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ANDREA DANKS - "DER DUNKLE PFAD INS LICHT"

1

Sie hatten die Verfolgung aufgegeben, denn die Stärke der Elben schien unüberwindlich. Bis tief in die Wälder waren sie der ungewöhnlichen Bande gefolgt, die aus zwei Menschen, einem Elb, einem Zwerg und vier kleineren Kreaturen bestand, deren Rasse ihnen unbekannt war. Voller Zorn gegen diese Eindringlinge ließen sie sich in der Nähe der Bäume nieder und schlugen ein Lager auf.
Trotz ihrer Wut, schlich sich auch langsam Furcht in ihre Herzen, denn die Gruppe, die sie verfolgten war mehr als merkwürdig. Unbemerkt waren sie in ihr Heim, in die unterirdischen Gänge Morias eingedrungen und hatten, nachdem man sie schließlich entdeckt hatte, unzählige ihrer Gefährten getötet. Was war der Grund dafür, dass sich eine solch ungewöhnliche Ansammlung der verschiedenen Rassen gebildet hatte, fragten sie sich. Welcher Grund mochte sie dazu veranlasst haben sich in ihr Reich vorzuwagen? Wie es für Orks typisch war, konnte sich keiner von ihnen vorstellen, dass es Wesen geben mochte, die nicht bei ihrem Anblick vor Furcht erbleichten. Doch diese Gruppe hatte es getan und einer von ihnen stellte sich sogar dem gefürchteten Balrog in den Weg! Er war bereit gewesen, sein Leben für seine Gefährten zu opfern und hatte sogar Erfolg damit gehabt, denn der Balrog war nicht wieder zurückgekehrt.
Bis in die Wälder Lóriens waren ihnen die besten Kämpfer der Orks nun gefolgt, doch mit der Meute Elben, die sich ihnen hier entgegenstellte, hatten sie nicht gerechnet. Die meisten von ihnen waren getötet worden, doch ihre Gruppe, unter der Führung von Thraklok, konnte entkommen.

Thraklok glich den übrigen Moria-Orks nur wenig, da er viel größer war als diese und er sich nicht in gebückter Haltung bewegte, sondern aufrecht ging. Auch seine Haut glich nicht der ihren. Obwohl sie von unzähligen Narben verunstaltet war, wirkte sie sehr hell, bis auf jene Stellen auf Wangen und Stirn, die wie von Feuer geschwärzt wirkten. Diejenigen unter ihnen, die mehr Verstand besaßen, hatten es bald aufgegeben ihn wegen seiner Andersartigkeit zu verspotten, denn er neigte dazu die Köpfe solcher Narren abzuschlagen. Trotz allem, war er schließlich einer der besten und brutalsten Kämpfer der Orks. Dies hatte ihm auch seinen Namen eingebracht, der in der dunklen Sprache „Elbenpein“ bedeutete.
Seinen richtigen Namen kannte niemand, nicht einmal er selbst. Solange sich die Orks von Moria erinnern konnten, war er bei ihnen gewesen. Da er aber von anderer Gestalt war, musste er zu einem anderen Orkstamm gehören. Keiner jedoch wusste, woher er gekommen war, aus welchen Landen er stammte und wann er sich zu ihnen gesellt hatte.

Auch er selbst konnte diese Fragen nicht beantworten, denn sein Wissen um die Zeit, bevor er zum Nebelgebirge kam, war verschwommen. Er erinnerte sich an lange Wanderungen, doch wollte er tiefer in dieses Wissen vordringen, plagten ihn Schmerzen, körperlich wie seelisch. Alles, was er und die anderen wussten war, dass er sehr alt war, älter als jeder andere unter ihnen und dass sich keiner von ihnen im Kampf mit seinen Fähigkeiten messen konnte. Den Verletzungen, die er sich dabei zugezogen hatte, wie auch seinem hohen Alter, schrieb er daher auch seinen Erinnerungsverlust zu.

Nun saß Thraklok da und blickte auf die Wälder, in der sich ihre Beute versteckt hielt. Er glühte vor Zorn über die Elben, aber auch über die Feigheit seiner eigenen Mitstreiter, von denen viele beim Anblick dieser verwegenen Wesen die Flucht ergriffen hatten. Er selbst kannte keine Furcht. Viele Ereignisse seines Lebens hatte er vergessen und daher konnte ihm seine Erinnerung keinen Streich spielen. Selbst der Balrog konnte ihn nicht entmutigen, denn er wusste nichts über dessen Macht.
Nur ein einziges Mal hatte sich Angst in sein Herz geschlichen und dies war erst einige Tage her. Als jener grau gekleidete Zauberer den Balrog herausforderte, hatte er in seine Augen geblickt und Furcht verspürt. Er spürte, dass dies kein Mensch gewesen sein konnte, sondern ein anderes, gefährlicheres Wesen mit weit größerer Macht. Doch er bekam keine Gelegenheit sich für dieses schreckliche Gefühl, das er erlebt hatte, zu rächen, da der Zauberer mit dem Balrog in den Abgrund gestürzt war. So konzentrierte er seinen Hass auf die Gefährten des alten Mannes, die ihn begleitet hatten und noch immer am Leben waren.

„Wir werden uns unsere Beute nicht entgehen lassen!“ schrie er den anderen Orks entgegen. „Und wenn es Tage dauert, irgendwann werden auch sie die Wälder verlassen müssen! Und dann werden sie unseren Zorn zu spüren bekommen!“ Mit diesen Worten hämmerte er auf seinen armseligen Schild ein, der nur noch aus Holzsplittern zu bestehen schien. Sämtliche Orks folgten seinem Beispiel und schrieen seinen Namen, während auch sie mit ihren Schwertern und Äxten auf ihre Schilde klopften. Niemand schien zu befürchten, dass dieser Höllenlärm die Aufmerksamkeit der Elben auf sie lenken könnte. Vielleicht lag es sogar in Thrakloks Absicht dies zu bewirken. Die Elben jedoch rührten sich nicht.


2

Als die Nacht hereinbrach, stellten die Orks Wachen auf, sowohl um auf ihre Opfer zu achten, als auch um ihrer eigenen Sicherheit willen. Thraklok teilte sich selbst, wie es seiner Art entsprach, für die erste Wache ein. Seine Mitstreiter sahen in diesem Verhalten seine Fähigkeiten als Anführer bestätigt, doch die Wahrheit war, dass Thraklok seit seiner Begegnung mit Gandalf dem Grauen den Schlaf fürchtete. In den vergangenen Tagen war er jede Nacht von Träumen heimgesucht worden, von unheimlichen, machtvollen Wesen belebt, die ihm fremd waren und in denen er selbst gegen Balrogs kämpfte. Träume, aus denen er voller Furcht und Verwirrung erwachte. Um diesen zu entgehen, versuchte er den Schlaf möglichst zu meiden.

