?"
Fraoch räusperte sich und spuckte Blut auf das dreckige Pflaster. Die Waffe
des Attentäters hatte ihn schwer mitgenommen.
"Ich weis nicht wovon sie reden."
Das zerfurchte Gesicht des alten Hauptmannes bekam etwas Hartes: "Versuchen
sie nicht mich zu verarschen. Ich bin kein Sesselpupser wie Haberschreck. Ich
hab gesehen wie vier Gossenläufer auf sie losgegangen sind. Also, was wollen
die Ratten von ihnen?"
Fraoch musterte den Soldaten lange. In seinen Augen war zu lesen, dass er eine
Entscheidung traf. Als er redete, sprach er langsam und leise, die Stimme rau
und rasselnd vom Blut in seinem Hals.
"Was wissen sie von den Grauen Propheten Kessel? Kennen sie die unheilige
Macht dieser Wesen?" ein Hustenanfall schüttelte ihn und erneut spuckte
er Blut. Der metallische Geschmack füllte seinen Mund und der Schmerz den
er beim Sprechen spürte verriet ihm, dass sich seine Stimme so bald nicht
erholen würde. Wenn überhaupt.
"Ich habe gegen die Skaven gekämpft" entgegnete Kessel "Und
ich habe Geschichten über die Macht der Priester der Gehörnten Ratte
gehört." `Geschichten gehört´, ha, wenn der Elf nicht ehrlich
war, so hatte auch Kessel seine Geheimnisse. Was in Tilea vor fast 30Jahren
passiert war hatte er noch niemandem erzählt und er würde jetzt nicht
damit beginnen, aber ja er kannte die Grauen Propheten und er wusste um ihre
tot bringende Macht.
"Nun, " fuhr der der Halbelf mit schrecklich rasselnder Stimme fort.
Er sah nicht gut aus im fahlen Licht des Mondes: vornüber gebeugt, das
strähnige Haar im Gesicht hängend, das Hemd zerrissen und Blut an
den Mundwinkeln und über die Wangen verschmiert. Er sah aus als hätten
die Assassine Erfolg gehabt und nur sein eiserner Wille weigere sich das ein
zu sehen. "dann stellen sie sich vor, das all diese Geschichten zutreffen
und eines dieser Monster die Möglichkeit hätte auf eine Manaquelle
unerschöpflichen Ausmaßes zugreifen zu können."
"Eine solche Quelle gibt es nicht in Wiesenbad."
"Doch, jetzt schon." Fraoch griff an seinen Gürtel und hielt
einen unscheinbaren kleinen Lederbeutel hoch. " Der Schlüssel von
Lorcha."
Kessel kniff die Augen zusammen um in der Dunkelheit überhaupt etwas erkennen
zu können. "Unscheinbar." War alles was er sagte.
Fraoch stiess ein Schnauben hervor, das ein Lachen gewesen sein könnte.
"Tja, nichts desto trotz ermöglicht er Zugriff auf ein System mit
dem die Elfen schon seit Jahrtausenden die Magie auf dieser Welt kanalisieren.
Rohe Urkräfte der Magie."
Mehr würde er jetzt nicht sagen, aber Hauptmann Kessel schien zufrieden.
Die Schärfe war aus seinem Blick gewichen und einer Art Besorgnis, nein
Angst war darin zu sehen. Er schien in weite Ferne zu blicken und finsteren
Gedanken nach zu hängen.
"Hauptmann?"
"Hm, ja, das sollten wir wohl verhindern." Er ging in die Knie und
hob das Schwert des Halbelfen auf um es ihm zu reichen.
Sknitshs Augen glänzten. Nur noch wenige Stunden und er würde das
Artefakt in den Händen halten. All die Jahre Forschung und Kampf würden
sich auszahlen. Die nächste Geheimnisnacht würde das Bild der Welt
verändern. Der Schlüssel von Lor`tscha würde ihm Macht bringen,
nicht nur über das Tiefenreich der Skaven, sondern auch über die verhassten
Menschen. Als Führer des Rats der 13 würde er über sie kommen,
schlimmer als die schwarze Pest. Schon jetzt strömte das erste Elite Regiment
seiner Armee durch die Strassen von Wiesenbad. Noch schliefen die Menschen doch
bald würde das Gemetzel anheben. Auf seinen Befehl hin erhob sich auch
der Rest der Skaven Streitmacht aus ihren Senken. Eine schwarze Lawine aus dunklem
Pelz und roten Augen rollte auf die verlorene Stadt zu.
Eine schrille Alarmglocke erscholl von den Mauern der Stadt. Endlich hatte man
ihren Angriff bemerkt, doch zu spät! Der Graue Prophet lachte meckernd.
Nichts konnte die Menschen mehr retten. Die Mauer war gefallen! Sein, alles
Sein! All die Macht!
Sknitsch der Grossse!
Kessel und Fraoch waren auf dem Weg zum Goldenen Pferd, als ein gellender Schrei
sie aufschreckte. Eine Frau hatte in einer Seitenstrasse, keine dutzend Schritt
vor ihnen geschrieen. Sofort eilten die beiden los, und sofort sah Kessel, wie
schlecht es um seinen halbelfischen Begleiter stand. Fraoch blieb deutlich hinter
ihm zurück und sein rasselnder Atem hatte sich in ein tiefes Keuchen verwandelt.
Kessel blieb stehen. Er hatte erlebt, wie ein Kamerad fast eine Stunde nach
einem Würge Angriff wie dem des Assasine, erstickt war. Wenn der Schildknorpel
verletzt war, konnte die Luftröhre zuschwellen. Kessel war kein Feldscher
und er wusste nichts über die Behandlung solcher Verletzungen. Er konnte
nur hoffen, dass dieser Mann zäher war, als der alte Tim damals. Er wollte
den Elfen stützen, doch der riss sich los und eilte schlurfend voran. Engstirniger
Bastard!
Die Beiden ereichten die Ecke fast gleichzeitig. Zuerst sahen sie nur eine fasst
zwei Schritt grosse gepanzerte Ratte. Das Monster stand über der blutigen
Leiche einer jungen Magd. Der Eimer in dem sie Wasser vom Brunnen geholt hatte
lag verschüttet neben ihr und ihr Rock war von dem Wasser durch tränkt.
Kessel zog sein Schwert und seine Pistole. Auch Fraoch griff nach seinem Schwert,
gab aber nur noch ein Stoß weises Winseln von sich und brach zusammen.
Kessel fluchte.
Er richtete seine Pistole auf die Chaosgestalt, als weitere Bestien hinter der
ersten erschienen. Die ganze Strasse wimmelte auf einmal vor Leben als dutzende
Sturmratten aus den Seitenstrassen hinter ihrem Kameraden auftauchten. Die ganze
Stadt musste von ihnen wimmeln.
Wie konnten sie in die Stadt gelangen?
Warum hatte es keinen Alarm gegeben?
Die erste Ratte lies von ihrer Beute ab und starrte Kessel aus roten, hassverschleierten
Augen an.
Ansatzlos schoss die Bestie auf den Soldaten zu. Sie kam drei Schritte weit,
bevor Kessels Pistole sie niederstreckte. Der laute Knall der Waffe brach den
Bann auch bei den anderen Monstern, die sich nun auf machten Kessel und Fraoch
zu zerreissen.
Die Stadt war verloren, nun galt es das Artefakt zu retten. Kessel hatte die
Herrschaft der Skaven am eigenen Leib kennen gelernt und er kannte die Macht
der Elfen. Ein Grauer Prophet mit solcher Macht, der Gedanke drehte ihm den
Magen um. Er warf sich den bewusstlosen Elfen über die Schultern und rannte
um sein Leben. Nur am Rand registrierte er das Läuten einer Alarmglocke.
Zu spät, armes Wiesenbad, zu spät.
Haberschreck fuhr aus seinem Bett hoch. Etwas hatte ihn geweckt. Da, da war
es wieder: Das schrillen einer Alarmglocke. Entsetzen machte sich in ihm breit:
Die Skaven kommen. In der Dunkelheit seines Schlafzimmers tastete er nach dem
Arm seiner Frau. "Margit, wach auf, Margit, wir werden angegriffen."
Margit Haberschreck hatte einen sehr tiefen Schlaf, aber der Bürgermeister
schüttelte seine Frau immer heftiger.
"Was ist los Haberschreck!" Margit Haberschreck war eine hagere und
harte Frau. Sie hatte eine Hakennase und stechende Augen. Sie besaß darüber
hinaus die unheimliche Fähigkeit und Angewohnheit selbst auf wesentlich
grössere Personen hinab zu blicken. Sie war sehr oft gereizt, vor allem
im Umgang mit ihrem Mann, den sie für einen Versager hielt. Besonders gereizt
war sie jedoch wenn man sie mitten in der Nacht weckte. Der oberste Magistrat
hatte es nicht leicht mit seiner Frau.
"Wir werden angegriffen!"
"Ja und? Hat dieser Kessel nicht gesagt, wir währen sicher? Schlaf
jetzt. Und weck mich nicht mehr." Damit drehte sie sich um und war eingeschlafen.
Aber wie sollte er Ruhe finden? Dort draussen wurde gekämpft! Was wenn
die Skaven die Mauern überwanden? Was wenn sie in sein Haus eindrangen?
Wie konnte er einschlafen, wenn er vielleicht nie mehr erwachte!
Da, da war doch ein Geräusch. Ganz deutlich an seiner Haustür. Oder
nicht?
Haberschreck rutschte auf seinem Bett nach hinten, saß mit dem Rücken
an der Wand. Ängstlich zog er die Bettdecke bis unter sein Kinn. Nein er
würde heute Nacht keinen Schlaf mehr finden. Zu finster war die Nacht,
zu dunkel der Raum, den der halbe Mond nur spärlich erhellte. Dunkle Schatten
lauerten in jeder Ecke: Reißzähne und bepelzte Schwänze.
Ein Windstoss lies das halb offene Fenster leise knarren. Haberschreck fuhr
zusammen, er war wie gelähmt, unfähig aufzustehen um es zu schließen.
