Schwankend hob sich
die Kiste am Kran in die Höhe. Das Tau ächzte fast so
sehr wie die Arbeiter, die den Flaschenzug betätigten. Langsam
schwenkte der Kran um und die Kiste wurde vorsichtig in den Laderaum
der „Seefalke“ hinabgelassen, wo sie von eifrigen
Händen empfangen wurde.
Karl Johannsen beobachtete die Szene zufrieden. Es fehlte nur
noch eine Kiste und dann war die Ladung komplett. Schon am Abend
würde die Kogge auslaufen können. Doch zuvor waren noch
einige Formalitäten zu erledigen und so machte er sich auf
dem Weg zu Hafenmeister. Gemütlichen ging er die schmale
Rampe von Deck zur Pier hinab und strebte ruhigen Schrittes und
ohne Hast dem Handelskontor zu, wo er sich beim Hafenmeister abmelden
würde. Unbekümmert vom hektischen Treiben des Marienburger
Hafens ging er seines Wegs. Männer rollten Fässer, schleppten
Kisten und Ballen von den Lagerhäuser zu den Schiffen und
andersherum. Betrunkene Männer torkelten aus Kneipen, wo
sie ihre Heuer versoffen hatten, auch einige Zwerge stapften durch
die Straßen, entweder auf die diversen Zwergenkneipen zu
oder zu den großen Kontoren, doch gleichsam zielstrebig.
Es roch nach Fisch, Fleisch, der Seeluft und nach den Ausdünstungen
der verschiedensten Völkerschaften und Rassen, denn nicht
nur Schiffe der Menschen lagen hier festgezurrt, sondern Karl
konnte auch zwei schlanke Elfenschiffe auf der anderen Seite des
Hafenbeckens erspähen, wo sie isoliert und mit viel Freiraum
festgemacht waren und somit in völligem Kontrast zum ansonsten
total überfüllten Hafen standen. Karl schüttelte
den Kopf, Elfen waren ihm suspekt, und er war nicht allein mit
dieser Meinung. Die Händler waren zwiespältig zu den
Fremden eingestellt. Denn Ehrfurcht, Neid, Angst und Faszination
bildete eine explosive Mischung. Jeder hatte sich schon mehrere
Male von einem schlanken Elfensegler überholen lassen müssen,
fast jeder hatte bereits einmal mit der überheblichen Arroganz
der feinsinnigen Bewohner Ulthuans fertig werden müssen und
jeder neidete ihnen ihr Vorkaufsrecht.
Dennoch wurden sie gebraucht, durch sie blieben die Seewege nach
Cathay, Nippon und Arabia frei und durch sie strömten Unmengen
seltenster Waren in die Stadt.
Karl schreckte aus seinen Gedanken auf, als vor ihm großes
Geschrei erklang. Ein Oger hatte - ob aus Versehen oder mit Absicht,
das vermochte Karl nicht zu sagen - einen Karren mit Fischen umgestoßen.
Überall lagen nun silbern glänzende Fische auf dem Steg
und auf dem gemauerten Kai. Der Besitzer des Karrens schimpfte
auf den Oger ein und schien ihn mit seinem ausgestreckten Zeigefinger
durchbohren zu wollen, während er mit zornigen Augen und
bebenden Schnurrbart auf den Oger zu schritt. Der Oger wich unwillkürlich
vor dem Mann zurück der ihm vielleicht bis an den Bauchnabel
reichte. Er war in grobe Kleidung imperialen Schnitts gekleidet,
die zivilisiertere Variante dachte Karl abschätzig als er
über die groteske Situation breit grinste. Auch andere Schaulustige
fanden ihren Spaß an der Szene.
Lauthalses Lachen umfing den Fischhändler und den Oger, der
erst jetzt bemerkte, wie ihm wirklich geschah. Er packte den zeternden
Mann an den Armen und setze ihn mit einem Schwung auf einen hohen
Kistenstapel, wo der zuvor unablässig schimpfende, doch nun
stille Mann die Balance verlor und polternd zu Boden fiel. Die
Menge reagierte mit schallendem Gelächter, welches sich noch
verstärkte als der Oger, der versuchte sich unschuldig pfeifend
aus dem Staub zu machen, auf einem der Fische ausrutschte und
der Länge nach hinschlug.
Karl konnte kaum noch atmen vor Lachen als sich die beiden Streithähne
mühsam erhoben und sich ihre wunden Gliedmaßen rieben.
Mit einem Male eilte die Menge auseinander, als ein Trommeln erklang
und eine Gruppe imperialer Soldaten die Szene betrat. Der Feldwebel
der Einheit wies die mit Hellebarden bewaffneten Männer an
die Situation zu beruhigen und die Menge auseinander zu treiben.
