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CORPUL VI KAPITEL 1

Beendet ist es erst mit dem Tod


Cadia, Imperialer Vorposten Aerial Beta V

Er wachte erst auf, als die Turbinen ihre Lautstärke von unerträglich laut auf Trommelfellkiller steigerten. Dennoch ließ er die Augen noch solange geschlossen, bis die "Sudden Thunder" sanft auf den Boden aufkam, der aufgewirbelte Sand sich legte und die Laderaumluke sich mit einem widerwilligen knirschen öffnete. Cogar bestieg den Sentinel und zwinkerte ihm aufmunternd zu:
"Wieder wach Sarge?" sagte er grinsend
"Wie lange hab ich geschlafen?" Sylver schaute sich um und versuchte vergeblich etwas durch seine, vom Schlaf verklebte Augenlider zu erkennen.
"Nicht lang. Fünf, vielleicht fünfeinhalb Stunden schätz ich. Kaum biste aus der Dose raus, liegste Flach. Du hast ein Leben, Sylver." Cogar schüttelte seufzend den Kopf und ließ seinen Sentinel abschleppen (sofern man es bei einem Läufer überhaupt noch abschleppen nennen kann) "Nimm mich zum Beispiel. Kaum hab ich die elendige Blechbüchse zum Laufen gekriegt, reitest du dich in die Kacke und ich muss wieder nen rauchenden Haufen Schrott als Belohnung kassieren."
"Wenn es dich beruhigt, Cogar, der Schlaf war nicht besonders erholsam und ich..."
"Es beruhigt mich" unterbrach Cogar ihn, bevor er sein Kommentar auch nur zu Ende Denken konnte "und mehr noch, es freut mich! Solang ich nicht der einzige bin der in dieser Einheit kassiert ist alles bestens. Momentan trau ich mich nicht mal, den da anzuschmeißen" er deutete auf den Sentinel "Wenn ich mich nicht täusche, ist die Kiste kurz vorm K.O. so wies sie gestern Abend erwischt hat" Cogar legte grübelnd die Hand auf sein Kinn, rieb kurz drüber und fügte murmelnd hinzu: "Und vertrau mir...ICH täusche mich selten."
"Sei froh dass es nicht dich anstatt der Kiste erwischt hat, Mann. Du hast doch gesehen was da los war. Ich hab schon lange nicht mehr dermaßen den Arsch aufgerissen gekriegt wie gestern Abend!"
"Was hast du jetzt vor?" in Cogars Stimme spielte plötzlich ein besorgter Ton mit, der wahrscheinlich Cogar selbst mehr überraschte als Sylver
"Ich fürchte, ich muss das Schlamassel erstmal dem Kommissariat erklären. Wenn ich Pech hab, machen die da weiter, wo diese Eldar gestern aufgehört haben und bald ist mein Arsch so weit aufgerissen, dass die Sudden Thunder dort ohne Mühen hindurch fliegen kann, sogar mit ausgefahrenen Landeklappen." Er überlegte kurz und fügte nach einer kleinen Pause hinzu: "Wie auch immer. Sollen die sich drum kümmern wies weiter geht."
"Oh Scheiße! Oh nein!! Ich sagte vorsichtig, ihr dämlichen Hornochsen!!" Cogar wedelte aufgeregt mit den Armen durch die Gegend und brüllte die armen Schweine zusammen, die sich Strafarbeit eingehandelt haben und den Sentinel abschleppten. Doch Sylver wusste, dass Cogar nur so tat als würde es ihn nichts angehen. Er hat sehr wohl zugehört und es bedrückte ihn genauso wie Sylver selbst. Es war wohl einfach eine Art mit dem Druck umzugehen, mit ihm fertig zu werden. Sylver grinste gegen seinen Willen und plötzlich war es ihm völlig egal was passieren würde. Er würde die Geschichte so erzählen, wie sie abgelaufen ist, möge das Kommissariat reagieren wie es will, sein Gewissen ist rein. Er wusste es und er war stolz drauf. Er zwang sich das Grinsen zu unterdrücken, legte die Armaplastweste an bevor er hinaus, in die knallheiße und stechend helle Sonne trat und schnaubte nüchtern:
"Willkommen auf Aerial Beta V" SEARGANT Sylver betonte er in seinen Gedanken.


Corpul VI, Hoehe 155

Der Predator Annihilator bewegte sich nun vollends aus der Deckung. Jetzt, wo der Sturmtrupp mitten im Orkischen Unterstützungstrupp seiner Wut freien Lauf ließ, musste er sich nur auf die primitive Artillerie und die wenigen Cybots, die die Orks noch aufbringen konnten, konzentrieren. Das dürfte nicht wesentlich schwer fallen, zumal die Orks berühmt dafür waren, dass sie in 40% aller Fälle selbst dafür sorgten, dass ihre Maschinerie sich in Rauch auflöste, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Der Panzer rollte noch ein ganzes Stück vorwärts, bevor Flavius den endgültigen Haltbefehl erteilte.
"Ich habe Kontakt mit feindlichem Cybot der Klasse Gargbot auf elf Uhr" der Turm drehte sich gehorchend mit einem leisen, aber unbeschreiblich beruhigendem, summen, als der Maschinist die Koordinaten eintippte, und verharrte für einen Moment in dieser Stellung. Ein lauter Knall donnerte heraus, als die Geschütze den Zorn Imperators über den Feind brachten. Der Gargbot fing das Geschoss frontal auf und explodierte in einem hell lodernden Feuerball. Glühende Metallsplitter verteilten sich in einem Umfeld von 20 Metern und streckten einige in diesem Feld stehende Grotze, Sklaven der Orks, nieder. Hinter dem Trümmerfeld erschien plötzlich ein gewaltiger Orkmob. Laut gellend und brüllend suchte er den Nahkampf. Dieses Mal drehte sich der Rumpf des Panzers und bewegte sich mit zunehmender Geschwindigkeit auf die äxteschwingenden Wilden zu. Bruder Flavius griff nach dem Griff des Sturmbolters und bewegte sich ebenfalls, sodass die beiden Läufe des Maschinengewehres auf den Mob zeigten. Er musste nicht zielen.