Da ! Wieder ein Geräusch, diesmal von der Treppe. Der Magistrat erbleichte,
ihm wurde kalt und heiß. Seine Fantasie zeigte ihm lange Krallen, die
über die Dielen seiner Treppe strichen.
Er griff nach der Pistole, die geladen auf seinem Nachtschrank lag und hielt
sie mit beiden Händen vor sich. Der Lauf war unsicher auf die Tür
gerichtet und zitterte auf und ab.
Ein neuer Windstoss fuhr durch das Fenster und drückte die angelehnte Tür
auf.
Haberschreck wollte das Herz im Leib zerspringen! Welche Finsternis hinter der
Tür lag. Wie ein aufgesperrter Höllenschlund gähnte vor ihm ein
Abgrund tiefster Schwärze. Kein Licht erhellte den Flur und er malte sich
aus welche Kreatur dort genau außerhalb seines Blickfeldes auf ihn lauerte.
Er starrte gebannt in die Dunkelheit vor seiner Schlafzimmertür, ständig
auf eine Bewegung wartend, auf das Monster das dort gewiss lauerte und sich
auf ihn stürzen würde. Seine Hände waren nass vor Schweiß,
um ein Haar hätte er die Pistole fallen gelassen. Er konnte seinen Pulsschlag
hören und das Blut rauschte in seinen Ohren. Er zitterte am ganzen Körper,
war ganz Angst und Entsetzen. Nein, er würde heute nicht mehr Schlafen.
"Schenke Siegmar dieser Nacht ein schnelles Ende und lass mich noch einmal
die Sonne sehen!" Wimmerte er.
Endlich eine Bewegung, zwei glühende Augen im Flur, ganz deutlich.
Als die Sturmratte den Raum betrat war der kleine Mann schon tot. Sein Herz
hatte einfach aufgehört zu schlagen.
Kessel rannte so schnell er konnte. Das gewicht des Ohnmächtigen Elfen
drückte ihn ganz schön nieder, aber er wusste, das noch mindestens
zwei Ratten hinter ihm her waren. Seine Lunge pfeifte wie ein defekter Teekessel
und er wusste er würde ihnen nicht davon laufen können. Früher
vielleicht, heute nicht mehr.
"Ich bin zu alt für diese Scheisse!"
Knurrte er, lies den Halbelf von seiner Schulter gleite, zog sein Schwert und
erwartete die Sturmratten.
Die erste griff mit gesenktem Speer an und wollte ihn ohne zu bremsen durchbohren.
Kessel sprang zur Seite und schlug von oben auf die Spitze der Stangenwaffe.
Der Speer bohrte sich in den Boden und zerbrach als sich die Ratte überschlug.
Die zweite Kreatur warf sich mit dem Schild voran auf den Hauptmann. Kessel
wich erneut aus und stieß der vorbeirauschenden Ratte sein Schwert zwischen
die Rippen. Er war schon immer sehr stolz auf seine Beinarbeit gewesen. Auch
als der erste Skaven wieder auf die Beine kam und einen hässlichen langen
Dolch zog, gab Kessels tileanischer Stil den Ausschlag.
"Komm nur her du Missgeburt!" knurrte er.
Die Sturmratte schlug zu und Augenblicke später landete ihre abgetrennte
Schwerthand auf dem Pflaster. Ein letzter Ausfall und Kessels Schwert durchbohrte
die Kehle des Monsters.
Schwitzend und stöhnend stand er über seinem Opfer. Inzwischen schmerzte
ihm jeder Knochen im Leib.
"Dieses Rumgehopse ist was für die Jugend. Was ich brauche ist noch
eine Pistole!"
Er nutzte die Verschnaufpause um seine Pistole schussbereit zu machen, lud sich
dann den Elfen auf die Schulter um sich erneut auf den Weg zu machen.
"Halte dir immer einen Ausweg offen" hatte sein Mentor immer gesagt.
Das war ein sehr kluger Rath und auch wenn Hauptmann Kessel bei Gott kein Feigling
war, so hatte er auch hier für einen Ausweichplan gesorgt. Eigentlich sollten
auf diesem Weg Boten und VIPs die Stadt verlassen, aber für all dies war
es inzwischen zu spät und den einzigen VIP schleppte Er auf seinem Rücken.
Wiesenbad schmiegte sich an im Osten und Nordosten an die Steile Böschung
einer Hügelkette. Aus dieser Böschung entsprang ein unterirdischer
Bach, der sich in den Dorfweiher ergoss. Kessel war dem Bach einige hundert
Meter in den Berg gefolgt und hatte etwas gefunden was er für einen Teil
des alten unterirdischen Wegenetzes der Zwerge hielt. Er wusste nicht, was die
Zwerge in den Siegmarverlassenen Stirhügeln gesucht hatten, aber er hoffte,
dass dies sein Fluchtweg sein konnte. Und er hoffte, dass der verfluchte Elf
nicht vorher verreckte.
Es war ein verdammter Kampf den ohnmächtigen Fraoch aus dem Boot in den
Bachtunnel zu hieven. Jetzt musste er ihn nur noch zweihundert Meter durch das
Knöcheltiefe Wasser schleifen und das auf seinen eigenen Knien, da der
Tunnel nur einen Knappen Meter hoch war. "Ich hoffe du bist das alles wert
Spitzohr, und wag es bloß nicht mir hier zu sterben!"
Durch einen gemauerten Ring in der Decke gelangten sie in eine relativ grosse
Kammer, deren Felswände glatt gearbeitet waren und deren Boden mit einer
Art Granitfliesen ausgearbeitet war. Kessel vermutete, dass auch die Zwerge
die unterirdische Quelle als Brunnen nutzten.
Der Raum war stockdunkel und Kessel entzündete eine der Laternen die er
hier deponiert hatte. Außerdem lagerten in dem kleinen Raum Vorräte
und Ausrüstung für einen Trupp von bis zu fünf Flüchtlingen.
Der Hauptmann beschloss erstmal hier zu rasten. Er machte Feuer in einem alten
Zwergen Kamin (Er hatte auf dem Hügel nach dem Schlot gesucht, aber nichts
finden können, nicht mal aufsteigenden rauch. Er wusste nicht, wie die
Zwerge das gemacht hatten, aber es funktionierte.) und zog sich trockene Kleidung
an. Dann machte er sich daran den Elfen trocken zu legen.
Noch atmete er, aber sein Hals war böse geschwollen. Kessel half ihm so
gut er konnte, aber eigentlich konnte er nur warten. Nach einer Weile schlief
auch er erschöpft ein.
Zweites Kapitel
Fraoch erwachte in einer düsteren, gemauerten Kammer. Sein Mund war knochentrocken
und jeder Muskel seines Halses schmerzte als habe er versucht einen Schwarzork
auf seinem Kopf zu balancieren. Langsam hob er den Kopf um sofort von überwältigendem
Schwindel zu Boden gedrückt zu werden. Übelkeit stieg in ihm auf und
tausend eisige Nadeln stachen in seine Schläfen. Stunden lang dämmerte
er dahin, halbwach, unfähig einen klaren Gedanken zu fassen. Dann endlich
kam nach und nach sein Bewusstsein zurück. Und mit ihm kamen die Fragen.
Wo war er? Was war geschehen? Er erinnerte sich an Skaven innerhalb der Mauern.
An einen Hinterhalt und an einen schweren Kampf. Warum tat sein Hals so weh?
Speichel sammelte sich in seinem Mund, troff ihm von den Lippen. Er wollte schlucken,
aber sein Rachen war wie gelähmt. Jetzt schmerzte jeder Atemzug, als habe
man seinen Hals mit Sandpapier ausgerieben. Er schmeckte das metallische Aroma
von Blut.
Wiesenbad? War die Stadt verloren? Ein Skaven hatte ihn gewürgt! Das war
früher gewesen und dann? Flucht? Er war zu sich gekommen als er durch einen
langen feuchten Tunnel gezogen worden war. Waren sie aus der verlorenen Stadt
geflohen?
Der Halbelf richtete sich auf. Wieder wurde ihm schwindelig, aber er konnte
die Verwirrung und die aufkommende Übelkeit niederringen. In der Mitte
der quadratischen Kammer war eine Art Brunnen und an der Wand dahinter ein Kamin
in dem die letzten Reste eines Feuers verglühten. Die Glut war die einzige
Lichtquelle im Raum, aber sie reichte seinen guten elfischen Augen um sich ein
Bild von der Kammer zu machen. Auf den Sims über dem Kamin waren zwergische
Runen geprägt. In einer anderen Ecke des Raumes waren einige Kisten und
zwei Fässer gestapelt. In der Wand zu seiner linken, also direkt gegenüber
dem Kamin war ein niedriger Türbogen eingelassen. Dieser Durchgang wurde
durch eine massive Eisentür versperrt. Vor dem Kamin lag eine menschliche
Gestalt hingestreckt.
Hauptmann Kessel schlief in seinem Wams und seinen Stiefeln. Fraoch trat näher
und schaute sich den alten Soldaten genauer an.
Seine Statur lies auf noch immer große Kraft schließen und der Veteran
hatte sich nicht genug Luxus gegönnt um einen Bauch an zu setzen. Die angegrauten
Haare und die zerfurchte Stirn gaben ihm einen Anschein von Weisheit und Lebenserfahrung.
Die Wettergegerbte Haut und die Narben erzählten von den langen Jahren
des Söldnertums. Über dem rechten Auge prangte ein schlecht verheilter
drei Zentimeter langer Riss. Darunter auf der Wange waren drei vernarbte Striemen
die an die Krallen eines Tieres gemahnten. Eine Dritte große Narbe zierte
das markante Kinn auf der linken Seite. Darüber hinaus hatte an fast jedem
freiliegenden Flecken Haut eine verheilende Wunde Spuren hinterlassen. An den
Handgelenken sah Fraoch die charakteristischen Spuren lang getragener schwerer
Eisenketten. Das Gesicht des Hauptmanns strahlte auch im Schlaf eine verwegene
Entschlossenheit aus und wenn er an den stahlharten Blick des Mannes dachte
erkannte er dass hinter diesem Menschen ein starker Wille stand. Ein starker
Wille, aber eben nur für einen Menschen.
