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ERWACHEN

FINSTERE SCHATTEN

Iriel rannte...
Sie rannte so schnell wie sie konnte...
Es war stockfinster und sie sah nicht wohin sie rannte. Es war auch unwichtig, denn sie wurde gnadenlos verfolgt.
Dornenranken peitschten über ihren nackten Körper und rissen peinigende Wunden hinein, die ihr beinahe die Sinne raubten, während sich ihr langes blondes Haar ständig in tiefhängenden Ästen verfing und von ihrem Kopf gerissen wurde.
Ihr Atem ging schwer und sie war am Ende ihrer Kräfte, doch die Angst trieb sie weiter. Gehetzt blickte sie zurück, denn Iriel wusste, dass die Verfolger ihr dicht auf den Fersen waren.
Sie stellte aber erleichtert fest, dass niemand zu sehen war und setzte ihre Flucht mit neuer Hoffnung fort. Diese wurde ihr jedoch jäh geraubt, als sie vor sich das Ende des düsteren Waldes und dahinter den gewaltigen Schatten eines Abgrunds erblickte.
Entsetzt blieb Iriel am Klippenrand stehen und schaute hinunter. So weit sie in der Dunkelheit sehen konnte, tat sich vor ihr ein einziges Trümmer- und Ruinenfeld auf. Es waren die Überreste der Ersten Schlacht, des Ausbruchs des grausamen Krieges, der bisher so viel Leid über ihr Volk gebracht hatte.
Ihre vollen Brüste erbebten unter den rasenden Herzschlägen, als sie verzweifelt und erschöpft auf die wenigen blassen Sterne über ihr blickte, die schwach durch das zerstörte Kuppeldach leuchteten. Das Blut hämmerte in ihren Schläfen und kalter Schweiß bedeckte ihre rosige Haut.
Doch da glaubte Iriel etwas am Himmel erkennen zu können, das so unbeschreiblich finster war, dass es sogar den tiefschwarzen Weltraum verdunkelte. Es war riesig und schob sich langsam über den gesamten Himmel. Ein einsamer Stern nach dem anderen wurde von der unnatürlichen Finsternis verschlungen, bis kein einziger Lichtstrahl mehr in die verwüstete Kuppel gelangen konnte.
Iriel spürte wie sich ihr Körper verkrampfte, als sie mit Unglauben die völlige Umschattung des Weltenschiffs beobachtete. 'Dies ist das Ende,' hörte sie sich stammeln. Eine einzelne Träne rann über ihre zarten Wangen...
Ein plötzliches Knacken ließ Iriel erschrocken herumwirbeln. Sie sah wie eine schattenhafte Gestalt durch das Dickkicht auf sie zu kroch und bevor sie auch nur reagieren konnte, schoss plötzlich eine kreisende, messerscharfe Metallscheibe durch die Luft und zertrümmerte ihr linkes Fußgelenk.
Als die Sehnen und Nervenbahnen durchtrennt wurden, verlor Iriel den Halt und stürzte mit einem Schmerzenslaut rückwärts in die Dunkelheit des drohenden Abgrunds...


