<< <
DOMINIK BRÜCKEL - "ER KAM AUS DEM OSTEN"

Ich weinte...Gott weiß, wie lange es her ist seit ich zum letzten Mal weinte. Es ziemt sich nicht für einen Mann zu weinen...aber trotz meiner Scham konnte ich meine Tränen nicht im Zaun...weshalb sollte ich mich noch schämen? Jeder, der mir jemals etwas bedeutete war jetzt tot. Mein Vater...meine Freunde...Sven...Jarrick...Heiner.... Wir hatten den Krieg verloren, den wir begonnen hatten...unser Stolz, unser Mut und unsere Arroganz konnten uns nicht helfen.
Nun lag ich hier, gebrochen im Geist und Körper...ein verwundetes Tier, welches sich vor seinen Häschern verkriecht.
Mit brennenden Flammen holte der Schmerz meiner Wunde mich aus meinem Selbstmitleid, die Wunde blutete stark. Ich löste die Riemen des Panzers, welche durch Blut und Dreck schwarz und Brüchig waren und schleuderte die verbeulte Bronze von mir in die nahen Büsche...er kann mich sowieso nicht mehr schützen. Die Wunde ist tief...ich werde nicht überleben....Seltsam, in dieser roten Flut der Schmerzen, die meine Sinne übermannt erkenne ich meine Umwelt klarer als je zuvor. Trotz der eisigen Kälte, die meinen sterbenden Körper erfüllt spüre ich die Wärme dieser Sommernacht, Grillen spielen gleichzeitig zu ihrem Liebestanz wie auch zu meiner Totenfeier, goldene Glühwürmchen um spielen mein fiebriges Haupt und hüllen mich in ein geisterhaftes Licht. Der schwere Duft von Jasmin und Hyazinthe erfüllt die Luft und bildet eine Symphonie der Düfte mit dem Harz der Bäume und meinem Schweiß und meinem kälter werdenden Blut.
Ich blicke über den nahen See der Lichtung und höre immer Schwächer das Quaken der Frösche und das gelegentliche Platschen einer auftauchenden Forelle. Die Szenerie verschwimmt vor meinen Augen, ich bekomme Halluzinationen. Was war das? Ein weiser Schemen zwischen den Bäumen...wie ein Pferd...aber geisterhaft unwirklich...ich sterbe...ich spüre schon die kühle Umarmung des Todes.

„Nein, du darfst nicht sterben. Wir brauchen dich, ich brauche dich.“
Mein Körper wird leicht...meine Seele steigt empor...ich werde emporgehoben von einer unbekannten Macht.
„Hab keine Angst. Ich bringe dich fort von hier...fort von deinem zerstörten Leben:“
Meine Finger spüren Hitze...die Erde erbebt unter mir...Fell...Wo bin ich...bin ich verflucht?
„Eile geschwind mein Freund, ich vertraue dir sein leben an.“
Alles wird schwarz...es ist vorbei...nur noch das Rauschen des Windes in den Ohren...

„Wach auf mein Ritter, seh' dir dein neues Heim an.“
Welch sanfte Stimme, ich hörte sie schon einmal...warm...es ist so war. Ich bin erlöst...Keine Schmerzen mehr...meine Lippen schmecken süß...süß wie Honig...seltsam.
Als ich die Augen öffnete, mußte ich wohl vor Freude geschrien haben, denn sie verschwand sofort. Kann es sein...war es meine Lilli? Bin ich wieder mit ihr vereint...war sie auch tot?
„Hast du Schmerzen?“
Eine Stimme wie Gesang, so leicht wie ein Sonnenstrahl, klar wie ein Bergbach. Ich richtete mich auf...ich lag auf einem Bett, seidene Lacken bedeckten meine nackten Hüften...Seide so weich und fein wie ich sie noch nie zuvor gesehen hatte. Der Raum war Oval, holzgetäfelt aber nicht wie die alte Bibliothek meines Onkels, es schien als ob die Täfelung nach dem Willen des Architekten gewachsen sei. Durch eine Ovale Tür die gesäumt war von wildem Efeu drang heller Sonnenschein und blendete mich. Dort stand sie...wie ein Traum...das braune Haar zurückgekämmt und hochgesteckt in einem wallenden braunem Kleid.
„Lilie?!“
„Ich bin nicht Lilie?“, sagte sie und kam näher. Nein sie war es nicht, wahrhaftig...sie war größer, anmutiger und auch...majestätischer als meine Geliebte. Nun erkannte ich, wer sie war...ich hatte in meinem Studium von ihrer Art gehört...sie war eine Elfin. Sie setzte sich auf die Kante meines Bettes und sah mir in die Augen. Ich glaube in diesem Moment verlor ich alle Erinnerungen an meine Heimat...diese braunen Augen...tief wie der Wald, scheu wie die eines Rehkitzes, aber auch von einer uralten Weisheit beseelt. Sie beugte sich nach vorne und hauchte mir etwas in mein Ohr, wobei ich die Wärme ihres Körpers spürte.
„Ich bin Minuiriel, du warst so gut wie tot und ich habe dich gerettet.“
„Wa...warum?“
„Das erfährst du später...wie geht es dir?“ fragte sie mich, wobei sie ihre schlanke Hand auf den frischen Verband meiner Seite drückte.
„Ich fühle mich...phantastisch...ich dachte ich sei tot....und jetzt bin ich am Leben!“
„Das ist auch gut so...dein Leben ist wichtig!“
„Wichtig...du sprichst in Rätseln...“
„Du wirst alles begreifen tapferer Ritter...aber erst später...nur soviel: Du bist bei den Waldelfen...in Loren...dein Heer wurde von den Bretonen vernichtet, nur du hast überlebt. Ich fand dich Kilometer entfernt. Nun zieh dich an, und komm nach draußen.“
Ich blickte ihr nach, wie sie wie ein Windhauch aus dem Zimmer schlüpfte. Kurz bevor sie aus der Tür schritt drehte sie sich um und lächelte mir zu und deutete auf einen nahen Stuhl. Dort lagen ein wollenes Hemd und eine lederne Hose. Beides war einfach, aber von bester Qualität und paßte perfekt.
Ich war verwirrt und hatte Angst, aber ich mußte Klarheit erlangen, so schritt ich hinaus in den Sonnenschein.
Dort war eine weite Lichtung, die gesäumt wurde von alten Fichten und Birken, Insekten umschwärmten die zahlreichen Blumen und leisteten den singenden Vögeln Gesellschaft. Als ich mich umdrehte, bemerkte ich, das mein Zimmer in einem Baum lag, es war der größte Baum den ich je gesehen hatte und rund und dahinter standen Bäume von gleicher oder gewaltiger Erscheinung als meiner und in ihnen erkannte man auch Türen wie Fenster.
Nun bemerkte ich auch die Gruppe im Schatten der Bäume die mich aufmerksam musterten. Es waren fünf Elfen unter ihnen Minuiriel. Drei Männer und zwei Frauen, die Männer trugen lange Speere und dunkle Kapuzenmäntel. Ihre Züge waren fein und ihr Haar war lang und zu Zöpfen geflochten. Einer sprach:
„Komm her Mensch, du hast nichts zu befürchten.“
Ich trat zögernd näher, verlor aber meine Scheu als Minuiriel mir ihre feine Hand reichte.
„Du willst wissen, warum du lebst, obwohl euer Heer durch unseren Wald gezogen ist, unsere Verbündeten bedrohte und du als einziger entkommen bist, dem Tode nahe um von uns gerettet zu werden?“
„Ja!“
„Komm mit, ich zeige es dir.“
Ich folgte dem Elfen tief in den Wald hinein, die ganze Zeit schritt Minuiriel neben mir her und sang leise ein Lied in einer Sprache, die ich nicht verstand.
Durch Büsche und Hecken schritten wir in Täler und auf Hügel. Nach ungefähr einer Stunde erreichten wir die Spitze eines Hügels, auf dem ein großer Menhir stand. Er mußte uralt sein, den er war vollkommen von Efeu und Moos überwuchert.
Dieser Hügel reichte hier aus dem Blätterdach hinaus und so konnte ich die Dimensionen des Waldes erst begreifen...es war riesig! So weit das Auge reichte, verschwommen sah ich im Süden die grauen Zinnen der Himmelspfeiler.
Der Elf entfernte sorgfältig den Efeu von den Menhir und legte so eine Reihe elfischer Zeichen frei.
„Das ist die Lösung deiner Fragen!“
„Was bedeuten sie!“
„Er kommt aus dem Osten, will in den Westen, vom Zweifel getrieben, vom Feind des Feindes verwundet, dem Tode versprochen, von einer Maid gerettet. Er wird retten, was dem Untergang geweiht, er wird siegen über seine Zweifel und über die Finsternis und wird sein ein anderer Mann.“
„Ich...verstehe nicht!“
Minuiriel nahm meine Hand und sprach sanft:
„Versteh doch...du bist es, der in unserer Prophezeiung beschrieben wird. Du wirst uns retten!“

Die Fortsetzung folgt bald...

