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REGEN üBER AVALON TEIL 1

Irgendetwas pfeift neben meinem Ohr, und widerwillig werde ich wach. Ein herzhaftes Gähnen bildet sich in meinen Mundwinkeln und ohne zu zögern gebe ich ihm nach, während ich mir genüsslich die Augen reibe. Wie viel Zeit ist vergangen, seit sie uns in diese Blechdose gepfercht haben? Die Schläfrigkeit verschwindet ein bisschen, und ich öffne die Augen. Das schummrige rote Licht ermüdet meine Augen, aber ich nehme einen Schluck warmen Wassers aus meiner Feldflasche und spritze mir ein bisschen ins Gesicht.
Ein Großteil des Kommandos schläft im Sitzen, die Köpfe auf die Brust geneigt oder gegen die metallenen Verstrebungen neben ihren Sitzen gelehnt, im Takt der Vibrationen des Transporters schaukelnd. Rostov neben mir macht beim Ausatmen pfeifende Geräusche, und von überall ist leises Schnarchen zu vernehmen, nur gedämpft durch das monotone, dumpf vibrierende Geräusch des Transporters, der uns in unser Einsatzgebiet bringt.
Ich werfe einen Blick auf den Chronometer, erst kurz nach zwei Uhr morgens. Die Tageszeit, zu der ein Mensch am langsamsten reagiert, wie ich mich erinnere, und auch an mir selbst erkennen kann.
Während ich angegurtet in meinem Sitz lehne und darauf hoffe, wieder zu meinem kleinen Nickerchen zurückzufinden, öffnet sich mit leisem metallischen Klang die Tür zum vorderen Teil des Transporters, und ich erkenne Sergeant Oldfield, der durch die Schleuse steigt, wie immer seine feuchte, zerfledderte Zigarre im Mundwinkel und sein schwarzes Barett schief auf dem Kopf. Also, Preis für den imposantesten imperialen Zwischenobermacker würde er sicher keinen bekommen, aber er hat es trotz der widerspenstigen Truppe schnell geschafft, sich Respekt von meinen Kumpels zu verdienen. Von mir übrigens auch.

AAAAACH - TUNG!!!

brüllt er mit der ihm eigenen (und üblichen) Lautstärke, während er mit einem zynischen Grinsen mit ansieht, wie meine Jungs ruckhaft auffahren und sich die unbehelmten Köpfe an den metallenen Verstrebungen anstoßen.

"Das Kaffeekränzchen ist vorbei, meine Damen, und es wird langsam Zeit, wieder an die Arbeit zu denken! Wir erreichen in Kürze Avalon, und wir sollten uns darauf vorbereiten, dass der Empfang nicht sehr warm ausfallen wird!"

Gemurre im Publikum, die meisten sind noch im Halbschlaf. Mir stellen sich jedoch alle Haare senkrecht auf und ein kalter Schauer des Ekels läuft mir den Rücken hinunter, jedes Mal wenn ich den Namen Avalon höre.
Großmakropole Avalon. Ein einziger Sumpf aus Korruption, ätzenden Säuredämpfen und jedem nur vorstellbarem Abschaum aus den verschiedensten Regionen dieses galaktischen Sektors. Seit neuestem auch dem erhärteten Verdacht auf einen Chaoskult.
Routinemäßig checke ich die Systeme meines Kampfanzugs und stelle den Choke meiner M36 Mars Schrotflinte auf kurze Reichweite und Doppelfeuer, mit maximaler Streuung. Avalons Gassen und verwinkelte Straßen scheinen hervorragende Möglichkeiten für Hinterhalte zu bieten, und ich will für alle möglichen Zwischenfälle gerüstet sein. Hinter Sergeant Oldfield wechselt eine rote Lampe auf grün und er wendet sein narbengezeichnetes Gesicht seiner Truppe zu.

"Okay Ladies, die Party steigt! Bewegt eure müden Hinterteile, sonst mach ich euch Beine!!!"