"Einheit 5" erschall im Helmintegrierten Comlink "Gebiet gesichert. Verluste negativ, bewegen uns in das nächste Areal vor." Der Orkische Unterstützungstrupp war somit ausradiert
"Verstanden" erwiderte der Ordenspriester
Flavius schaltete die Orks einen nach dem anderen aus, schnell und mit minimalem Munitionsverbrauch. Sie waren nur leicht gepanzert und somit gefundenes Fressen für seine hungrige Waffe. Bevor er aber auch nur die Hälfte der Grünhäute unschädlich machen konnte, war der Panzer bereits mitten im Mob. Mit voller Fahrt raste er in ihn hinein, doch das verfehlte jegliche beabsichtigte Wirkung, ganz im Gegenteil, anstatt in Panik davonzurennen, waren die Orks schier wild darauf geworden, den Panzer mit ihren Äxten und Schwertern in seine Einzelteile zu zerlegen. Einige von ihnen versuchten das Fahrzeug an den Ketten zu erklimmen. Mussten jedoch feststellen, dass das ein gewaltiger Fehler war. Ein, auf schon fast erschreckende Weise, angenehmer Rückenschauer erfasste Flavius als er das Knacken der Alienknochen hörte. Doch selbst Orks lernen hinzu: einige von ihnen waren schlau genug, es von der Rückseite zu versuchen und sprangen plötzlich mit ausgebreiteten Armen auf Flavius zu. Sein Schulterpanzer Splitterte und blockte nur mühselig den wuchtigen Axthieb ab. Seine Rüstung heulte jäh auf, jedoch nicht sein Glaube und seine Verbissenheit. Er ließ den Sturmbolter los und griff abermals nach seiner Boltpistole und dem Kettenschwert. Zwei Mal zuckte das grelle Blitzlicht auf seinem Gesicht, als er dem Ork zwei Vollmantelgeschosse in den Körper jagte, einen davon genau zwischen seine Augen. Der Grünling grunzte auf und kippte hintenüber in seine eigene Blutlache.
Flavius schauderte und zog unfreiwillig eine Augenbraue hoch als er sich umsah. Rund um ihn war alles grün, links, rechts, überall, der Panzer war von einer gewaltigen grünen Flut umgeben: Orks!
Er blickte nach oben, als ein schwarzer Schatten das Blickfeld seiner Sensoren streifte, kaum größer als ein Sandkorn, jedoch rasch größer werdend und sich mit einem entsetzlichen, markerschütterndem Pfeifen nähernd. Dieses Pfeifen kannte er nur zu gut...
Bruder Ordenspriester! Wir stehen unter feindlichen Beschuss" brüllte Flavius ins Comlink "Position wechseln! Ich wiederhole, Predator Annihilator steht unter feindlichem Artilleriebeschuss! Position wechseln!"
Ein brutaler Ruck erfasste den Panzer, als eine Kette abrupt anhielt und der Panzer scharf nach links drehte. Er schaute noch einmal zum Himmel empor und die Gewissheit durchfuhr ihn, einem brennenden Blitz gleich, dass der Predator dieses Geschoss um nichts in der Welt wird ausweichen können. Er war bisher allem ausgewichen, aber irgendwann ist auch das vorbei. Dieses Manöver wird sein letztes werden. Flavius erstarrte und fixierte stumm das Geschoss. Der Imperator möge ihnen gnädig sein und sie durch die Dunkelheit geleiten. Das schrille und eintönige Pfeifen kam stetig näher und reizte sein Trommelfell bis zur äußersten Grenze. Die Geräuschfilter seines Helms knisterten überlastet und die Sensoren brüllten vor Anstrengung auf und gaben nach einem kurzen, nur für Millisekunden anhaltenden Kampf, endgültig nach. Die Geräuschfilter brannten durch und verschmorten seinen Kopf. Doch er betete weiter. Er spürte den Schmerz in seiner vollen Ausdehnung und er wollte schreien
Das Gebet reinigt den Geist, Schmerz reinigt den Körper. Das Gebet reinigt den Geist, Schmerz reinigt den Körper... er sagte es sich immer und immer wieder und fing sein gebet von neu an. Fünf endlose Sekunden...oder vielleicht Minuten...er wusste es nicht mehr. In ihm erlosch jegliches Zeitgefühl. Es war so belanglos wie lange es dauerte. Völlig egal. Es zählte nur eins... völlig hilflos sah er zu, wie sich das Sprenggeschoss der Orks mit einer gewaltigen Druckwelle durch die Panzerung des Predators bohr und seine Servorüstung in glühende Fetzen zerriss. Ein loderndes Flammenmeer folgte wenige Augenblicke später und verbrannte die Panzercrew innerhalb des Fahrzeugs. Wie in einer gottverdammten Konservenbüchse wurden sie bei lebendigem Leibe verbrannt, gefangen in einem, die Flammen von allen 6 Seiten spiegelndem, Wrack. Aber er hörte nicht einen Laut. Kein Wimmern. Kein Flehen. Und Stolz wuchs über seine Schmerzen hinaus. Der Imperator war mit ihnen und sie werden sich nicht der Dunkelheit ergeben und ihre Brüder werden sie rächen. Dann wurde der Schmerz seines Körpers wieder Herr und Flammen umarmten ihn. Ein Grelles Licht fraß sich durch seine geschwollenen Augenlider durch, selbst sein Arm, den er als Blende benutzte war nicht in der Lage das schmerzhaft blendende Licht zu dämmen; Ein monströser Druck und eine höllische Hitze nahmen ihm den Atem und quetschten ihn ein...das war das letzte, was er noch mitkriegte, bevor sein Körper meterweit aus dem explodierenden Wrack geschleudert wurde und sein Dienst beim Imperator endete. Dann, endlich, starb er.