Nach dieser „Erklärung“ kehrten wir schweigend zu dem heiligen Hain zurück, in dem ich aufwachte. In meinem Kopf schwirrten die Gedanken wie wild und ich konnte mir keinen Reim auf die ganze Sache machen. Vor weniger als zwei Monaten war ich aufgebrochen mit meinen Kameraden um eine Grenzstreitigkeit mit den Bretonen zu regeln. Wir wollten im Handstreich ihre Grenze überwinden, was auch gelang und dann eine Stadt einnehmen...wie hieß sie noch? Quenelles! Ja...aber wir kamen nicht soweit...kaum brachen wir aus dem Wald heraus in dem wir fast ein drittel unserer Männer verloren hatten, wurde wir schon von drei bretonischen Armee angegriffen und vernichtet. Es war, als wüßten sie, daß wir kommen...obwohl uns niemand bemerkt hatte, als wir durch den tiefen Wald rückten...aber wenn ich nun meine elfischen „Gastgeber“ sehe....ja sie hatten unser kommen den Bretonen gemeldet....und auch sie hatten Versorgungszüge in Schluchten geleitet und die wilden Tiere gegen uns aufgehetzt, die unsere Wachen verschleppten.
„Setz dich...ich werde dir etwas zu essen bringen.“ Meinte Minuiriel zu mir um kurz darauf fort zueilen. Wenn ich dieses Mädchen ansehe, kommen mir die Greuel der Schlacht und die Strapazen meiner Flucht so weit und unwirklich vor...sie ist wie ein klarer Quell, der meinen Geist erfrischt.
Ein Schnauben lenkte meine Aufmerksamkeit ab von Minuiriels schönem Rücken und lies mich aufschauen. Ich konnte es kaum glauben...hinter mir stand das schönste Tier, welches je meine Augen erblicken sollten...ich kannte es nur aus Geschichten...ein Einhorn. Es sah mich mit dem klügsten Blick an, den ich jemals bei einem Tier gesehen hatte. Obwohl es in voller Größe vor mir stand, kam es mir traumhaft und unwirklich vor. Das weiße Fell bewegte sich über die gespannten Muskeln wie Nebel, der über einen Hügel fließt, die unbeschlagenen Hufe wirkten wie aus Glas, so grazil und gebrechlich...doch trat Es fest und sicher damit auf. Das eine, magische Horn sah aus, wie feinste Elfenbeinschnitzerei, aber gleichzeitig flackerte es bläulich als sei es hier und wieder doch nicht da.
Ich mußte es berühren, dieses göttliche Wesen, was so ohne Scheu vor mir stand und alles Lügen strafte, was ich bisher über die Natur dachte...langsam streckte ich meine Finger aus....
„NEIN!“ Ein eisenharter Griff umschloß meinen Arm mit unnachgiebiger Kraft.
„Kein Mensch darf dieses heilige Tier berühren!“ sagte der alte Elf, der wie aus dem Nichts erschienen war.
„Verzeiht mir...aber“ Aber bevor ich weitersprechen konnte, trat das Einhorn näher und legte seine warmen Nüstern gegen meine Finger...weich wie Schnee war sein Fell und als ich es berührte durchzuckte es mich wie ein Blitz. Ich spürte alte Weisheit, Gnade und Güte...aber auch alte Scheu. Seltsamerweise überkam mich ein tiefes Gefühl von Vertrautheit.
„Das verstehe ich nicht...wieso zeigt es keine Scheu vor dir...das ist höchst ungewöhnlich.“
„Vielleicht mag es mich?“
„Es spürt deine Angst und will dein Leid mildern“, sagte Minuiriel als sie zurückkam. In ihren Armen hielt sie ein Päckchen aus braunen Blättern, welches sie auf den Boden legte.
„Das ist Ainurbrot, es gibt dir Kraft.“ Darauf hin entrollte sie die Blätter in dem ein runder Brotlaib lag, der Farbe nicht unähnlich von reifem Korn.
Zögernd brach ich ein Stück ab und steckte es mir in den Mund. Es schmeckte...süß! Eine warme Milde durchflutete meinen Körper und lies mich alle Zweifel vergessen.
„Ich habe so viele Wunder hier gesehen, aber warum?“
„Du bist der Mann der Prophezeiung.“
„Wie konntest du mich finden?“
„Ich ritt in jener Nacht nach Hause, und ich spürte, daß die Bäume besorgt waren. Sie flüsterten von einem Geschöpf, welches in großer Pein war. Zuerst dachte ich, es sei ein Hirsch, der gehetzt worden war und nun in seinen Todesqualen lag, und so ritt ich um das Tier von seinen Leiden zu erlösen. Aber als ich näherkam, spürte ich deine Trauer um deine Freunde und um dich...ein Hirsch trauert aber nicht. Ich wußte von der großen Schlacht, wir hatten dein Heer ja beobachtet. Zuerst dachte ich daran dich dort zulassen, weil ihr unserem Wald soviel Leid getan habt, aber als ich dich berührte spürte ich deine Unschuld. Deine Absichten waren treu und edel, nicht habgierig wie die der anderen Männer deines Volkes. So nahm ich dich auf meinem Pferd mit.“
„Woher wußtest du damals, daß ich der...Auserwählte bin?“
„Das wußte ich nicht, aber als ich meinem Vater davon erzählte, wie ich dich fand, meinte er daß dies alles die Prophezeiung erfüllt.“
„Und was geschieht jetzt mit mir?“
„Nun unser Hain glaubt zwar, daß du der Auserwählte bist, aber endgültige Gewißheit kann uns nur die Weisheit des Königs geben!“
„Welcher König?“
„Der König des Waldes...er lebt tief im Herzen von Loren. Morgen bringt man dich zu ihm. Er wird entscheiden ob die Prophezeiung sich nun erfüllt hat.“
„Was passiert, wenn ich nicht der Auserwählte bin.“
Sie senkte plötzlich ihren Blick und weg war ihr heiteres Lächeln. Sie saß da in tiefem Schweigen.
„Sag es mir.“
„Kein Mensch darf den Wald von Loren unerlaubt betreten und danach wieder zurückkehren. Man würde dich töten!“
Nun verfiel ich in Schweigen, war es möglich....welch grausames Schicksal...gerettet vor dem Tode nur um kurz darauf gerichtet zu werden...meine unbegründete Angst hatte nun Nährboden gefunden.
Minuiriel sprang plötzlich auf und rannte in den Wald...kurz dachte ich, daß sie Tränen in den Augen gehabt hätte.
In dieser Nacht fand ich keinen Schlaf, ich stand auf von meiner Schlafstätte und verließ das Baumhaus. Der Himmel war wolkenverhangen, es wehte kein Wind. Eine drückende Schwüle legte sich auf das Zwielicht des Waldes. Leise ging ich zum Waldrand und setzte mich in das hohe Gras. Was sollte ich tun, wo sollte ich hin. Ich war kein Auserwählter...nur ein Mann ohne Heimat und ohne Glauben. Ich schreckte hoch als mich von hinten etwas anschubste. Es war das Einhorn. Leise stand es neben mir und drückte seine Nase gegen mein Gesicht. Was das Schicksal auch bringen würde, ich muß mich fügen.
„Wolltest du weg?“
Es war der alte Elf, er stand an einen Baum gelehnt in einem grün- grauen Mantel. Er hatte mich die ganze Zeit beobachtet, wobei ich ihn aber nicht bemerkt hatte.
„Ich komme sicher nicht weit.“
„Keine hundert Meter.“
„Ich weiß, deshalb füge ich mich auch meinem Schicksal.“
Er setzte sich zu mir und seufzte.
„Ja ja...bei meinem Volk gibt es einen alten Spruch: ‚Sein Leben bestimmt man allein, bloß den Tod bestimmt jemand Anderes‘. Ich hoffe aber für dich, wie auch für uns, daß dein Schicksal für dich noch größere Pläne hat.
Wir blickte über den Hain zu den Meer aus Baumkronen, welches sich Kilometer weit im Tal unter uns erstreckte. In weiter Ferne stieg ein einzelner brennender Pfeil in den samtig schwarzen Himmel, wie ein kleiner Komet, der zurück zum Himmel will.
„Was hat dieses Zeichen zu bedeuten?“
„Orks...“
Am nächsten Morgen, als die ersten Sonnenstrahlen das dichte Blätterdach durchbrachen, sattelten die Elfen ihre schlanken Pferde und waren bereit für den Weg ins Herz Lorens.
„Kannst du reiten Mensch?“
„Sicher!“
„Auch auf einem Elfenross?“ meinte der alte Elf grinsend und alle Elfen lachten.
Mißtrauisch blickte ich das goldfarbene Tier an, welches mein Reitpferd sein sollte. Es sah nicht wie ein Schlachtross oder ein Packpferd aus...Nein, es erinnerte mich vielmehr an die ungezügelte Freiheit eines Hirsches.
