Naaman Ricon war müde,
so unsagbar müde. Es war unfassbar zu welchen Entbehrungen
Menschen in Todesangst fähig waren. Seine Uniform war zerschlissen,
das grau-beige Tarnmuster war verdreckt, an seinem Bauchpanzer
war ein Einschussloch mit getrocknetem Blut an den Rändern.
Sein Helm war von Katschen übersäht, seine Stiefel und
Handschuhe, ehemals von gutem nikäanischen Leder, waren abgenutzt.
Es war ein Wunder, dass der einzelne Soldat noch auf beiden Beinen
stand. Seine Plattenrüstung hatte ihn vor dem Tod bewahrt,
doch nun war sie wie Blei. Niemals hätte er gedacht, dass
sie ihm jemals Schwierigkeiten bereiten würde. Naaman erinnerte
sich noch gut an die Worte des Ausbilders in der St.Illjitsch
Kaserne. „Nehmt euch ein Beispiel an Naaman, ihr räudigen
Hunde,“ hatte er gesagt.
Er war der Beste gewesen, hatte eine überragende Kondition
in der, auf Nikäa typischen, Hertzer-Schema-Rüstung
bewiesen. Wie stolz war er doch gewesen, als er die Gesichtstätowierung,
die jeder nikäanische Soldat trägt, erhalten hatte.
„Chaos heißt Veränderung!“ Hörte
er noch ganz deutlich. „Es kann nur durch Disziplin
besiegt werden!“
Jetzt war alles anders. Alles wirkte so...
...unreal.
Die toten und verletzten Kameraden und die zerstörte Stadt
um ihn herum. Die verbogenen Schienen und der entgleiste Großgüterzug.
Der schräg hängende Aquila auf der Ruine der Basilika.
Und die Ketzer, die überall herumzuwuseln schienen. Sie
suchten die toten nach Waffen ab. Sie wollten Essen Trinken,
ihre Kleidung, einfach alles, zum Teil sogar ihr Fleisch. Naaman
lehnte an einer Wand. Das tat er seit einer Stunde und ein paar
Merkwürdigkeiten waren ihm aufgefallen. Einmal das die
Ketzer ihn nicht zu bemerken schienen während sie plünderten.
Dies war vielleicht damit zu erklären, dass er seit dem
Zeitpunkt des versuchten Rückzugs der imperialen Streitkräfte
hier bewegungslos stand. Dann fiel ihm auf, dass die Ketzer
kein festes Ziel verfolgten. Seit sie die Imperialen überrollt
hatten, zeigten sie kein großes Interesse an einem Vormarsch.
Wobei hier nicht von einem Vormarsch geredet werden konnte,
diese Bauern und Handwerker mit ihren Sensen und Mistgabeln
wussten wahrscheinlich noch nicht einmal was ein Vormarsch war.
Denn der Grund, warum sie wie die wahnsinnigen Schafe über
die Wölfe herfielen, war vor einer guten Viertelstunde
in der zerstörten Basilika verschwunden. Der ehemalige
Bischof Karzakus hatte die Massen mit seinen Hasspredigten aufgewiegelt
und hatte die PVS von Lithanan VI in zwei Monaten hinweggefegt.
Das die Verstärkungen rechtzeitig ankamen war nur dem Drängen
des Adeptus Mechanicus und der prall gefüllten Schatzkammer
des Gouverneurs zu verdanken.
Ein leises Zischeln lenkte ihn ab. „Naaman!“ Hörte
er. Hinter ein paar Mauertrümmern sah er den kümmerlichen
Rest seiner Einheit hocken. Rachel, ihre Haare auf der Stirn
klebend, winkten ihn herüber. „Jetzt!“ Damit
meinte sie ihn, seit einer Stunde versuchten ihn die sieben
Kameraden zu überreden endlich zu ihnen in Deckung zu kommen.