Fast gleichzeitig stülpen wir uns die Mk V Druckhelme über die Köpfe, während sich vor unseren Augen flackernd die Displays der Nachtsichtgeräte bilden. Nur unbewusst nehme ich wahr, wie die Sitzgurte schnappend in der Decke verschwinden, meine Kumpels nach ihren Waffen greifen und von ihren Sitzen aufspringen.
Sergeant Oldfield rammt seine Faust in einen breiten roten Druckknopf und mit einem lauten hydraulischen Zischen senkt sich die im Heck montierte Sturmrampe. Mit einem Mal erfüllt ein heulendes Brüllen die Truppensektion, und die Dampfschwaden der Rampe werden blitzartig nach draußen gesaugt, in ein Loch absoluter Schwärze, welches sich vor uns auftut.

"Na los, ihr Memmen, immer treu bis in den Tod! Beweg dich Murray, wird Zeit dass du deinem Leben einen Sinn verleihst! Für den Imperator!"

Murray läuft los, springt aus dem Heck und verschwindet sofort in der Schwärze. Seine Kollegen folgen ihm ohne zu zögern, während Sergeant Oldfield jedem zum "Abschied" auf die Schulter klopft.

"Komm schon Rostov, schwing die Hüften, oder soll ich Dir die Hand halten bis Du angekommen bist?"

Rostov grinst hinter seinem Visier und hält Sgt. Oldfield die Hand hin, welcher ihn mit einem Fußtritt aus der Öffnung im Heck des Transporters befördert. Aniston spielt wie üblich mit seinem übertriebenen Perfektionismus, breitet die Arme aus wie ein Artist und schlägt einen Salto während er im Dunkel verschwindet. Wasserdampf und Regentropfen spritzen gegen mein Visier, als ich den Schlag Sgt. Oldfields auf der Schulter spüre und einen stinknormalen, tausendmal geübten Ausstieg hinlegen will. Natürlich verfehle ich mit meinen schweren Stiefeln in der plötzlich eintretenden Schwärze den Rand der Sturmrampe und stürze mehr oder weniger würdelos (schon mal einen sterbenden Schwan gesehen?) in die Dunkelheit hinab.

Das heulende Brüllen des Windes tobt in meinen Ohren und rüttelt an meinem Helm, trotzdem schaffe ich es, mich im Fallen umzudrehen und gerade noch die dunkle Silhouette Sgt. Oldfields zu erkennen, die sich von dem großen schwarzen Schatten des Valkyrie löst, welcher, ohne Positionslichter und einen Kondensstreifen in der feuchten Atmosphäre hinter sich her ziehend, schnell kleiner wird.
Ich richte meinen Blick wieder in die Richtung, in die ich falle, kann außer schweren Regenwolken jedoch nichts in der Schwärze der Nacht erkennen. Im hellgrünen Schein meines Helmnachtsichtgerätes erkenne ich nur die verschwommenen Streifen von Regentropfen, die ich auf meiner Reise abwärts überhole. Der Höhenanzeiger zeigt 24,000 Meter, welche jedoch schnell weniger werden. Ich stoße durch eine Wolkenwand hindurch, als nur wenige hundert Meter neben mir ein Blitz durch die Wolkenbank stößt und das Donnern meine Ohren zum Klingeln bringt. Verdammtes Wetter! Neben mir glaube ich, schwache Lichter zu erkennen, kann jedoch wegen dieser blöden Wolken nichts erkennen.
Bei 20,000 Metern breche ich durch eine neuerliche Wolkendecke hindurch und erblicke die Spitze des höchsten Turms der Großmakropole Avalons. Auch wenn dieser Ort die niedrigste Lebensqualität im Imperium aufweisen mag, ist dieser gewaltige, von Menschen errichtete Behemoth eine imposante, ehrfurchtgebietende Verwirklichung menschlicher Verrücktheit. Nicht nur dass sich die Makropole über mehrere tausend Quadratkilometer erstreckt, in die Höhe sind es nochmals ein paar Kilometer. Nur gut, dass wir vom Orbit aus geleitet werden, ansonsten würde man sich mit Sicherheit in diesem Labyrinth aus Gassen, Straßen und Abwasserrohren verirren und Zeit seines Lebens nicht mehr herausfinden. Die nächste Wolkendecke ist dünner und anscheinend die letzte auf unserem Weg hinunter in die Tiefen der Makropole.