Als ich versuchte den Zügel zu fassen, um aufzusteigen, wieherte es laut und bäumte sich auf.
„Es hat Angst, du mußt es beruhigen.“ Die sanften Worte stammten von Minuiriel, die mit ihrem eigenen weißem Pferd näher herangeritten war.
„Ich kann eure Sprache nicht!“
„Sag ihm einfach: Beren!“
Ich nickte und beugte mich nah an das Tier heran, bis meine Lippen fast sein Ohr berührten und flüsterte das fremde Wort. Wie mit einem Schlag stand der Hengst ruhig und lies mich aufsteigen. Ich klopfte ihm freundschaftlich auf den langem Hals und blickte dankbar zu Minuiriel.
„Beren heißt in unserer Sprache: ‚Der, der Schutz bringt‘. Enttäusche das Vertrauen des Tieres nicht, denn es wird dich auch nicht enttäuschen!“
Ich nickte...dann ritten wir los, meinem Schicksal entgegen in das Herz des Waldes.
Auf dieser Reise bekam ich einen Eindruck davon, wie groß und weit das Königreich der Waldelfen war. Wir durchquerten Kilometerlange Sümpfe, ritten unter hohen Bergen, deren Spitzen von Eis bedeckt waren und sahen allerhand Bäume von verschiedenster Art und Alter. Wie durch ein Wunder ritten wir immer auf schmalen Pfaden, die gerade breit genug für zwei Reiter waren. Nie versperrte uns ein Baum den weg oder ein Gestrüpp. Nie brach ein Elf einen Zweig aus Versehen. Auch mußten wir kein Feuer machen, da die Nächte hier in Loren warm und mild waren.
Nach einem Ritt von mehreren Tagen kamen wir schließlich an unserem Ziel an. Ich hatte während unser gesamten reise kaum andere Elfen gesehen, außer den einzelnen Wachposten die uns Bericht erstatteten. Aber hier war eine Lichtung, die voller Elfen war. Man sah Alte wie auch Junge, in den verschiedensten Kleidern, die anscheinend die Sippen kennzeichneten. Als wir an der Menge vorbei ritten, blickten alle mich an und flüsterten leise...immer wieder hörte ich ‚Beren‘ oder auch ‚Berion‘. Dies war also mein Name hier, obwohl ich immer noch befürchte, das ich ihn nicht verdiene. Minuiriel verriet mir das mein eigener, menschlicher Name auf elfisch ‚Naneru‘ wäre. Ach Minuiriel, sollte ich an der Prüfung des Königs scheitern, wäre sie der Grund warum ich es bedauern würde sterben zu müssen. Sie war anders als die anderen Elfen. Alle waren höflich, aber dennoch distanziert, als hätten sie Angst vor mir...nicht so Minuiriel. Sie lächelte mich immer an und erklärte mir alles. Sie sang Lieder in ihrer schönen Sprache abends um mir beim Schlafen zu helfen und wechselte meinen Verband bis meine Wunde verheilt war. Ich empfinde für sie mehr, als nur Dank für meine Rettung...
„Halt...wer seid ihr und wenn bringt ihr uns da mit?“
Vor unsere Gruppe war ein großer Elf getreten, dessen gesamter nackter Oberkörper mit elfischen Runen tätowiert war. Sein Haar stand stachelig vom Kopf ab, als wäre es mit Schweinefett eingerieben worden. Ich habe so eine Art Frisur bisher nur bei Slayern der Zwerge und bei Norscabarbaren gesehen und in beiden Fällen waren die Träger dieser Haarpracht tödliche Killer...mit einem starken Hang zur Arroganz.
„Dies ist der Mann, den die Prophezeiung beschreibt, wir bringen ihn zu König Orion. Er wird wissen ob wir recht haben und so der Mann gekommen ist, auf den wir warteten!“
„Ein lächerlicher Mensch soll der Auserwählte sein...das ich nicht lache!“
„Du hast meinen Vater gehört, Rhavan! Er ist der Führer unseres Klans und ein Mitglied des ewigen Rates. Melde Orion unsere Ankunft!“
Der plötzliche Ausbruch Minuiriel hatte nicht nur mich verblüfft, sondern auch den Krieger erschreckt. Sein arrogantes Grinsen verschwand und wich einem gesenkten Blick.
„Wie ihr wünscht My Lady!“
Während wir auf die Erlaubnis warteten vor den König zu treten, saßen wir an eine alte Eiche gelehnt und betrachteten das Treiben auf der Lichtung. Anscheinend waren heute ungewöhnlich viele Elfen hier, um den König ihre Anliegen zu unterbreiten. Obwohl sie sich in meiner Gegenwart nichts anmerken ließen spürte ich doch eine unbekannte Last, die auf ihren Schultern lehnte.
„Nun ist es bald soweit...der König wird in deine Seele blicken und wird entscheiden ob du würdig bist oder nicht.“
„Ja...ich fürchte mich!“
„Das brauchst du nicht...ich spüre wie edel und gut dein Herz ist. Du bist der Auserwählte der Prophezeiung!“
„Ich hoffe nur, daß das euer König auch so sieht...Minuiriel, falls wir uns nach dieser...Prüfung nicht mehr wiedersehen sollten...möchte ich dir sagen...ich bin der sehr dankbar für alles was du für mich gemacht hast...du hast mir mehr Mitleid und Vertrauen entgegengebracht, als mein Volk verdient hat...und....ich wollte dir sagen...daß...“
Doch bevor ich die Worte aussprechen konnte, erschien der stachelhaarige Krieger und sprach: „König Orion will dich nun sehen Mensch, folge mir!“
„...ich muß gehen...Auf Wiedersehen!“
Ich war schon aufgestanden und hatte mich umgedreht, als Minuiriel aufsprang mich umarmte und mir leise ins Ohr flüsterte:
„Möge Isha dich beschützen, Naneru!“
Dann küßte sie mich...mein Herz pochte wie verrückt, ich war noch nie gleichzeitig so aufgeregt und so glücklich...doch dieser Kuß dauerte nur Sekunden...die mir wie eine Ewigkeit vorkamen.
„KOMM!“ sagte der Elf und packte meine Schulter und trennte uns so. Ich seh‘ das Bild noch klar vor mir, wie ich mit dem Kriegstänzer zum Thronsaal des Königs von Athel Loren ging und Minuiriel anschaute, wie sie ganz allein unter der alten Eiche und mir hinterherschaute mit ihren großen, traurigen Augen....

Ich wurde in einen großen Saal geführt, der bei näherer Betrachtung vollständig aus Bäumen bestand. Wie eine Säulenhalle waren Bäume links und rechts zu langen Reihen gewachsen und bildeten mit ihren Blättern das Schützende Dach. Ich war mir sicher, das so ein Wachstum nicht zufällig geschieht, schon gar nicht nachdem ich von Minuiriel die Geschichte der Baumsänger gehört hatte. Diese Baumsänger haben ein spezielles Verhältnis zu den Bäumen und können durch ihren Gesang das Wachstum beeinflussen...so entstehen die Siedlungen und Wege der Waldelfen.
Es war dunkel in diesem Saal...vereinzelt standen Wächter an den „Wänden“ und musterten mich streng.
„Rhavan, wo ist der König?“
„Dort“, sagte er und deutete mit seiner Hand auf etwas, was ich bisher für eine uralte, mit Efeu überwucherte Statue hielt.
Ich dachte immer, der König der Elfen sei ein alter Elf oder etwas ähnliches...aber das Wesen, was ich sich nun von seinem steinernem Thron erhob, war etwas völlig anderes...
„König Orion, Herrscher der Waldelfen und König von Athel Loren!“
...es war ein Gott! Er war ungefähr 3 Meter groß, seine nackte Haut schimmerte grün, wie die See. Sein Haar war lang und glich dem Blattwerk der Bäume, ein mächtiges Geweih ragte aus seinem Haupt, als sei er ein stolzer Hirsch. Seine Beine glichen ebenfalls den Hinterläufen eines Hirschen, obwohl er doch aufrecht damit vor mir stand.