Auch Karl erhielt einen entsprechenden geknurrten Befehl.
Er fügte sich und ging weiter, sah sich jedoch noch einmal
um, wie der Fischhändler und der Oger in die Mitte der Soldaten
genommen und abgeführt wurden.
Kurze Zeit drauf herrschte wieder die allgemeine Betriebsamkeit.
Einige Stunden später kehrte Karl zur „Seefalke“
zurück, er hatte alle Formalitäten geklärt und
sich noch ein wenig umgesehen, insbesondere das Rotlichtviertel
Marienburgs hatte er besucht, denn schließlich würde
er für Wochen auf See sein. Die Huren in den Bordellen
waren zwar nicht die Schönsten, doch um Schönheit
ging es Karl und dem Rest seiner Mannschaft, die ebenso solche
Besuche vor der Abreise getätigt hatten und ihn nun an
Deck erwartete , nicht.
Der Abend dämmerte bereits als Karl Johannsen die schmale
Planke erklomm. An Deck angelangt setzte den federbesetzten
breitkrempigen Hut ab und kratzte sich nachdenklich am Kopf,
seine schwarzen langen Haare und sein Backenbart wurden allmählich
grau. Er war nicht mehr der jüngste, doch einer der erfahrensten
Kapitäne in der Marienburger Handelsflotte. Er setzte den
Hut wieder auf und schüttelte kräftig die Hand seines
Steuermanns und alten Freundes Ludwig Fiskerson. Der war ebenso
wie Karl in einfache Kleidung gekleidet, bestehend aus Leinen
und Leder, sie hielten wenig von der auf See unpraktischen Mode.
Das einzige Zugeständnis seitens Karls war der Hut, den
er als Zeichen seiner Kapitänswürde trug.
„ Na Ludwig, alles verladen?“
„So ist es Karl, alles verladen und verstaut“
„Gut, gut. Dann lass die Leinen los machen gib dem Schlepper
das Signal, damit wir die Flut noch erwischen.“
„Aye, Käpt’n.“ lässig begann Ludwig
die Befehle zu erteilen. Er war an Bord fast ebenso wichtig
wie Karl und wußte das. Dennoch ließen es die beiden
nie auf einen Machtkampf ankommen, denn Karl vertraute Ludwig.
Seit der erste Offizier in einem Sturm über Bord gegangen
war übernahm Ludwig wie selbstverständlich diesen
Posten und Karl ließ ihn gewähren.
Die Befehle wurde ausgeführt und langsam löste sich
die Seefalke vom Steg als die Ruderer im Schleppboot damit begannen
das schwere Handelsschiff mit kraftvollen Züge aus dem
Hafenbecken zu ziehen.
Karl gesellte sich zu dem Lotsen, der am Bug stand und den Steuermanns
des Schleppers mittels einer Flüstertüte einwies.
Der Mann drehte sich um und lächelte, als Karl neben ihn
trat. Er war Beamter Marienburgs und kam somit nicht umhin eine
entsprechende Uniform zu tragen. Er fühlte sich deutlich
unwohl in den eleganten Gewändern, ständig versuchte
er die Puffärmel zu glätten, was ihm mit eher mäßigem
Erfolg gelang. Er erinnerte Karl an einen erfahrenen Seemann,
der in den Lotsendienst versetzt worden war.
Er nickte Karl zu.
„Ein schönes Schiff haben Sie Kapitän Johannsen,
mit einer solchen Kogge bin ich früher auch gefahren.“
Karl nickte ebenfalls, mehr zu sich als zu dem Lotsen, da er
erkannte, dass seine Vermutung richtig gewesen war.
„Da haben sie recht, die alte Dame ist noch immer ein
heißer Feger.“ Zärtlich strich Karl über
das Holz der Reling. Schließlich sah er wieder auf: „Hauptsache
wir kommen heil nach Brionne.“
„Ach, nach Bretonia wollt ihr?“, der Lotse spuckte
abfällig ins trübe Wasser, „Als Händler
hat man es nicht leicht, selten kann man sich die Routen aussuchen.
Das ist auch ein Grund, warum ich Lotse geworden bin.“
Karl nickte zustimmend - zwar hatte er nicht gegen Bretonen,
mit ihnen ließen sich gute Geschäfte machen - doch
er wollte den Lotsen nicht verärgern. Besonders nicht,
solange die Seefalke bei ihm in Schlepp lag.
Ludwig trat zu den beiden hinzu, stieß den Lotsen mit
dem Ellenbogen an und fragte: „ Wenn nicht nach Bretonia,
wohin würdet ihr denn lieber fahren?“
Der Lotse wurde mit einem Male wehmütig: „ Ich würde
gerne mal in die neue Welt fahren und ihre Wunder sehen können.“
Ludwig stieß Karl an und grinste: „ Ja, Lustria
sehen und sterben. Nicht wahr?“ Karl grinste breit zurück,
doch der Lotse nickte nur traurig.