DÜSTERES ZWIELICHT

Als Iriel erwachte, war sie von völliger Dunkelheit umgeben. Verstört und verängstigt richtete sie sich auf und blickte um sich. Ihr Körper war übersät von Schürf- und Schnittwunden, die sie sich vom Absturz geholt hatte und nun höllisch zu brennen begannen. Langsam erinnerte sich Iriel wieder an die Hetzjagd.
Es war eine alte und äußerst beliebte Tradition unter den Verdorbenen. Iriel hatte von diesen blutigen Jagdspielen gehört, Anthara, die zweite Liebessklavin ihres Herren ist vor vielen Jahren so in seinen Besitz gekommen. Denn es ist der Brauch, dass alle Sklaven eines verstorbenen Kriegsherrn freigelassen werden, um dann von dessen nächsten Verwandten und Freunden gejagt und wieder eingefangen zu werden. Auf diese Weise gibt es keinen Streit um die herrenlosen Sklaven und sie können ihre dunklen Gelüste befriedigen.
Iriels Herr, Kodhos Thyakran, einer der mächtigsten Lords des dunklen Herrschers, war in einem Gefecht gegen die Reingebliebenen gefallen, nachdem er und seine Krieger sich bei einem Raubzug zu tief in ihre Territorien gewagt hatten.
Voller Trauer musste Iriel nun an Anthara denken. Sie konnte anfangs gut mit ihr Schritt halten, doch im düsteren Wald begann sie immer weiter zurückzufallen und ihre Verfolger kamen immer näher. Einmal hatte Iriel sich zu ihr umgewandt. Obwohl graue Nebelschwaden ihr die Sicht erschwerten, konnte sie im Zwielicht ganz klar ihr Gesicht erkennen. Nie wird sie Antharas flehenden Blick vergessen können. Angst, Furcht, Pein und Schmerz spiegelten sich darin wieder, es war ein stummer Schrei nach Hilfe, doch sie ist weitergerannt, ohne sich noch einmal umzuwenden. Selbst als sie Antharas markerschütternden Todesschreie gehört hatte, die die idyllische Stille des Waldes durchschnitten hatten. So verlangten es die grauenvollen Bräuche der Verdorbenen - Sollte die Beute keine spannende und belustigende Jagd geliefert haben, so steht es dem Jäger zu, sie auf der Stelle töten zu dürfen.
Iriel konnte ein Schluchzen nicht mehr unterdrücken. Anthara ist ihre beste Freundin gewesen und die Zeit nach ihrer Ankunft war der angenehmste Teil ihrer langen Dienstzeit. Mit Trauer erinnerte sie sich daran, wie sie sich nach den blutigen Lustspielen ihres Herrn liebevoll gegenseitig die Wunden versorgten. Dabei erzählte sie ihr immer von der Zeit vor dem Krieg und der Schönheit einer Welt des Friedens und der Freiheit. Denn Anthara war jung, sie war in dieser Welt aufgewachsen und kannte nichts außer Tod und Gefangenschaft. Wie ihre kristallblauen Augen geleuchtet haben, wenn Iriel ihr von den blühenden Gärten und dem unbeschwerten Leben von damals berichtet hatte. Oft musste sie Antharas endlosen Wissensdurst mit Erfundenem stillen, denn Iriel konnte sich kaum noch an das Leben vor dem Krieg erinnern.
Sie war sehr jung als die Verdorbenen ihre Kuppel im Laufe der Ersten Schlacht stürmten, ihre Eltern ermordeten und sie von ihren Geschwistern trennten. Sie hatte die schrecklichen Massaker miterlebt, die ihr neuer Herr, Kodhos Thyakran, angeordnet hatte und denen unzählige Eldar zum Opfer gefallen sind. Vor einiger Zeit, als Kodhos guter Dinge war, wagte Iriel es endlich, ihm die Frage zu stellen, ob ihre Geschwister damals ebenfalls den Tod gefunden hatten. Der grausame Lord antwortete ihr nur mit einem allessagenden Grinsen... Der Tod ihres Herrn verängstigte sie später wegen der bevorstehenden Hetzjagd, doch gleichzeitig empfand sie dabei auch eine tiefe Genugtuung...
Erschrocken fuhr Iriel plötzlich aus ihren schweifenden Gedanken und horchte. Sie vernahm das Klirren von herabstürzenden Steinen - jemand war dabei, die Klippe herunterzusteigen!
Iriels Herz begann zu rasen und das Blut schoss ihr in den Kopf. Blind umhertastend versuchte sie aufzustehen, doch ihr linkes Bein war taub vor Schmerz. So zog sie sich langsam an einer verwitterten Säule hoch, die sie neben sich vorfand.
Humpelnd und vor Anstrengung schnaufend schleppte sie sich mühevoll durch die verfallenen Ruinen. Ihre Augen hatten sich inzwischen an die Dunkelheit gewöhnt und sie konnte erkennen, dass sie auf einer Erhebung stand, die einmal vor langer Zeit ein großes Gebäude gewesen sein musste. Das Gelände war abschüssig und Iriel versuchte vorsichtig weiterzugehen, als auf einmal der Boden unter ihren Füßen nachgab und sie einbrach...


