Mit leisem Knirschen zog Damien den Deckel zur Seite, der ihm
Zugang zum Kanalsystem gewährte. Hier unten stank es bestialisch...die
Millionenstadt Altdorf über ihm spülte täglich
ihre gesellschaftlichen Abfälle in die Kanalisation, danach
in den Reik und zu guter Letzt in die große See. Hastig
entfaltete der Meisterdieb ein kleines Stück Pergament,
das ihn 20 Goldkronen gekostet hatte. Doch wahrscheinlich war
die Karte ihr Geld wert, alles was der einäugige Jim im
toten Eber unter der Hand verkaufte, war sein Geld wert.
Man mußte sich hier unten gut auskennen, denn hier gab
es viele Gefahren...Untiefen, Dekaden alte Fallen...manchmal
sogar schlimmeres wie Kultistenzirkel oder marodierende Skavenbanden,
die wie die Gilde der Meisterdiebe das Kanalsystem für
ihre dunklen Pläne mißbrauchte.
"Zweimal links...80 Schritte...rechts...200 Schritte...links...Aha!"
Damien stand vor einer rostigen Treppe, die in die dunklen Tunnelgewölbe
hinauf führte.
"Ich komme, mein Liebling!"
In ungefähr 20 Metern Höhe endete die Leiter an einer
morschen Holztür, die aber mit verdammt soliden Stahlbolzen
gesichert war. Damien griff in den Lederbeutel an seinem Gürtel
und holte eine schwarze Phiole hervor. Von dieser entfernte
er den Korken und tröpfelte einige Tropfen auf die eisernen
Riegel. Ein beißender Gestank und ein permanentes Zischen
waren das Ergebnis. Durch leichten Druck konnte er nun die Tür
aus den Angeln heben und gelangte in den Raum dahinter.
"Wie praktisch dieser kleine Alchimist doch ist..."
Im düsteren Fackelschein erkannte er mehrere schwere Eichenfässer,
sowie Regale mit diversen Weinflaschen.. Er war in den Weinkeller
des alten Mannes gestiegen!
Der Dieb trat näher an eines der Regale heran.
"Mmmh... Chateu du Brionne! Guten Geschmack hat er ja..."
Ein Geräusch lies ihn in den Schatten an der Wand huschen,
vorsichtig spähte er ums Eck, wo die Ursache des Geräusches
lag...oder sich besser schlafen gelegt hatte.
Ein dicker Wächter war eingenickt neben der massiven Eichentür,
die zu den oberen Räumen führte. In seiner Hand hing
schlaft eine Hellebarde, sowie der Grund für seinen Tiefschlaf:
Ein leerer Krug! Schon von weitem konnte man den markanten Geruch
von Bugmanns XXX erkennen.
Ein gezielter Keulenschlag sorgte dafür, daß der
Wächter auf keinen Fall in Damiens Plan hineinpfuschen
würde.
Mit dem geborgten' Schlüsselbund wagte sich der Meisterdieb
nun in das Haus hinein. Durch Schatten huschend, sich hinter
Säulen verbergend und keinen Laut verursachend bewegte
er sich durch das Haus und alarmierte keine Menschenseele. Die
einzige brenzlige Situation, die ein charismatischer Rottweiler
heraufbeschwor, wurde von Damien elegant gelöst, durch
den Einsatz eines vergifteten Hundekuchens. Aber nun stand er
vor einem großen Problem: Von einer Balustrade aus blickte
er in das Atrium, das vor Wächtern nur so wimmelte. Hier
mußte er vorbei, ob er wollte oder nicht. Der offene Innenhof
war hell erleuchtet durch Fackeln, Pferdelaute drängten
von den Stallungen herüber und am Brunnen in der Mitte
putzten große, finstere Burschen ihre Bihänder.
Doch es gab eine Möglichkeit: Über den Hof verlief
eine bleierne Abflußrinne, die ein geschickter Kletterer
passieren könnte, doch diese war im Blickfeld des Wächters
auf der gegenüberliegenden Balustrade, der eine ziemlich
große Muskete über den Knien liegen hatte.