Der Höhenanzeiger zeigt 4,000 Meter, als sich summend mein Kampfanzug zu Wort meldet. Kleine grüne Displays blinken in meinem Nachtsichtgerät und zeigen, dass alles okay läuft. Etwa 50 Meter über dem von Schutt bedeckten Boden habe ich plötzlich das Gefühl, als würde ich in einen meterhohen Haufen Wackelpudding eintauchen, als der Gravschirm aktiviert wird und mich innerhalb eines Sekundenbruchteils auf Null abbremst.
Beinahe sanft, wie von einer riesigen Hand geführt, werde ich auf dem Boden abgesetzt und gehe sofort in sichernde Körperhaltung. Aus dem Augenwinkel erhasche ich die Schemen meiner Kameraden, die sich an eine nahe gemauerte Wand geschmiegt haben und mit ihr zu verschmelzen scheinen. Nur die hellgrün schimmernden Linsen ihrer Nachtsichtgeräte stechen durch die Dunkelheit der Nacht. Der Regen prasselt hier unten in dicken, schweren Tropfen zu Boden und schleudert Fontänen schlammigen Wassers in die Luft, während ich mit raschem Schritt meine Landestelle verlasse und zu meinen Kameraden aufschließe.

Während dem letzten Schritt drehe ich mich im Lauf um und werfe mich gegen die gemauerte Wand. Im hellgrünen Schimmer meines Nachtsichtgerätes erkenne ich Sergeant Oldfield, wie er sanft auf dem Boden aufsetzt und sich zu unserem Trupp gesellt.

"Madison, gib dem Oberkommando Bescheid, wir sind im Ziel."
Madison nickt knapp und verbindet sein Helmmikrofon mit dem überdimensionalen Funktornister auf seinem Rücken.
"Adlerhorst, hier Elysia eins-zwo-sieben, das Paket wurde geliefert".
Er wartet auf die rauschende Antwort und nickt Sgt. Oldfield zu.

"Okay Leute, wir gehen wie folgt vor. Diese breite Straße hier" - Sgt. Oldfield deutet auf den im Bodennebel verschwindenden Korridor zwischen den halbzerfallenen Gebäuden - "führt bis runter zum Palast des Friedens, einem alten Gebäude der Ekklesiarchie, welches jedoch schon lange einem Bandenkrieg zum Opfer gefallen ist. Wir bilden zwei Gruppen, Team 1 kommt mit mir, wir werfen uns auf der linken Seite ins Gebüsch und folgen der Straße durch die Nebengassen. Team 2 ist deines, Aniston, ihr macht dasselbe auf der rechten Abteilung. Wir treffen uns am Ende vor dem Palast des Friedens. Fragen?" - er wirft einen Blick in die Runde - "Okay, los!"

Oldfield zieht sich eine kleine Version des Nachtsichtgerätes vor die Augen und sprintet los, während ihm rasch die Hälfte des Elysianischen Sturmtrupps folgt, und sie alle im Bodennebel verschwinden. Rostov wirft mir einen vielsagenden Blick zu, bevor wir unserem Teamführer weg vom offenen Gelände in die enge verwinkelte Seitenstraße folgen. Aniston als Anführer? Dieser Anfänger?

Das Geräusch von schweren Stiefeln, die durch dicken Schlamm platschen, wird vom prasselnden Regen übertönt. Der Korridor hier ist nur knapp vier Meter breit, und das altertümliche Kopfsteinpflaster bedeckt einen Großteil des Bodens. Links und rechts beherrschen leere Fenster und aufgebrochene Holztüren das Bild dieses Außenbezirkes, ein paar vermodernde Wäscheleinen hängen hier und da über die Gasse. Unser Team teilt sich auf die beiden Seiten der Gasse auf, während wir vorsichtig, mit den Schrotflinten im Anschlag, durch die Gasse schleichen.

Aniston bekommt beinahe einen Herzinfarkt und reißt seine Schrotflinte hoch, als er eine streunende Katze aufscheucht, die kreischend in der Dunkelheit verschwindet und dabei eine Mülltonne umwirft, welche scheppernd zu Boden fällt und ihren verrotteten Inhalt über das Kopfsteinpflaster verteilt. Rostov grinst in meine Richtung, und ich grinse zurück. Was für ein Angsthäschen! Während wir weiter vorrücken hören wir aus der Richtung in die wir wollen unharmonischen, monotonen Gesang der schnell lauter wird. Wir fächern aus und richten unsere Schrotflinten in die Richtung des Gesanges, und eine große, breite Gestalt schält sich aus dem Nebel vor uns.