Aber Wiesenbad hatte wieder einmal das Versagen dieser schwachen Rasse gesehen.
Wieder hatte Fraoch Freude verloren. Menschen waren einfach zu schwach, zu kurzlebig.
Johan und Heinerich waren tot. Sie waren nicht stark genug gewesen. Er musste
an die Verzweiflung seines Vaters denken, als seine große Liebe, für
die er sich über alle Konventionen hinweg gesetzt hatte, vor ihm verwelkt
und gestorben war. Wenn Fraoch an seine Mutter dachte spürte er nur Mitleid
- fast.
Und nun lag das Schicksal der Bru´encha wieder in der Hand eines Menschen.
Wenn diese Aufgabe erfüllt war würde er den Gefilden der Menschheit
für immer den Rücken zukehren. Zu seinem Glück hatte er mehr
von seinem Vater als seiner Mutter geerbt. Unter Menschen zu leben war zu anstrengend,
demütigend und schmerzhaft.
"Hauptmann Gustav Kessel ich wünsche ihnen mehr Glück als die
anderen."
Kessel erwachte frisch und ausgeruht. Zu seinem erstaunen war Fraoch schon
wach. Der Hals des Halbelfen war grün und blau angelaufen und der Abdruck
der Garotte war noch immer deutlich zu sehen. Er hatte sich um das Feuer gekümmert
und in einem Topf etwas von dem gebunkerten Proviant erhitzt. Das war gut, den
Kessel war hungrig wie ein Ork.
"Guten Morgen. Ich danke ihnen für meine Rettung."
Die Stimme des Elfen klang schrecklich. Sie war nicht mehr als ein röchelndes
Flüstern. Aber immerhin lebte er noch.
"Guten Morgen. Ihr habt gekocht? Nun ich denke dann sind wir quitt!"
Kessel grinste gierig und rieb sich die Hände.
Fraoch hob eine Augenbraue, lächelte dann aber ebenfalls. "Ihr habt
lange geschlafen, ich dachte mir dass ihr hungrig seid."
Fraoch füllte ihre Teller mit Bohnen und Speck und sie aßen schweigend.
"Was jetzt, ich meine, wo wollen sie hin mit diesem
Artefakt?"
Brach Kessel ihr Schweigen.
"Das hängt erstmal davon ab, wo wir überhaupt sind." Entgegnete
der Halbelf zwischen zwei bissen.
Kessel stand auf um sich seinen Teller erneut zu füllen.
"Wir sind im Wegenetz der Dawi. Sie scheinen die Quelle Wiesenbads als
Brunnen benutzt zu haben. Ich habe diesen Rastplatz vor der Belagerung mit Ausrüstung
und Proviant versorgen lassen. Für Fälle wie diesen."
"Sehr weitsichtig."
"Ein alter Söldner Grundsatz, sich immer eine Option offen zu halten,
wenn sich das Geld zu schwer verdient." Aus Kessels Stimme sprach tiefer
Zynismus.
"Der Verlust Wiesenbads geht ihnen sehr nah."
Der Veteran schnaubte und er deutete mit einer fahrigen Geste nach oben.
"Dort sind 5000 Menschen dem Wohlwollen der Skaven ausgesetzt, fünftausend
für die ich die Verantwortung hatte!" Er lies sich an der Wand zu
Boden sinken, stellte seinen Teller ab und fuhr sich mit beiden Händen
durch die Haare.
"Ich habe es immer gehasst für Zivilisten Verantwortung zu übernehmen
und ausgerechnet dann als ich mich zur Ruhe setzen wollte, muss ich bei der
Verteidigung einer ganzen Stadt versagen."
Fraoch schaute den Menschen lange über seine Schüssel hinweg an, dann
lies auch er das Geschirr sinken und sprach:
"Es war nicht eure Schuld. Die Skaven kamen in die Stadt ohne Dass die
Wachen Alarm schlugen. Ich bin sicher, dass Verrat im Spiel war. Irgendwer"
- irgend ein Mensch - "hat sich kaufen lassen und für ein paar Silberlinge
die ganze Stadt ans Messer geliefert."
Kessel blickte auf und in seinem Blick lag abgrundtiefer Hass: "Sollte
ich den Schuldigen jemals zu fassen bekommen werde ich ihn bezahlen lassen."
Hauptmann Kessel hatte sich an den Vorräten neu ausgerüstet. Er trug
nun ein schweres Lederwams, auf dem vorne und hinten in vier Reihen Eisenringe
genäht waren. Die Kurzen Ärmel waren mit Nieten verstärkt. Darunter
trug er ein grobes Leinenhemd. An den Unterarmen trug er zwei kleine Dolche
in Spezialhalftern, die durch weite lederne Stulpenhandschuhe, wie sie im Reich
gerade Mode waren verdeckt wurden. Er hatte sich darüber hinaus für
weite Hosen aus widerstandsfähiger und grober, schwarzer Wolle entschieden.
An den Füssen trug er nach wie vor seine schweren Militärstiefel.
Über seine Brust zog sich der Trageriemen seiner schweren Wandertasche.
An der linken Hüfte hing sein langes tileanisches Schwert und rechts steckte
seine Pistole im Halfter.
So gerüstet würde er mit Fraoch zusammen versuchen, die Skaven durch
das unterirdische Wegenetz zu umgehen. Sie würden sich nach Westen halten
um in Altdorf oder Marienbad schließlich ein Schiff für Fraoch zu
finden. Der Träger des Schlüssels von Lor`cha hatte beschlossen dieses
Artefakt zu seinen Ursprüngen nach Ulthuan zurück zu bringen und Kessel
würde nicht von seiner Seite weichen, bis er ihn auf irgendeinen Elfensegler
gesetzt hatte.
Fraoch trug noch immer seine Elfenkleidung. Eine grüne Hose und ein weißes
Hemd aus jenem geheimnisvollen Stoff der, obwohl leicht wie Seide, warm war
wie ein Fell und gleichzeitig luftig wie ein Hemd. Nur einen grünen Jagdumhang
hatte er angenommen um sich vor regen und Wetter zu schützen. Natürlich
trug er noch immer sein leichtes Kettenhemd, aber bewaffnet war er nach wie
vor nur mit seinem elfischen Schwert. Diese Klinge hatte Kessel schwer beeindruckt.
Der Griff der Waffe war wie der Leib eines Drachen geformt, dessen angewinkelten
Beine den Knauf bildeten und dessen eingerollter Schwanz einen kleinen roten
Edelstein umschloss. Die ausgebreiteten Schwingen des Drachen bildeten die Parierstange.
Die Proportionen der Kreatur waren kunstvoll verzerrt um die jeweiligen Aufgaben
der Waffenteile nicht zu behindern und so war auch der Kopf des Drachen im vergleich
zu den Schwingen vergrößert, aber all das ohne den perfekten Eindruck
des Kunstwerkes zu stören. Denn Kopf des Drachen hielt die Klinge des Schwertes
und die war auf einen Spann Länge wie die Zunge der mystischen Kreatur
geformt. Der Hauptmann hatte nie eine perfektere Waffe gesehen und das, obwohl
er selbst in Besitz einer der besten Klingen der Menschheit war. Sein Schwert
war aus Tolenostahl geschmiedet und Herzog Umberto von Toleno hatte es ihm persönlich
für die Errettung seines Erben geschenkt. Die Klinge hatte sogar einen
Namen. Einen Frauen Namen natürlich, den schließlich war der Schmied
Tileaner. Aber trotzdem war seine Waffe im Vergleich zu dem Schwert des Halbelfen
ein reines Werkzeug.
Sie hatten ihre Sachen in zwei schwere Wandertaschen gepackt und machten sich
auf den Weg. Sie hatten einige Mühe die kleine Stahltür zu öffnen
die ihnen den Weg in das unterirdische Reich der Dawi versperrte, aber mit vereinten
Kräften und einer Brechstange schafften sie es. Dahinter lag eine T-förmige
Kreuzung. Die gemauerten Gänge waren breit genug für einen Karren
und auch hoch genug für ein Fuhrwerk. Alles in allem eine Beeindruckende
Konstruktion, wenn man bedachte welche Strecken diese Wege überbrückten.
Der Weg nach Westen führte sie unter den Trümmern Wiesenbads hindurch.
Dieser Tunnel bildete zunächst eine Art Rampe um unter das Bodenniveau
der Stadt zu gelangen. Sie folgten dem Tunnel einige hundert Meter, Kessel vermutete
dass sie sich ungefähr in Richtung der südlichen Befestigungen bewegten,
als sie unvermittelt vor einer Mauer standen. Der Tunnel war nachträglich
zu gemauert worden, aber mit einem Handwerklichen Geschick, das dem der Erbauer
glich.
Kessel hob seine Laterne etwas an und drehte den Docht etwas höher um mehr
erkennen zu können.
"Da," Fraoch zeigte auf eine Stelle in der Mitte der Mauer. "Zwergen
Runen."
Kessel betrachtete die Stelle. Auf einem großen Steinquader waren eine
Reihe von Runen eingemeißelt.
"Eine Warnung der Dawi!" Sagte er schließlich.
"Ihr könnt zwergisch lesen?" Fraoch klang mehr als verwundert
und hatte die Augenbrauen zweifeln nach oben gezogen.
"Nur ein paar rudimentäre Zeichen. Seht: Thagi steht für einen
Verräter, Umgi ist ein Mensch und dieses Zeichen solltet ihr selbst lesen
können." Kessels Hand war eine Reihe von Runen entlang gefahren und
zeigte nun auf das letzte Zeichen in der Reihe. Und ja Fraoch kannte es.
Es stand für eine Grenze, die kein Gesunder Mensch überschreiten sollte.
Es stand für Versprechungen die viele in den Wahnsinn getrieben hatten
und die noch immer eine zu große Versuchung für die Schwachen und
Machtgierigen war. Es stand für die Nemesis der Magier, für den Veränderer
der Wege.