Wie in den Nächten zuvor, saß er auf einem kleinen Hügel, wenige Schritte vom Lager der anderen entfernt. Seine erhöhte Position erlaubte es ihm, tiefer in den Wald hineinzublicken und zugleich die umliegenden Wiesen im Auge zu behalten. Lange saß er dort in der Dunkelheit und versuchte den Schlaf von sich fern zu halten. Und zuerst glaubte er auch, dass er eingeschlafen sei und träume, als das Licht keine zehn Schritte von ihm entfernt zwischen den Bäumen aufflackerte. Rasch sprang er auf, streckte seine Glieder und wischte sich den Schlaf aus den Augen. Vorsichtig näherte er sich der Stelle, an der das Aufleuchten zu sehen gewesen war. Oder entsprang es doch nur seiner Einbildung?
Plötzlich nahm er eine leise singende Stimme war – eine Frau sang dort, lieblich und betörend, dass es seinen Ohren schmerzte. Er war ein Ork und hasste derart sanfte Klänge und doch zogen sie ihn wie magisch an. Die Bäume um ihn herum hatten etwas Unwirkliches an sich, denn ein leichter Nebel wallte um sie her. Er überlegte, ob er seine Kameraden wecken und Alarm schlagen sollte, doch die seltsame Atmosphäre in der er sich befand hielt ihn davon ab. „Dies kann nur ein Traum sein,“ sagte er sich. „denn kein Elbenweib würde sich hierher wagen, kurz nachdem ihr Land von uns angegriffen wurde. Selbst Elben können nicht so dumm sein.“ Und so folgte er der Stimme immer tiefer in den Wald. Bald schon war er von den riesigen Mellyrn umschlossen, deren silbrige Borke selbst in der Nacht noch geheimnisvoll strahlte.
Obwohl er die Worte des Liedes, dem er folgte, nicht verstand, fühlte er sich davon angesprochen. Über Wurzeln, Steine und durch dichtes Unterholz lief er der unbekannten Frau nach, von der er nicht einmal sicher sein konnte, dass sie real war und nicht nur eine List der Elben. Solcherlei Gedanken kamen ihm in jenen Momenten nicht, denn die zarte Melodie hielt ihn im Bann.

Nach einiger Zeit gelangte er zu einer Lichtung, in der das Leuchten umso strahlender schien. Er bemerkte kaum, dass er sich inzwischen sehr weit von seiner Gruppe entfernt hatte und man ihn nicht bemerken würde, sollte er Alarm schlagen wollen.
Dort erblickte er sie. Ein Wesen von strahlender Schönheit und Anmut – Galadriel, die Herrin des Waldes. Selbst dieser blutrünstige Ork, der sonst nur Schrecken und Hässlichkeit kannte, erbleichte und verstummte ob ihres Anblicks. Langsam, mit einer fließenden Bewegung, bei der ihr silberfarbenes Kleid wie das Rascheln der Blätter wisperte, drehte sie sich zu ihm um und blickte ihm tief in die Augen. Erstaunen legte sich über Thraklok und noch ein anderes Gefühl, dass er kaum zu beschreiben vermochte - Wiedererkennen?
Obwohl er niemals in diesen Wäldern gewandelt war und er sich an nichts aus seiner Vergangenheit zu erinnern vermochte, spürte er doch, dass er diese erhabene Elbin schon einmal erblickt hatte. Wie aber mochte dies möglich sein? Zweifel überkam ihn und ein Schmerz, wie er immer eintrat, wenn er die Vergangenheit zu erhellen suchte. Noch bevor aber aus diesem Leid Wut geboren werden konnte, erhob Galadriel ihre Stimme und sprach: „Allzu lange ist es her, dass wir einander begegneten und sich dein Schicksal wandelte. Dein Schmerz aber wird gelindert werden und das Licht der Zukunft die Dunkelheit in deinem Geist erhellen, also verzage nicht.“

Geblendet vom Schmerz und vom Klang ihrer Stimme schloss Thraklok die Augen. Mit zitternder Stimme murmelte er vor sich hin „Wovon sprichst du, Elbenweib? Niemals sind wir einander begegnet, denn sonst würde dein blutender Leib den Boden beflecken und du könntest hier nicht eitel vor mir stehen. Woher willst du wissen, was mir die Zukunft bringen mag? Behalte deine schäbige Elbenmagie, denn einen Ork vermag sie nicht zu blenden.“
Noch immer hielt er die Augen geschlossen, als er schließlich eine andere Stimme vernahm. „Thraklok! So also verbringst du deine Wache! Schlummernd auf einem Stein und kleine Geschichten vor dich hin brummend. Was ist dies für ein Unsinn, denn du da redest?“
Als er die Augen schließlich öffnete, stand Ublar vor ihm, einer aus seiner Kriegerschar. Er selbst befand sich immer noch auf dem Hügel, auf den er sich zu Beginn seiner Wache begeben hatte. Mittlerweile graute der Morgen und die ersten Sonnenstrahlen erhellten den Himmel.
„Geh zurück zu deiner Horde!“ schrie Thraklok. „Was ich spreche, hat dich nicht zu interessieren. Es sei denn, ich brülle es dir ins Gesicht. Nun geh schon und weck die anderen. Wir werden unser Lager heute abbrechen.“
Verwirrt machte sich Ublar auf den Weg zurück. Es hatte keinen Sinn Thraklok zu widersprechen, wenn er in solch schlechter Verfassung war, musste man befürchten seinen Kopf zu verlieren. Und Ublar sorgte sich mehr um sein eigenes Leben, als um den Sinn der Anweisungen eines Anführers.


3

Thraklok blieb noch eine Weile auf dem Hügel sitzen und blickte in den Wald hinein. Eben war er doch noch darin gewesen, wie war er wieder hierher gelangt? War es also doch alles nur ein seltsamer Auswuchs seiner Einbildung gewesen?
„Weshalb aber,“ so fragte er sich „sehe ich dann immer noch deutlich das Antlitz Galadriels vor mir? Galadriel? Ist dies also ihr Name? Woher kenne ich ihren Namen? Da sie ihn doch nicht genannt hat und es ohnehin nur ein Traum war? Irgendwo muss ich ihn schon einmal gehört haben, nur habe ich es vergessen.“
Er war schließlich ein Ork und es entsprach nicht seiner Art, sich solchen Gedanken und Gefühlen länger hinzugeben. Schnell verdrängte er dies aus seinem Kopf und machte sich ebenfalls auf den Weg ins Lager zurück.

Als er dort ankam, hatten sich die übrigen Orks bereits versammelt und begrüßten ihn äußerst mürrisch.
„Was habt ihr jetzt schon wieder zu klagen, ihr räudigen Würmer?“ fragte Thraklok sie.
„Aus welchem Grund sollen wir das Lager räumen? Noch haben wir unsere Beute nicht erlegt. Ist der mächtige Thraklok plötzlich weich geworden, dass er aufgibt, bevor er sein Ziel erreicht hat?“ Es war Nazrót, einer von jenen, die schon lange versuchten Thraklok zu stürzen, um seine Position übernehmen zu können.

Neid erfüllte Nazróts Herz, denn er missgönnte Thraklok seine Position als Anführer, glaubte er doch viel stärker und fähiger zu sein als dieser. Thraklok war auserwählt worden, die Verfolgung der Eindringlinge zu leiten, obwohl doch ihm diese Aufgabe gebührt hätte. Denn auch er hatte sich unzählige Male im Kampf bewiesen und war siegreich von Plünderungen zurückgekehrt. Vieles hatte er für sein Volk geleistet, doch immer war es Thraklok, dem der Ruhm und die Ehre zufielen. Dabei war auch er, Nazrót der Unüberwindliche, wie er sich selbst gern nannte, nicht vom gleichen Stamme wie die Moria-Orks. Ebenso wie sein erbitterter Widersacher, war auch er ein Fremder in dieser Gruppe, großgewachsen und schlagkräftig. Einst war er aus der Nähe Mordors nach Moria gezogen, weil er sich in seiner alten Heimat gelangweilt habe. Selbstverständlich wusste keiner, dass er hatte fliehen müssen, da er auch dort die Macht an sich zu reißen versucht hatte und dabei kläglich gescheitert war. Viel lieber stellte er sich als einer der Großen seines Stammes hervor, der das erbärmliche Verhalten seines Volkes nicht mehr ertragen konnte und nach Höherem strebte. Diese Erzählungen waren es, die ihm einen Platz unter ihnen gesichert hatte (und die Tatsache, dass er alle, die sich gegen ihn aussprachen, brutal niedermetzelte). Jetzt sah er endlich seine Chance, auch Thraklok loszuwerden und seinen Platz einnehmen zu können. Eine Gelegenheit, auf die er lange gewartet und welche er ebenso akribisch vorbereitet hatte. Wann immer Thraklok nicht zugegen war, hetzte er die übrigen gegen ihn auf, indem er sie auf die Fehler seines Handelns aufmerksam machte. Thraklok selbst hatte ihm dies in den letzten Tagen sehr leicht gemacht, da er nicht bei vollen geistigen Kräften schien und so nicht bemerkte, was um ihn herum geschah.