Doch Naaman wusste, dass das sein Tod wäre. Die Gegner
würden seine Bewegung sehen und sie wären alle tot.
Aber andererseits...
Sie hatten die Stellung für 23 Stunden gehalten. Dann
hatten selbst die schier unerschöpflichen Reihen der Skitaari
die an ihrer Seite kämpften, begonnen zu wanken. Als die
Horden wahnsinniger Ex-Bürger über sie herfielen,
hatten sie schon mehr von ihnen erschossen als sie zählen
konnten. Das Adeptus Mechanicus hatte die Devise ausgegeben,
sich nicht zurückzuziehen oder die größte Waffenfabrik
des Planeten würde an die Verräter fallen. Sie hatten
sich auch nicht zurückgezogen. Sie waren gefallen, Seite
an Seite. Naaman war zum Heulen zumute, wenn er daran dachte
wie die Ketzer über seine Freunde hergefallen waren. Sie
hatten Vil Boqx die Hände abgehackt, bevor sie ihn enthauptet
hatten. Vil war so stolz auf seine Geschicklichkeit gewesen.
Er hatte immer die Karten beim Poker ausgegeben.
„Niemals wanken, niemals aufgeben!“ glaubte
er noch zu hören. „Wir sind Stahl, wir sind der
Hammer und der Amboss, wir sind das 45. Nikäa!“
hatte er gebrüllt. Mit diesem Gedanken und Tränen
in den Augen wurde ihm eines klar: Er würde nicht in Schande
sterben. Sein Vater, auch wenn er nur ein kleiner Metallarbeiter
in einem der großen Hochöfen Nikäas war, sollte
stolz auf ihn sein. Genau wie seine Mutter, obwohl sie schon
so lange tot war. Naaman packte sein Guliano-13-Lasergewehr
fester. Er würde jetzt etwas tun was er nie von sich erwartet
hätte. Er hatte immer gedacht, dass er nicht den Mut hätte
für seine Ehre zu sterben. Zumindest hatte er nie an Ehre
geglaubt. Seit er hier in diesem Schlachtfeld steckte, wusste
er was Ehre war. Ehre war der Sergeant, der eine medizinische
Behandlung ablehnte, obwohl ihm sein rechtes Auge als schleimige
Masse aus der Höhle tropfte. Ehre waren Soldaten die bereit
waren sich mit Sprengladungen in die riesigen Klingen der großen
Mähdrescher warfen, welche die Aufständischen gegen
sie einsetzten. Und Ehre war sein Regiment, das, obwohl es einen
aussichtslosen Kampf führte, nicht wankte. Naaman stolperte
los. Zuerst sahen es seine Kameraden nicht, doch dann begannen
sie mit einem panischen Geflüster in seine Richtung. Sätze
wie: „Nicht, du bringst uns alle um!“ und
„Bist du verrückt?“ hielten ihn nicht
zurück. Es tat ihm mehr als leid um sie, nichts bereute
er schon jetzt so wie die Tatsache das er ihre Position verraten
hatte. Doch so sehr es auch schmerzte, er lief weiter. Der erste
Ketzer blickte in seine Richtung und stieß einen hohen
Schrei aus. Naaman legte an. Nikäanische Schützen
sind im ganzen Sektor bekannt für ihre Fähigkeiten.
Ein Schuss und der Ketzer wurde in den Oberkörper getroffen.
Seine dünne Landarbeiterkleidung bot keinen Schutz gegen
den 19.73 Megathule-Impuls. Der Brustkorb des Verräters
wurde zerschmettert. Naaman sah Blut und Fleisch wegfetzen als
der Schuss den dünnen Mann scheinbar von innen explodieren
ließ. Der Tote war noch nicht auf dem Boden aufgeschlagen,
als seine Gefährten schon unter Geschnatter und Geschrei
ihre Waffen zückten. Naaman Ricon blickte den Lauf seines
Gewehres lang, inzwischen hinter einer Mauerruine verborgen.