Es stand für Tzeentch.
"Nun ich denke das gibt uns einen guten Hinweis darauf wer die Stadt verraten
hat."
Kessels Stimme klang eisig.
"Was meinen Sie?"
"Nun, wir müssten uns im Bereich der Südbastion befinden, also
bei den alten Verließen. Und das ist das Gebiet Furchmars, des Zauberers."
"Eines Chaosanbeters." Schloss Fraoch. "Ein weiterer gefallener
Mensch. Ihre Spezies ist so schwach, durch solcheVerräter wird das Chaos
am Ende Obsiegen!"
Kessels Hand schoss vor wie eine Kobra und ehe Fraoch begriff was los war hatte
der Hauptmann ihn an der Kehle gepackt, angehoben und drückte ihn an die
Wand. Geschwindigkeit und Kraft dieser Bewegung straften das Alter des Veteranen
lügen.
"Ich habe mehr gute Männer im Kampf gegen das Chaos sterben sehen
als ich zählen möchte" zischte er "Und ich sah junge Männer,
die noch keinen Flaum am Kinn hatten mit Mistgabeln gegen Kreaturen antreten,
die sich nicht der Alptraum eines siechen Priesters ausmalen könnte. Nur
um ein karges Stück Land zu verteidigen, das sie Heimat nannten, irgendwo
in Kislev, der Ostmark oder sonst wo in der alten Welt. Also behalte deine Ansichten
besser für dich Halb-Elf!" damit lies er den Elfen los.
Fraoch erkannte, dass Kessel am Ende seines Weges war. Die Ereignisse seines
ungewöhnlich langen Söldnerlebens drohten ihn auszubrennen und er
wusste es. Deshalb hatte er sich in Wiesenbad niedergelassen: er hatte seine
Gleichgültigkeit verloren.
Er war zu alt für diesen Scheiß.
Unterdessen hatte Kessel begonnen die Mauer mit seinem Brecheisen zu bearbeiten
und brach mühevoll Stein und Stein aus dem Mauerwerk.
"Was habt ihr vor" Fraoch Stimme war noch immer nur ein Flüstern
und der raue Angriff des Menschen hatte die Sache nicht verbessert.
"Das mit eurem Hals tut mir leid." So schnell er explodiert war, so
schnell hatte er seine Ruhe wieder gefunden. "Ich werde den Hexer zur Rechenschaft
ziehen. Außerdem ist er im Weg."
Eigentlich war es Fraoch zuwider seine Mission durch einen Chaos-Hexer zusätzlich
zu gefährden, aber bei Tzeentch wusste man nicht ob er nicht längst
selbst hinter dem Schlüssel her war. Also holte er Hammer und Meißel
aus seiner Tasche und machte sich ebenfalls an die Arbeit.
Sie waren fasst eine halbe Stunde beschäftigt, ehe sie das erste Mal die
Wand durchbrachen. Hinter dem kleinen Loch lag vor allem tiefe schwärze
und soweit Fraoch blicken konnte setzte sich der Tunnel einfach fort.
"Es ist Verboten und äußerst töricht die Warnungen der
Dawi zu missachten!"
Die Stimme kam von direkt hinter den zweien. Es war ein tiefes Grollen mit einem
unheimlichen Nachhall der einem kalte Schauer über den Rücken jagte.
Langsam drehten Fraoch und Kessel sich um. Fünf Schritt vor ihnen standen
drei Zwerge im Tunnel. Alle drei trugen schwere Rüstungen und Helme mit
Visier. Nur der Zwerg in der Mitte trug anstatt eines Helmes eine Art Maske,
die in Gold auf schwarz das stilisierte Gesicht eines Dawi darstellte. Auch
der Rest seiner Rüstung war in schwarz gehalten und zeigte goldene Ornamente.
Er war der Anführer keine Frage. Aber noch etwas war besonders an der Erscheinung
des Zwerges. Während seine Begleiter die typische bauchig untersetzte Statur
ihrer Rasse hatten, wirkte dieses Exemplar fasst athletisch. Natürlich
breitschultrig und klein, aber irgendwie athletisch. Dennoch hielt er, genau
wie seine Begleiter, die zweihändige Waffe, in seinem Fall eine Axt nach
Art der Norsca-Zwerge, locker und entspannt.
"Es ist selten einen Menschen in den Tunneln meines Volkes zu treffen."
Es war die Maske, die der Stimme des Sprecher diesen unheimlichen klang verlieh.
"Noch dazu zweimal denselben
Für einen Augenblick entgleisten Kessels Gesichtszüge zu einem undeutbaren
Ausdruck zwischen Erstaunen, Verwunderung und Ungläubigkeit, dann kniff
er die Augen zusammen und fixierte den Zwerg: "Ogar Nordaxt!" Rief
er schließlich.
"Gustav Kessel!"
Beide stimmten ein herzhaftes Lachen an, gingen aufeinander zu und begrüßten
sich innig.
Fraoch hatte die Szene mit erstaunen und offenem Mund verfolgt. Der Hauptmann
hatte in seinem kurzen Menschenleben scheinbar noch mehr erlebt als er ihm ohnehin
zugetraut hätte. Ein echter Freund der Dawi! Davon gab es nicht wirklich
viele.
"Nun alter Freund" fuhr der Zwerg fort. Er hatte die Maske nach oben
geschoben, die nun wie ein flacher Helm auf seinem Kopf saß. Darunter
war das Gesicht eines Zwerges in den mittleren Jahren zum Vorschein gekommen.
Sein Bart war pechschwarz und zeigte nur vereinzelt graue Strähnen, aber
sein Gesicht war hager für einen Zwerg. Umso auffallender war deshalb die
dicke Nase, die das ganze Gesicht zu dominieren schien.
"Was führt dich zurück ins Reich meines Volkes und wer ist der
Bartscherer der dich begleitet?"
"Das ist Fraoch Eichenforst aus dem edlen Haus er Bru`encha." Fraoch
machte eine ansatzweise Verbeugung.
"Und das ist Ogar Nordaxt, Klanherr des Axtbergtals." Der Zwerg nickte
dem Halbelf zu.
"Wenn er mit dir unterwegs ist Gustav, ist er in Ordnung. Aber erzähl
weiter."
"Der Magier hinter dieser Mauer, alter Freund, hat die Stadt Wiesenbad
verraten und den Skaven in die Hände gespielt." Bei der Erwähnung
der Rattenmenschen verfinsterte sich das Gesicht des Zwerges. "Ich hatte
die Verantwortung für die Stadt und nun muss der Chaoshexer büßen."
Der Zwerg zog die Maske zurück ins Gesicht fasste seine Axt mit beiden
Händen und schritt auf die Mauer zu. "Worauf warten wir dann noch!"
Hinter der Mauer war es genau so dunkel, wie es überall unter der Erde
ist. Dennoch hatte Kessel den Docht seiner Laterne so weit runtergedreht wie
möglich. Der Gang sah aus wie die anderen Zwergentunnels, mit einer Ausnahme:
Es war feucht. An den Wänden lief ein steter leiser Wasserfilm und am Boden
hatten sich mehrere Pfützen gebildet. Der Boden und die Wände waren
mit glitschigem Moos überwachsen und in der ferne hörte man Wasser
in die Lachen tropfen. Alles hier wirkte verwahrlost. Sie gingen langsam und
möglichst leise. Zwar hatten sie sich eben mit Meißel und Brecheisen
durch die Wand gearbeitet, doch sie wollten die winzige Chance dennoch unentdeckt
geblieben zu sein nicht aufs Spiel setzen. Ogar führte sie an, gefolgt
von seinen Zwergen Kameraden. Dann erst kam Kessel, denn er war durch sein schlechtes
Sehvermögen geschwächt. Den Abschluss bildete Fraoch um nach hinten
zu decken. Nach wenigen Schritten merkten sie das immer mehr Steintrümmer
und Erde auf dem Boden lagen. Die Menge des Schuttes nahm weiter zu, bis sie
vor einem großen Loch in der Decke des Tunnels standen. Das Wasser floss
hier in kleinen Bächen aus der Öffnung und hatte eine beachtliche
Lache darunter gebildet.
"Habt ihr ein Seil?" Fragte Ogar halblaut.
"Fraoch hat eines im Rucksack." Antwortete Kessel.
"Ich mach das schon." Mit diesen Worten nahm der Halbelf das Seil
aus seiner Tasche und band seine Brechstange an einem Ende fest. Dann stellte
er sich unter die Öffnung und warf mit einer einzigen fließenden
Bewegung den improvisierten Wurfanker nach oben. Das Geräusch der Brechstange
auf dem Boden war erstaunlich leise und gedämpft und als Fraoch an dem
Seil zog kam ihm eine Hand voll verfaultem Stroh entgegen, bis sich die Stange
verkantete.
"Das müsste halten" sagte er und war im nächsten Moment
in der finsteren Öffnung verschwunden.
Als nächstes kletterte Ogar behände an dem Seil hoch, gefolgt von
seinen Gefolgsmännern. Die Zwerge waren sichtlich nicht begeistert davon
in voller Rüstung ein Seil erklimmen zu müssen, schafften es jedoch
mit einiger Anstrengung. Kessel war beeindruckt. Er konnte sich keinen Ritter
vorstellen, der in schwerer Rüstung noch solche Turnübungen vollbrachte.
Er ging also als letzter und zog die Laterne am Seil hinter sich hoch. Der Raum
in dem sie sich nun befanden sah aus wie eine ehemalige Kerkerzelle. Der ganze
Boden war mit altem Stroh und Exkrementen bedeckt. Und es war feucht.
Die Konstruktion der Menschen musste den Grundwasserspiegel durchstoßen
haben ohne über eine angemessene Isolierung zu verfügen. Das gesamte
Mauerwerk hatte sich voll gesogen und mit der Zeit musste der Boden über
dem Zwergentunnel nachgegeben haben.