„AH...DER AUSERWÄHLTE!“
Seine Stimme war tief und dunkel, er schaute mir in die Augen und grinste, wobei er scharfe Fangzähne, wie die eines Raubtiers entblößte. Ich stand bisher noch nie solch einem mächtigen Wesen gegenüber. Meinen ganzen Mut zusammen nehmend, straffte ich meine Gestalt, blickte ihm in die Augen und antwortete:
„Ihr seid der Einzige, der wissen kann, ob es wahr ist!“
„ER KOMMT AUS DEM OSTEN, WILL IN DEN WESTEN, VOM ZWEIFEL GETRIEBEN, VOM FEIND DES FEINDES VERWUNDET, DEM TODE VERSPROCHEN, VON EINER MAID GERETTET. ER WIRD RETTEN, WAS DEM UNTERGANG GEWEIHT, ER WIRD SIEGEN ÜBER SEINE ZWEIFEL UND ÜBER DIE FINSTERNIS UND WIRD SEIN EIN ANDERER MANN. Ja, ich werde es wissen...KOMM NÄHER!“
Ich trat vor und blickte empor in das göttliche Gesicht des Elfenkönigs. Er streckte seine Hände aus, die fast eine Elle lang waren und berührte leicht mein Gesicht...langsam, ganz langsam tasteten seine geistigen Fühler sich in meine Seele, entdeckten jedes Geheimnis und jeden Gedanken den ich jemals hatte. Gleichzeitig sah ich aber auch, wenn auch nur für einen kurzen Moment, den Geist des Königs...tiefe Wälder, weite Flüsse, unendliche Lichtungen...Weisheit...Angst....Hoffnung...nun begriff ich, der König war nicht nur der Herrscher Lorens, er war ein Teil Lorens!
Plötzlich lies er mein Gesicht los und sah mich lange nachdenklich an...ich hörte, wie der Kriegstänzer hinter mir sein Schwert zog und nur auf einen Befehl des Königs wartete, um meine Existenz zu beenden...
„DU BIST DER AUSERWÄHLTE...ICH SEHE NUR GUTES UND EDLES IN DIR! DU ERFÜLLST DIE PROPHEZEIUNG VOLLSTÄNDIG ABER DA IST NOCH ETWAS ANDERES...DU BIST ZUR HÄLFTE EIN ELF!“
„Was...aber ich sehe nicht aus, wie ein Elf...ich habe nicht eure geistige Begabung...ich...“
„UND DOCH FLIESST ELFISCHES BLUT DURCH DEINE ADERN! WER WAREN DEINE ELTERN?“
„Mein Vater war Händler in Nuln...meine Mutter...sie starb kurz nach meiner Geburt!“
„SO WAR SIE EINE ELFE! Du bist jedenfalls zur Hälfte ein Elf, wenn auch nicht vom Aussehen, so aber von deinen Gedanken und Gefühlen her...ich hörte von deiner Wirkung auf Tiere und deiner starken emotionalen Wirkung...du bist elfischen Blutes.“
Ich schwieg...wer hätte das denken können...mein Vater hat mir nie viel erzählt...meine Mutter kannte ich nicht...ich war zwar schon immer etwas geschickter als andere, auch größer, schlanker und konnte besser mit Tieren umgehen...aber elfisches Blut....nein das hätte ich mir nicht träumen lassen.
„Die Frage ist nun, willst du deine Rolle als Auserwählter Retter des Elfenvolkes übernehmen?“
„Ich...ich nehme die Bürde auf mich!“
„Gut...so sollst du auch erfahren, was das Unglück ist, welches den Wald von Loren bedroht: Vor drei Monden begannen sie uns heftig an unserer Südgrenze zu attackieren, Orks! Erst dachten wir, es seien die üblichen Grenzscharmützel, aber die Kämpfe wurden immer heftiger und immer mehr Orks strömten nach...unsere Späher mußten sich zurückziehen...diese grünen Teufel fällten Dutzende unserer Bäume um Feuer zu entfachen, mit denen sie ihre zahlreichen Schmieden betreiben, die sie im gerodeten Land erbauten...immer mehr Grünlinge strömten heran und bedrohten den Wald, so mußten wir angreifen um sie zu vertreiben...in der folgenden Schlacht floß viel Blut, viele Elfen starben, aber die Orks wurden zurückgedrängt mitsamt ihren Verbündeten!“
„Verbündete?“
„Ja...sie sind einen verfluchten Pakt eingegangen, diese Orks...mit dem Chaos! Als wir schon alle Orks zurückdrängten und unsere Grenzreiter sie niederitten, tauchten schwarze Ritter auf und griffen uns an, aus der Luft erschienen abscheuliche Dämonen und stürzten sich auf meine Krieger, um sie zu zerreißen. Nur die Flucht in den Wald rettete uns...seitdem ziehen wir uns tief in die Wälder zurück...immer in Abwehrkämpfen und versuchen zu überleben!“
„Wie können wir diese unheilige Allianz zerschlagen?“
„Ein direkter Angriff wäre Selbstmord, wir können nicht genügend Krieger aufbringen um alle zu erschlagen...außerdem sind sie uns im freien Gelände, der Sümpfe im Süden überlegen...die einzige Möglichkeit wäre es, den General auszuschalten...derjenige, der durch seinen Willen sie alle zusammenhält! Wenn er in seiner Burg getötet wird, zerfällt die Ork und Chaoshorde in viele Splitter und zerstreut sich in alle Winde!“
„Aber König Orion...ihr seid mächtig...ihr seid ein Halbgott...warum braucht ihr mich für diese Aufgabe!“
„Ich bin der Wald...geht es dem Wald gut, geht es mir gut und umgekehrt. Meine Kräfte schwinden...und wahre Kraft habe ich auch nur hier in Loren, draußen im Gebirge bin ich verwundbar...du aber hast zwei Vorteile!“
„Und welche wären das, Majestät?“
„Du kennst die Berge, dein Heer ist über sie gezogen...und der Chaoslord rechnet nicht damit, daß jemand von unserem Volk ihn in seiner Burg angreift!“
„Und ihr glaubt wirklich, daß ich das schaffe?“
„Du bist die einzige Chance, die wir haben! Wenn du versagst, dann stirbt Loren und das Volk der Waldelfen!“
Mir wurde nun bewußt, wie grausam mein Schicksal wirklich war...fast gestorben als Mensch...wiedergeboren als Elf...sollte ich nun mein Leben gegen einen mächtigen Chaoslord riskieren.
„Verlaßt euch auf mich, Majestät!“
„Exzellent, komm mit...mein Volk soll die frohe Botschaft hören!“
Der König stapfte mit mir und Rhavan hinaus in das grelle Tageslicht der Lichtung. Dort standen hunderte Elfen, anscheinend alles Hauptleute, der diversen Klans, sowie Minuiriel und ihr Vater.
„ES IST DER AUSERWÄHLTE! BEREN NANERU; DER DER UNSER VOLK RETTEN WIRD!“
Kaum hatte der König diese Worte ausgesprochen, schon brachen alle Elfen in Jubel aus und warfen mit Kränzen aus Waldblumen...Nun hatte ich nicht nur ein Pferd unter meinem Schutz...ein ganzes Volk vertraute nun auf mich!
Langsam, aber sicher näherte sich dieser ereignisreiche Tag seinem Ende, denn langsam ging der große orange Feuerball unter in der Ferne des weiten Baumwipfelmeeres. Ich war auf den Weg zu einer Besprechung der obersten Walhüter, welche mich über den Feind informieren sollten, als plötzlich aus einem Busch neben mir eine leise Stimme ertönte:
„Naneru! Komm her...“
Es war Minuiriel, meine geliebte Elfe...wir saßen uns gegenüber im Dickicht der Büsche und sahen uns an, unser beider Atem ging heftig und unregelmäßig. Sie sah bezaubernd aus, ihre langes Haar war zu Zöpfen geflochten und mit kleinen Blumen geschmückt. Um ihre Stirn hatte sie einen silbernen Reif gelegt, der einen kleinen Mond stilisierte. Ihre roten Lippen glänzten wie Morgentau...und dann küßten wir uns, diesmal länger, inniger, vertrauter als zuvor am Morgen. Ich wußte, wir waren füreinander bestimmt.
„Ich bin so froh, daß du zurückgekommen bist...ich wußte, daß du der Richtige bist.“
„Aber ich muß bald wieder weg...“
„Ja...aber dann wirst du zurückkehren und wir werden für immer füreinander da sein!“
Bevor ich antworten konnte, küßte sie mich wieder...dann fiel mir wieder ein, wohin ich eigentlich wollte.
„Ich muß nun zu der Versammlung...um den Wald zu retten, muß ich die Lage kennen!“
„Dann geh...wir werden uns bald wiedersehen!“
So machte ich mich auf, zu dem hell erleuchteten Baumhaus, wo die Versammlung der Waldhüter mich informieren sollte. Ich konnte nicht aufhören, an Minuiriel zu denken, auch als mich der Kriegstänzer Rhavan am Eingang empfing und mich nach ihnen geleitete. Alle Elfen sahen mich nun mit einem anderen Blick an, als noch vor einem Tag. Ich war nun einer von ihnen, im Blut wie auch im Geiste...mehr noch...ich war die Rettung dieses, meines neuen Volkes. Immer wieder hörte ich meinen neuen Titel ‚Beren‘ oder auch ‚Berion‘ wie mich die Älteren nannten, und war schon bald stolz über diese Anrede. Auch fiel es mir nun leichter, das Elfische zu verstehen, da mir Minuiriel und ihr Vater einiges auf der Reise beigebracht hatte. Mehr und mehr konnte ich die melodische Sprache selber sprechen und wurde so mehr und mehr ein Teil der Gemeinschaft. Plötzlich erhob sich Orion aus der Menge der elfischen Anführer und sprach laut:
„Seid ruhig, wir werden Berion’ nun die Lage unseres Gegners erklären und seine Meinung zu unserem Plan hören!“

Alle Augen im Raum richteten sich nun auf die gewaltige Gestalt Orions, der eine uralte Karte auf dem hölzernen Tisch vor sich ausrollte und mich zu sich winkte.