Er feuerte ein zweites Mal. Einer der Verräter, mit einer
Art Gasmaske wo sein Gesicht sein sollte, wurde nach hinten
geschleudert, als der Schuss seine Schulter traf. Naaman fluchte
leise über den Fehlschuss, der Mann stand jedoch nicht
wieder auf. Ein weiterer Ketzer war sein Ziel. Diesmal traf
Naaman. Der Kopf des Mannes explodierte und besprühte die
Umstehenden mit feinen Blutwölkchen. Inzwischen hatten
die meisten den Schock überwunden und waren in Deckung.
Er hörte ein Sturmgewehr rattern. Keiner der Schüsse
traf, wohl hauptsächlich, weil der Schütze sein Handwerk
nicht verstand, doch zwei Kugeln hinterließen Einschusslöcher
in der Ruinenwand.
Naaman sprang auf und sprintete los. Schüsse knallten,
einer traf seinen Körperpanzer, drang jedoch nicht durch.
Er brüllte als der Aufprall ihn zurückstolpern ließ,
fing sich jedoch wieder und rannte weiter. Sein Ziel war 198
Meter groß und ein ehemaliges Heiligtum des Imperators.
„Private Ricon, ich habe sie etwas gefragt!“
In seinen Ohren rauschte das Blut.
„Was macht man, wenn man von allen Seiten von einem
zahlenmäßig überlegenen Feind angegriffen wird?“
Einer der Häretiker lud sein Gewehr nach als plötzlich
ein Gewehrkolben in seinen Bauch gerammt wurde. „Man
versucht eine Bresche in die Umzingelung zu schlagen und durch
diese zu entkommen.“ Der Mann fiel auf die Knie.
Der Kolben schlug wieder zu, traf den Kopf und hinterließ
einen blutig-haarigen Fleck. Naaman blickte auf als der Tote
neben ihm zusammen sank. Er war kurz außer Sicht gewesen,
die Ketzer hatten neuen Mut gefasst. Sie rannten auf seine Position
zu. „Und wenn das unmöglich ist, Soldat?“
Er rannte wieder los, sein Atem kam jetzt stoßweise, und
er fühlte wie seine Lungen schmerzten. Die Basilika war
nah. „Dann versucht man Deckung zu suchen und den
Feind aus dieser heraus in Schach zu halten bis Verstärkung
eintrifft.“ Zwei Ketzer tauchten auf und zuckten
zusammen als sie ihn plötzlich durch die kleine Gasse in
den Trümmern auf sich zurennen sahen. Naaman legte an,
feuerte und erwischte den ersten in den Solarplexus. Der Verräter
wurde zurückgerissen und seine Kleidung fing Feuer um das
faustgroße, stark blutende Loch in seiner Brust. Der zweite
wollte sein Lasergewehr abfeuern, kam jedoch nicht dazu als
Naaman ihn förmlich umrannte, mit seinen ganzen 1,98 Meter
Größe, seinen 87 Kilo, und der schweren Plattenrüstung.
Der Ketzer ließ seine Waffe im Fallen los und hielt sich
die blutende Nase, die beim Zusammenprall gebrochen war.
„Und wenn nun auch das unmöglich ist?“
Naaman feuerte instinktiv und zerfetzte den Unterleib des Mannes.
Dieser schrie kurz auf, doch fiel dann mit seltsam verdrehten
Beinen hinten rüber und zuckte unkontrolliert. So sehr
es den nikäanischen Soldaten anekelte, er begann weiterzusprinten.