"Swoo und drei un fünff un´ sieben,
wo is denn nur mein Sssschatz geblieben?
Beeerchen, Beeerchen, meiner Treeuu,
ich warf mich doch nur kuurz ins Heeuu!
(Text aus Herr der Ringe!)

Die Gestalt tritt in den schwachen Lichtschein, der aus einer halb verbogenen Straßenlaterne kommt. Ein ziemlich dreckiger Mann mit wallendem Rauschebart, welcher vor Dreck nur so starrt, torkelt die Straße entlang, wobei er eine halb leere Flasche mit einer undefinierbaren Flüssigkeit schwenkt und ab und zu einen tiefen Zug daraus nimmt. Es wäre ein alltäglicher Anblick eines Obdachlosen in einer Großmakropole, aber dieser Typ ist anscheinend nicht ganz dicht im Oberstübchen. Er trägt schmutzige Kleidung und einen hohen, spitzen Hut, aber das verrückteste sind knallgelbe, kniehohe Gummistiefel in denen er durch den prasselnden Regen wankt. Er scheint uns durch den Regen zu sehen, und sein verschleierter Blick zeigt mit einem Mal unsagbare Verzweiflung.

"Wasss hadde sie denn nur, mein Beerchen? Abgehaun, einfach so, middiesem verdammmten Langohr, unn läss mich inner Hüdde ssurück … wasss fürne Schande…."

Er nimmt einen tiefen Zug aus der Flasche, geht jedoch während dem Trinken in die Knie und fällt wie ein nasser Sack zu Boden, wobei die Flasche klirrend auf dem Kopfsteinpflaster zerspringt. Unsere ratlosen und amüsierten Blicke auf den am Boden liegenden, schnarchenden Mann gerichtet, der noch ein brummendes "dongelong" von sich gibt, merken wir fast nicht, dass Aniston uns bedeutet, ihm weiter zu folgen.

Raschen Schrittes verlassen wir die Szenerie und folgen der verwinkelten Straße. Nach ein paar hundert Metern wird die Straße etwas enger, und Aniston bedeutet uns, die Seiten zu sichern. Die Silhouette des Palastes des Friedens ist in der Ferne sichtbar, doch man hat das ungute Gefühl, dass man aus den leeren Fensterhöhlen heraus beobachtet wird.
Eben wollen wir weiter vorrücken, als aus einem Haus rechts vor uns ein Mann tritt. Ein splitternackter Mann, wie ich anmerken will. Er trägt nur eine bauschige rosa Stola um den Hals und offensichtlich Hufeisen an den Füßen. Quer über seine Schläfen und seine Augen zieht sich ein schwarzer Streifen, was offensichtlich Kriegsbemalung sein soll, und auf seinem ansonsten haarlosen Kopf thronen drei, nein, vier rosa gefärbte Haarschöpfe, die er zu hammerharten Stacheln geformt hat.

"Huiuiui, neinneinnein, das geht nicht meine Süßen, dass ihr hier durchkommt ohne dass Aringar das mitkriegt!" Er wedelt mit einem langen Finger langsam hin und her, wobei man den Irrsinn beinahe in seinem Blick bemerkt.

"Im Namen des Imperators, identifizieren sie sich!!" ruft Aniston laut genug, damit es den trommelnden Regen übertönt.

"Ich bin ... ich bin …" säuselt der Typ und wedelt mit seinen Armen in der Gegend herum "ich bin Aringar, der Herrscher des östlichen Spiralarmes, und was ihr hier an meinem makellosen Körper betrachtet" - er wackelt mit der rosafarbenen Stola - "ist der Pelz der Macht, der mir übernatürliche Kräfte verleiht! Mit ihm lösche ich die Sterne aus, fliege durch den mondbeleuchteten Himmel und gebe meinem gottbegnadeten Körper absolute Unverwundbarkeit, jawohl, totale Unverwundbarkeit!"
Er kichert vor sich hin und wedelt mit seiner Stola. "Und weil ihr durch meine Stadt kommt, verlange ich natürlich Wegzoll von euch, denn das ist nur gut und rechtens, nicht wahr? Und ihr gebt mir viele, viele, viele…" - er macht ein paar delikate kleine Tanzschritte - "…viele viele kleine Kürbisse für meinen kleinen Freund hier!" Erst jetzt bemerke ich die grobschlächtige Pistole, die der Typ in seiner blassen Hand trägt und damit vor unseren Gesichtern herumwedelt.