"Bruder Ontario! Fahrzeug verloren, der Predator ist außer Gefecht! Einheit Zehn ist außer Gefecht!" schallte in Ontarios Helm. Der Ordenspriester grunzte wütend. Er hatte auch so schon bereits größte Mühe gehabt, die Krieger der Todeskompanie zurück halten zu können, jetzt kriegte ihre Wut auch noch Öl ins Feuer. Es war die Aufgabe aller Ordenspriester, und somit auch die seine, ihre wahnsinnig gewordenen Brüder im Rahmen zu halten, sie nicht kopflos und ihre, sich der schwarzen Wut ergebenen, Körper nicht formlos in die schlacht rennen zu lassen. Sie waren mächtig, ganz ohne Zweifel, das Leiden war ein treuer und starker Verbündeter. Jenes Leiden, das viele andere Orden und die Imperiale Armee für einen Fluch hielt, dasselbe Leiden aber, das die Blood Angels im gesamten, der Menschheit bekannten Universum so gefürchtet und mächtig machte. Wenn man es für sich nützlich zu machen wusste. Kontrolliert gehalten, konnte die Todeskompanie ganze Heere zerschmettern. Und genau das war seine Aufgabe. Kontrolle. Er konnte die, nur mühsam zurückgehaltene Wut in ihnen spüren, ja schon fast mit Händen greifen. Und er teilte ihren Schmerz, den die brennende Kampfeslust in ihnen grausam hinterließ.
"HAAAAALT!" er zog dieses Wort absichtlich eine Ewigkeit lang und brüllte aus aller Kraft, um die Krieger zu beruhigen. Sie mussten nur noch ein wenig warten. Wenn der letzte Gargbot in einem Flammenmeer unterging, hatten sie freie Bahn und konnten effizient erst ihre Artillerie und dann ihr HQ ausschalten. Jetzt, wo die Orks so weit zurück gedrängt wurden, hatten sie keinen Platz mehr um ihre Stärke, die Masse, effizient zu nutzen. Sie würden sich bei einem Handgemenge eher selbst stören. Die Enge, in die die Grünhäute getrieben wurden verschaffte den Blood Angels den entscheidenden Vorteil: sie konnten von allen Seiten angreifen und zwar mit allem, was sie hatten.
"HAAAALT!" brüllte er erneut, fast noch länger als das mal davor. Er sah gespannt und hochkonzentriert, wie der Furioso seinen Melter auf die Orkische Maschine richtete...unendliche, schier niemals zu vergehen wollende Sekunden strichen ewig lang dahin; Sekunden in denen der Cybot einen, vor Energie kreischenden Strahl abgab, dieser sich endlich durch die Massive Gargbotpanzerung durchschlug, der Läufer hinten überkippte und reglos liegen blieb.
JETZT! dachte er. Endlich! Er zündete sein Sprungmodul, hob das Crozius Arcanum und schrie so laut er konnte:
"ATTACKE!" das Sprungmodul heulte wütend auf und riss ihn brutal in die Höhe. Er fühlte jeden einzelnen seiner Schützlinge neben sich in die Schlacht ziehen, auf die sie so lange gewartet haben, die sie seit Stunden verrückt machte. Er konnte ihr bösartiges Grinsen unter den Helmen erahnen. Endlich war es soweit! Sie landeten mitten in der feindlichen Artillerie und gaben ihren Kettenschwertern Futter, das sie so lange angefleht haben und stillten den Durst, der sie seit Stunden gequält hat, dem Durst nach Blut. Was sie hinterließen war eine Spur aus Tod, Schmerz, Verzweiflung und Triumph.
Sie fielen über die Orks her, wie wilde hungrige Bestien. Perth blickte sich nun bereits zum dritten Mal um, als er die herrische Stimme Ontarios hörte. Er sah seinen Brüdern in den schwarzen Rüstungen der Todeskompanie mit Stolz, aber auch Ehrfurcht hinterher, schon allein ihre und Ontarios Anwesenheit verlieh ihm neuen Mut und noch mehr Entschlossenheit. Er ließ das Kettenschwert einige Male sausend durch die Luft schneiden, als er Ontarios Funkspruch hörte:
"Artillerie ist Kampfunfähig. Alle Fahrzeuge rücken zum Sturmangriff vor. Die Todeskompanie übernimmt das feindliche HQ"
"Hier Sturmtrupp zwei. Wir unterstützen euch, Bruder Ontario" gab Perth knapp zurück
"Verstanden Sturmtrumm II. Bruder Darius, ihr übernehmt das Fahrzeug" er deutete auf den Orkbuggy, auf dem die "Bosse" der orkischen Herde durch die Schlacht zogen.
"Zu Befehl, Bruder Ordenspriester." Es folgte eine kurze Pause, dann regte sich wieder etwas "Ziel erfasst. Abschuss in 3...2...1..."
Sie zündeten ihre Sprungmodule gleichzeitig mit dem Feuer des Unterstützungstrupps, denn sie wussten, dass der Buggy zerstört sein würde und sie mitten in einem Trümmerfeld landen würden, um zu beenden, was sie vor drei Stunden begonnen haben. Der Befehl lautete: Aufspüren und Eliminieren. Mit einem lauten Grunzen, das dem surren unzähliger Kettenschwerter und Reißen von Fleisch folgte, hatten sie dem Befehl folge geleistet.
"Es ist vorbei, meine Brüder" sagte Ontario und stellte triumphierend einen Fuß auf den Kopf des Orkbosses "Sieg und Glorie für den Imperator!"