„Du siehst hier die Grenzen unseres Reiches, hier im Süden in den Sümpfen zwischen dem Rand des Waldes und dem Fuße der Himmelspfeiler steht der Feind und vernichtet unsere Welt...aber alle Angriff und Truppenbewegungen gehen von diesem Punkt aus...“ Er deutete auf das graue Gebirge, „Dort haben unsere Falkenreiter den Standort der Chaosfestung entdeckt. Sie wurden sofort von abscheulichen Dämonen attackiert und mußten deshalb umkehren...dorthin mußt du gehen und dem Feind sein Ende bereiten!“
Ich starrte lange nachdenklich auf die Karte und sagte schließlich:
„Gut...ich kenne das graue Gebirge, ja sogar diesen Punkt...es ist eine alte Feste der Bretonen, schon vor Jahrhunderten aufgegeben. Wir dachten schon, daß sie von Orks besetzt sei...anscheinend sind die Grünlinge in den Tiefen des Berges aber auf noch größere Übel gestoßen und haben um ihr Überleben zu sichern, einen Pakt mit dem alten Feind geschmiedet.“
„Du hast also einen Plan!“
„Nur die Hälfte eigentlich...ich weiß nicht, wie ich an den Fuß der Festung kommen kann...hier und hier stehen die Orks und behindern jeden Ausfall aus dem Wald heraus...ich müßte ungesehen an die Festung kommen, mit einer sehr kleinen Gruppe, die unauffällig agieren kann!“
„Da wüßte ich ein Lösung!“
„Ja, Rhavan?“
„Die Grotten von Vaul...sie verlaufen unterirdisch vom Rand der Sümpfe bis zu den Hochmooren des Nebelgebirges!“
„Das könnte gelingen...wer will den Auserwählten begleiten!“
„Ich und einer meiner besten Krieger!“ rief der Kriegstänzer Rhavan.
„Und ich!“ Diese Stimme gehörte Gwanun, dem Waldläufer.
„Ich werde dich auch begleiten!“ Dieser letzte Ruf kam von dem altem Elf, Minuiriels Vater, der ein exzellenter Bogenschütze war, wie ich bisher sehen konnte.
Orion richtete sich auf und lächelte in die Runde: „Nun gut...ich spüre, daß diese edlen Gefährten der Aufgabe gewachsen sind...ihr werdet bis zum Mondwechsel trainieren und dann in Richtung Süden aufbrechen, Möge Isha über euch wachen!“
Die folgenden Wochen waren geprägt durch Fechten und Bogenschießen, um für die kommenden Gefahren gewappnet zu sein.
Gwanun übte mich persönlich im Kampf mit dem Bogen, denn obwohl ich dachte ich sei ein exzellenter Bogenschütze, reichten meine bescheidenen Jagdfähigkeiten nicht an die Kunst der anderen Elfen heran...Ich lernte jedoch schnell und schon bald traf ich ein Karnickel im Lauf aus hundert Metern Entfernung. Ebenso lernte ich das lautlose Tarnen und Anschleichen, sowie den unbewaffneten Zweikampf unter den strengen Augen von Rhavan.
Die Zeit verging, und es folgte die Phase in der Mannsleib über Morrsleib steigen sollte, und so auch der Zeitpunkt unseres Aufbruchs.
Ich lag an diesem Abend an einem flüsterten Bach mit meiner geliebten Minuiriel im Arm und versuchte nicht an die Schrecken zu denken, die mich in den grauen Bergen erwarteten.
Diese Nacht erinnerte mich an den Abend, an dem Minuiriel mein Leben rettete. Der Duft von tausend Blumen stieg mir in die Nase, oder war es der Geruch von Minuiriels duftenden Haar. Ich weiß es nicht und es war mir auch egal. Ich war glücklich. Als ich mich aufrichtete um einen Schluck Sonnetau aus dem Lederschlauch zu nehmen, sah sie mich an, als wollte sie etwas Wichtiges sagen.
„Sprich aus, was dich belastet mein Abendstern.“
Sie kicherte und schmiegte sich an mich. „Du redest schon fast wie ein elfischer Barde!“
„Mein Blut scheint nun langsam durchzuschlagen, jetzt wo ich hier bin...bei dir.“
„Ich weiß, daß du zurückkehren wirst...du wirst schreckliche Gefahren überstehen müssen und dein Glaube wird oft auf die Probe gestellt werden, deshalb möchte ich dir zwei Sachen geben.“
Sie griff hinter sich, in den grünen Beutel und holte einen Pfeil hervor. Dieser Pfeil hatte einen völlig schwarzen Schaft, sowie rabenschwarze Federn. Die Spitze war nicht aus Bronze, wie die meisten Waffen der Waldelfen, sondern war aus einem einzigen, kalkweißen Knochen geschnitzt. Als ich ihn in die Hand nahm, leuchteten weiße Runen auf dem Schaft auf und ich spürte die Macht pulsieren, die in diesem Pfeil gebunden war.
„Dies ist ein magischer Pfeil, benutzt ihn erst, wenn die Not am größten ist. Dann wird er nämlich immer deinen Feind treffen und zwar an seiner schwächsten Stelle!“
„Danke...was ist die andere Sache!“
Aber anstatt mir zu antworten, drückte sie mich in das weiche Ufergrass und zog sich langsam ihr Kleid über den Kopf...und ich versprach ihr zurück zukehren!

Uns so kam der Tag unserer Abreise, der schon sehr früh begann. Noch bevor die ersten Sonnenstrahlen sich über das Firmament erhoben um die zahlreichen Geschöpfe Loren zu wecken, ritten wir los. Wir fünf tapferen Männer, die schwere Bürde auf unseren Schultern tragend. Naneru, Gwanun, Minuiriels Vater, der junge Falfion sowie der Kriegstänzer Rhavan. Die Zeit verging wie im Fluge, denn wir ritten auf den edelsten Rössern, die die Ställe Lorens zu bieten hatten. Mit dem Lauf der Stunden erhob sich auch die Sonne über unsere Häupter und verwandelte im Spiel mit dem dichten Nebel, der den Waldboden bedeckte, unsere Reise zu einem Gebilde wie aus einem Traum. Vor Wochen war ich noch ein imperialer Pistolier, der gegen die Bretonen ins Feld zog um unwichtige Grenzstreitigkeiten zu regeln. Und nun saß ich auf dem Rücken eines Elfenrosses, gekleidet in edle Jagdgewänder, unter Elfen, als einer der Ihren um den Wald von Loren zu retten. Während dieses Rittes betrachtete ich meine Gefährten aufmerksam. Gwanun, der über seiner ledernen Tunika einen Mantel aus Blättern trug, die ihn fast gegen den Hintergrund des Waldes unsichtbar werden ließen, wie er mit dem scharfen Blick eines Luchses den Wald und den Himmel nach Gefahren absuchte und ständig einen Pfeil auf seiner Sehne trug...Rhavan, der wilde Kriegstänzer, der stolz erhobenen Hauptes auf seinem grauem Roß dahin trabte, die Haare vom Kopf abstehend wie Sonnenstrahlen, seinen nackte Brust über und über tätowiert. Ich hatte ihn respektieren gelernt, während der Fechtübungen, den er kämpfte nicht nur gut, er spielte regelrecht mit seinem Gegner, wie eine Katze mit einer Maus. Ihm folgte dicht auf, der junge Falfion, sein Bruder wie ich hörte...er stand noch am Anfang seiner Kriegerkarriere und heischte um jedes Fünkchen Anerkennung, welches ihm sein Bruder entgegenbrachte. Ganz am Schluß ritt Minuiriels Vater, eingehüllt in seinen grauen Umhang und hatte die Augen geschlossen, als würde er schlafen...doch er schlief nicht, er dachte die ganze Zeit angestrengt über etwas nach.
„Naneru...reit näher!“
„Ja, was ist?“
„Ich habe lange nachgedacht...gestern Nacht, vor unsere Abreise, hatte ich einen Traum...von meinem Tod!“
„Ach...was soll das?“
„Wenn ein Elf von seinem Tod träumt ist das mehr als nur ein Hirngespinst! Ich werde von diesem Abenteuer nicht zurückkehren...du mußt mir etwas versprechen!“
„Was ist es?“
„Mir ist nicht entgangen, das du meine Tochter liebst...und bei Isha, sie liebt dich ebenfalls! Sie wird die Anführerin unseres Klans sein, wenn ich nicht mehr da bin. Aber sie braucht jemanden der ihr hilft und ihr Halt gibt. Du mußt sie beschützen...weil ich es dann nicht mehr kann! Nun, was sagst du?“
„Ich schwöre es!“
Daraufhin gaben wir uns die Hand und ab diesem Zeitpunkt wirkte er, als sei ihm eine schwere Last abgenommen worden.