"Kürbisse…was…wie??" stottert Aniston und blickt hilfesuchend zu uns zurück, doch keiner von uns verliert auch nur ein Wort. "Tjahaa, gebt dem Aringar was des Aringars ist, dann gewähre ich euch meine Gnade, und auch ihr könnt teilnehmen an meiner Herrlichkeit die des meines….."
Er reißt plötzlich die Augen auf und starrt fasziniert auf das kopfgroße Loch in seinem Bauch, durch das man die schmutzige Straße hinter ihm sehen kann. Die feinen Rauchfahnen, die von den Mündungen meiner Schrotflinte davon treiben, werden von einem leichten Wind zerteilt. "Seht ihr, Ungläubige??" johlt der Typ und macht wieder ein paar kleine Tanzschritte, "ich sagte es euch, unverwundbar, unverwundbar, wie ein Hemdchen aus Hundshaar…." Er hustet plötzlich einen Klumpen Blut und bricht mit zuckenden Gliedmaßen zusammen, wobei er einen Trommelwirbel auf dem feuchten Kopfsteinpflaster vollführt und schließlich still liegen bleibt.

Anistons Gesicht ist käseweiß, als ich an ihm vorbeigehe und ihm einen strengen Blick zuwerfe, bevor ich mich an den Rest des Trupps wende.

"Los, weiter!"

Wohnen denn nur Verrückte in dieser Makropole??

Der Palast des Friedens ist ein jämmerlicher Anblick, die einst mächtige marmorne Kuppel ist eingestürzt, und überhaupt gleicht ein Großteil des Gebäudes einem einzigen Trümmerhaufen. Sgt. Oldfields Trupp ist bereits da und verschanzt sich in den Trümmern als wir dazu stoßen.

"Aniston, verdammt noch mal, wo bleibt ihr denn so lange? Was war denn los?"
Aniston, der immer noch weiß im Gesicht ist, muss erst ein paar mal tief Luft holen. "Nnn-nichts, Sergeant, alles in Ordnung!"
Sgt. Oldfield blickt uns an, aber die meisten von uns haben nur ein verstohlenes Grinsen im Gesicht.

"Zurück zur Arbeit Ladies, laut Geheiminformationen befindet sich die Versammlungsstätte des Chaoskultes irgendwo unter dem Palast des Friedens, in einer größeren Kammer der verwinkelten Katakomben. Das da drüben" - er deutet mit seiner behandschuhten Rechten - "scheint einer der Eingänge zu sein, wir gehen zusammen rein, Aniston und Bryson, ihr zwei verschanzt euch beim Eingang und meldet uns alles, was hier draußen vorbeikommen sollte. Wir sollten nicht allzu lange brauchen, in zwanzig Minuten sind wir hier wieder raus!"

Aniston scheint ziemlich erleichtert, als wir Sgt. Oldfield durch den gemauerten Eingang in die Tiefen der Katakomben folgen. Der Gang ist recht breit, und wir kommen schnell voran. Nach einigen Metern wird er jedoch breiter, und wir treten in einen riesigen offenen Raum.

Gewaltige Marmorne Säulen stützen ein mit Gold und Juwelen reich verziertes Fresko, das niemand anderen als unseren geheiligten Imperator zeigt, wie er über der verhassten Schlange steht und sie mit seinem glänzenden Speer durchbohrt.
Kaum zu glauben, dass unter all dem Müll und Dreck dieser Stadt ein derart vollkommenes Kunstwerk verborgen liegt. Wir würden am liebsten stehen bleiben und das Werk aus nächster Nähe betrachten, doch Sgt. Oldfield treibt uns ruhelos voran. Nachdem wir den riesigen Saal durchquert haben treffen wir an eine eingestürzte Mauer, aus der verrostete Abwasserrohre ragen. Oldfield blickt vorsichtig in die etwa zwei Meter breite, finstere Röhre und bedeutet uns mit einem Finger an den Lippen, keinen Mucks zu machen. Täusche ich mich oder vernehme ich zwischen dem Rauschen des Wassers und dem Quieken kleiner Nagetiere einen monotonen Sprechgesang?