Cadia, Imperialer Vorposten Aerial Beta V

Sylver ging geradewegs auf das Hauptgebäude des Lagers zu. Das Kommissariat würde ihn wohl bereits erwarten. Es behielt die absolute Priorität stets für sich und würde keine Verzögerung dulden. Das gesamte Camp war wie ausgestorben, nur die Wachposten patrouillierten stumm ihre Routen entlang und warfen ihm hin und wieder kaum deutbare Blicke zu, eine Mischung aus Respekt, Mitgefühl und Hohn. Aber er brauchte nichts davon, am allerwenigsten Mitgefühl. Er blieb kurz vor der hölzernen Tür stehen, korrigierte den Sitz seiner Uniform und lauschte, bevor er eintrat. Der übliche muffige, vermoderte Geruch schlug ihm in einer giftige Wolke entgegen, fast als sammelte sich in dem hölzernen Gebilde ein Überdruck an modriger Luft, sodass sie regelrecht rausgepresst wurde, nur um dem Eintretenden die Luft zu nehmen, ihre Übermacht zu präsentieren, etwas böses vorauszuhauchen, einen Vorgeschmack darauf, was auf ihn warten mag, wage er es weiter zu gehen. Sylver war nicht zum ersten mal hier, aber die vielen Male zuvor war nie ein Kommissariat anwesend. Diese Tatsache machte ihn ein wenig nervös, vielleicht sogar ein wenig mehr als er selbst zuzugeben bereit war. Er schüttelte entschlossen den Kopf, verscheuchte, verärgert über sich selbst, diesen Gedanken und trat nun vollends hinein.
"Sergeant Raffael Sylver" erschall hinter dem Tisch zu seiner Rechten. Er drehte sich ruckartig um und musterte den Kommissar: ein langer, dürrer Mann mittleren Alters, der lange schwarze Ledermantel fiel müde auf die ebenso schwarzen und blitzblank polierten Lederstiefel hinab. Nichts desto trotz konnte man den Stiefeln, wie auch dem Mantel, auf das Genauste ihre Geschichte erkennen. Sie waren abgerieben und der Mantel sogar teilweise ein wenig staubig und mit unzähligen feinen Rissen, Schrammen und kleinen, kaum bemerkbaren Flicken übersäht, die jeden seiner durchgemachten Schlachten, Siege, Niederlagen, Triumphe und Verluste detaillierter erzählen konnten als alle Berichterstatter des Imperiums zusammengenommen. Der Rot-goldene Gürtel betonte die schlanke Figur des Kommissars und die typische Kommissarsmütze mit dem, in Gold gefassten imperialen Adler, war so tief in die Stirn gezogen, dass die schwarze Sonnenblende sein bohrendes Auge irgendwo im bedrohlichen Schatten verborgen hielt. Das andere war ein kybernetischer Ersatz und funkelte Sylver rot und Unheil versprechend an, was die Lage (und Sylvers Anspannung) nicht gerade lockerte. Er war eine Autoritätsperson, das stand völlig außer Frage, er wusste das, und er wusste auch wie er es sich zu nutze machen konnte, sei es um Leute auszuquetschen, um sie zu erpressen, zu irgendwas zu zwingen oder einfach nur um für absolute und unzerbrechbare Ruhe im Zug zu sorgen. Der Mann machte einen großen Schritt vorwärts und salutierte:
"Glorie dem Imperator"
"Möge sein Licht die Dunkelheit vertreiben, die über uns herein gebrochen ward" erwiderte Sylver. Ein Hauch von einem dünnen Lächeln umspielte das Gesicht des Kommissars. Er schob den Stuhl zurück und setzte sich, die Ellbogen so auf die Tischplatte stützend und faltete die Hände vor dem Gesicht zusammen, sodass die Zeigefinger seine Unterlippe berührten. Sein Blick bohrte sich abermals in Sylver hinein. Zuerst nur in sein äußeres , dann plötzlich geschah irgendwas und Sylver fühlte sich auf einmal völlig nackt, so als würde der Kommissar direkt in seine Seele blicken können, sie durchforsten und seine Gedanken lesen können.
Beim Imperator... dachte Sylver
"Was ist los mit Ihnen, Sergeant? Sie sehen aus, als würden Sie den Imperator selbst um Beistand ersuchen wollen!" Sylver zuckte unter diesen Worten merklich zusammen. Ein Zufall? "Sie haben doch gut gekämpft da unten, auf Rhadalon" er machte absichtlich eine winzige Pause, Millisekunden nur, bevor er gelassen, fast schon eiskalt weiter sprach "Oder...etwas nicht?" Sein Ton, sein Ausdruck, ja allein seine Anwesenheit machte alles zunichte, was Sylver je an Entschlossenheit aufbringen konnte.
Scheiße Mann, was zum Teufel...schoss durch seinen Kopf. Er raffte sich auf und erwiderte den bohrenden Blick seines Gegenübers
"Das haben wir, Sir" antwortete er in einer Tonlage, die nicht nur ihn selbst, sondern auch den Kommissar sichtlich überraschte "Das haben wir. Dennoch wurde Rhadalon völlig überrannt. Wir haben es nicht halten können."
"Nun, vielleicht fangen wir ganz am Anfang an und Sie erzählen mir alles was dort vorgefallen ist, von Anfang bis zum Ende. Und tun Sie mir und vor allem sich selbst den Gefallen, und versuchen nicht Ihr Handeln zu erklären...oder sogar zu entschuldigen!" fügte er hinzu. Sylver trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. Seine Hand glitt, verfolgt von dem wachsamen Blick des Kommissars (wie eigentlich jede seiner noch so unbedeutenden und nichts sagenden Bewegungen), unter seine Armaplastweste und ertastete einen Feuchtgeschwitzten, hier und da von Blut besudelten Fetzen Papier. Sylver drehte ihn unentschlossen zwischen den Fingern hin und her und streckte ihn dann schließlich dem Kommissar entgegen. Dieser musterte das verdreckte Stück Papier abfällig und presste die Lippen zu einer blutleeren Linie zusammen.
"Was...ist DAS...Sergeant Sylver?!" brachte er zwischen den Zähnen hervor, betont mit einer Pause
"Ein Kriegsbericht, Sir. Hier ist der gesamte Ablauf auf Rhadalon festgehalten. Ich habe ihn verfasst, während ich im "Sudden Thunder" den Evakuierungstransport antrat."