Je weiter wir nach Süden kamen, um so mehr veränderte sich die Landschaft....kein Vogel sang mehr, kein Fuchs raschelte im Unterholz, selbst die Bäume wurden farbloser und grauer, als ob sie Trauer tragen würden.
„Wir sind fast am Ziel...steigt von den Pferden ab...von hier laufen wir!“
Wir alle taten, wie uns Rhavan geheißen hatte und schickten die Pferde weg, die sofort wieder ins Herz des Waldes liefen.
Nachdem wir über eine kleine Kuppe geschlichen waren, sahen wir das was, was von südliche Wald noch übrig war. Kilometer weit erstreckte sich nichts, als verbrannte, graubraune Erde. Zahllose Baumstümpfe ragten aus dem vergifteten Boden und unzählige Leichen lagen auf der Erde verstreut.
Orkische, wie auch Elfische...manche barbarisch gefleddert und teilweise angenagt.
„Dafür werden diese Hunde bezahlen!“
„Wo sind sie alle?“
„Dort drüben siehst du den schwarzen Rauch ihrer Schmieden und Lager, sie bereiten einen neuen Angriff vor...wir müssen vorsichtig sein, es müßten noch viele Patrouillen unterwegs sein...zum Eingang der Grotte ist es nicht weit, folgt mir!“
Flink führte uns Rhavan am Waldrand entlang zu einer tiefen Schlucht, abseits des Schlachtfeldes. Dort, weit unten sah man einen hohen Wasserfall in die Tiefe stürzen.
„Da müssen wir runter, hinter dem Wasserfall liegen die Grotten des Vaul...Los, wir haben Seile dabei!“
Und so seilten wir uns an der glitschigen Felswand ab, hinunter in die eiskalte Gischt des Wasserfalls. Schon der Abstieg war gefährlich, den die glatte, moosbewachsene Wand, bot keinen guten Halt und so mußten wir uns in achte nehmen, nicht zu stürzen.
Als Rhavan schon fast unten war, ertönte ein Laut, der uns alle zusammen fahren lies. Das Zischen eines Pfeils! Am Rand der Schlucht waren Goblins aufgetaucht und hatten uns entdeckt...nun mußte es schnell gehen, den immer mehr Pfeile prasselten auf die kalte Felswand und es war nur eine Frage der Zeit bis einer uns treffen würde. Während Falfion mir half, mich ins Wasser abzuseilen, wo Rhavan und Minuiriels Vater schon warteten, kauerte sich Gwanun auf einen Felsvorsprung und spannte seinen Langbogen. Der erste Pfeil, der seine Sehne verließ, traf den Anführer der Goblins in seine kleinen, warzenübersäten Arm, was ihm zu einem schrillen Kreischen veranlaßte. Der Zweite erwischte das Bein eines, in schwarze Lumpen gehüllten, Bogenschützen und lies in taumelnd in die Tiefe stürzen. Dies war zuviel, für die kleinen Höllenkreaturen und lies sie flüchten, aber schon kurz darauf ertönte ein Hornsignal, das durch viele andere beantwortet wurde.
„Schnell...sie wissen, das wir da sind...wir müssen uns beeilen!“
Uns so sprangen wir alle durch den glitzernden Vorhang des Wasserfalls und landeten in absoluter Finsternis.
Nein...völlig finster war es nicht...denn nachdem unsere Augen sich an das Halbdunkel gewähnt hatten, bemerkte ich fernen Lichtschein in der Ferne.
„Die Orks sind schon hier unten!“
„Nein Naneru, dieser Lichtschein kommt von der heißen Magmaflüssen , die hier unten fließen! Diese Grotten sind nach Vaul benannt, den elfischen Gott der Schmieden.“
So wanderten wir aus der Schwärze der Höhle hin zu dem flackernden Licht am Ende des Ganges. Kaum waren wir in die Kaverne eingetreten, schon verschlug es mir den Atem...diese Höhlen waren gigantisch, sie reichten so weit das Auge sehen konnte...und hunderte Meter unter uns floß ein blutroter Strom, flüssigen Gesteins. Uns allen stand der Schweiß auf der Stirn, den die Temperaturen hier unten, machten den Wüsten Arabiens Konkurrenz. Der gesamte Ort wirkte nicht einladend, ja richtig alptraumhaft...skurril geformte Steine ragten wie ein Wald aus Klingen empor und warfen geisterhafte Schatten in diesem rötlichen Licht.
„Ein wahrlich, ungemütlicher Ort zum Verweilen!“
„Ja...seit tausend Jahren ist kein Elf mehr hier unten Gewesen. In der alten Zeit, als Elfen und Zwerge noch in Frieden lebten, bauten die See-Elfen hier unten einen gewaltigen Tempel zu Ehren Vauls. Auch die Zwerge halfen und legten massive Brücken über die Lavaströme. In der Zeit des großen Krieges wurde der Tempel zerstört, und kein Elf war jemals wieder hier unten. Auch die Zwerge mußten sich zurückziehen, vor der grünen Flut die ihr Land überrannte. Aber die Brücken müssen immer noch stehen!“
„Aber seid auf der Hut, hier unten gibt es trotzdem lebende Wesen und sie sind uns nicht freundlich gesonnen!“
Wie auf ein Zeichen zogen die beiden Kriegstänzer ihre langen, silbernen Klingen und gingen voran, Gwanun und der alte Elf legten beide einen Pfeil auf ihre Sehen und ich folgte ihrem Beispiel.
Nach einer Wanderung von einer Stunde in brütender Hitze und unter den Schatten, der gespenstischen Felsen, erreichten wir einen Lavastrom, der von der Breite den Reik in sich aufnehmen konnte.
„Hier müssen wir drüber...und hier muß auch die Brücke sein!“
„Ich sehe aber keine Brücke!“ rief Falfion erbost.
Darauf lachte der alte Elf: „Glaubt ihr jungen Krieger wirklich, die Zwerge hätten in der alten Zeit wirklich eine ganz gewöhnliche Brücke aus Stein gebaut...oh nein! Sie bauten eine magische Brücke, unsichtbar für das Auge des Unwissenden. Nur der Wissende, weiß das Zauberwort um sie sichtbar zu machen!“
„Und was machen wir jetzt?“
„Mein lieber Rhavan, ich bin einer der ältesten Elfen, die in Loren leben! Ganze 653 Jahre alt! Vor mir lebte mein Vater in Loren, und dessen Vater lebte auch hier, bevor es das Königreich Athel Loren gab! Und dieser Mann war ein Priester Vauls, er kannte die Zwerge und ihren Zauber und er kannte auch das Losungswort...er verriet es seinem Sohn, und der wieder mir! ;Lobt den Frieden‘...Aglarebsîdh!!!“
Und kam waren diese Worte ausgesprochen, schon tauchte eine breite Brücke auf, die sich über den gesamten Lavalfuß spannte. Sie war gut drei Meter breit und sah so solide aus, als wäre sie schon die ganze Zeit hier gewesen. Auf den Pfeilern waren in Granit gemeißelte Szenen Elfisch-Zwergischer Freundschaft dargestellt, Erinnerungen aus einer besseren Zeit.
So überquerten wir auch dieses Hindernis und kamen an das Ende der Grotte und ich bemerkte, das sich der Boden langsam anhob und uns in die Höhe führte. Auch wurde es, je weiter wir gingen immer kühler und ein frischer Wind wehte uns in die verschwitzten Gesichter und erleichterte unsere Herzen. Schon sahen wir das Ende des langen dunklen Ganges, den dahinter liegenden blauen Himmel und die Spitzen des Grauen Gebirges.
Wir rannten nun alle, den wir konnten es nicht erwarten, die frische Luft zu atmen, als das Unglück geschah...
Ein markerschütternder Schrei von Minuiriels Vater lies uns wenden und wir erstarrten bei dem, sich uns bietenden, Anblick. Ein gewaltiger Steintroll war aus der Dunkelheit gesprungen, wir hatten ihn in unserer Hast nicht bemerkt, und hatte den alten Elf gepackt, verzweifelt wehrte Er sich, aber die langen Krallen des Untier packten zu und drangen tief in sein Fleisch ein.
Rhavan und Falfion sprangen auf das Untier und stachen auf Es ein, aber die schrecklichen Wunden, die sie ihm zufügten, schlossen sich sofort wieder. Mit einem gewaltigen Brüllen schleuderte der Troll die zwei Kriegstänzer wie Puppen von seinem Rücken und richtete seine mordgierigen Augen auf mich. Langsam, wie im Traum zog ich mein Schwert und bereitete mich auf seinen Angriff vor.