Allmählich ließen der Schlepper und die Kogge den
lärmenden Hafen hinter sich, von dessen hellerleuchteten
Ufer noch immer Geräusche geschäftigen Treibens herüber
wehten. Bald würden sich die Kogge und der Schleppkahn
trennen. Die Gewässer, die nun vor ihnen lagen, waren frei
von gefährlichen Untiefen. Karl atmete auf.
Auch der Lotse erkannte, dass sein Dienst zu Ende war, mit einem
Kommando durch die Flüstertüte ließ er die Schlepptaue
lösen. Das Ruderboot kam längsseits und der Lotse
schwang sich über die Reling um am Fallreep hinunter zu
klettern. Während er gemächlich ins Boot runter kletterte
sah er zu Karl auf, der sich über die Reling beugte.
„Allseits gute Fahrt, genügend Wind und immer eine
handbreit Wasser unterm Kiel. Viel Glück, auch wenn ihr
nach Brionne fahrt. Ihr habt guten Wind, Nordost, damit dürftet
ihr gut voran kommen. Passt auf die Piraten auf, die Nordmänner
sind in letzter Zeit recht unruhig. Ich empfehle mich, möge
Manann dieses Schiff segnen!“
Karl antwortete auf den typischen Gruß mit einem Wink
mit Zeige und Mittelfinger an seinen Hut: „Auch euch viel
Glück!“
Das Ruderboot wendete nun langsam und richtete sich auf Marienburg
aus. Mit kräftigen Zügen schob es sich durch die heraufziehende
Dunkelheit.
Der Wind frischte ein wenig auf, er kam, wie der Lotse gesagt
hatte, kräftig wehend aus Nordosten. Karl rieb sich die
Hände. Sie würden schnell in Brionne sein. Wahrlich
Manann hatte ein Auge auf dieses Schiff.
Lauthals gab er den Befehl zum Segelsetzen, die schweren Tuchbahnen
senkten sich von den Rahen und wurden vom Wind aufgebläht,
schnell, aber vollkommen leise, bis auf ein leichtes Knarren
rauschte die Seefalke durch die Nacht.
Einige Tage später hatte die Seefalke bereits das Kap
von L‘Anguille erfolgreich umrundet und eilte nun mit
vollem Rückenwind auf Lyonesse zu. Karl hielt sich bewußt
nah am bretonischen Ufer, er zog es vor den angriffslustigen
Wilden des Nordens kein zu leichtes Ziel zu geben. Das Wetter
war rauh, der Wind peitschte das graue Wasser der Krallensee
zu hohen Wellen auf und Gischt sprühte über das Deck.
Der Himmel schien knapp über den Masten der Kogge zu hängen.
Langsam mischten sich Regentropfen in die Gischt. Karl musterte
missmutig den Himmel, ein Sturm schien aufzuziehen. Das merkten
offenbar auch die Menschen an Land, Karl meinte ausmachen zu
können, wie sich die Karren der Bauern in Bewegung setzten.
Geschickt das leichte Schwanken des Schiffs ausgleichend bewegte
sich Karl zur Ruderbrücke wo Ludwig mit zusammengebissenen
Zähnen das Schiff auf Kurs hielt. Er erkannte Karl und
rief dem zweiten Steuermann über den pfeifenden Wind zu,
seinen Platz einzunehmen. Als der Mann die Position eingenommen
hatte wandte sich Ludwig Karl zu. Er grinste und sein verbliebenes
linke Auge lachte, das andere war unter einer Augenklappe verborgen.
Es war durch die Sonne beim Bestimmen der Position im Laufe
der Jahrzehnte fast blind und sehr empfindlich geworden. Teils
aus Scham, teils aus Schutz verdeckte Ludwig fortan das weißliche
Auge mit der Klappe.
Die Männer begrüßten sich mit einem Nicken.
Karl rief über den aufziehenden Sturm: „He, Ludwig.
Sorg dafür, dass die Ladung gesichert wird, bei diesem
Sturm können wir Schlagseite nicht gebrauchen.“ Ludwig
brüllte eine Antwort zurück, die aber vom Heulen des
Windes verschluckt wurde. Er versuchte es erneut, vergeblich,
und machte nun mit Zeichensprache klar, dass er verstanden hatte.
Schnell eilte er zum Deck hinunter, öffnete die eine Luke
in den Schiffsbauch und schlüpfte hindurch, zwei der Matrosen
folgten ihm. Karl nickte zufrieden, war die Ladung erst einmal
gut vertäut und gesichert, vermochten sie den Sturm ohne
Schwierigkeiten zu überstehen.