Der schlanke Mann entspannte sich merklich und nickte respektvoll "Voraussicht, Sylver? Eine Lobenswerte Eigenschaft." Er nahm das Papier an sich und legte es sofort, ohne auch nur einen Blick hinein zu werfen, zu den anderen Akten und Berichten. Sylver erhaschte einen kurzen Blick auf seine Aktentasche: in großen Buchstaben stand knapp gehalten alles was er sehen musste..."FALL - RH"
"Ich möchte dennoch, dass Sie mir Ihre eigene Version berichten. Wir werden das Schriftstück studieren und es auf seine Herkunft und den Wahrheitsbestand darin prüfen, bis dahin will ich mir aber ein Bild von Ihnen und Rhadalon verschaffen. Also bitte, ich bin gespannt." Er lehnte sich demonstrativ auf seinen Stuhl zurück und starrte Sylver entschlossen an. Und Sylver berichtete. Alles. Von Anfang bis Ende.
Der Kommissar hörte ihm zu. Er hörte ihm gut, sehr gut zu, ließ sich jedoch, abgesehen von Kopfnicken, gepressten Lippen und einem, in Gedanken versunkenen "Mhm", nichts von seinen Emotionen anmerken. Ganz im Gegenteil, er machte den Eindruck als würde ihn alles, jedes Wort Sylvers, völlig kalt lassen, er wollte es anzweifeln, jedes Wort. Schließlich stand er auf, verhakte die Hände hinter dem Rücken und lief in dieser Haltung lange und stillschweigend im Raum hin und her. Sylver hat schon längst aufgehört zu zählen, wie oft er sich umgedreht hat und abermals die Richtung gewechselt hat. Plötzlich blieb er stehen und drehte sich ruckartig zu Sylver um. Sein kybernetischer Augenersatz stieß ein rotes, Hasserfülltes Funkeln aus, das andere verengte sich lediglich ein wenig
"Sie dürfen jetzt gehen, Sergeant Sylver." Er machte bewusst eine winzige Pause "Vorerst! Ich werde unser Gespräch weiterleiten. Sollten wir Sie noch einmal brauchen, weiß ich ja, wo ich Sie finden kann" Dann salutierte er hastig, drehte sich ein letztes Mal um und verließ mit großen, wütenden Schritten den Raum. Sylver blieb sitzen. Unfähig auch nur einen klaren Gedanken über das Verhalten des Kommissars zu fassen, schaute er hilflos zwischen dem Tisch und der Tür hin und her. Was sollte das? Hat er ihn etwa des Verrats beschuldigt?! WIESO?! Und wieso hat er ihn dann nicht verhaften lassen? Wieso hat er ihn dann gehen lassen? Wenn der Kommissar seine Geschichte glaubte, wieso hat er dann so wütend auf ihn reagiert? Sylvers Gedanken überschlugen sich. Er wusste nicht mehr was er von sich und von den anderen halten sollte. Was er tun sollte. Plötzlich begann er zu spüren, wie hilflos er wirklich war. Er konnte nichts tun. Gar nichts. Nur warten...


Sanguin Avanger

Ontario und seine Brüder, die den Kampf überlebt haben, kehrten mittlerweile langsam zurück auf den Kreuzer. Pünklichst zum Abendgebet, darauf hat Ontario stets peinlichst genau geachtet. Es war keine Pflicht, aber ihm lag sehr viel am Gebet und wenn die Möglichkeit bestand, wenn nicht gerade Kugeln um seinen Helm flogen und er nicht des Imperators Ehre verteidigen musste, nahm er immer daran Teil. Dieses Mal hat er schon befürchtet, er würde es verpassen. Der Kampf an sich dauerte schon sehr viel länger als geplant, dann mussten noch sämtliche Gebäude durchsucht und inspiziert werden um die Sektoren zu sichern, während der Apothecarius mithilfe seines Reductors die Gene der gefallenen Brüder rettete. Diese Zeremonie war nicht nur eine letzte Ehre für die Marines, nicht einfach nur ein optischer und psychischer Brauch, es war wichtig. Fast schon Überlebenswichtig. Die Orden waren stets nur mit den Besten der Besten gefüllt, die Selektion der Rekruten war immer schwieriger durchzuführen, es gab nicht mehr so viele Menschen, die dafür in Frage kamen und die Sterbensrate jener, die stark und gläubig genug waren, lag über dem Durchschnitt, viele fielen bereits in den ersten Trainingstagen. Es war noch nicht soweit dass man sich große Sorgen machen musste, es gab schon wesentlich schlimmere Zeiten, aber man musste schon sehr aufpassen was man wo macht und wen man dafür einsetzt und jeder gefallene Marine wurde mehr und mehr zu einem gewaltigen Verlust für den Orden. Die eingesammelten Gene der Apothecari konnten, dank dem Reductor, untersucht und wieder eingesetzt werden. Aus ihnen entstanden neue tapfere Kämpfer, Space Marines, Verteidiger der Menschheit. Das Imperium braucht loyale und tödliche Diener, die dem Imperator bei seinem, nie endendem Kampf beistehen würden. Nein, dies war ebenso eine geistig notwendige Zeremonie. Diener, die selbst nach dem Tod ihren Tribut beitragen, diese Ehre gebührt wahrlich bei weitem nicht jedem. Ontario betete zu Ende, stand von den Knien auf und wollte sich gerade umdrehen, als er die massige Figur des Captains vor sich sah.
"Bruder Ontario!" seine dunkle Stimme dröhnte selbst im Flüsterton noch durch seinen Kopf "Ich bin froh, euch unversehrt zu sehen!" Ontario verneigte sich knapp
"Ich wollte mich gerade in euer Quartier begeben, Bruder Captain."
"Kommt, Ontario, erzählt mir, was Ihr dort unten vorgefunden habt" Captain Razius legte behutsam den Arm um Ontarios Schulter und drückte ihn sanft in die Richtung, in die er mit dem anderen Arm einladend deutete.