„Naneru...runter!!!“ Es war Gwanun der Waldläufer, der schon einen Pfeil auf seine Sehne gelegt hatte. Ich hechtete auf den Boden, gerade als der Troll nach vorne stürzte um mich zu zerfleischen. Ich spürte den Hauch, als Gwanun Pfeil knapp über mich zischte und den Troll traf. Hart schlug das Untier auf dem kalten Fels auf und zuckte noch ein letztes Mal. Der meisterhafte Schuß von Gwanun war genau durch das Auge des Trolls gegangen und hatte sein winziges Hirn durchbohrt.
Ein Ächzen lies mich wieder zu Sinnen kommen und ich lief zu dem schwer verletzten, alten Elf.
„Siehst du...ich hatte Recht...mein Tod war vorherbestimmt...du mußt deinen Auftrag zu Ende führen...allein schon wegen Minuiriel...Paß gut auf sie auf!“
Wenige Atemzüge später war er Tod...
„Er war ein tapferer Mann...Beren Naneru...wir sollten uns beeilen, sonst war sein Opfer umsonst!“
„Ja...das sollten wir!“
Und so stürmten wir hinaus ins Freie...wir standen auf einem Schneeplateau, viele hundert Meter über dem Wald von Loren. Von hier sahen wir das ganze Ausmaß der Bedrohung...Dutzende Orklager waren um den südlichen Rand des Waldes aufgezogen worden und hunderte Feuer brannten schon und spien schwarzen Rauch in den roten Abendhimmel, die Heere des Bösen sammelten sich für ihren großen Angriff. Wir drehten uns um und blickten hinauf, dort auf dem Berg stand sie...die alte Festung, von der alles übel ausging, welches Athel Loren heimsuchte. Wir vier waren am Ende unserer Reise und wußten es...nun kam es auf uns an.
„Für Isha und Athel Loren!“


Doch als wir uns aufmachen wollten, unseren Wald von der Geißel des Bösen zu befreien, wäre unser Abenteuer schon fast zu Ende gewesen. Nur das exzellente Gehör des Waldläufers Gwanun warnte uns vor der kommenden Gefahr...
„Feinde kommen näher...versteckt euch...da!“
Wir rannten zu einer Felsspalte, die das Wasser und die Jahrtausende metertief in das Gestein der Berges gegraben hatte. So quetschten wir uns dicht gedrängt in dieses notdürftige Versteck...und keine Sekunde zu spät. Man hörte es nun schon von Weitem, das Scheppern eiserner Stiefel auf dem groben Fels. Meine Kapuze tief ins Gesicht gezogen, spähte ich aus dem Schatten unserer Zuflucht auf den Weg, wo wir noch kurz zuvor gestanden haben. Eine große Gruppe Orks marschierte vorbei und versuchte erst gar nicht, sich unauffällig zu bewegen...aber das waren nicht die Orks, gegen die ich schon vor Jahren in den Grenzgrafschaften kämpfte. Diese Orks waren von Kopf bis Fuß in brünnierten Stahl gekleidet und trugen grobschlächtige Mordwerkzeuge wie eiserne Lanzen und Äxte. Die wenigen Stellen ungeschützter Haut, waren von unheiligen, schwarzen Tätowierungen bedeckt. An ihren Gürteln und Schilden hingen schreckliche Souvenirs des Krieges, wie abgeschlagene Hände und Köpfe. Bei manchen erkannte ich sogar Zeichen von aberwitziger Mutation...jeder zahlt seinen Preis, wenn er sich mit dem Chaos einläßt...
„Loz Jungz, hia treiben sich die Spargelz rum...wia müssen alle erwischen, sie dürfan da Boss nich‘ stören!“
Ich hatte zwar keine Silbe des Gegrunzes verstanden, aber der Tonfall des Anführers und die Schnelligkeit, mit der die anderen auseinanderströmten, verrieten mir, daß die Nachricht von uns schon bis hier oben vorgedrungen war...wir hatten keine Zeit zu verlieren...aber wir durften unser Leben auch nicht leichtfertig in Gefahr bringen!
„Naneru...was sollen wir machen?“
„Wir warten, bis es Nacht ist...dann dringen wir in die Burg ein und beenden den Spuk!“
„So sei es...schlaft jetzt...ich werde Wache halten!“
Und so schliefen wir sofort ein, da die Anstrengungen der letzten Ereignisse uns erschöpft hatten. Nur Gwanun blieb wach und beobachtete den schmalen Ausgang der Felsspalte.

„Wacht auf...es ist Nacht! Kein Grünling zu sehen oder zu riechen...“
Langsam, wie die Füchse, verließen wir unser Versteck und blickten in die finstere Nacht. Unter uns lag ein wundervoller Anblick, der Wald von Loren lag still und friedlich als große, graugrüne Landmasse da...einzelne goldene Lichter verrieten die Siedlungen und Haine der Elfen...und am Rand lagerten wie glänzende Rubine die Streitmächte des Bösen...es war die Ruhe vor dem Sturm.
„Also gut...!“ Ich blies mir in die Hände um sie ein wenig aufzuwärmen, denn in den Bergen herrschten Nachts Temperaturen, bei denen Wasser zu gefrieren anfängt.
Vier grauen Schatten gleich, huschten wir den Hang hoch bis zu den verwitterten Festungsmauern. Unser leises Vorgehen und unsere Jagdmäntel verheimlichten unsere Anwesenheit. Viele Meter über uns, sahen wir den gelben Widerschein einer Fackel...metallisches Klicken hallte von den Mauern wieder, ein Wachtposten auf Rundgang! Blitzschnell visierte Gwanun den Ork an und traf ihn in die Kehle, so war das einzige Geräusch welches er verursachte ein leises Gurgeln.
Wie silberne Spinnweben warfen wir unsere Seile in die Höhe, die sich mit ihren hölzernen Widerhaken lautlos an der Brustwehr verzahnten. So zogen wir uns Meter für Meter in die Höhe, nur unser kondensierender Atem würde erahnen lassen, wo wir uns befanden. Als erster war Falfion oben und meldete, daß die Luft rein sei. Oben angekommen, musterten wir das Gelände...die alte Festung war tatsächlich nicht viel mehr als ein Haufen Ruinen, aber unterirdisch schienen sich gewaltige Gewölbe zu erstrecken, den aus einem Kellereingang im Hof drang oranges Licht durch die blaue Finsternis der Nacht und zahlreiche Geräusche, wie das Klirren einer Schmiede sowie das Brüllen betrunkener Soldaten hallte über den Hof.
„Wo wird er sein?“
„Du meinst der Chaoslord, der Drahtzieher allen Übels?“
„Ja...diese Burg ist riesig...wir können nicht alles absuchen...vorher werden wir erwischt und niedergemacht!“
Mir war dieses Problem auch schon die ganze Zeit durch den Kopf gegangen und um ehrlich zu sein...ich hatte keine Antwortet gefunden!
Verzweifelt blickte ich in den wolkenverhangenen Himmel, wie auf ein Zeichen der Götter wartend...und blickte so in Richtung Burgfried, der noch intakt war. Dort, im obersten Fenster des Turmes drang ein grünlicher Schein nach draußen, als sei ein Zauberer dabei, blasphemische Magie zu wirken.
Ich klopfte Rhavan auf die Schulter und deutete in die Richtung...
„Bei Kurnous, dort muß er sein!“ flüsterte er und zog seine Schwerter und stürmte in Richtung des schweren Eisenportals, welches am Fuß des Turmes lag.
„Rhavan...nicht!“ zischte Gwanun, aber der Kriegstänzer war schon unterwegs, dicht gefolgt von Falfion.
„Sie werden noch in eine Falle laufen!“ sagte ich und rannte zusammen mit dem Waldläufer hinterher.
Und kaum hatte ich diese schicksalsschwangeren Satz ausgesprochen, schon geschah es. Rhavan mußte irgendeine, unsichtbare Magieschranke durchschritten haben, denn der Hof erstrahlte plötzlich in einem geisterhaftem Purpur und sofort stürmten die Wachen aus den Quartieren im Hof. Nicht nur Orks, sondern auch Goblins, wie auch fürchterlich anzusehende Chaosbarbaren und Tiermenschen. Zu Dutzenden stürmten sie nun über Treppen und Leitern hinauf zur Wehrmauer, um uns zu töten.
„Lauft...lauft zum Turm!“
Gwanun und ich schossen noch vereinzelte Pfeile in den Mob, der uns verfolgte, aber die wenigen die fielen wurden sofort durch neue Krieger ersetzt. Mit letzter Kraft erreichten wir das Eisenportal, das von Falfion und Rhavan aufgehalten wurde.
„Schließt das Tor!“ Und kaum waren wir im Turm flogen schon die ersten Pfeile durch den offenen Bogen. Mit lautem Knall fiel das Portal zu und schütze uns vor den Geschossen.
„Es gibt kleinen Riegel! Wir werden sterben!“
„Nach oben...bevor wir sterben erledigen wir noch ihren Anführer!“ Und kaum hatten wir die ersten Treppen genommen, schon krachte unter uns das Tor auf und der dunkle Turm wurde erhellt von den Fackeln der Orks, die uns nachsetzten.