Wir treten vorsichtig in die morsche Röhre und arbeiten uns im Schleichtempo hindurch. Der Gestank hier drinnen raubt einem beinahe das Bewusstsein, und mehr als einmal treibt ein totes Tier vorbei, die leergefressenen Augenhöhlen anklagend an die Wände der Röhre starrend. Während wir uns voran arbeiten, nimmt die Lautstärke des Gesanges zu, und so leise wie möglich entsichern meine Jungs ihre Waffen.
Flackerndes Licht erhellt die Wände der Röhre, und einer nach dem anderen klappen wir die Visiere unserer Nachtsichtgeräte hoch. Hinter der Röhre erweitert sich der Raum zu einer kleinen Halle, und der schauerliche monotone Gesang übertönt nun sogar das Plätschern des Abwassers. Wir ducken uns auf ein Signal Sgt. Oldfields hin etwas tiefer in die Schatten, während er nach vor schleicht und einen Blick aus dem Abwasserrohr wirft. Nach ein paar Sekunden bedeutet er uns, ihm zu folgen, und einer nach dem anderen steigen wir an den Rand des Rohres und lassen uns lautlos die eineinhalb Meter bis zum Boden hinab.

Die marmorne Halle wird von zwei Reihen großer steinerner Säulen eingefasst, und im freien Raum in der Mitte des Raumes erkennen wir mehrere Reihen von dunklen, in Roben gekleidete Gestalten, die am Boden knien und diesen tiefen unverständlichen Gesang von sich geben. Am Ende der Halle befindet sich ein steinerner, blutbefleckter Altar, vor dem eine massive ebenfalls mit einer Robe verhüllte Gestalt steht und ein fremdartiges Ritual vollzieht, wobei es alle seiner vier Arme gebraucht.
Zum Glück drehen uns die finsteren Gestalten den Rücken zu, sonst wären wir nicht so einfach rein gekommen. Auf ein Zeichen Sgt. Oldfields hin verteilen wir uns lautlos im Raum, was uns im Schutz der schweren Säulen nicht schwer fällt, auch das tanzende Zwielicht der Fackeln hilft uns, unsere Anwesenheit zu verbergen. Alle sind in Position und bereit, zuzuschlagen, doch ein morbider Anfall von Faszination lässt uns weiterhin das fremdartigen Spektakel beobachten.

Der Anführer scheint sein Ritual vollendet zu haben, denn er wendet sich seiner versammelten Gemeinde zu und beginnt, von seiner gutturalen, unverständlichen Sprache ins Altgotische zu wechseln. Das Flackern der Fackeln wirft wechselnde Schatten auf die langgezogenen Kiefer des Anführers, aus denen bleiche, riesenhafte Fangzähne zu wachsen scheinen. Nein, sie wachsen wirklich daraus hervor!

"Unsere Zeit ist gekommen, meine Kinder! Unsere Meister haben beschlossen, ihr Wort und Ihre Taten über diese Welt und die verfluchte Makropole Avalon zu bringen, und wir als ihre gehorsamen Diener haben die Ehre, zu Ihnen emporgehoben und ein Teil Ihres Ganzen zu werden! Preiset sie!!! Maßlos sind ihre Wunder, und maßlos sind die Welten, die wir mit ihnen besuchen dürfen!!!"

Der Gesang steigert sich deutlich, und die Kultmitglieder erheben sich aus ihrer sitzenden Positionen, um ihrem Anführer mit verzerrten, klauenbewehrten Händen und Armen zuzujubeln. Das Gekreische steigert sich zu einem Crescendo, als die Kultmitglieder beginnen, sich im Takt eines unhörbaren Rhythmus zu wiegen und zu tanzen. Der grauenhafte Gesang, der in den Ohren zu schmerzen beginnt, wird nur durch drei gebrüllte Worte durchbrochen. Unverkennbar Sergeant Oldfield.

"MACHT SIE ALLE!!!"

---Fortsetzung folgt---




Urheberrecht: Martin Brandhuber, 2003



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