"Nun, Bruder Captain... eigentlich HABEN wir nichts vorgefunden" Ontario beobachtete genau Razius' Gesicht, doch zu seiner Überraschung war dort weder Verwunderung noch Verzweiflung zu lesen, es blieb ruhig, als ob es aus Stein gemeißelt war "Außer einigen wilden Orkherden, versteht sich." Nun hob Razius doch noch eine Augenbraue, hatte sich aber sofort wieder unter Kontrolle
"Orks?" fragte er nochmals. Die leichte Nervosität seiner Stimme war kaum zu erspüren, und doch entging sie Ontario nicht.
"Jawohl, mein Captain, ORKS." er zuckte die Schultern "Nicht die Spur von Dark Eldar Soldaten. Aber die Orksiedlung erweckte den Eindruck, als sei sie vor nicht allzu langer Zeit erbaut worden" er reichte dem Captain eine Skizze der orkischen Siedlung, die er kurz nach der Schlacht auf das Pergament warf "Es sind nicht mal alle Gebäude fertig gestellt worden, und sie sollten auch nicht besonders lange bestehen." Razius nickte nachdenklich:
"Sieht so aus, als würden sie nicht lange dort bleiben wollen..." erwiderte er nach einer langen Pause
"Danach sieht es aus, Bruder Captain. Es ist fraglich, ob sie überhaupt aus demselben Grund dort waren, wie die Eldar. Der Kampf der imperialen Armee könnte sie genau so angelockt und angetrieben haben." Razius nickte abermals
"Ihr glaubt es war reiner Zufall, Ontario?"
"Nun, Captain, ich habe nicht gesagt dass es Zufall ist, ich schließe diese Möglichkeit bloß nicht aus."
"Rhadalon wird uns vielleicht weitere Hinweise dazu liefern, habt Ihr es gefunden?"
"Negativ, Bruder Captain. Aber einer unserer Brüder hat dies hier gefunden" er reichte Razius ein weiteres zerknittertes Stück Pergament
"Noch eine Skizze?" Razius blickte ihn verwundert an "Ontario, ich habe Eure Künstlerische Fähigkeiten schon immer bewundert, das wisst Ihr, aber könnt Ihr das nicht in Worte fassen?"
"Exakt, Captain, noch eine Skizze, allerdings nicht von mir oder einer Orkhand gemacht. Seht Ihr die Hieroglyphen? Dies sind elfische Buchstaben, Bruder Captain." Razius hielt plötzlich inne und atmete schwer enttäuscht aus
"Hieroglyphen? Sie waren also doch da..."
"Mehr noch, sie haben sich gründlich auf diesen Angriff vorbereitet. Diese Skizze scheint die von Rhadallon zu sein. Und hier" er deutete mit dem Zeigefinger auf ein umkreistes Gebiet "vermuteten sie das, weshalb wir dahin gekommen waren. Und wie auch immer diese "Jagd" ausgegangen ist, beim Rückzug müssen sie auf Orks gestoßen sein."
"Irgendwelche Hinweise darauf, wie es ausgegangen ist?"
"Negativ, Captain" Ontario schüttelte den Kopf langsam, aber eindeutig "Keine Leichen, keine Indizien, nicht einmal Kampfspuren oder Blut. Lediglich das" er deutete mit einem Nicken auf das Pergament "Und die Siedlung selbst, die sich mit großer Wahrscheinlichkeit auf direktem Kurs der Eldar Streitkräfte befand."
"Orks schließen sich mit Niemandem zusammen, selbst mit anderen Orkstämmen nicht, nicht kampflos jedenfalls. Diese Kreaturen leben für die Schlacht. Und sie würden sterben, um eine zu bekommen. Es muss einen Kampf gegeben haben, egal ob die Orks es darauf abgesehen haben oder nicht. Und es war ein Kampf auf Leben und Tod, und da Ihr, Bruder Ontario, auf Orks gestoßen seid,..." Ontario unterbrach seinen Captain mit einem ruhigen, bejahenden Nicken und sprach seinen Gedanken zu Ende:
"Klingt es logisch, dass die Eldar tot sind, Captain, ich weiß. Nichts desto trotz, wir haben nichts, wonach wir suchten. Es muss etwas anderes gegeben haben. Etwas dazwischen, was wir übersehen haben." Razius atmete hörbar ein und blickte nachdenklich den langen Flur entlang
"Findet Rhadalon, Bruder Ontario. Findet es. Durchsucht es." Er sprach diese drei Sätze in einem völlig identischen Tonfall, ohne seine Stimme zu erheben oder zu senken, aber sie klangen, vielleicht aus diesem Grund, umso mehr als knallharter Befehl. Razius' Handflächen ballten sich zu Fäusten, sodass die Knöchel hörbar knackten, dann fuhr zu Ontario herum, packte ihn an beiden Schultern und zischte ihn flehend an: "Stellt alles auf den Kopf, aber findet etwas, was uns weiterhilft! Und...gebt Acht auf Feinde..."
"Ich bin bereits dabei, Bruder Captain. Ich habe einen taktischen Trupp entsandt, einer unserer Späher berichtete von außergewöhnlicher Konzentration an Wärmequellen auf Höhe 361 vor weniger als 30 Stunden. Diese Koordinaten werden bald erreicht sein. Vielleicht bekommen wir dann unsere lang ersehnten Antworten."
"Euer Dienst ist für den Imperator und das Imperium unentbehrlich, Ordenspriester." Razius bedachte ihn mit einem besorgten Blick und klopfte Ontario mit einer Hand auf die Schulter. Der helle Klang von Metallhandschuhen auf Metallpanzer hallte im engen Gang ohrenbetäubend wieder. Ontario verbeugte sich leicht
"Der Eure auch, Bruder Captain." Er richtete sich wieder auf "Ich erstatte Bericht, sobald ich etwas neues gefunden habe." Razius nickte dankend und Ontario machte kehrt. Der Ordenspriester lief nachdenklich den langen Flur zurück, seine Schritte wandten noch Minutenlang echohaft durch die kleinen Räume des Kreuzers. Er würde sich bald wieder Rhadalon widmen, aber zuerst musste er sich um etwas anderes kümmern: der Rote Durst, der die Todeskompanie der Blood Angels in den Wahnsinn trieb, er musste gehemmt werden. Irgendwie kontrolliert werden, und er, Ontario, war dafür zuständig, herauszufinden wie er kontrolliert werden kann. Er und alle Priester des Ordens. Ontario spürte, dass er bereits ganz nahe daran war, des Rätsels Lösung zu finden...sie zu fassen... näher als je ein Mensch zuvor.