Damien ging im Schatten in die Hocke und kramte etwas aus seinem
Rucksack. Hervor kam eine handliche Armbrust, Typ MK. IV Vampyre,
500 Goldstücke, nur in Nuln erhältlich. Mit diesem
Präzisionsinstrument erschoß man einen Mann auf 150
Metern präzise und lautlos.
Der Bolzen durchbohrte die Kehle des Musketiers, wodurch er
keinen Todeslaut, außer einem leisen Röcheln von
sich gab.
Mit Hilfe eines Kletterseils war Damien schnell auf der Spitze
des Daches, und sah den Hof zehn Meter unter sich. Die Wächter
bemerkten ihren toten Kameraden nicht, der nur wenige Metern
neben ihnen, im Schatten des Vordaches, an eine Säule genagelt
war.
"Für einen guten Kletterer eigentlich kein Problem?...Da
stimmt was nicht...!"
Damien griff wieder in den Rucksack und holte ein Paar gepanzerte
Handschuhe hervor. Auf allen Vieren begann er jetzt die Rinne
zu überwinden.
Ein Knirschen unter seiner Hand lies ihn den Atem anhalten.
Er hatte also Recht gehabt: Schwarze Metalldornen waren an die
Rinne gelötet worden um Einbrecher aufzuhalten. Wahrscheinlich
waren die Spitzen vergiftet. Doch das Gift störte ihn nicht,
den seine gepanzerten Handschuhe zerdrückten alle Eisendorne
auf effiziente Art.
Wenn aber die Wächter etwas hören würden, würde
ein Blick nach oben genügen, um seine schwarze Silhouette
gegen den gelben Mond zu entdecken. Die perfekte Gelegenheit
um ihn mit Blei zu durchlöchern!
"Was' war'n das Kumpel?"
"Was..."
"Dieses Knirschen...klang wie Gnarrhwrschh!'..."
"Du solltest weniger Schnaps saufen!"
"Nein...da war es wieder!"
Schweigen
"Ach, das sin' nur die Ratten...!"
"Hey ihr Faulpelze, was quatscht ihr da...kümmert
euch um die Pferde!"
Nachdem sich die Wächter unter seinen Stiefeltritten zu
den Ställen gesellten, blickte der Hauptmann in den klaren
Abendhimmel über den Hof.
"Seltsam....könnte schwören, da oben wäre
ne Ratte von der Dachrinne gesprungen! Ach...Quatsch!"
Damien stand nun laut der Karte vor dem Eingang der Schatzkammer...das
erklärte auch die Anwesenheit von zwei Wächtern in
voller Rüstung.
Nun kam der gefährlichste Teil seiner Arbeit...er mußte
sich zeigen und sie töten! Mit katzengleicher Grazie sprang
er aus dem Schatten, zog seinen Rapier und stieß die Klinge
dem ersten in den ungeschützten Hals, während dieser
noch gurgelte, schüttelte der andere seine Verblüffung
ab und wollte den Mund öffnen, um Alarm zu schlagen.
"WA....oh...verdammt!" brachte er noch hervor, bevor
er zusammenbrach. Eine beachtliche rhetorische Leistung, für
jemand, dem ein zehn Zentimeter langes Wurfmesser im Bauch steckte.
"Sigmar...bin ich gut!"
Das Schloß hielt ihm nur eine Minute stand, dann stand
er in der Schatzkammer. Aber hier gab es kein Geschmeide, Gold
oder Juwelen...nur dieses Pergament. Das mußte es sein!
Damien stopfte es sich unter seinen Lederwams und verließ
das Anwesen so schnell wie er gekommen war durch ein Seitenfenster...leise
und unbemerkt.
Jetzt schnell zu diesem dunklen Typen...die Belohnung abholen...auf
einen schnellen Humpen im Goldenen Zwerg...und dann zu Marie!
"Aaaaaargh!"
Damien blickte ungläubig auf den Degen, der in seiner Brust
steckte. Sein Leben quoll Literweise aus ihm hervor...es war
vorbei. Der Typ hatte hinter der Ecke gestanden und auf ihn
gewartet, aber es hatte ihn doch keiner bemerkt...?
"Keiner bestiehlt mich unbemerkt...!" grummelte Holstberg
der Zauberer, und verschwand mit der Pergamentrolle im Nebel...
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