Für einen Augenblick kam Kessel der absurde Gedanke die Zwerge hätten
diesen Tunnelabschnitt nicht wegen der Bedrohung durch den Chaoshexer versiegelt,
sondern um ihre Konstruktion vor dem Eindringen des Sickerwassers zu schützen.
Ogar gab ein Grunzen von sich, als Zeichen das sie endlich weitergehen sollten.
Diesmal bildeten die beiden Clanzwerge den Abschluss. Die Tür zu ihrer
Zelle war genau so verrottet, wie der Rest und gab unter dem Druck den der Zwerg
auf sie ausübte rasch und leise nach.
Hinter der Tür erstreckte sich eine ungefähr vierzig Schritt lange
Zellenflucht. Die Decke war niedrig und es roch modrig. Kessel stellte erstaunt
fest, dass die anderen Zellentüren in fabelhaftem Zustand waren. Er blieb
vor einer davon stehen und lauschte. Ein lautes gleichmäßiges Schnauben
war zu hören. Irgendetwas schien hier zu schlafen. Etwas sehr Grosses.
Er folgte den Anderen und sie kamen an eine Art Wachraum. Drei solcher Zellentrakte
stießen hier zusammen und an der Hinterwand des Raumes führte eine
Wendeltreppe nach oben. Dort wo früher die Wachen gesessen hatten lagerten
nun große Mengen an Futter: Getreide, faules Obst, aber vor allem Fleisch.
Was auch immer hinter den Türen des Verlieses schlief, es fraß eine
Menge rohes Fleisch.
Fraoch und Ogar lauschten kurz in die anderen Gänge, aber als sie nichts
hörten machten sie sich daran die Wendeltreppe zu erklimmen. Oben angekommen
blieb der Zwerg wie angewurzelt stehen. Dieses Stockwerk war genau so aufgebaut,
wie das darüber liegende.
"Da kommt wer!" Zischte er.
Kessel schloss sofort die Blende seiner Laterne und war augenblicklich blind.
Nicht ganz. Seine Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit und nun konnte
auch er den feinen Schimmer einer Laterne aus einem der Seitengänge sehen.
Dann hörte er auch Schritte und ein leises unbekümmertes Pfeifen.
Im nächsten Moment trat Gurdon der Lehrling des Magiers aus dem Gang. Wie
versteinert blieb der Junge Mann für einen Augenblick stehen, als sein
Blick auf den schwer bewaffneten Zwerg fünf Schritte vor ihm fiel. Dann
wirbelte er herum und rannte den Weg zurück, den er gekommen war. Ogar
schoss ihm hinterher, aber zu spät: Gurdon hatte die erste Tür des
Flures bereit aufgerissen und war weiter gerannt. Auch der Zwerg währe
an der offenen Tür vorbeigeeilt, doch ein schrecklicher Schrei, der durch
die Wand drang lies ihn schlitternd zu stehen kommen. Das Geräusch klang
nach dem Laut einer gequälten Echse oder dem Schrei eines Riesenvogels.
Jedenfalls war er entsetzlich laut und lies den Gefährten das Blut in den
Adern gefrieren. Das was dem Schrei aus der Tür folgte war die perfekte
Kreatur aus Tzeentchs Alpträumen. Beine und Körper glichen einem drei
Meter großen Laufvogel. Das Monster hatte auch einen riesigen und anscheinend
scharfen Schnabel, aber statt Flügeln hatte es muskulöse Arme die
in Krallenbewährten Klauen endeten. Seine Haut glich der eines Riesensalamanders
und war schwarz bis auf zwei leuchtend gelbe Flecke auf dem Rücken der
Bestie.
"Zurück!" Rief der zwergische Clanherr und die Gruppe zog sich
langsam in die Wachstube zurück. Das Monster jedoch fixierte Ogar mit seinen
Vogelaugen und ansatzlos schoss der Schnabel auf den Zwerg zu. Die Bewegung
war so plötzlich und schnell, dass kein Mensch ihr hätte ausweichen
können. Der Zwerg jedoch hatte es geschafft seine Axt hoch zu reißen
und den Kopf der Bestie mit der Breitseite getroffen. Aufschreiend fuhr der
Kopf zurück.
"Macht dass ihr weiter kommt! Gondreck, Ragor und ich, wir halten das Biest
auf! Ihr müsst den Zauberer finden und töten! Wer weiß was der
Bengel noch alles frei lässt!"
Kessel wollte dem Zwerg widersprechen. Er wollte ihn nicht allein lassen im
Kampf gegen diese Monstrositäten, aber erstens war Fraoch schon auf dem
Weg zur Treppe und zweitens hatte der Zwerg recht: Sie durften dem Zauberer
nicht genug Zeit lassen sich auf ihr kommen vor zu bereiten. Also warf er einen
letzten Blick auf den Zwerg, der bereits mit erhobener Axt auf die Chaosbrut
eindrang, und folgte dem Halbelf die Leiter nach oben.
Ischika war sehr zufrieden. Nachdem die Skavenhorde jeden Stein in Wiesenbad
abgetragen hatte ohne auch nur eine Spur des Elfen zu finden hatte der graue
Prophet Sknitsh eine hohe Belohnung auf den Kopf von Fraoch Eichenforst ausgesetzt.
Zwar hatte Ischika ein paar wertvolle Mitarbeiter verloren, aber mit dem Geld
aus der Belohnung würde er diesen wertlosen Abschaum mehr als ersetzen
können. Und er würde sich diese Belohnung holen.
Ischika der Meisterassassine hatte nämlich noch ein Ass im Ärmel.
Leise vor sich hin kichernd ging er zu seinem Zelt. Die ihm verbliebenen acht
Gossenläufer warteten davor auf ihn, aber er ging an ihnen vorbei als habe
er sie gar nicht gesehen. Er hatte wichtigeres zu tun. Er ging direkt auf die
Rückwand seines Zeltes zu. Dort lag ein kleiner Käfig, verborgen durch
eine raffinierte doppelte Zeltplane. Er öffnete den Käfig und nahm
behutsam ein kleines Menschenkopf großes, rotes Wesen daraus hervor. Das
kleine Ding schien nur aus Beinen und gigantischen Nasenlöschern zu bestehen.
Ischika streichelte seinen Liebling liebevoll und hielt ihm etwas vor die Nase,
das wie eine skavische Ledergarotte aussah.
"Hier kleiner Schnüffel! Such! Such!"
Er setzte das kleine Tier auf den Boden, wo es hörbar Luft einzog und für
kurze Zeit fast auf das doppelte seiner eigentlichen Größe anwuchs.
"Ja, such den Elfen! Such! Such!"
Ischika hatte beim Züchterclan einen horrenden Preis für den Schnüffelsquig
gezahlt. Nun würde sich zeigen ob sich die Investition gelohnt hatte.
Langsam und leise hechelnd setzte das kleine Biest sich in Bewegung, erst leicht
schwankend und im Zickzack, dann aber immer schneller und in eine Richtung.
Vor dem Zelt blieb es erneut kurz stehen, schien sich zu orientieren und zog
dann los Richtung Wiesenbad.
Ischika winkte seinen Untergebenen ihm zu folgen. Und so führte das kleine
Wesen sie immer weiter in die Ruinen, bis sie schließlich an den Stadtweiher
kamen. Dort blieb der Squig japsend stehen.
"Hier her sind sie gegangen Schnüffel? Bist du sicher? Über dieses
Wasser?" Ischika drehte sich zu seinen Leuten um:
"Ihr da! Was steht ihr noch so nichts tuend herum? Sucht mir ein Boot!
Los! Los!"
Hinter der nächsten Biegung der Wendeltreppe wurde Fraoch und Kessel der
Blick in das Stockwerk von einem schweren roten Vorhang verdeckt. Da der Elf
voran ging zog er den Vorhang vorsichtig ein Stück zur Seite. Und erlebte
eine Überraschung. Er hatte mit einem weiteren Verlies gerechnet, blickte
stattdessen aber in eine gut und vornehm eingerichtete Praxis.
Denn genau so sah es aus, wie die Praxis eines wohlhabenden Heilers der vornehmen
Familien des Reiches. In der Mitte des Raumes stand ein großer Schreibtisch,
aus edlem lustrianischen Holz. Dahinter stand ein hochlehniger ledergepolsterter
Stuhl, davor zwei kleinere Exemplare. An den Wänden standen deckenhohe
Regale, in denen entweder Bücher oder Flaschen, Tiegel und Phiolen verschiedenster
Art und Farbe standen. Hinter dem Schreibtisch, direkt neben der Treppe, hing
ein großes Porträt Furchmars.
Kein Zweifel, sie befanden sich im Erdgeschoss des Turmes und dies war das Sprechzimmer
des Zauberers. Hier hatte er die Reichen und Mächtigen der Stadt empfangen
und ihnen Tränke und Pasten gegen ihre Probleme und Leiden verkauft.
Hier gab es nichts Interessantes für sie und deshalb hielten sie sich nicht
weiter auf. Wenn dieser Turm genau so aufgebaut war wie der Nordturm, dann hätten
sie nun noch drei Stockwerke vor sich und das Dach natürlich. Langsam und
leise erklommen sie nun weiter die Wendeltreppe. Durch eine Schießscharte
fiel dämmeriges Morgenlicht in das Treppenhaus. Dankbar löschte Kessel
die Laterne und stellte sie ab. Sie hatte ihn nur behindert, und durch das Licht
des anbrechenden Tages brauchte er sie nicht mehr. Stattdessen zog er die Pistole
aus seinem Halfter.
Auch das nächste Stockwerk hielt keinen Chaoshexer für sie bereit.
Es schien vielmehr eine Art Wohnbereich zu sein. Ein altes schweres Bett stand
auf der einen Seite des Raumes, davor eine einfache Liege für den Lehrling.
Auf der anderen Seite standen ein einfacher Tisch und ein kleiner Herd. An der
stadtabgewandten Seite führte eine kleine Tür zum Abort und der Treppe
gegenüber war ein großer Kamin in der Wand eingelassen. Alles hier
war schlicht und leicht verwahrlost und zeugte davon, wie wenig Aufmerksamkeit
der verrückte Magier seinen körperlichen Bedürfnissen widmete.