Cadia, Imperialer Vorposten Aerial Beta V

In dieser Nacht fand er keinen Schlaf. Vielleicht lag es daran, das er bereits am Nachmittag ein Paar Stunden schlafen konnte, im "Sudden Thunder", vielleicht aber auch weil ihn eine Frage nicht mehr aus dem Sinn ging, die Frage nach dem Was. Was war das, worin er bis zum Hals und noch tiefer drin saß, das ihn wie Treibsand immer und immer tiefer sog, je mehr er sich darin bewegte. Aber wahrscheinlich war beides Grund für seine Schlaflosigkeit. Es war kein Zufall, dass Rhadalon auf Corpul VI angegriffen wurde. Wäre es Zufall gewesen, würde es jetzt nicht so einen Aufstand geben. Der Kommissar war nicht zufrieden mit dem, was er ihm erzählt hat, aber er schien es auch nicht für eine Lüge zu halten, andernfalls würde er ihn sofort verhaften lassen. Sowohl nach seinem Auftritt als auch in den Stunden danach war alles ruhig, wie immer. Keine Wachen, keine Unruhen. Irgendwas war hier falsch. Er hasste es, in einer Geschichte zu stecken, ohne zu wissen warum und um was es geht. Sylver lief eine ganze Zeit lang grübelnd durch das Lager, ziellos und gedankenverloren. Er bemerkte nicht einmal Cogar, als dieser auf ihn zulief und ihm etwas rüber zu schreien versuchte.
"Hey, Silver!" rief er "Sa-arge! HEY!" er klopfte ihm spielerisch mit dem Knöchel an den Helm "Jemand drin hier oben?" Sylver wandte sich stumm um und sah ihn mit leeren Augen an:
"Entschuldige, Cogar...was?"
"Ich habe dich gefragt ob du schon mitgekriegt hast, dass wir bald zurück sollen."
Sylver hat nicht wirklich das verstanden, was Cogar sagte, es ging an ihm vorbei, wie ein Traum, den man nachts hat und am nächsten Morgen sofort wieder vergessen hat. Man weiß nicht mehr um was es geht, man weiß nur man hat etwas geträumt. Etwas komisches, vielleicht etwas verrücktes oder erschreckendes, aber was auch immer man tut, man kann sich auf Teufel-komm-raus einfach nicht daran erinnern. Sylver blinzelte lediglich und überspielte seine Verlegenheit angesichts der Lage.
"Tatsächlich?" fragte er ziellos, worauf Cogar heftig nickte.
"Tatsächlich! Wahrscheinlich schon in wenigen Tagen und wahrscheinlich mit mehreren Trupps...nur den Auftrag hab ich noch nicht mitbekommen, aber eigentlich kann man sich denken was kommt..." Jetzt erst begann Sylver allmählich zu begreifen wovon sein Freund redet, langsam kam er aus dem Nebel der verlorenen Gedanken heraus und suchte einen Pfad in Richtung Realität zurück
"Wir sollen zurück?... Von wem hast du das?" fragte er aufhorchend. Es war kein Geheimnis, dass Cogar viel redete. Das Meiste von seinem Gerede war auch frei erfunden oder stark übertrieben, irgendwelche Gerüchte die irgendwo aufkommen und die Cogar einfach nur benutzt, um seinen Geschichten noch mehr Nahrung zu geben. Herrgott, er war schon fast wie ein altes Waschweib, das redete, einfach nur um nicht an Langeweile zu sterben, und wenn er mit sich selbst reden müsste, das war ihm völlig egal. Aber Sylver würde schnell begreifen, dass es dieses Mal kein dummer Spruch war...
"Von Friesen" antwortete Cogar "Und der weiß das vom General. Und wo der das her hat, wird er dir ganz bestimmt nicht verraten...aber du wirst es ja auch so bereits ahnen"
"Yep" bestätigte Sylver "Was weißt du noch darüber?"
"Nur dass der General um 0800 ‚ne Sitzung hält, und dass wir dort sein müssen, und zwar pünktlich." Sylver nickte stumm und ging langsam weiter
"Oh, nicht der Rede wert, Sarge! Ich hab das gern getan, man muss sich nicht bei jemanden für so etwas Selbstverständliches bedanken!" grummelte Cogar und brummte beleidigt noch etwas hinterher, aber das hat Sylver nicht mehr verstanden. Es blieben nur noch 6 Stunden bis zur Sitzung. Ich kann's ja mal mit Schlaf probieren. Dachte er Wird eh nichts, aber wenigstens kann ich behaupten ich hab alles versucht...
Sylver hatte Recht, Schlaf war das letzte was er fand. Gedanken kreisten in seinem Kopf und ließen ihn nicht in Ruhe. Fall RH, der Kommissar... was war an dem Planeten so außergewöhnlich? Ein verdammter Eisplanet, der vor kurzem noch nicht einmal von Menschen besiedelt war...was gab's da zu holen? Außer tonnenweise Eis versteht sich... Und wenn es nicht der Planet war? Was dann? Sylver schluckte schwer...genau genommen gab es da nur noch eins, was in Frage kam...


"Gentlemen...GENTLEMEN!" General Newards stand mit seinem altmodischen Zeigestock hinter dem Tisch und wippte ungeduldig vor und zurück, während er darauf wartete, dass die Soldaten sich beruhigten, die aber dachten nicht mal dran."Peters, alte Säge!" schrie jemand aus der letzten Reihe einem verspäteten Soldaten zu "Wie geht's deiner Mutter? Wir war'n Mal aus"
"Halt die Fresse, Dozer. Ich weiß dass du auf Ältere stehst. Die jungen und hübschen haben ja auch Geschmack, an die kommste nich' dran, aber lass gefälligst meine Mutter daraus!"