„Es ist hier nicht sicher, denn die Elben beginnen ihre Magie gegen uns zu nutzen.“ antwortete Thraklok auf Nazróts Anklage. „Letzte Nacht suchte mich ihre Herrscherin heim und legte mich in Schlaf. Mit wundersamen Worten suchte sie meinen Geist zu verwirren, wohl in der Hoffnung, dass wir vor Schrecken und Verzweiflung fliehen würden. Doch wir werden nicht gehen, nur unser Lager werden wir an einem anderen Ort aufschlagen, dass sie uns nicht so leicht finden können.“
„Du elender Feigling!“ zischte Nazrót. „Die Magie der Elben suchst du als Ausrede für dein Versagen und als Grund für deine Feigheit. Niemand hat dich behext in der letzten Nacht, denn nicht zum ersten Mal bist du deinen Aufgaben schlecht nachgekommen. Erneut versuchst du zu verbergen, wie wenig du als Anführer taugst. Du warst es, der uns befahl bei Nacht zu schlafen und Wachen aufzustellen, obwohl du weißt, welche Qualen uns der Tag mit seinen Sonnenstrahlen bereitet. Doch wenn wir kraftlos sind, erkennen wir vielleicht nicht mehr, wie sehr du wünschst von hier fort zu kommen und wie sehr die Angst dich beherrscht.“
„Schweig!“ schrie Thraklok. Er zog seinen Dolch und legte ihn blitzschnell an Nazróts Hals. Seine Bewegung war so geschwind, dass Nazrót sich seiner nicht erwehren konnte. Ein erschrecktes Grunzen war alles, was er von sich gab. „Wenn du nicht still bist, werde ich dir die Kehle durchschneiden! Etwas, das ich schon eher hätte erledigen sollen, denn du bringst nur Zwietracht und Neid in unsere Gemeinschaft. Ich hatte guten Grund euch tags wachen zu lassen, denn unsere Beute weiß um unsere Abscheu vor dem Tageslicht und wird daher bei Tage den Wald verlassen. Wenn ihr dann aber schlaft, wird sie uns entgehen. Ist es etwa das, was du willst? Falls ja, wer von uns ist dann der Feigling und der Versager?“
Nazrót, der sich in Thrakloks Umklammerung kaum bewegen konnte ohne Gefahr zu laufen dessen Dolch zu nahe zu kommen, zischte nur: „Zu lange schon, hast du deine Märchen verbreitet, doch heute ist der Tag, an dem damit Schluss ist. Diesen Ort wirst du nicht lebend verlassen! Ublar!“
Ublar hatte sich langsam von hinten an Thraklok herangeschlichen und drückte diesem nun wiederum seinen Dolch in den Rücken. Thrakloks überraschter Aufschrei überzeugte Nazrót davon, dass auf seinen getreuen Diener Verlass war. „Ich bin nicht allein, wie du siehst. Und noch viele andere hier teilen meine Meinung. Wie viele von uns kannst du töten, bevor wir dich erwischen?“ Er lachte laut, als er sich aus Thrakloks Griff wand, um sich ihm gegenüberzustellen.
„Nicht nur du hast Freunde hier.“ Thraklok sprach ruhig und ohne Furcht, obwohl er im Innersten zitterte, konnte er doch nur hoffen, dass ihm noch Verbündete geblieben waren. Zu stark hatte er in letzter Zeit seine Aufgaben als Anführer vernachlässigt, sich zu wenig den Gehorsam seiner Gefolgsleute gesichert. Wie viele von ihnen waren bereits auf Nazróts Seite übergelaufen, während er seinen wilden Träumen nachhing? Zu unbeständig war das Wesen eines Orks, zu wechselhaft seine Meinung und seine Loyalität, wenn ein anderer die Chance bekam auf sie Einfluss zu nehmen. Und diese Chance hatte er Nazrót unfreiwillig gegeben.

Während er noch zweifelte, spürte er einen Druck in seinem Rücken und einen leichten Stich. Darauf folgte ein Stöhnen. Es war Ublar, der tot hinter ihm zusammensackte und noch im Sterben versuchte, seinen Dolch in Thrakloks Rücken zu stoßen. Doch Thraklok spürte, dass seine Kraft nicht ausgereicht hatte, um ihn tödlich zu verwunden. Nur ein leichtes Rinnsal an Blut floss seinen Rücken hinab.
„Ja, er hat noch Freunde hier!“ es war Magrot, der mit blutverschmierter Klinge hinter ihm stand und lächelte. Magrot war in all den Jahren in Moria immer an seiner Seite gewesen, so auch jetzt.

Schlagartig brach die Hölle los, denn nun, da Blut geflossen war, gerieten die Orks in einen Rausch. Überall fingen Schlägereien und Gemetzel an zwischen den Anhängern Thrakloks und Nazróts. Zwei von Nazróts Männern stürzten sich auf Magrot und schlugen ihn nieder, während wieder andere versuchten, diese zwei von ihrem Treiben abzuhalten. Auch Thraklok benutzte seinen Dolch und zog zusätzlich sein Schwert, um seine Feinde zu erschlagen. Doch immer suchte er dabei nach Nazrót.
Ohne Erbarmen schlitzte er jedem, der sich ihm in den Weg stellte, den Bauch oder die Kehle auf. Schlug nahezu wahllos Gliedmaßen und Köpfe ab. Er genoss es, seiner Wut freien Lauf zu lassen und sich im Blut seiner Feinde zu suhlen.


4

Nur kurz währte das Getümmel, denn Orks sind blutrünstige und grausame Wesen ohne Mitleid. Am Ende lagen unzählige Körper leblos am Boden und neben Thraklok waren nur zwei weitere seiner Anhänger am Leben geblieben. Es war ein schrecklicher Anblick, diese drei Gestalten mit Wunden übersäht in einem Feld von Leichen und Blut.
„Wo ist Nazrót, dieser Verräter?“ verlangte Thraklok zu wissen. „Hat einer von euch sein Blut gekostet? Sprecht, denn ich will seinen Kopf als Trophäe an meinem Gürtel tragen.“
Keiner von ihnen aber hatte mit ihm gekämpft und so befahl Thraklok das Lager nach seiner Leiche abzusuchen. Doch sie konnten ihn nicht finden.
„So hat er also das Weite gesucht, dieser Wicht. Es wird ihm nichts nützen, denn ich werde ihn finden und töten! Sucht nach seiner Fährte!“ Die beiden verbliebenen Orks machten sich so schnell wie möglich daran, eine Spur des Verräters ausfindig zu machen. Und obwohl Orks als Fährtenleser nicht so begabt sind wie Menschen oder Elben, haben sie ihre eigenen Mittel entwickelt, um ihre Beute zu finden. Der Geruch spielt dabei eine wesentliche Rolle, da sie wie Hunde den Ausdünstungen ihrer Feinde über Meilen folgen können. Rasch hatten sie die Spur Nazróts aufgenommen, die sich gen Süden richtete und damit in entgegengesetzter Richtung zu ihrer Heimat im Nebelgebirge.