Das vorletzte Stockwerk war die Werkstadt des Zauberers, oder sein Labor. Fraoch
warf einen kurzen Blick hinein, schüttelte dann aber seinen Kopf und meinte:
"Seht besser nicht dort hinein, Hauptmann. Das ist kein Anblick für
einen geistig Gesunden, sei er Mensch oder Elf oder sonst was. Und was wir suchen
ist nicht dort!" Kessel zögerte einen Augenblick, entschied dann aber
das der Halbelf recht hatte, auch wenn er einen Augenblick schmunzeln musste.
Wenn dies kein Anblick für einen geistig Gesunden war, bezweifelte er nicht,
das Fraoch es ertrug. Doch seine Heiterkeit verflog so schnell wie sie gekommen
war, denn nun lag nur noch ein Stockwerk vor ihnen. Gleich würden sie unweigerlich
dem Zauberer entgegen treten und es würde sich entscheiden ob er Wiesenbad
rechen würde, oder ob auch er hier sterben würde.
Noch vorsichtiger als zu vor schlichen sie Stufe für Stufe der obersten
Turmkammer entgegen. Ein leichter Ozongeruch drang an ihre Nasen und mit jeder
Stufe stieg ein leichtes Schwindelgefühl in Kessel auf. Endlich standen
sie vor einer schweren Eichentür. Neben ihnen führte die Treppe weiter
auf die Zinnen des Turmes, aber sie konnten spüren dass ihr Ziel hinter
dieser Tür lag. Irgendetwas lag in der Luft. Es war der Geruch gewaltiger
Magie und verbotener Macht. Furchmahr hatte ihr kommen bemerkt und sie konnten
nur beten dass sie nicht zu spät kamen.
Fraoch legte ein Ohr an die Tür und lauschte.
"Er ist da drinnen, ich kann ihn hören. Er befindet sich in irgendeinem
Ritual."
Der Halbelf legte seine linke Hand auf den Türknauf und stellte sich selbst
links neben den Türpfosten. Kessel stellte sich rechts neben die Tür,
die offensichtlich nach innen aufging.
Fraoch drehte den Knauf und drückte gegen das schwere Eichenholz. Nichts
passierte.
"Abgeschlossen."
Kessel machte eine genervte Geste und bedeutete dem Elfen zur Seite zu treten.
Er lehnte sich mit dem Rücken gegen die Außenwand des Turms gegenüber
der Tür, nahm seine Pistole in die Rechte Hand und sein Schwert locker
in die Linke. Sein Blick wanderte prüfend über die Tür und die
rötlich angelaufenen Eisenbeschläge.
"Siegmar lass es Rost sein!"
Kessel holte tief Luft, dann hob er sein rechtes Bein und trat mit aller Kraft
gegen die Tür. Mit einem lauten Bersten gaben die verrosteten Angeln nach
und die Tür viel der Länge nach in den Raum. Einen Wimpernschlag später
war auch Kessel durch die Öffnung und hinter ihm Fraoch.
Wie es manch mal ist, wenn ein Mensch unter extremer Anspannung steht, so war
auch Kessels Aufmerksamkeit ins unendliche gesteigert. In Sekunden sog er die
Szene in sich auf:
Die Schießscharten waren vermauert, aber Hunderte von Kerzen spendeten
ein schauriges Zwielicht. Auf dem Boden war ein Geflecht komplizierter Symbole
gezeichnet. In der Mitte war ein Heptagramm zu erkennen in dessen Spitzen die
Zeichen finsterer Gottheiten zu sehen waren. Darum waren Zwei Kreise mit einem
Durchmesser von fasst vier Metern gezogen. Auch zwischen den beiden Kreislinien
war ein Gewirr okkulter Symbole gezeichnet. Auch die schwarzen Wände der
Kammer waren mit obszönen Zeichen beschmiert.
Kessel viel auf, das die Symbole auf dem Boden nicht, wie er zuerst dachte aufgemalt
waren, sondern, das es sich um mit einer roten Flüssigkeit gefüllte
Rinnen handelte. Er dachte sofort an Blut, doch konnte er nirgends ein geschlachtetes
Tier oder
Ähnliches sehen.
Jenseits dieses Beschwörungskreises stand Furchmahr. Der Zauberer schien
ihr Eindringen überhaupt nicht zur Kenntnis zu nehmen. Er hatte die Arme
erhoben und die Augen seltsam verdreht. Mit lauter Stimme rezitierte er aus
einem schweren Folianten, der aufgeschlagen auf einem Podium vor ihm lag. Seine
langen Gewänder waren gebläht als stände er im Zentrum seines
eigen Wirbelsturms.
Automatisch hob Kessel seine Pistole und drückte ab. Er konnte sich später
nicht daran erinnern den Schuss gehört zu haben, aber er spürte den
Rückstoss und sein Gesichtsfeld füllte sich mit beißendem Pulverdampf.
Wie in Zeitlupe beobachtete er dass die Kugel in die Brust des Zauberers einschlug.
Er sah den feinen roten Nebel, der vor dessen Brust aufstieg und die blutige
Spur die die Kugel hinter ihm durch die Luft zog. Dann war der Zauber gebrochen,
Furchmahr viel tot zu Boden und sein Blut schlug sich in feinen Flecken auf
dem Folianten nieder.
Kessel starrte fast ungläubig auf die Leiche, dann auf seine Pistole. Schließlich
zuckte er die Achseln und drehte sich zu Fraoch um:
"Na das war leicht."
"Zu leicht" antwortete der Halbelf und musterte den Raum aus zusammengekniffenen
Augen.
"Er war ein Zauberer, aber eben nur ein Men.." Kessel hielt mitten
im Wort inne. Er war auf den toten Magier zugegangen und dabei näher an
den Beschwörungskreis getreten. Nun spürte auch er einen schwachen
Luftstrom. Prüfend streckte er die Hand aus.
"Irgendwas geht hier vor!"
Auch Fraoch trat nun an den Beschwörungskreis. "Das Ritual ist nicht
unterbrochen," stellte er fest, dann umrundete er den Kreis, trat über
den Zauberer (was auch immer er gewesen sein mag, Kugelfest war er nicht) und
betrachtete den Folianten.
In zwischen betrachtete Kessel beunruhigt den Ritualplatz. Die Fugen zwischen
dem Bodenpflaster schienen leicht zu glimmen und der Wind wurde auch immer intensiver.
"Es scheint sich um eine Art Beschwörung zu handeln. Das Buch ist
in einer sehr alten Sprache geschrieben" Fraochs röchelnde Stimme
war über das lauter werdende heulen des Windes aus dem Ritualkreis kaum
noch zu verstehen, "aber solang der Ritualkreis intakt ist sollten wir
sicher sein."
Kessel verzog das Gesicht und deutete auf den toten Furchmahr. Der Arm des Magiers
lag im innern des Kreises und das Blut aus seiner Wunde hatte sich mit der Flüssigkeit
in der Rinne vermischt. Der Hauptmann war kein Experte in solchen Dingen, aber
er war sich ziemlich sicher, dass dieser Kreis unterbrochen war.
Fraoch folgte seinem Blick und zischte etwas, das Kessel für einen elfischen
Fluch hielt.
Das Glühen zwischen den Steinen hatte sich inzwischen in ein helles Strahlen
verwandelt und fast sah es so aus als sei der Mörtel zwischen den Steinen
verschwunden und man könne durch den Boden in einen anderen gleißend
hellen Raum blicken.
Kessel kam sich schrecklich hilflos vor. Er hatte schon einige brenzlige Situationen
überstanden, aber selten hatte er so wenig tun können. Er konnte nur
hier stehen und abwarten. Immer wieder wanderte sein Blick von den Vorgängen
im Kreis zu Fraoch der immer noch versuchte den Text der Beschwörung zu
entziffern.
Im Kreis hatte sich ein Stein aus dem Boden gelöst und schwebte fast zehn
Zentimeter hoch im Wind. Im folgten kurz darauf ein zweiter und ein dritter.
Bald war der ganze Boden abgedeckt und gab den blick frei in eine grelle Unendlichkeit,
deren Anblick den Augen schmerzte.
Kessel wich instinktiv an die Wand des Raumes zurück. Er hatte die leer
geschossene Pistole zurück in den Halfter geschoben und umklammerte sein
Schwert mit beiden Händen. Fraoch schien etwas herausgefunden zu haben
und rief ihm etwas zu, aber seine angeschlagene Stimme war zu leise und Kessel
verstand ihn nicht. Schließlich deutete der Halbelf auf die Tür und
rannte los. Das verstand Kessel und zögerte keinen Augenblick seinem Gefährten
zu folgen. Kurz hinter der Tür holte er ihn ein.
"Was ist los?"
" Pink Horror" krächzte der Elf.
Kessel und Fraoch stürmten die Wendeltreppe hinab. Hinter sich hörten
sie mindestens einen Verfolger, der schnell aufholte. Kessels Atem ging pfeifend
und ihm war klar, dass sie nicht viel länger weglaufen konnten und er wollte
auf keinen Fall im engen Treppenhaus gestellt werden. Also griff er Fraoch bei
der Schulter und zog ihn durch die nächste Tür in Furchmars Praxis.
Kessel stützte sich schwer Atmend auf den großen Schreibtisch und
gab Fraoch ein Zeichen sich bereit zu halten. Der Elf zog seine Klinge, er hatte
sie beim Studium des Grimoirs weggesteckt, und Kessel glaubte diesmal einen
roten Schimmer an der Schneide der Waffe zu sehen. Aber er hatte keine Zeit
für einen zweiten gründlicheren Blick, den in diesem Moment stürmten
ihre Verfolger in den Raum.
Die erste der zwei Kreaturen schien kaum durch die Tür zu passen und auch
die zweite war nicht kleiner. Beide sahen aus wie riesige rosa Kugeln mit grotesk
langen und schmalen Gliedmassen. Am Ende der oberen Extremitäten waren
riesige saugfingerige Hände und die Gesichter der Dämonen lagen direkt
auf ihrem feisten Leib. Aus den riesigen Augen sprühte der Wahnsinn und
in den Aufgerissenen Mäulern waren Messerscharfe Zähne zu sehen. Ohne
inne zu halten stürzten sie sich auf ihre Opfer.