EIN SCHEIN IN DER DUNKELHEIT

Sie fiel tief und schlug hart auf. Ihr Absturz hatte viel Staub aufgewirbelt, der ihr die Orientierung erschwerte, und Unmengen an Geröll und Gestein mitgerissen, das nun verstreut auf dem kargen Felsboden herumlag. Schwindelig und matt richtete sich Iriel wieder auf und blickte nach oben. Doch aufgrund der Finsternis, die sie umgab, konnte sie nicht erkennen, wo das Loch war, durch das sie gestürzt ist. Da sie auch keine Decke sehen konnte, folgerte sie, dass sie sich in einem großen unterirdischen Gewölbe befinden musste. Rings um sie herum erkannte sie einige umgefallene Säulen und Statuen, die mit uralten Symbolen und Runen übersät waren - es musste sich hier um einen alten Tempel handeln. Irgendwie ist damals dann beim Zusammensturz des Gebäudes diese künstliche Höhle entstanden.
Iriel hoffte nur, dass sie einen Ausgang aus der Ruine findet und schaute noch einmal dort hinauf, wo sich das Einsturzloch in etwa befinden müsste. Jedenfalls, so dachte sie, war sie nun wenigstens vor den Jägern sicher. Doch gerade als Iriel sich abwenden wollte, sah sie zwei dunkelrot leuchtende Augen, die von oben durch das Loch herabschauten. Sie fuhr erschrocken zusammen und warf sich blitzschnell hinter einer der großen gebrochenen Säulen, in der Hoffnung, dass ihr Verfolger sie in der Dunkelheit nicht erkennen konnte und die Suche nach ihr aufgeben wird. Angespannt kauerte sie hinter dem kalten Stein und erwartete jederzeit einen Schatten, der aus der Finsternis auftaucht und sie niederstreckt. Doch aus den ersten quälenden Minuten wurden bald lange Stunden, und noch immer tat sich nichts. Bald atmete Iriel erleichtert auf und begab sich vorsichtig aus ihrem Versteck. Sie schlich gebückt ins Freie und schaute nochmal zur eigenen Versicherung nach oben.
Als sie dann unerwartet in die lauernden Augen des wartenden Jägers blickte, blieb sie zuerst vor Schreck wie angewurzelt stehen. Ihr Herz machte einen gewaltigen Sprung, als sie erkannte, in welcher Gefahr sie sich nun befand. Fast schon gemächlich richtete sich ihr unerbittlicher Verfolger auf und sprang behände durch den Schacht. Dies löste Iriel aus ihrer Erstarrung, sie wirbelte herum und rannte so schnell es ihr verletzter Fuß erlaubte los. Hinter sich hörte sie wenige Augenblicke später ein dumpfes Aufschlagen, das durch das ganze Gewölbe widerhallte und von einem tiefen Knurren gefolgt wurde.
Panisch versuchte Iriel zu entkommen und rannte weiter blindlings in die Finsternis hinein. Doch sie wusste, dass der Jäger mit jedem Schritt aufholte...
Plötzlich wuchs vor ihr eine Felswand aus dem Schatten heraus. Iriel bemerkte es zu spät und konnte ihren Lauf nicht mehr rechtzeitig bremsen. So prallte sie gegen den harten Fels und blieb benommen und taumelnd stehen. Als hinter ihr ein höhnisches Gelächter erschallte, zuckte sie unwillkürlich zusammen und drehte sich zu ihrem Verfolger um.
"Endlich ist die Jagd zu Ende, meine kleine Iriel," frohlockte er und nahm seinen Helm ab, der mit scharfen Spitzen und Zacken bestückt war. Iriel erkannte die Stimme und konnte im Zwielicht die Umrisse eines wohlbekannten Gesichtes ausmachen. Es war Uried, einer der engsten Freunde ihres früheren Herren. Uried galt als einer der ruchlosesten und grausamsten Kriegsherren, schreckliche Geschichten werden über seinen 'Verbrauch' von Sklaven erzählt. Kodhos hatte Anthara vor einiger Zeit für eine Nacht an ihn ausgeliehen - sie kam mit solch schlimmen Verletzungen zurück, dass sie nahe dem Tode gewesen ist. Er also sollte ihr neuer Herr sein, was sie nicht verwunderte, denn Uried galt aufgrund seiner Unnachgiebigkeit und seines guten Instinktes auch als einer der besten Jäger.
Uried kam langsam näher und sie konnte ein schiefes Grinsen in seinem Antlitz erkennen.
"Du warst eine gute Beute, meine Schöne. Kaum jemand hat es bisher bis zu den Ruinen geschafft... Apropos: Es tut mir Leid wegen Anthara, doch sie hat es nicht anders verdient. Sie war einfach zu schwach..."
Iriel wich seinem bohrenden Blick aus und klammerte sich an die brüchige Felswand. Als Uried ihre Brust mit seiner Hand berührte, drückte sie sich noch fester an sie ran.
"Was ist? Du wirst dich schon sehr bald an deinen neuen Herren gewöhnen... Hmmm, du fühlst dich sehr gut an... Jetzt weiß ich warum mir der alte Kodhos dich immer vorenthalten hat. Ich glaube wir sollten noch eine Weile hier bleiben, findest du nicht? Hier sind wir sicherlich ungestörter als in meinem Palast."
Mit diesen Worten glitt seine kalte Hand zwischen Iriels Beine und sein Gesicht näherte sich ihr langsam. Voller Hass blickte sie in sein hässliches Antlitz und verkrampfte sich. Auf einmal sah sie wieder Anthara vor sich, wie sie auf der Flucht war und verloren um Hilfe flehte. Iriel konnte die angestaute Wut nicht mehr zurückhalten und riss mit aller Kraft einen Felsbrocken aus der Wand, mit dem sie dann Uried einen wuchtigen Hieb ins Gesicht versetzte. Der dunkle Lord ging getroffen in die Knie und bedeckte aufheulend sein Gesicht mit seinen Händen. Iriel packte den Stein nochmal fest mit beiden Händen und schmetterte ihn mit voller Wucht auf ihren verhassten Gegner, der dann stöhnend zu Boden ging. Sie wusste, dass dies ihre letzte Chance war und begann an ihm vorbei in die entgegengesetzte Richtung zu laufen.
Bald hörte sie Uried ihr hinterherschreien: "Das wirst du mir büßen! Versuch nur zu entkommen, ich werde dich jagen und wieder fangen! Und dann steht dir ein Ende voller Qualen und Schmerzen bevor! Der dunkle Herrscher soll deine Seele verschlingen!"
Ihr Fuß brannte vor Schmerz, aber sie rannte unbeirrt weiter. Doch auf einmal konnte sie in der Ferne einen schwachen Lichtschein ausmachen.