„Versucht dieser Wurm etwa wieder nach Mordor zurück zu schleichen? Glaubt er dort sicher zu sein?“ murmelte Thraklok. Er sah seine beiden Gefährten an und überlegte eine Weile. Ihm war bewusst, dass er nicht riskieren konnte diese beiden mit sich zu nehmen, wenn er hinter Nazrót herjagen wollte. Zu schnell könnten sie entdecken, dass einiges, was dieser ihm vorgeworfen hatte, der Wahrheit entsprach. Niemand durfte erfahren, welch seltsame Dinge in seinem Verstand vorgingen. Und so fällte er eine Entscheidung: „Ihr zwei werdet nach Moria zurückkehren und unserem Anführer berichten. Ich werde Nazrót folgen und mir sein Herz schmecken lassen. Doch müssen unsere Gefährten von unserem Versagen, die Menschen zu erwischen erfahren. Und das wird eure Aufgabe sein!“ Den letzten Satz fauchte er ihnen entgegen, denn er wusste, dass sie versuchen würden sich zu weigern. Sie alle kannten die Reaktion ihres Anführers auf derart schlechte Neuigkeiten und hingen zu sehr an ihren dummen Schädeln, um sie leichtfertig aufs Spiel zu setzen. Doch kannten sie auch Thrakloks Jähzorn. „Nun macht euch endlich auf den Weg!“ schrie er und die beiden stolperten so schnell wie nur möglich von ihm fort.

Thrakloks Hass auf Nazrót währte ebenso lange, wie jener versuchte ihm seine Position streitig zu machen. Auf diesen Hass konzentrierte sich Thraklok nun, auch weil es ihm half, die Gedanken an jene schöne Elbenfrau zu verdrängen, die ihn seit der letzten Nacht immer wieder heimsuchten. Unter den toten Orks suchte er sich noch eine Ausrüstung und alles an Proviant zusammen, was er zu tragen vermochte und machte sich schließlich an die Verfolgung Nazróts.


5

Einige Tage schon folgte er den Spuren, die sein verhasster Widersacher hinterlassen hatte, bis er schließlich in der Nähe der Rauros-Fälle auf weitere Ork-Spuren traf. Viele andere seiner Art waren hier vorbei gekommen, ebenso auf der Jagd, wie er, so schien es. Er folgte diesen Spuren, denn er hoffte von ihnen mehr über Nazróts Verbleib erfahren zu können. Vielleicht hatte er versucht sich jener Gruppe anzuschließen.

Als er endlich auf die Orks traf, war er jedoch mehr als verwundert, denn diese jagten eine bekannte Beute. Sie berichteten ihm, dass sie zwei Menschen, einen Elb, einen Zwerg und vier kleinere Wesen verfolgten – jene Gruppe, die auch er noch nicht gänzlich vergessen hatte. Mehr allerdings waren sie nicht bereit zu sagen und auch von Nazrót wussten sie nichts.
„Ich kenne die Wesen, die ihr sucht, denn auch ich verfolgte sie eine Zeitlang. Anfangs waren es neun, die in die Höhlen von Moria eindrangen und damit in unser Reich. Doch ein Balrog, der noch immer die Tiefen der Miene bewohnte, vertrieb sie und tötete einen der ihren.“ berichtete er, um ihr Vertrauen zu gewinnen.
„Dann komm mit uns und beende, was du angefangen hast.“ antworteten sie. „Doch die Kleinen unter ihnen rührst du nicht an! Es sei denn, du willst unbedingt erfahren, wie es sich anfühlt, wenn man von einem Schwert durchbohrt wird.“
„Das will ich nicht.“ sagte er. „Und mein Interesse gilt ohnehin nur den Menschen und vor allem dem Elb, denn die Elben sind mir besonders verhasst. Mit den Kleinen könnt ihr machen, was euch beliebt.“ Sie waren sich einig und folgten nun gemeinsam den Spuren der Menschen. Diese waren die Einzigen, die sie zu erkennen vermochten, denn weder der Elb, noch die Halblinge hinterließen sichtbare Spuren und auch ihr Geruch war nur selten wahrzunehmen.

Nach einiger Zeit hatten sie ihr Ziel erreicht, denn die kleine Gemeinschaft hatte ihr Lager auf dem Amon Hen aufgeschlagen und ahnte nichts von ihrer Anwesenheit.
Zwei der Gruppe hatten sich von den anderen getrennt – ein Mensch und ein Halbling – und waren so leichte Beute für die Orks. Doch bevor sie ihren Angriff starten konnten, gerieten diese beiden in Streit und der Halbling lief davon. Doch noch war ihnen der Mensch geblieben. Schnell und erbarmungslos attackierten sie ihn, mit Pfeilen und Äxten griffen sie an. Dabei näherten sie sich zwei weiteren Halblingen, denen nun ihre ganze Aufmerksamkeit galt. Thraklok spannte seinen Bogen und feuerte auf den Menschen – und traf ihn in die Brust. Doch jener stöhnte nur auf und kämpfte mutig weiter, um das Leben der beiden Halblinge zu verteidigen. Thraklok wusste nichts davon, dass es sich bei diesem Mann um Boromir, Denethors Sohn handelte. Er wusste nicht, dass Boromir zu den Helden Gondors zählte, die ihr Leben der Verteidigung des Guten und der Schwachen gewidmet hatten. Und doch bewunderte er diesen Mann und seinen Mut. Er legte seinen Bogen nieder, während die anderen jedoch weiterhin auf Boromir schossen und ihn schließlich zu Fall brachten. Noch während sie sich der Halblinge bemächtigten, stürmten die übrigen Gefährten Boromirs zu seiner Hilfe, der trotz seiner starken Verletzungen noch in sein Horn hatte blasen können, um die anderen zu rufen. Als Thraklok den zweiten Menschen erblickte, rührte sich erneut die Angst in ihm. Bisher hatte er Aragorn nur aus der Ferne gesehen, doch nun sah er in seine Augen. Wie bei Gandalf, bemerkte er auch jetzt, dass dies kein gewöhnlicher Mann war. Nicht so mächtig zwar wie dieser, aber doch mit einer eigenen Kraft ausgestattet. Wiederum wusste er nichts über diesen Mann, ahnte nicht einmal, dass er den Erben Isildurs vor sich sah, den zukünftigen König Gondors. Seine Angst allein trieb ihn und so rannte er fort von den Orks und dem Kampf.