Kessel hatte Mühe dem ersten Hieb aus zu weichen, stieß gegen den
Schreibtisch und wurde vom Rückhandhieb seines Gegners quer durch den Raum
geschleudert. Benommen rappelte er sich auf und sah gerade noch, wie Fraoch
sein nun rot glühendes Schwert dem zweiten Dämonen in den Leib bohrte.
Es folgte ein deutlich hörbares Ploppen, als der Dämon verschwand
und an seiner Stelle gleich zwei kleinere blaue Kopien erschienen. Der verbliebene
rosa Horror stürzte auf Kessel zu und hätte ihn sicher zerquetscht,
wenn der sich nicht mit einem Hechtsprung durch die Beine der Chaoskreatur gerettet
hätte.
Kessel hatte sein Schwert verloren und seine Pistole war leergeschossen, also
griff er nach den beiden Dolchen an seinen Unterarmen und rammte sie dem Dämon
in den ungeschützten Rücken. Es war ein Gefühl als würde
er in bretonischen Plump-Pudding greifen, aber der Erfolg blieb nicht aus. Mit
lautem Plopp verschwand der Dämon um zwei kleinere blaue Vettern zurück
zu lassen.
Schwitzend wich der Hauptmann ein paar Schritte zurück um zu Atem zu kommen,
aber die Dämonen schienen keine Pause nötig zu haben. Wie mit dem
Katapult geschossen rasten sie in zwei Bögen auf ihn zu um ihn in die Zange
zu nehmen. Von zwei Seiten angegriffen hatte Kessel keine Chance. Er wand sich
nach rechts um wenigstens eine der Bestien mit zu nehmen. Der Aufschlag des
blauen Horrors war hart, aber Kessel brachte seine Klingen ins Ziel und der
Dämon zerstob in tausend blaue Flocken. Im selben Moment erwartete er von
hinten gepackt zu werden, aber der Angriff blieb aus. Verwundert wandte Kessel
sich um und sah Fraoch mit rasch dunkler werdendem Schwert hinter sich stehen.
"Jetzt sind wir Quitt Hauptmann."
"Trotzdem Danke!"
Die Dämonen waren in der Tat besiegt und alles was von ihnen übrig
war, war ein unbeschreibliches Chaos in der Praxis des toten Zauberers. Kessels
Blick fiel auf die Außentür.
"Dort liegt Wiesenbad."
"Tun sie sich das nicht an, lassen sie uns zu den Zwergen zurückgehen
sie könnten unsere Hilfe gebrauchen."
"Ogar kommt sehr gut allein zurecht und ich muss einfach sehen was aus
der Stadt geworden ist"
Kessel trat zu der Tür und stellte verwundert fest, dass sie nicht einmal
abgeschlossen war. Hinter der Tür lag ein verwüstetes Wiesenbad. Kein
Stein lag mehr auf dem anderen und wo noch vor kurzem dichte Häuserreihen
standen konnte Kessel nun bis zu den Ruinen des ausgebrannten Rathauses sehen.
Was wohl aus dem ängstlichen Haberschreck geworden war?
Der Hauptmann der Stadtgarnison wankte ein paar Schritte nach vorne und fiel
auf die Knie. Seine Hände griffen nach einer kleinen Stoffpuppe der eins
der Knopfaugen fehlte und deren weises Puppenkleid hässliche rote Flecken
hatte.
Kessel hatte keine Tränen für die verlorenen Leben Wiesenbads, aber
er hatte Hass für den Grauen Propheten der Skaven. Vor langer Zeit hatte
er am eigenen Leib den perversen Sadismus einer solchen Kreatur erlebt, war
wie die wenigen Überlebenden Wiesenbads in die Sklaverei des Rattenvolkes
gerate. Dafür und für alle Menschen die hier gestorben waren würde
diese spezielle Ratte zahlen. Er würde sie zahlen lassen. Das schwor er
bei Ulric und Myrmidia, bei Morr und Verena.
Hoch oben auf den Zinnen des Südturms blickte eine vermummte Gestalt auf
die zwei Abenteurer hinab. Der Vermummte war schlecht gelaunt. Seine Pläne
gingen in letzter Zeit nicht gut auf. Furchmahr hatte also auch versagt. Sein
unsäglicher Plan, die Skaven die Drecksarbeit für ihn machen zu lassen
war genau so gescheitert, wie seine lächerliche Beschwörung. All das
hatte ihn nicht nur nicht weiter gebracht, sondern ihn auch seine einmalig günstige
Stellung gekostet.
Einen Augenblick spielte er mit dem Gedanken sich einfach direkt auf die Beiden
zu stürzen und dem Ganzen ein Ende zu machen, aber einerseits wusste er
nicht, ob seine Kräfte ausreichten um es mit Fraoch und seinem Begleiter
auf zu nehmen und außer dem war das nicht der Weg Tzeentchs. Sein Meister
hatte ihn Geduld gelehrt und er würde geduldig auf eine neue Gelegenheit
warten.
Als sie zu den Zwergen zurückkehrten hatten diese, drei Monster und den
Lehrling des verblichenen Furchmahr getötet. Ogar putzte seine Axt, während
die anderen beiden sich gegenseitig verbanden.
"War'n guter Kampf, aber ich werde Gondreck und Rogar nach Hause schicken
müssen. Sie haben sich verletzt. Was machen wir als nächstes?"
"Wir?" Kessel sah den Zwerg verdutzt an.
"Gustav, wir haben uns ewig nicht mehr gesehen, und du warst immer für
nen guten Kampf zu haben. Irgendwas ist faul, sonst würdest du nicht mit
diesem
" Ogar schnitt eine Grimasse und nickte in Fraochs Richtung
"Elfen durch die Gegend ziehen. Also werde ich euch begleiten!"
"Aber sie wissen doch gar nicht um was es geht!" Flüsterte Fraoch.
"Eben und ich hoffe es ist eine lange Geschichte, schließlich bin
ich ein Zwerg: Ich liebe lange Geschichten."
Kessel setzte ein breites Grinsen auf und schlug dem Zwerg auf die Schulter:
"Ich freu mich Ogar! Eine Axt wie deine können wir bestimmt gut gebrauchen,
aber du musst Fraoch fragen: es ist seine Party."
Der Halbelf musterte den Zwerg eingehend. Für einen Augenblick sah es so
aus als ließe er sich zu einer schnellen Antwort hin reißen, dann
aber schluckte er seinen Stolz hinunter.
"Ein dritter Mann wäre sicher eine Hilfe." Sagte er.
"Sehr gut, dann erzählt mal ihr zwei, was treibt euch in diese Gegend?"
Also erzählten sie ihm von dem Schlüssel von Lor`scha und von den
Skaven, die hinter ihnen her waren. Sie schilderten ihm die Belagerung und den
Verrat des Magiers.
"Und wie wollt ihr den Schlüssel von Dingens nun auf die Elfeninsel
bringen?" Fragte der Zwerg nach dem sie geendet hatte.
"Wir werden in Altdorf oder Marienburg ein Elfenschiff finden, das mich
nach Ulthuan trägt." Antwortete Fraoch.
"Und bis dahin wollten wir dich fragen, ob du uns einen sicheren Weg durch
alte Zwergenstrassen zeigen kannst." Schloss sich Kessel an.
"Die alten Strassen in der nähe der Menschenstädte sind nicht
sicher. Die Skaven wimmeln dort überall herum. Wir können bis zum
Hundekopf im westlichsten Zipfel Talabeclandes kommen. Von dort sind es aber
noch ein paar Tagesmärsche bis nach Altdorf. Außerdem ist die Gegend
nicht die sicherste, aber es ist wahrscheinlich der schnellste Weg."
Fraoch dachte über den Vorschlag des Zwerges nach. Schließlich sagte
er: "Der Hundekopf also? Ich habe gehört dort sei der Herdenstein
eines Tiermenschen Stammes."
Ogar zuckte die Achsel: "Der Hundekopf ist groß und es gibt viele
Legenden. Außerdem hab ich ja nicht behauptet dass es ein sicherer Weg
ist. Wir könnten auch versuchen nach Marienburg zu kommen, aber das währe
ein langer Fußmarsch."
"Nein." Fraoch schüttelte den Kopf. " Der Hundekopf ist
in Ordnung. Wir sollten uns jetzt einen Rastplatz suchen und Morgen aufbrechen."
Ischika beeilte sich vor den fünf Gefährten verborgen zu bleiben.
Er hatte seine Beute belauscht und folgte ihr nun zu ihrem Ruheplatz. Wenn der
Elf und seine Freunde schliefen würden er und seine tapferen Krieger über
ihre ahnungslosen Opfer herfallen und er Ishika würde eine fürstliche
Belohnung einstreichen. Die Fünf kehrten zurück in die Geheime Kammer
hinter dem Stadtweiher um dort die Nacht zu verbringen. Der Meisterassassine
sammelte seine Leute um sich um den letzten entscheidenden Schlag zu führen.
Es war stockdunkel im Gang vor der Tür.
Ogar Nordaxt Sohn des Ugli und Clanherr des Axtbergtales langweilte sich zu
Tode. Es war nicht so, dass er ungeduldig war, nein er hatte einmal 20 Jahre
an einer einzigen Statue gearbeitet, denn ein Bildhauer brauchte Geduld. Es
war viel mehr, das er es hasste gar nichts zu tun. Deshalb haste er Nachtwachen.
Am liebsten hätte er ein Lied gebrummt, oder an einem Holz geschnitzt,
aber das ging natürlich nicht. Er musste wachsam sein, das war ihm klar
und er war es auch. Nachtwachen waren immer das schlimmste an einem Abenteuer.