GLEISSENDES LICHT

Der bläuliche Schein wurde vor ihr immer größer und stärker. Bald war das Licht so hell, das ihre die Dunkelheit gewöhnten Augen anfingen zu tränen. Hinter sich hörte sie die verhallenden Schritte ihres unbarmherzigen Verfolgers, der gnadenlos aufholte, und Verzweiflung befiel sie.
Doch als sie sich an die Helligkeit gewöhnt hatte, konnte sie in der Ferne eine weitere Felswand erkennen. Doch diese Wand bestand nicht aus Schutt und Geröll sondern stellte einen intakt gebliebenen Teil des ursprünglichen Tempels dar. Die Mauer war übersät von bläulich fluoriszierenden Runenschriften, die den hinteren Teil des Gewölbes in ein sanftes Zweilicht hüllten.
Schnaufend kam Iriel vor der Wand zum Stehen und suchte angestrengt nach einem Fluchtweg. Doch hier endete das Gewölbe und damit auch ihre lange Flucht. Sie versuchte die Schriftzeichen zu entziffern, doch viele Runen waren beschädigt und die Sprache war alt. Ihre Gedanken rasten, Iriel wusste, dass ihr Vorsprung gegenüber Uried nicht allzu groß war. Doch bald hatte sie die Runen entschlüsselt:
'Selbst in hellstem Licht findet sich ein schwacher Schatten.
Denn das Böse schlummert nur, es kann nie völlig vergehen.
Selbst in tiefster Finsternis findet sich ein matter Lichtschein.
Denn die Hoffnung schwindet nur, sie kann nie völlig vergehen.'
Die alten Verse brachten Iriel kein Deut weiter, sie drehte sich um und erwartete todesmutig ihr Ende. Schon trat eine dunkle Gestalt in den blassen Lichtkegel hinein und plötzlich blitzte ein langes Messer auf. Iriel ging unwillkürlich einige Schritte nach hinten, während Uried mordlüstern immer näher kam. Bald spürte sie die kalte Mauer in ihrem Rücken.
'Dieses Mal werde ich nicht so gnädig sein, Sklavin!' Mit diesen Worten sprang Uried auf sie zu und wollte zustechen...
Doch auf einmal gab die Wand hinter Iriel nach und mit einem überraschten Schrei stürzte sie rückwärts hindurch. Dann vernahm sie nur noch, wie sich die geheime Türe wieder schloss und wie Uried hasserfüllt gegen die Mauer schlug.
Das nächste was Iriel verspürte, war eine tiefe Stille und ein unbeschreibliches Gefühl, wie als würde sie einen endlosen Abgrund hinunterfallen. Die Zeit schien stillzustehen...
Dunkelheit umgab sie, doch ein kleiner weißer Lichtpunkt raste auf sie zu und wuchs mit großer Geschwindigkeit an. Bald füllte das gleißende Licht ihr gesamtes Blickfeld, und wenige Augenblicke später hatte es ihren Geist erreicht und völlig überflutet. In jenem Moment verschwand Iriels Geist für immer und verschmolz mit etwas derart Großem, als würde ein winziger Wassertropfen in das weite Meer fallen...