6

Viele Tage lief er dahin, um seiner Furcht zu entfliehen. Lange dachte er darüber nach, warum er seinen Bogen niedergelegt hatte, warum er den Mann nicht getötet hatte. Und weshalb der andere Mann ihm solche Furcht einflößen konnte. Zum dritten Mal nun war ihm dies geschehen und er fand keine Erklärung dafür.
Auch seine Träume waren schlimmer geworden. Es hatte mit der Begegnung mit Gandalf begonnen und war nach dem Aufeinandertreffen mit Galadriel noch schlechter geworden.. In seinen Träumen durchwanderte er fremde Länder, Gegenden, die ihm völlig unbekannt waren. Er begegnete Wesen, die er nie zuvor erblickt hatte, darunter auch viele Elben, aber auch andere, dessen Rasse und Herkunft er nicht kannte.
„Aber weshalb“ so fragte er sich „reise ich in meinen Träumen, während die Sonne am Himmel steht? Jetzt da ich wirklich laufe ist es Nacht und die Sterne stehen am Himmel! Und aus welchem Grund sollte ich überhaupt durch Beleriand wandern?“ Starr vor Schreck blieb er plötzlich stehen. Es wurde ihm schwindelig und so setzte er sich wo er gerade stand auf den Boden. Beleriand? Woher kannte er diesen Namen? Aus welchem Winkel seines Hirns war dieser Name aufgetaucht?
Langsam legte er die Hände vor sein Gesicht, um die Tränen aufzufangen, die ihm über die Wangen rannen. Keiner mag es glauben, doch auch Orks haben die Fähigkeit zu weinen, sie tun es nur einfach nicht. Doch dieser Ork weinte bitterlich und schluchzte, da er glaubte seinen Verstand zu verlieren.

Viele Tage vergingen so, während er sich langsam, ohne es zu wissen, auf Gondor zu bewegte. Nazrót und seine Rache hatte er längst vergessen, denn andere Gedanken marterten seinen Geist. Nach einer Weile begann er Zwiegespräche mit sich selbst zu führen:
„Das Elbenweib meinte, dass es lange her sei, seit ihr einander das letzte Mal gesehen hättet.“
„Aber ich kenne sie nicht, wo also sollte ich sie gesehen haben?“
„Vermutlich in Beleriand, wie es in deinen Träumen immer wiederkehrt.“
„Aber ich weiß nicht einmal, wo dieses Beleriand liegt, wie könnte ich sie also dort getroffen haben?“
„Es gibt viele Dinge, die du vergessen hast, vielleicht ist dies nur eines davon.“
„Welche anderen Dinge sollen dies sein, wenn ich mich doch nicht erinnern kann?“
„Vieles, was du dir nicht erklären kannst. Aus welchem Grund ist dein Äußeres so anders? Immer schon warst du der Größte unter deinen Kameraden, warst flinker und leichtfüßiger als sie.“
„Vermutlich gibt es irgendwo einen Stamm Orks, dessen Erscheinung der meinen gleicht. Nur kann ich mich nicht mehr an sie erinnern.“
„Doch werden sie dort, wie du, auch die Schrift und die Sprache des Elbenvolkes verstehen können?“
Auch dies war merkwürdig an ihm, denn keiner der Orks, die in Moria lebten beherrschten das Elbische. Er allein war in der Lage gewesen die Worte auf dem Osttor zu lesen und zu begreifen. Einige behaupteten gar, dass seine Übersetzung und Kenntnisse der Worte auf dem Tor erst ihr Eindringen in die Minen möglich gemacht hätten. Doch auch hier fehlte seine Erinnerung.

Einzig der Hunger, der sich in seinem Magen bemerkbar machte, erreichte es, dass er sich wenigstens für kurze Zeit von seinen dunklen Gedanken löste. Schon lange hatte er die Vorräte aufgebraucht, die er seinen toten Kameraden in Lórien abgenommen hatte. Seit Tagen hatte er keine Nahrung mehr zu sich genommen und es nicht einmal bemerkt. Jetzt jedoch wurde sein Hunger zu einem Schmerz, der sein Innerstes zu zerreißen drohte. Sein Blick schweifte umher auf der Suche nach etwas Essbarem. Doch er konnte nichts finden, denn es schien, als hätten alle Tiere schon vor langer Zeit diese Gegenden verlassen oder waren von umherstreifenden Menschen oder Orks getötet worden. Mittlerweile befand er sich in den äußeren Bezirken Rohans und trieb immer weiter auf Gondor zu.


7

Einige Tage später, als der Hunger ihm schon unerträglich schien, entdeckte er endlich ein Lebewesen. Es war ein Mensch, ein Kind. Der blondgelockte kleine Junge war von seiner Familie getrennt worden und suchte nun verzweifelt nach seiner Mutter. Ziellos lief er über die Wiesen und rief immer wieder nach ihr.
Orks hatten sein Heimatdorf angegriffen und seine Familie auf der Flucht vor ihnen getötet. Doch der kleine Junge, der nicht älter als sechs Jahre sein konnte, war zuvor vom Pferd gefallen und war so dem Unglück entkommen. So schnell er es vermochte, war er vor den angreifenden Orks davon gelaufen und hatte so sein Leben retten können. Seine Eltern hatten nicht so viel Glück gehabt, doch der Kleine wusste nichts von ihrem Schicksal, war er doch in die entgegengesetzte Richtung gerannt.

Thraklok beobachtete den weinenden, rufenden Jungen von einem sicheren Ausguck, den er auf einem kleinen Felsen gefunden hatte. Der Steinblock befand sich zwar inmitten dieses Meeres aus Gras, doch konnte man ihn von dort aus nicht überblicken und das Dunkel der Nacht brachte einen weiteren Vorteil. So war Thraklok sicher vor den Augen des Kindes geschützt.
Das Wasser lief ihm im Munde zusammen, als er das Kind betrachtete. Endlich hatte er Nahrung gefunden. Schon oft hatte er das Fleisch von Menschen gekostet und es genossen. Er war sogar der Meinung, dass das Fleisch ihrer Jungen noch süßer sei als das der Elben.
Langsam zog er sein Messer aus der Scheide, denn er wusste, dass er keinen großen Widerstand zu befürchten hatte. Im Schutze der Dunkelheit schlich er sich an den Jungen heran, der wegen seines lauten Wehklagens und den Rufen nach seiner Mutter kein Geräusch bemerkte. Bevor der Junge der Gefahr gewahr wurde, stak schon das Messer in seinem Rücken und er hauchte seinen letzten Lebensatem mit den Worten „Mama?“ aus. Sein kurzes Leben fand ein grausames Ende.

Gierig stürzte sich Thraklok auf den noch warmen Körper und riss, dass Messer in seiner rechten Hand vergessend, einen großen Bissen aus dem nackten Unterschenkel des Kindes. Noch bevor er aber dieses Stück zur Gänze gekaut und verschluckt hatte, überkam ihn Übelkeit. Er erbrach den Brocken Fleisches und hustete und würgte solange, bis nichts mehr in ihm war als Luft. In gebückter Haltung, die Hände auf seinen Knien liegend, um sich nicht selbst zu beschmutzen, stand er da und betrachtete den Leichnam. Sein Hunger schien ihm unstillbar und doch konnte er nicht einmal mehr den Anblick dessen ertragen, was seine Mahlzeit hätte sein sollen. Der Geschmack dieses Fleisches war grauenvoll gewesen, bitter und sauer zugleich – es schmeckte wie eine Sünde.
„Aber was soll es für eine Sünde für einen Ork sein, Menschenfleisch zu essen?“ fragte er sich. „Weshalb kommt mir der Gedanke überhaupt, dass es der Sünde ähnlich sei?“