Mein Herz pochte, als wollte es zerspringen, als ich drei Stufen auf einmal nahm. Ich dachte nur noch daran, nach oben zu kommen...was mich dort erwarten würde, wußte ich nicht.
Das Dunkel des Turms wich immer mehr dem grünen Lichtschein, je höher wir kamen und dann waren wir oben angelangt. Wir standen in einem riesigen Raum, der früher einmal eine Kemenate gewesen sein mochte. Nun waren Teile des Daches weg und wir standen unter den funkelnden Sternen und den zwei Monden der alten Welt. Der „Raum“ sah aus, wie das Labor eines verrückten Nekromanten. Regale, voll mit Pergamenten und Büchern...Käfige mit Tieren, die gegen den Willen der Götter waren...In der Mitte brannte ein gigantisches Feuer in einem giftigen Grün. Die Schatten, die vom Feuer verursacht wurden, bewegten sich unregelmäßig und wanden sich hin und her, wenn das Auge versuchte, sie länger zu betrachten. Dies war ein Ort, des abgrundtief Bösem! Wir standen nur Sekunden im Raum, als hinter uns schon die ersten Feinde aus dem Gang stürzten und uns angriffen. Rhavan schnitt dem wagemutigsten Tiermensch, der ihn anzugreifen wagte, eine Klaue ab und wollte schon den nächsten angehen, als eine Stimme die Szene zerriß:
„Halt! Laßt sie am Leben...ihre Seelen gehören mir!“
Die Krieger der Finsternis standen wie versteinert da und blickten stumpfsinnig ins Feuer.
Ich drehte mich um, um den Sprecher auszumachen, konnte aber nicht mehr sehen, als die Schatten hinter dem unheimlichen Feuer.
Dann sah ich ihn...wie aus dem Nichts trat er hervor...der Chaoslord...der Magier, den ich töten mußte. Er trug eine Rüstung die gleichsam kunstfertig wie auch abscheulich war...das rote Metall schien zu fließen im Schein des Feuers und stellte Dämonen da, die sich um die zuckenden Leiber von Menschen stritten, um sie in die Verdammnis zu reißen. Seine Haut war ebenfalls dunkelrot, wie die eines Drachen...zuerst dachte ich, Warzen würden sein Gesicht verunzieren, aber dann erkannte ich, daß es Hörner waren, die seinem Kiefer entsprangen. Wie Flügel legte sich ein lederner Umhang um seine Schultern. Er lächelte uns spöttisch entgegen und entblößte das Gebiß eines Wolfes.
„Ich habe euch schon erwartet...glaubtet ihr wirklich, daß diese lächerliche kleine Gruppe mich aufhalten könnte. Euer Ende ist gekommen...schon bald werdet ihr im Staub zu meinen Füßen liegen, genau wie euer geliebter Wald.“
Doch anstatt eine Anwort zu geben, stürmten Falfion und Rhavan mit gezogenen Schwertern auf ihn ein.
„Stirb Dämon!“
Bevor jemand reagieren konnte, winkte der Magier mit seinem Arm und Falfion wurde zur Seite geschleudert, direkt in das grüne Feuer...seine Schreie höre ich heute noch in meinen Träumen. Gwanun sprang ebenfalls vor um, den Zauberer mit seinem Kurzschwert zu bedrängen, wurde aber ebenso empor gerissen und gegen einen marmornen Pfeiler geschleudert, wo er reglos liegenblieb. Ich spannte meinen Bogen, um dieser Bestie den Gar aus zu machen, aber da war schon Rhavan über ihm und versperrte mein Schußfeld. Der Diener der Chaosmächte hatte gerade noch genügend Zeit sein eigenes Schwert zu ziehen, bevor ein gewaltiger Zweikampf entbrannte. Beide Gegner waren stark und unnachgiebig. Der Magier schleuderte mit titanischer Kraft seine Klinge gegen den Kriegstänzer, der aber immer wieder mit geschickten Pirouetten und Saltos auswich. Rhavan war aber nicht stark genug, die Rüstung des Magiers zu durchdringen, blutete aber selbst schon aus zahlreiche kleinen Schnittwunden. In einem letzten, verzweifelten Manöver sprang er in die Höhe, um sich von einer Wand abzustoßen und seine Klinge mit dem gewonnenen Schwung durch den verfluchten Harnisch zu treiben. Sein langes Elfenschwert traf mit hellem Klirren den Brustpanzer des Magiers direkt unter dem Herz, durchdrang diesen aber nicht ganz. Der Lord der Finsternis stöhnte auf, überrumpelt von diesem Treffer, war aber schnell genug wieder bei sich und reagiert tödlich. Er schlug auf den ungeschützten Rücken des , durch den Schwung gestrauchelten, Kriegstänzers und zerschmetterte sein Rückgrat. Wie eine leblose Puppe fiel Rhavan zur Erde und blieb reglos liegen. Laut keuchend wandte der Magier seine, vor Mordgier lodernden, Augen auf mich. Nun lies ich die Sehne schwirren und mein Pfeil traf sein Ziel, verwundete es aber nicht.
„Du wirst sterben...!“
Mit einer Handbewegung verwandelte er meinen Bogen in glühende Asche, die mir meine Hände verbrannte.
Als er sah, daß ich nun völlig schutzlos war, erhob er sein von Blut gerötetes Schwert und schritt langsam auf mich zu.
In diesem Moment schossen mir viele Gedanken durch den Kopf...Loren...meine Versagen...Minuiriel!
„Beren Naneru...fang!“
Es war Gwanun, der zwischen Leben und Tod schwebte. Er raffte sich vom Boden auf und warf mir seinen Bogen zu. Während ich sprang, um den Bogen zu fangen, griff ich in meinen Köcher. Ich wußte jetzt, was ich machen mußte. Der schwarze Pfeil, den mir Minuiriel in jener Nacht schenkte, sollte den Tod dieses Teufels besiegeln. Ich fing Gwanuns Bogen und spannte die Sehne...“benutzt ihn erst, wenn die Not am größten ist. Dann wird er nämlich immer deinen Feind treffen und zwar an seiner schwächsten Stelle!“...der Riß in seinem Harnisch...mein Atem ging ruhig...ich sah den Spalt, rot wie Blut...ich hörte sogar sein schwarzes Herz pochen, wie es dahinter schlug. Meine Finger öffneten sich, der Pfeil verließ die Sehne und die knöcherne Spitze flammte auf in weißem Feuer...sie traf den Chaoslord direkt in seinem Herzen und setzte es in Flammen. Wild schreiend stürzte er und sein unheiliger Leib wurde vom heiligen Feuer verzehrt...er war Tot!
Langsam rappelte ich mich auf vom kalten Marmorboden der Kammer. Gwanun stöhnte vor Schmerz, er atmete flach aber regelmäßig. Da fielen mir die Krieger des Magiers ein, die immer noch am Eingang standen.
Jetzt wo der Bann gelöst war, starrten sie ungläubig auf die brennenden Überreste ihres Meisters....die meisten flohen...nur zwei Chaosbarbaren zogen ihre Äxte und schritten vorsichtig auf mich zu...sie wollten ihren Anführer rächen. Mich ihnen entgegenstellend, zog ich mein Schwert...als plötzlich einem der beiden ein Pfeil durch die Brust fuhr und ihn von den Füßen holte. Der andere bekam es nun endgültig mit der Panik zu tun und flüchtete schreiend die Treppe hinunter. Der angehaltene Atem entfuhr meiner Brust...
Über mir hörte ich das Schlagen von Flügeln und als ich nach oben blickte sprang mein Herz vor Freude...Minuiriel und drei andere Elfen waren gekommen, auf dem Rücken von Riesenadlern, wobei meine Geliebte einen Langbogen in ihren zitternden Händen hielt.
Sie landeten auf dem breiten Steinvorsprung des halb zerstörten Turms und nahmen mich und Gwanun auf. Als wir zurück flogen in Richtung des Waldes sahen wir unter uns große Mengen der Orks und Tiermenschen die in unkoordinierter Flucht ihr Heil suchten, verfolgt von Falkenreitern der Elfen.
„Der Tod ihres Anführers ging wie ein telepathischer Schock durch ihre Reihen. Die gebundenen Dämonen verloren ihre Kraft ohne seine Magie. Die Orks und wilden Norscamenschen sind völlig panisch. Jetzt befreit von der Knechtschaft und ohne Anführer flüchten sie in alle Himmelsrichtungen!“
Ich blickte zurück zu der alten Festung, Stein für Stein fiel sie zusammen...auch sie war nur von den dunklen Kräften des Zauberers zusammen gehalten wurde.
Und so segelte ich mit Minuiriel im Arm dem Königreich von Athel Loren entgegen um mit ihr eine glücklichere Zukunft zu beginnen...


< Auswahl II