Uried tastete zornig die Wand ab und versuchte die alten Schriften zu verstehen. Aber die verborgene Türe blieb verschlossen. Nach einer Weile gab er es entnervt auf und steckte sein Messer weg. Die Niederlage war bitter, noch nie zuvor war ihm ein Sklave entkommen...
Doch da sah er aus dem Augenwinkel eine kleine Bewegung und wirbelte kampfbereit herum. Die Geheimtüre hatte sich wieder geöffnet. In ihr stand nun eine große Kriegerin, die eine weiß glänzende Rüstung trug. Ihr kalter Blick ruhte auf Uried, in ihrer Rechten hielt sie eine lange archaische Waffe, an deren Spitze ein schimmernder Kristall thronte, und ihre Linke umklammerte einen goldenen Stab, der in zwei geschwungenen Klingen endete.
'Wer im Namen des Dunklen Herrschers...?' stieß Uried verblüfft aus, als er die fremde Kriegerin betrachtete. Er beendete seine Frage aber nicht, da die Kriegerin sich plötzlich duckte und zum Sprung ansetzte. Mit unglaublicher Kraft stieß sie sich vom Boden ab und sprang auf ihn zu. Uried ließ sich so schnell er vermochte zur Seite fallen, doch die Kriegerin hatte nicht beabsichtigt ihn anzugreifen und flog weit über ihm vorbei.
Uried rollte sich ab und richtete sich behände wieder auf. Er löste knurrend eine dornenbesetzte Peitsche von seinem Gürtel und entrollte sie langsam. Die Kriegerin war verschwunden, er hatte keinen Laut einer Landung vernommen. Verwirrt starrte er angespannt in die Dunkelheit jenseits des blauen Zwielichts.
'Wo versteckst du dich? Komm heraus, dein Kopf wird eine schöne Trophäe abgeben!'
Lauernd blickte er um sich und da sah er sie wieder. Die Kriegerin stand regungslos im Halbschatten. Uried bleckte seine Zähne und stürmte auf sie zu. Wenige Meter vor ihr holte er weit aus und ließ die tödliche Peitsche mit einem lauten Knall auf sie niederschnellen. Doch die energiegeladenen Lederriemen jagten durch den Körper hindurch, als wäre er nur aus Luft. Verdutzt verlangsamte Uried seinen Angriff und blieb vor der Gestalt stehen. Ein leiser Fluch entwich ihm und er wandte sich von dem Trugbild ab.
Aber auf einmal stand vor ihm die fremde Kriegerin, ihre Waffe war auf ihn gerichtet. Bevor er reagieren konnte, schoss ein greller Lichtblitz auf ihn zu, und obwohl er seine Augen schloss, wurde er von der blendenden Lichtflut überströmt.
Uried heulte auf, bedeckte seine schmerzenden Augen mit der freien Hand und taumelte geblendet zurück. Er schlug mit der Dornenpeitsche wild um sich, denn er konnte seine Gegnerin nur noch verschwommen erkennen. Diese sprang nun auf ihn zu und versetzte ihm mit ihrer leuchtenden Klingenwaffe einen mächtigen Seithieb, der ihm den Unterleib aufschlitzte. Mit dem Schwung des ersten Angriffs wollte die Kriegerin eine volle Drehung vollziehen und den Gegner mit einem weiten Rundumschlag köpfen. Trotz des schweren Treffers konnte Uried aber nochmal mit seiner Peitsche ausholen und zuschlagen, die den linken Fuß der weißen Kämpferin traf.