Angeekelt von sich selbst und dem Anblick des toten kleinen Jungen, lief er weiter über die Ebene. Nach einigen Metern, weit genug entfernt vom Grund seiner Übelkeit, ließ er sich im hohen Gras nieder. Verzweiflung übermannte ihn erneut. Wie sollte er überleben, wenn er nicht zu essen vermochte? Wie weit war sein Wahnsinn schon gediehen, dass er solche Empfindungen durchleben musste? In seiner Hoffnungslosigkeit griff er nach einem der Grashalme und stopfte sich diesen in den Mund. Eigentlich hatte er nur gehofft, dass der Vorgang des Kauens den Hunger etwas besänftigen und den üblen Geschmack aus seinem Mund entfernen würde, doch was er dort schmeckte, gefiel ihm. Süß erschien ihm das Aroma und so riss er noch mehr Halme aus und aß sie. Alsbald entdeckte er auch einige wilde Beeren, die noch immer an kleinen Sträuchern hingen und auch diese verspeiste er mit Genuss.
Die pflanzliche Kost vermochte zwar seinen Magen zu besänftigen, nicht aber sein Gewissen. Noch immer sah er den Leichnam des Jungen vor seinem inneren Auge. Das blasse Gesicht gerötet von Tränen, umrahmt von goldenen Locken. Reinheit und Unschuld strahlte dieses Antlitz aus.
„Und etwas so Erhabenes, habe ich getötet.“ wisperte Thraklok vor sich hin. „Dieses junge Wesen, das wie ich unter Angst und Verwirrung leiden musste, habe ich aus meiner Gier heraus getötet. Keine Chance gab ich ihm, zu entdecken, was seine Zukunft ihm bringen mochte. Er war doch aber ein Kind und kein Tier!“ Ihm wurde bewusst, dass durch seine Tat vielmehr er einem Tier glich. Und zum zweiten Mal in seinem Leben weinte er bitterlich, doch diesmal nicht aus Angst vor dem Verlust seines Verstandes, sondern vor Reue und Trauer.
So eilte er schließlich zurück zu dem Felsblock, in dessen Nähe der Körper des Kindes lag und hub ein Loch aus. Sanft legte er den Jungen dort hinein und bedeckte ihn mit Erde und Steinen. Konnte er doch den Gedanken nicht ertragen, dass Aasfresser oder womöglich noch andere Orks sich an diesem armen, unschuldigen Geschöpf vergehen mochten.

Doch noch immer wollte er weiterwandern, wusste er auch nicht wohin. Seine täglichen Träume schienen dieses Vorhaben zu unterstützen, denn in ihnen sah er eine große wunderschöne weiße Stadt auf die er zulief und in der die schöne Herrin Galadriel auf ihn wartete. Sein Verstand war von all den Geschehnissen zu sehr verwirrt, als das er sich noch Gedanken darüber machte, weshalb diese Elbenfrau ihn so magisch anzog. Er wusste selbst nicht mehr zu unterscheiden, wer er war – ein Ork, ein Mensch oder ein Elb.

In seinen Träumen bewegte er sich über geheime Pfade auf eine Stadt zu, die voller Pracht war. Viele Elben lebten in ihr und er fühlte sich als einer der ihren. Wohin er auch blickte, Galadriel schien immer auf ihn zu warten, doch wenn er sich ihr näherte verschwand sie, wie ein Nebel vom Wind vertrieben wird. Vielen Leuten begegnete er dort, die ihn mit einem Namen ansprachen, den er nicht verstand, so sehr er sich auch bemühte. Sicher und geborgen fühlte er sich dort, doch spürte er auch eine drohende Gefahr.
Jeden Tag, wenn Thraklok seine Augen schloss, um zu schlafen, begann ein neuer Tag in dieser ihm unbekannten und doch so wundervollen Stadt. Und an einem jener Tage brach ein Krieg über diese Stadt herein. Drachen, Balrogs, Orks und Wölfe stürmten die Festung der Elben und eine blutige Schlacht entbrannte. Doch Thraklok kämpfte nicht als Ork, ganz im Gegenteil, er sah sich selbst die Klinge erheben gegen seinesgleichen. Selbst die mächtigen Balrogs griff er an und suchte seine Elbenfreunde gegen sie zu verteidigen.


8

Erschüttert wachte er auf und es schien ihm, als höre er noch immer den Lärm des tobenden Krieges. Bald merkte er, dass das Geräusch, das er vernahm ebenfalls Kriegslaute waren, er aber nicht mehr in seinen Träumen weilte. In der letzten Nacht hatte er die Grenze des Pelennor erreicht und hatte sich für den Tag in einer Felslücke versteckt, auf die er durch Zufall gestoßen war. Um in herum tobte nun der Kampf. Unzählige Orks stürmten auf eine Stadt zu, die der aus seinen Träumen sehr ähnlich war. Unbemerkt war er fast bis vor die Mauern Gondors gelangt, die weiße Stadt und Heimat der Menschen. Hier standen Menschen und Elben Seite an Seite, um sich gegen die Angriffe der Dunkelheit zu verteidigen.
Als Thraklok sich aus seinem Versteck entfernen wollte, wurde er sofort von einer Gruppe Orks aufgehalten.
„Wo kommst du denn auf einmal her?“ fragten sie ihn. „Hast wohl versucht dich vor dem Kampf zu drücken. Daraus wird aber nichts! Komm her und fülle die Lücke, die diese elenden Menschen uns geschlagen haben.“ Dabei wies er auf den Leichnam eines Orks, in dessen Kopf ein Elbenpfeil steckte.
„Aber das ist nicht mein Krieg!“ rief er mutlos. „Ich bin nur aus Zufall hier hinein geraten.“
„Wenn interessiert das?“ lachten sie ihn aus. „Du bist ein Ork und du bist hier. Also hilf uns gefälligst ein Ende mit diesen Würmern zu machen.“ Mit diesen Worten drückte man ihm eine schwere Axt Schwert in die Hand und stieß ihn in das Kampfgetümmel.

Unschlüssig, wie er sich verhalten sollte, blieb er zunächst stehen. Und erst ein auf ihn niedersausendes Schwert überzeugte ihn davon, seine Waffe doch zu benutzen. Schnell parierte er den Hieb, doch als er des Menschen ansichtig wurde, dessen Angriff er gerade überlebt hatte, gefror ihm das Blut. Jener Mann, dessen Augen ihn auf dem Amon Hen so erschüttert hatten, stand nun direkt vor ihm – Aragorn. Doch das Feuer in seinem Blick war noch intensiver geworden, noch machtvoller. Voll des Schreckens ob dieser Begegnung versuchte Thraklok zu entfliehen und es gelang ihm sogar an Aragorn vorbei zu kommen. Ohne nach vorn zu schauen, rannte er vorwärts, den Blick beständig auf Aragorn gerichtet. Ein Hindernis brachte ihn schließlich zu Fall. Er war gegen ein Pferd gelaufen, dass silbern in der Sonne schimmerte und von einem Mann geführt wurde, der ebenfalls zu strahlen schien. Zuerst konnte er den Reiter nicht erkennen, so geblendet war er vom Weiß seiner Kleidung. Doch der Mann beugte sich zu ihm herunter und blickte ihn sogar noch freundlich an. Ein weiterer Schock durchfuhr Thrakloks Körper, denn dies war der Mann, den er in Moria hatte stürzen sehen. Jener Mann, dessen Anblick ihn zum ersten Mal Furcht gelehrt hatte.
Gandalf blickte von Schattenfell auf Thraklok hernieder und ein Lächeln umspielte seine Lippen. „Ich hatte gehofft, dass wir uns eines Tages wiedersehen würden.“ sagte er. „Doch es wäre mir in einer anderen Form lieber gewesen.“
„Wovon sprichst du da?“ stammelte Thraklok, der nunmehr tatsächlich am Rande des Wahnsinns stand. Wie viel Ungewöhnliches mochte ein einfacher Verstand überstehen? Er war vor Angst wie gebannt und vermochte sich nicht mehr zu bewegen, geschweige denn zu fliehen.
„Ich spreche davon, dass dein Weg hier und heute ein Ende gefunden hat. Es ist an der Zeit für dich ins Licht zurück zu kehren.“ Langsam hob Gandalf seinen Stab und richtete ihn auf den verstörten Ork zu seinen Füßen und rief: „Erinnere dich!“

Und plötzlich durchfuhr ein Blitz Thrakloks Geist und die langen Jahre seines Lebens, die er vergessen geglaubt hatte, kehrten zu ihm zurück. Doch die Erinnerung war schmerzvoll und er schloss die Augen und ging, wie in seinen Träumen, dahin zurück, woher er ursprünglich einmal gekommen war.