Er hatte nichts gegen einen ordentlichen Kampf ein zu wenden und war auch bereit
dafür Hunderte von Meilen zu gehen, aber dieses nächtliche Rumgehhocke
zerrte an seinen Nerven. Nichts desto trotz war er froh, Gustav getroffen zu
haben. Seit er Clanherr war hatte er kaum noch Gelegenheit die Sippenfestung
zu verlassen. Er hatte die Skavenjagt aufgegeben und das er hier mit seinen
beiden Clanmännern unterwegs gewesen war lag nur daran, das er König
Drohag im Weltrandgebierge seine Aufwartung gemacht hatte. Seit sein Clan vor
fast zweitausend Jahren das Weltrandgebirge Richtung graue Berge verlassen hatte
war es Brauch, das jeder Clanherr bald nach seiner Ernennung beim alten König
vorsprach. Zwerge ehrten alte Traditionen und so war auch er losgezogen. Es
war ein gutes Fest gewesen, aber Ogar befürchtete das diese Reise sein
letztes Abenteuer würde, bevor ihn die Pflichten des Clanherren vollends
vereinnahmten. Mit Gustav nach Altdorf zu ziehen wäre ein guter Abschluss
für seine wilden Jahre.
Da war ein leises Kratzen auf den Bodenplatten. Ogar sog tief Luft ein. Skaven!
Er konnte sie riechen. Den Geräuschen nach fünf oder sechs. Er zog
an der dünnen Schnur die seinen Knöchel mit dem des Halbelfen verband,
der am Brunnen wache hielt und löste dann den Knoten. Schon konnte er undeutliche
Umrisse am Ende des Ganges ausmachen.
Die Tür neben ihm ging auf und Fraoch und Gustav traten in den Gang. Der
nachtblinde Mensch hatte eine Laterne dabei und als er die Blende aufdrehte
konnten sie die Gestalten von sechs Maskierten Skaven sehen. Der Größte
von ihnen gab einen zischenden Befehl und die anderen Fünf stürmten
vorwärts.
Ogar zog seine Kampfmaske vors Gesicht und trat ein paar Schritte vor. Er breitete
die Arme aus und brüllte. Sein Schrei schien durch die Maske zehnfach verstärkt
und so klang er mehr als ein schmerzenstoller Minotaur als ein Zwerg. Der Effekt
war Furcht erregend und zeigte Wirkung. Die Skaven gerieten ins Straucheln,
als die Vorderen abbremsten, aber von den Hintermännern weitergedrängt
wurden. Nun nahm der Zwerg die Axt in beide Hände und sprintete seinerseits
auf die Rattenmenschen zu. Sein Brüllen hatte sich in ein Lachen verwandelt,
das klang als stürzten Felsen einen Steilhang hinab. Die Schulter voran
warf er sich auf die Skaven. Mit dem gepanzerten Ellenbogen schlug er einer
Ratte die Zähne aus und trieb einer zweiten die Axt in den Leib. Eine dritte
bekam einen Fußtritt gegen den Brustkorb, das die Rippen brachen. Die
letzten zwei Skaven wandten sich zur Flucht, aber Ogar enthauptete eine von
ihnen mit einem linkshändig geführten Rückhandschlag. Dann machte
er seinen benommenen Opfern den Garaus und kam breit grinsend zu den staunenden
Gefährten zurück. Das war es was er an Abenteuern liebte.
Kessel stand der Mund offen. Er hatte die ehrfurchtgebietende Stärke seines
Freundes fast vergessen. Nach dieser Demonstration seiner Kraft war der Hauptmann
doppelt froh ihn dabei zu haben und auch aus Fraochs Gesicht konnte er nichts
anderes als Anerkennung lesen.
Ischika rannte was das Zeug hielt. Wo kam dieser wahnsinnige Zwerg nur her?
Er würde zu Sknitsh gehen und ihm die Informationen verkaufen die er hatte.
So konnte er retten was zu retten war und vielleicht einen kleinen Profit erwirtschaften.
Er fühlte ein kurzes Kribbeln und hatte für einen Augenblick das unangenehme
Gefühl nicht allein in seinem Kopf zu sein, fing sich dann aber und verschwand
im Keller des Magierturmes.
Der Maskierte stand im Schatten unter dem Fundamenten des Turms. Seine schwarze
Gestallt war vor dem feuchten Zwergenmauerwerk unsichtbar, selbst für die
Augen der beiden Skaven, die in Panik an ihm vorbei flohen. Ein einfacher Zauberspruch
genügte und er konnte im Verstand des Anführers lesen wie in einem
offenen Buch. Diese Kreatur war so schwach. Aber sie hatte Informationen, sehr
nützliche Informationen. Tzeentch hatte seine Geduld belohnt. Am Hundekopf
würde er bekommen was er suchte.
Der Weg durch die Dunkelheit schien endlos. Seit Tagen oder vielleicht Wochen
wanderten die Drei durch das unterirdische Wegenetz der Dawi. Die meisten Gänge
wurden nur durch sporadische Leuchtkristalle erhellt, aber in manschen Teilen
fehlten selbst die. Ogar machte das alles nichts aus, dies war seine Welt und
seine gute Laune färbte ein wenig auf Kessel ab, so dass dieser durch die
Trostlosigkeit ihrer Wanderung nicht all zu sehr verzweifelte. Am schwersten
aber hatte es Fraoch. Der Halbelf war in den weiten Forsten Bretonias aufgewachsen
und fühlte sich unter der Erde gefangen. Der Mangel an natürlichem
Licht schlug ihm aufs Gemüt und an ein freundschaftliches Verhältnis
zu dem Zwerg war nicht zu denken. Vielmehr schien ihn die ausgelassene Art des
Dawi noch mehr zu bedrücken.
Jede Nacht verbrachten sie in gleichförmigen Gasträumen mit frischem
Wasser und an einem warmen Feuer. Ogar und Kessel unterhielten sich dann oft
noch lang über alte Zeiten und ihr Leben seit sie sich das letzte Mal gesehen
hatten.
"Eine feine Pistole hast du da, Gustav. So eine Waffe sieht man nicht oft!"
"Ein Magistrat Marienburgs hat sie mir vor fünf Jahren Geschenkt.
Seit dem hat sie mir gute Dienste geleistet."
"Du nutzt sie seit fünf Jahren, kann ich sie mal sehen?"
"Natürlich." Gustav gab ihm die große Faustwaffe.
Der Zwerg untersuchte die Waffe ein paar Augenblicke und nahm besonders den
Lauf in Augenschein.
"Dachte ich's mir doch: Eine zwergische Arbeit."
"Ja, so was in der Richtung habe ich mir auch gedacht, sie schisst einfach
zu genau für ihr Gewicht."
Zwar gab es bereits seit Jahren auch im Reich zuverlässige Arkenbusen,
die von Menschlichen Ingeneuren gebaut wurden, doch war bei diesen Waffen das
Zielen eher eine Sache des guten Willens, als von Übung. Auf dem Schlachtfeld
machte das nicht viel aus, schränkte aber sonst den Wert von Feuerwaffen
sehr ein. Die Technicus Akademie hatte dieses Problem durch lange engere Läufe
gelöst, doch waren solche Waffen sehr groß und zu kompliziert zu
laden um von taktischem Wert zu sein.
Bei Pistolen war nun das Problem noch größer. Je kürzer eine
Pistole war, desto ungenauer schoss sie. Darüber hinaus musste verhindert
werden, dass die Ladung aus der getragenen Pistole fiel. Also musste auch hier
der Lauf sehr eng sein. Daraus folgte, je kleiner eine Pistole war, desto unzuverlässiger
war sie. Einzig die Zwerge schienen eine akzeptable Lösung für diese
Probleme gefunden zu haben. Zwar war auch Kessels Pistole noch fast so lang
wie sein Unterarm, aber sie schoss sehr genau.
"Würdet ihr uns euer Geheimnis verraten, könnten wir in wenigen
Jahren Armeen mit Feuerwaffen ausrüsten. Das Chaos und seine Kreaturen
hätten nichts mehr zu lachen!" Kessel sprach mit wenig Elan, er wusste
Zwerge würden nie eines ihrer Gildengeheimnisse mit Außenstehenden
teilen. Außerdem hatte er als Soldat Angst vor solchen Kriegen.
"Ja, bis zu dem Tag, das ihnen irgend ein Überläufer das Geheimnis
in die Hände spielt. Nein, Gustav, es gibt zu viel Verrat unter den Menschen."
Antwortete der Zwerg und winkte ab.
Kessel verdrehte die Augen: "Jetzt klingst du wie Fraoch!"
"Vielleicht hat ihr Freund einfach Recht, Hauptmann."
Kessel erschrak als er die Stimme des Elfen hörte: Einmal weil er geglaubt
hatte er schlafe und dann weil sie noch immer nicht viel mehr war als ein lautes
Flüstern. Die äußere Wunde am Hals war weitgehend verheilt und
hatte eine feine Narbe hinterlassen, innerlich jedoch schien größerer
Schaden entstanden zu sein.
"Trotzdem sind mir die Menschen noch treuere Verbündete als andere.
Ich sage wer im Glashaus sitzt soll nicht mit Steinen schmeißen."
Ogar sprach mit ruhiger Stimme, aber Kessel erkannte einen Streitsüchtigen
Zug um die Augen des Zwerges. So waren Zwerge nun mal.
"Genau diese kleinliche nachtragende Art macht es unmöglich vernünftig
mit dem Volk der Dawi zu reden!" Kessel war erstaunt, das Fraoch auf diese
durchsichtige Provokation Ogars einging, aber scheinbar hatte auch er einige
Spannungen abzureagieren.
"Kleinlich?" brauste der Zwerg auf "Nennt ihr Bartscherer Vertragsbruch
und Jahrhunderte Krieg Kleinigkeiten!"
"Ihr seid es doch gewesen, die den Krieg vom Zaun gebrochen haben
"
Kessel lehnte sich zurück und lächelte. Noch zuverlässiger als
die Falschheit der Menschen war das Mistrauen zwischen Zwergen und Elfen.
Das Brüllen des einen und das Zischen des Anderen war noch lange zu hören.
FORTSETZUNG FOLGT
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