Obwohl der Treffer gering war, verharrte sie plötzlich in ihrer anmutigen Bewegung und blickte auf ihren getroffenen Fuß, als ob er schmerzen würde. Mit schmerzverzerrtem Gesicht umklammerte Uried seinerseits keuchend seinen Bauch, der eine klaffende Wunde trug, und richtete sich stöhnend wieder auf. Die beiden Gegner starrten sich für einen kurzen Augenblick verwirrt an.
'Iriel?' entfuhr es Uried plötzlich.
'Iriel existiert nur noch in der Erinnerung. Genauso wie ihre Verletzungen!' sprach die leuchtende Kriegerin, der Schmerz in ihrem Fuß schien verschwunden zu sein.
Sie richtete ihre Waffe auf ihn und feuerte. Uried konnte dem gleißenden Lichtstrahl im allerletzten Moment noch ausweichen, indem er sich zur Seite abrollen ließ. Gleichzeitig schnellte wieder die Dornenpeitsche hervor und wickelte sich um den Klingenstab der geheimnisvollen Gegnerin. Uried zog mit aller Kraft daran, doch er musste feststellen, dass sie um ein Vielfaches kräftiger war als er. Nur mit dem linken Arm hielt sie ihm stand, die Peitsche war bis zum Reißen gespannt.
Wieder richtete sie ihre Waffe auf ihn und eine Lanze aus Licht schoss aus dem funkelnden Prisma. Dieses Mal war Uried zu langsam und wurde von der Wucht des schweren Treffers gegen die runenbedeckte Wand geschleudert.
Gebrochen stand er langsam wieder auf. Blut strömte aus unzähligen Wunden und tropfte auf den heiligen Boden des Tempels. Mit einem lodernden Blick zog er sein Langmesser und brüllte wie im Wahn:
'Verdammt seiest du! Komm her und spüre meinen Biss!'
Uried war überrascht, als die Kriegerin seinem Aufruf folgte und sich zum Zweikampf stellte. Voller Hass stürzte er sich auf sie, Funken stoben, als ihre Klingen kollidierten. Gespenstische Schatten tanzten durch das Gewölbe, während ihre klirrenden Hiebe von den Wänden widerhallten. Doch sie wehrte seine zornigen Angriffe mühelos ab. Bald drehte der Sturmwind und Uried fand sich in einem Hagel aus kreisenden Lichtblitzen wieder. Die Hiebe und Schläge der Kämpferin prasselten auf ihn nieder, und bald war sein blutüberströmter Körper mit unzähligen Wunden übersät.
Verzweifelt sammelte er seine letzten Kräfte und holte zu einem mächtigen Hieb aus. Die Kriegerin sah die Lücke in seiner Verteidigung und stach zu. Die Klinge strahlte gleißendes Licht aus, als sie durch Urieds Körper jagte. Während er zu Boden sank, entwich ihm nur noch ein ungläubiges Röcheln. Langsam zog die Kriegerin die Klinge wieder heraus, ein Schwall warmen Blutes ergoss sich auf den kalten Steinboden. Doch sie gab ihm nicht mehr die Gelegenheit, jämmerlich zu verbluten und bereitete ihm einen schnellen Tod, indem sie ihn mit einem plötzlichen Rundumschlag köpfte.
'Anthara ist nun gerächt...'

Der Gleißende Stern war endlich erwacht.
Die Armeen des Dunklen Herrschers marschierten bereits gegen die letzten Bastionen der Reingebliebenen.
Das Volk von Tiêl-Shyar war in großer Not.
Doch selbst in tiefster Finsternis findet sich ein matter Lichtschein.
Denn die Hoffnung schwindet nur, sie kann nie völlig vergehen.



Urheberrecht: Huân Vu, 1999



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