9

Vom Tal aus, blickt er zur Stadt hinauf – Gondolin, die weiße Schönheit und letzte Hoffnung für die verstreuten Elben Beleriands. Lange war es her, dass er das Malm-Eis zusammen mit Fingolfins Getreuen überquert hatte und ebenso lange suchte er nach dem Antlitz Galadriels, mit der er gemeinsam den gefährlichen Weg gegangen war und in die er sich hoffnungslos verliebt hatte. Doch wieder war es nur eine Täuschung seines Herzens gewesen, als er vermeinte sie in der Menge gesehen zu haben. In den Wirrungen des Kampfes gegen Morgoth hatten sich ihre Wege getrennt und nun hoffte er jeden Tag darauf, dass sie hierher, in den Schutz Gondolins, finden würde.
„Du suchst vergeblich nach ihr.“ sagte Glorfindel, sein treuer Freund. „Nur unter Führung eines anderen Noldor vermag man den Eingang zur Stadt zu finden. Doch keiner von uns begegnete ihr bislang. Finde dich damit ab, dass ihr Weg ein anderer ist als der deine – so schmerzvoll dies auch für dich sein mag.“
„Du hast Recht, Glorfindel, doch mein Herz ist nicht gewillt so leicht zum Schweigen gebracht zu werden.“ antwortete er.
„Dann lass uns hinüber zu den Feierlichkeiten gehen, Ormeldaron, auf das dein Herz zumindest abgelenkt werde von seinem Kummer.“ Ecthelion, Hauptmann Gondolins und ein ebenso guter Freund wie Glorfindel, nahm ihn am Arm und zog ihn mit sich in Richtung der Mauer, auf der das Sonnenfest stattfand.
Ormeldaron, wurde er genannt, Stärke der Elben, weil er oft gegen die Schergen Morgoth angetreten war und jedes Mal siegreich blieb. Groß und schön war er, wie es typisch für die Elben ist, und sein Haar strahlte in einem Glanze, als sei es aus den Strahlen der Sonne gesponnen. Einzig seine Augen unterschieden ihn von den anderen, denn in ihnen war ein besonderer Funke, Zeichen seiner unendlichen Lebensfreude und seines Mutes.

Doch noch bevor sie sich den Feiernden anschließen konnten, brach das Unheil über sie herein. Unzählige Balrogs, Drachen, Orks und Wölfe drangen von der anderen Seite her in die Stadt ein. Von einem Moment auf den anderen, sahen sie sich einer Übermacht von Feinden gegenüber, die den geheimen Pfad ins Innere der Stadt gefunden hatte. Schnell griff Ormeldaron nach seinem Schwert, um seinem Namen Ehre zu machen und die Stadt zu verteidigen, die seine Heimat geworden war. Wild schlug er auf den ersten Ansturm von Orks ein und tötete viele von ihnen. Glorfindel und Ecthelion waren von seiner Seite gewichen, abgedrängt von Wölfen, die geifernd nach ihnen schnappten. Immer weiter entfernten sie sich voneinander, dass Ormeldaron seine Freunde aus den Augen verlor und allein den Angreifern Herr werden musste.
Schließlich entdeckte er Ecthelion, wie er sich Gothmog, dem mächtigsten aller Balrogs, entgegenstellte. Schnell rannte er die Treppen hinab, um seinem Freund zu Hilfe zu eilen, doch es war bereits zu spät. Ecthelion hatte Gothmog besiegt, doch nicht ohne einen hohen Preis zu zahlen. Schockiert sah Ormeldaron, wie sein Freund tot zu Boden glitt. Dann verlosch das Licht seiner Augen, denn die stumpfe Seite einer Ork-Axt hatte seinen Schädel getroffen.

Als er aus seiner Ohnmacht erwachte, befand er sich in einem grausigen Gewölbe, das nur ein Kerker sein konnte. Als er die Augen öffnete blickte er in das schreckenvollste Antlitz, dass er je erblickt hatte, denn Morgoth selbst beugte sich über ihn.
„So bist du also wieder bei Bewusstsein. Doch freue dich nicht zu sehr darüber, denn wenn du erst meine Gastfreundschaft genossen hast, wirst du dir wünschen, du wärest niemals erwacht. Lange schon jage ich deinesgleichen, denn dein Volk hat mir viel Übel verursacht. Es freut mich umso mehr, dass ich einen ihrer Helden nun zu einem der meinen machen kann!“ Mit einem bösartigen Lachen verließ er den Raum wieder, doch winkte er zuvor noch seinen Dienern. Fünf Orks bewegten sich auf sein Zeichen auf Ormeldaron zu und schleppten ihn in einen anderen Raum. Was dort geschah, ist zu schrecklich, zu sehr voller Grauen, als das es hier beschrieben werden sollte. Eines jedoch ist gewiss, sie quälten den edlen Elb, auf eine Weise, wie sie nur der dunkle Herrscher ersinnen kann. Viele Tage und Nächte marterten sie seinen Körper und seine Seele, bis er sich am Ende ergab. Sein innere Stärke und Schönheit war zerstört und zurück blieb eine Lebensform, die von allen übrigen als Ork bezeichnet wird. Die geschwärzte Seele eines ehemals edlen Wesens in einem gepeinigten Körper.

Die Qualen, die er hatte erleiden müssen, hatten seinen Verstand zerrüttet und ihn ohne Erinnerung an sein altes Ich zurückgelassen. Und so schloss er sich den Sklaven Morgoth’ an und zog mit ihnen in den Krieg.

Nun, da seine Erinnerung erwacht war, erlebte er erneut, wie vielen Elben er das Leben genommen hatte. Diesmal jedoch, füllte dieses Wissen seinen Geist mit Schmerz, Mitleid und Reue. Wie hatte er nur vergessen können, wer er einst gewesen war?


10

Und wieder einmal schlug er die Augen auf und noch immer lag er am Boden zu Gandalfs Füßen. Ein ganzes Leben war in seinem Verstand vorübergezogen, doch im Jetzt waren nur Augenblicke verstrichen. Voller Tränen blickte Thraklok, in Gandalfs mitleidvolle Augen, denn obwohl sein Verstand wieder erwacht war, wohnte er immer noch im Körper eines Orks.
„Wie kann ich wiedergutmachen, was ich an Bösem in dieser Form verursachte?“ fragte er ihn. Und Gandalf antwortete „Nur du allein kannst einen Weg finden, den Valar zu beweisen, dass du Reue empfindest und deine Taten bedauerst, dass das Licht in deine Seele zurückgefunden hat.“ Mit diesen Worten ritt er von dannen. Thraklok blieb allein im Schlachtengetümmel und mit seiner Schuld zurück.