„Dann versucht man so viele Feinde mit ins Grab zu
nehmen wie möglich, Sir.“ Die Kirche war nur
noch wenige Meter entfernt, und Schüsse trommelten vor
ihm aufs zerstörte Kopfsteinpflaster. Die große Tür
der Basilika war völlig aus den Angeln gerissen und zeigte
nun schonungslos die Zerstörungswut der Ketzer. Naaman
warf sich in die schattige Deckung der Kathedrale. Im Innern
entblößte sich ihm eine der widerwärtigsten
Szenen, die er je erlebt hatte. Wo ehemals Bänke waren,
lagen nun nur noch Trümmer. An den Säulen, wo die
Heiligenstatuen der Ekklesiarchie angebracht waren hingen überall
Priester an groben Seilen herab. Ihre Bäuche waren entblößt
und aufgeschnitten so dass, ihre Innereien tropfend heraushingen.
Am ehemaligen Altar stand eine Gruppe vermummter Gestalten.
Sie blickten auf etwas auf dem Altar herab. Naaman überlegte
gar nicht erst, sonder feuerte wie wild in die Gruppe hinein.
Soweit er sehen konnte, wurden fünf der Sieben getroffen
und stürzten zu Boden. Einer der überlebenden warf
sich in Deckung, der andere zückte eine Maschinenpistole.
Er feuerte und traf. Eine der Kugeln durchdrang Naamans Plattenrüstung
und schlug in sein Bein. Eine andere traf ihn in den Bauch.
Ein schmerzendes Stechen breitete sich an beiden Stellen aus,
gleichzeitig spürte er wie er zurückgeschleudert wurde
und gegen einen Schutthaufen schlug. Naamans Gewehr fiel klappernd
in den fingerdicken Staub. Der Häretiker hatte sein Magazin
leergefeuert und zog etwas, was wie ein Fleischerbeil aussah,
aus seinem Gürtel. Er lief auf den Nikäaner zu, doch
er wurde gestoppt als sein Kopf zerbarst, von Naamans Revolver
getroffen. Naaman spürte nun nichts mehr, er feuerte wild
heulend vor Schmerz die ganze Trommel in den Ketzer. Dieser
wurde von den Schüssen förmlich zerrissen. Auf einmal
taucht hinter dem Altar der Zweite auf. Er war unverkennbar,
seine das Gesicht verdeckende Kapuze von einer bronzenen Krone
bedeckt. Erzbischof Karzakus. Und er grollte vor Zorn. „Ich
werde dir persönlich den Bauch aufschneiden, imperiale
Kakerlake.“ Verzweifelt drückte Naaman den Abzug
des Revolvers durch. Doch er war leer. Der Bischhof lächelte
Böse und hob eine stark verzierte Sichel. Naaman griff
nach vorne, und seine zitternde Hand umklammerte das Fleischerbeil.
Der Bischof blickte verwundert. Dann sauste Naamans linke Hand
vor und blockte den Sichelarm. Im selben Moment schlug seine
Rechte mit dem Beil zu. Da er zu eng am Bischof stand, traf
er das Knie. Es zersplitterte und mit einem hohen Kreischen
fiel der Erzketzer Karzakus um. Naaman schluchzte vor Wut und
Schmerz. Sein Bauch schickte Impulse des Schmerzes an sein Gehirn,
sein Bein war taub und er verlor langsam die Kraft als der Blutverlust
ihn schwächte. Doch trotzdem schlug er zu, traf Karzakus
in die Mitte des Gesichts und spaltete es zwischen den Augen.
Der Bischof wurde zurückgeworfen. Das letzte was Naaman
sah, war der Eingang der Kathedrale. Im untergehenden Sonnenlicht
sah man deutlich wie Landungsschiffe sich herabsenkten...
„Weggetreten, Soldat“
+++ Vidlog aktiviert+++
+++Verschlüsselt+++
++++Eingabe Authorisation+++
++Authorisation Akzeptiert++
Aufstand auf Lithanan VI niedergeschlagen. +++Imperiale Regimenter
zeigten keine effektive Leistung bis Verstärkung eintraf.
+++Verräter Karzakus von unbekannt eliminiert. +++Jede
weitere Untersuchung diesbezüglich eingestellt.
+++ Vidlog deaktiviert+++
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