"Ach ja? Soll ich dir sagen was noch so Geschmack hat?" er grinste breit und fasste sich in den Schritt "Weißt du eigentlich dass es eine neue Erfindung gibt? Ja, die heißt Dusche. Dolle Sache das. Solltest du bei Gelegenheit auch mal ausprobieren."
"Leck mich" Peters winkte ab, schnaubte und setzte sich beleidigt hin
"Gern, sobald du nicht mehr riechst wie'n Tier... Apropos Tier, Animal, was sagst du zu der Sache?" Animal, der bisher teilnahmslos in der Mitte der Stuhlreihen saß und über irgendwas brütete, sah sich lässig um, legte die Füße auf die Lehne der Stuhlreihe vor ihm und streichelte seine Maschinenkanone "Was soll ich dazu sagen, Dozer? Ihr habt ja alle 'ne große, fiese Fresse, aber wenn's drauf ankommt, ziehen eure Kanonen die Schwänze ein und verschlucken sich ständig beim Schießen"
Dozers Augen weiteten sich und er unterdrückte im letzten Moment den Impuls, aufzufahren, über einige Reihen zu Animal rüber zu springen und ihn am Kragen packend gegen die nächste Wand zu schmeißen:
"Blutrünstiges, schießgeiles Monster, der Befehl lautete Feuer Einstellen! Das war Befehlsverweigerung, scheiße Mann!" Animal nickte gelassen
"Yep, weil der Feind diesen Vorschlag von Befehl nicht für besonders klug hielt" er hatte ein unglaubliches Talent besessen, Leute bis zu dem äußersten Rand provozieren zu können, und zwar Leute jeglichen Charakters, dabei blieb er ungemein ruhig, völlig egal was los sein mochte. Die Hölle könnte tausend Mal einfrieren, es würde ihn nicht im Geringsten stören. Es gehörte einfach nicht zu den Dingen, die sein Leben direkt und unmissverständlich beeinflussten oder gefährdeten, also war's ihm auch völlig schnuppe. Genau diese Ruhe und Gleichgültigkeit ließ seine Streitgegner völlig außer sich geraten, es war so als würde sich eine dritte, völlig unbeteiligte, Person in einen Streit einmischen und davon profitieren wollen. "Und außerdem hat unser, ich betone, EX-Leutnant nicht laut genug gerufen." Er zuckte gleichgültig die Schultern "Wie denn auch, bei dem Geknatter. Der Pechvogel hat wahrscheinlich nicht mal mitbekommen, WAS ihn da überhaupt erlegt hat" Dozer umklammerte die Stuhllehne, sodass das Holz unter seinen Fäusten ächzte und knarzte, seine Knöchel zu blutleeren runden Stellen wurden und sich weiß färbten.
"Du verfluchter..."
"KINDER! Kriegt euch wieder ein!" General Newards unterbrach Dozer mit einer herrischen Geste und deutete ihm, sich wieder zu setzen. "Streiten könnt ihr euch draußen im Sandkasten, jetzt lasst ihr aber den Onkel in der Uniform reden" er deutete mit beiden Daumen auf seine Brust und fügte nach einer betonenden Pause hinzu: "MICH. Und hört bei dieser Gelegenheit auch mal zu." Newards wartete einige Augenblicke, bis die Verblüffung verdaut war und die Anspannung wieder der üblichen Atmosphäre wich, dann fuhr er fort:
"Es gibt für euch noch eine Menge zu tun und zwar in weniger als 3 Stunden. Wie ihr gewiss mitbekommen habt, gab es auf Corpul VI gewaltige Schwierigkeiten, was das Leben einiger unserer Soldaten kostete. Rhadalon wurde überrannt."
"Und was haben wir damit zu tun, Gen? Sofern ich weiß ist Rh als aufgegeben erklärt worden"
"Diese Information ist korrekt, Jerry, und ihr habt insofern damit zu tun, als dass ihr wieder dort runter müsst und den Außenposten wieder auffinden müsst. Eventuell gibt es da überlebende, und wenn nicht, so sammeln wir wenigstens einige Anhaltspunkte. Ich will wissen, wieso Rh angegriffen wurde. Diese Geheimniskrämerei ist doch nicht sauber und..."
"Plünderei und Sklavenjagd, schätz ich. Das machen die doch immer..."
"Genau deshalb sollt ihr ja darunter, Jerry! Was ich brauche, sind keine Schätzungen, sondern handfeste Tatsachen! Wenn sie auf Sklavenjagd waren, haben sie jemanden von uns mitgenommen, wenn nicht, müssen wir erfahren, was sie da wollten, wenn wir nicht unter Umständen so enden wollen, wie Rh." Jerry, alias Animal, rümpfte grummelnd die Nase und legte die Arme überkreuz
"Sie denken die haben großes vor?" Newards biss sich auf die Lippe und dachte angestrengt nach, bevor er weiter sprach
"Das kann ich euch nicht sagen, Männer, was ich habe ist eine Vermutung, da sich im Warp vor kurzem neue, bisher unbekannte Energien rührten, sind einige Personen ziemlich aufgebracht und haben die Sache gleich stillgelegt, aber wann bedeutete denn so eine Warp-Geschichte schon was Gutes? Ich will nur nicht mit runtergelassenen Hosen erwischt werden."
"Aha..und als Oberguru kriegen wir diesen Kommissar, stimmt's?"
"Fast. Leutnant Friesen wird euch begleiten. Das Kommissariat weiß nichts von dieser Sitzung hier, und das wird es hoffentlich auch weiterhin nicht. Es muss seine Nase ja nicht überall reinstecken. Ihr geht darunter und checkt die Lage. Ihr Auftrag lautet SAR, Search and Rescue. Keinerlei Lärm, keinerlei Auffälligkeiten. Weitere Anweisungen erfolgen dann im Verlauf. Gentlemen..." General Newards sah sich lange nachdenklich um "Packt die Sachen. Ihr habt 3 Stunden, dann geht's los."



Urheberrecht: Alex Lust, 2004



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