Er blickte sich um und entdeckte Dutzende von Toten und Sterbenden, Menschen, Elben und Orks. Nicht länger durfte er der sein, den andere in ihm sahen, entschied er. Es war an der Zeit wieder der zu werden, der er einst war und sich gegen die drohende Dunkelheit zu erheben! Nicht weit von ihm entfernt sah er Aragorn, der sich tapfer gegen eine Schar Orks zur Wehr setzte. „Jenem Großen unter den Menschen will ich meine Dienste zur Verfügung stellen.“ sagte er sich und bewegte sich auf den zukünftigen Herrscher Gondors zu. Er hatte ihn noch nicht erreicht, da entdeckte er Nazrót, seinen alten Feind, wie er sich mit gezücktem Schwert dem König näherte. Aragorn hatte ihm den Rücken zugewandt und war sich so der drohenden Gefahr nicht bewusst. Schreiend stürmte Thraklok auf ihn zu, um ihn an seiner grausamen Tat zu hindern. Durch den Schrei Thrakloks aufgeschreckt, blickte Aragorn in seine Richtung, so dass Nazrót nun freie Bahn zu haben schien. Immer schneller stürmte Thraklok vorwärts und mit einer letzten Anstrengung warf er sich zwischen Aragorn und Nazrót. Seine Axt drang tief in Nazróts Herz, auf dessen Gesicht sich gleichermaßen Erkennen wie Verwirrung abzeichnete. Und so galten die Worte, die er mit seinem letzten Atemzug ausstieß seinem alten Widersacher: „Du? Wie konntest du mich finden?“. Er sackte zu Boden und rührte sich nicht mehr.

Thraklok wandte sich zu Aragorn, um sicher zu gehen, dass er keinen Schaden davongetragen hatte. Als er in seine Augen blickte, war er verwundert, denn er sah dort Erstaunen, aber auch Mitleid und Gram. Bevor er noch nach dem Grund dafür fragen konnte, spürte er einen heftigen Schmerz in der Mitte seines Leibes, der ihn zu zerreißen drohte. Kraftlos sank er nieder. Aragorn beugte sich über ihn und berührte sanft das Schwert, das aus Thrakloks Bauch ragte. „Dieser Streich sollte mir gelten.“ flüsterte er. „Welche Wunder mag der heutige Tag noch bringen, da ein Ork bereit ist, sein Leben für einen Menschen zu opfern? Denn niemals zuvor hat ein Diener der Finsternis einem Menschen Gutes getan.
Mein ewiger Dank für deine Tat sei dir versichert, doch verrate mir, weshalb du so handeltest? Erkläre es mir, denn es mag Hoffnung bringen für Menschen wie Orks.“
Doch Thraklok vermochte seinen Mund nicht mehr zu öffnen, denn die Wunde, die Nazrót ihm geschlagen hatte, war zu tief. Sein Blick verdunkelte sich langsam, während seine Seele sich auf den Tod vorbereitete. Jetzt aber sah er Gandalf, in ein strahlendes überirdisches Licht gehüllt. Und er vernahm die Worte, die er zu Aragorn sprach. „Einst war er ein Edler unter den Eldar, der durch die Macht und die Folter des Bösen zu dem gemacht wurde, was du jetzt hier erblickst. Einst lautete sein Name Ormeldaron, damals als ich ihm in Valinor begegnete. Doch er verließ das Segensreich, um nach Beleriand zu gehen – wäre er doch nur geblieben. Gefangen in Gondolin, wurde er in einen Ork verwandelt und sein Name war fortan Elbenpein. Eine Ironie, denn nicht nur den anderen Elben fügte er Pein zu, sondern vor allem sich selbst. Doch sein Schicksal ist nun besiegelt und das Böse, das er verursacht gesühnt, durch seine selbstlose Tat dich zu retten.“ Schließlich beugte er sich über Ormeldaron und flüsterte „Heimwärts führt nun dein Pfad, zurück zu jenen, die du einst gekannt. Im Tode sollt ihr wieder vereint sein.“

So starb der Ork, der einst ein Elb war. Was aber geschieht mit jenen, die sterben? Seit jeher gehen die Elben, die im Kampf oder vor Gram gestorben waren, ein in die Hallen Mandos auf Valinor. Beides trifft auch auf Ormeldaron zu, denn er starb an den Wunden eines Kampfes und der Kummer, der ihn erfüllte, erleichterte es ihm. Orks jedoch sind nicht erwünscht in den Landen der Unsterblichen, wohin also gehen sie?


11

Als Ormeldaron seine Augen im Jenseits öffnete, war er erstaunt, über all die Schönheit und das Licht um ihn herum. Er blickte an sich herab und sah, dass er edle Kleider trug. Aus feinsten Stoffen gewebt und in leuchtenden bunten Farben. Und er betrachtete seine Hände und stellte voller Freude fest, dass er den Körper eines Orks nicht länger bewohnte, sondern wieder in jenem Leib wandelte, in dem er geboren worden war. Er war wieder ein Elb und als er sich umschaute, sah er Ecthelion, seinen getreuen Freund aus Gondolin und viele andere, die er in seinem Leben geliebt hatte. Freudig begrüßten und umarmten sie ihn.
Die Valar hatten ihm vergeben und ihm Einlass gewährt in die Pracht und Schönheit Valinors. Der dunkle Pfad, auf dem er gewandert war, hatte ihn am Ende ins Licht geführt.


Die Autorin
"Seit ich den 'Herr der Ringe' das erste Mal las, stellte ich mir die Frage nach der Herkunft der Orks. Schließlich las ich das 'Silmarillion', um eine Antwort zu erhalten, doch war ich damit nicht absolut zufrieden gestellt.
Eine Frage blieb für mich offen: wenn Orks nichts anderes sind, als gequälte Elben, gehen sie dann bei ihrem Tod auch in Mandos Hallen ein? Keiner konnte mir die Frage beantworten, also stellte ich meine eigene These auf.
Als ich dann im Dezember 2003 im Kino saß und 'Die Rückkehr des Königs' sah, fiel mir der Hauptmann der Orks in der Schlacht um Gondor besonders ins Auge, da er eine recht rosafarbene Haut hatte. So saß ich da und sah mich darin bestätigt, dass auch im dritten Zeitalter noch Orks lebten, die einst Elben waren. Wer aber war dieser Ork? Was hatte ihn nach Mordor bzw. Gondor
verschlagen? Und vor allem: wer war er, bevor er zum Ork wurde?
All dies bildete die Grundlage für meine Geschichte, die - wie es für meine Geschichten typisch ist - irgendwann anfing ein Eigenleben zu entwickeln und eine eigene Richtung einzuschlagen. Doch ich ließ sie über einen Zeitraum von ca. 4 Wochen einfach frei laufen. Anschließend gab ich sie zwei guten Freunden zu lesen, deren Kritik mich auch auf andere Wege lenkte und am Ende zu der vorliegenden Geschichte führten."

Die Jury
"Eine tolle Geschichte, spannend und passt sehr gut zum Herr der Ringe."
"'Die Gefährten' mal anders herum - jedenfalls stellenweise. Und noch dazu sehr gut! Das Schicksal des Ork Thraklok wird anschaulich und nicht ohne Tragik dargestellt. Sprache und Bezug zur Tolkien Welt sind gegeben und gefallen mir gut. Die Charaktere und das Ende der Geschichte sind überzeugend und detailreich ausgearbeitet."
"Ein gefälliger Sprachstil, makellose Rechtschreibung und eine originell umgesetzte Idee lassen dies zur besten Tolkien Fan-Geschichte werden, die ich bisher gelesen habe."

2. Platz >