Ständig gegen den Wind ankämpfend gesellte sich Karl
zu dem zweiten Steuermann, nickte im zu, während er besorgt
den Himmel beobachtete. Der Wind begann immer stärker zu
wehen. Die einzelnen Böen starken Winds hatten längst
Orkanstärke angenommen. Karl entschied sich zu handeln.
Er kämpfte sich zur Balustrade und befahl lautstark die
Segel zu reffen. Seine Stimme übertönte sogar das
Heulen des Windes.
Widerwillig, angesichts der großen Gefahr machten sich
mehrere Matrosen auf zu den Rahen emporzusteigen. Flink und
ausdauernd eilten sie der ersten tragenden Rahe entgegen. Routiniert
begannen einige Matrosen damit die Segelfläche zu verkleinern,
während die übrigen zur nächsten hinaufstiegen.
Karl hielt den Atem an, er fürchtete zu spät gehandelt
zu haben, da die Seemänner dort oben, lediglich von Tauen
gehalten, in höchster Lebensgefahr waren. Hätte er
das Reffen früher befohlen wäre niemand in ernsthafte
Gefahr geraten. Selbstzweifel durchbohrten ihn, wurde er zu
alt für diese Bürde? Erleichtert stieß Karl
den angehaltenen Atem aus, als die Matrosen aus ihrem luftigen
Arbeitsplatz in bis zu zwanzig Meter über Deck zurückkehrten.
Auch die anderen Segelflächen waren verkleinert worden.
Nun mit deutlich weniger Angriffsfläche für den Wind
wurde die Seefalke weit weniger brutal hin und her geschleudert.
Jetzt tauchten auch Ludwig und die anderen Männer aus der
Luke auf. Sie gestikulierten wild, doch Karl konnte den Sinn
nicht erfassen.
Als Ludwig jedoch zurück auf die Kommandobrücke trat
beugte er sich zu Karl rüber: „ Ich muss mit dir
über etwas reden.“ Karl nickte und ging zu Luke,
die zu den Kajüten führte.
Ludwig folgte ihm.
Als Ludwig den Raum betrat hatte sich Karl bereits hinter einem
kleinen, vollkommen überfüllten Kartentisch aufgebaut.
Wartend sah er Ludwig an. „Nun, was gibt’s? Ich
habe hier ein Schiff durch einen Sturm zu führen, was gibt
es so wichtiges, dass du mich davon abhältst?“
Ludwig scharrte unruhig mit den schweren Stiefeln auf den Planken,
die den Fußboden bildeten.
„ Nun, es ist nur ein Gefühl. Weist du Karl, als
wir eben die Ladung gesichert haben, ist mir eine Kiste aufgefallen,
die irgendwie anders war.“
Karl sah seinen alten Freund entgeistert an: „ Wegen einer
Kiste holst du mich hier runter? Was war an der Kiste so besonderes,
dass es dir wert war, mich darauf anzusprechen?“
„ Nun ja, es war mehr das unheimliche Gefühle, dass
etwas böses in der Nähe ist, als ich die Kiste sah.
Sie sah, sie sah aus wie... Es war ein verdammter Sarg!“
„Ein Sarg? Bist du dir sicher? Ein Sarg wäre mir
aufgefallen!“
„Deswegen war ich ja auch so erschrocken, er war wohl
in einer anderen Kiste gewesen, doch die war zerstört.
Als wir in den Frachtraum kamen fanden wir nur Trümmer
der ursprünglichen Kiste vor und fanden den Sarg!“
„Na das sehe ich mir mal an!“
Ludwig zuckte bei diesen Worten zusammen. Karl zog verwundert
die Augenbraue hoch, er hatte Ludwig selbst bei Piratenüberfällen
ruhig bleiben sehn, doch nun zitterte er bei dem Gedanken in
den Laderaum zurückzukehren.
Dennoch folgte Ludwig als Karl sich auf den kurzen Weg in den
Laderaum machte. Eine kleine Tür trennte den Kartenraum
vom Schlafbereich der Mannschaft, Hängematten waren im
schwankenden Licht der kleinen Lampe, die Karl vor sich gestreckt
hielt an den Wänden zu erkennen. Die Luft war zum Schneiden
dick.
Zielstrebig durchquerten die beiden Männer diesen Bereich
und schritten auf die Tür zu, die zum Laderaum führte.
Als sie die Tür erreicht hatten blieb Karl stehen, zwinkerte
seinem Steuermann zu und öffnete die Tür.
Eine wohlklingende Stimme ertönte aus dem Dunkel:
„ Willkommen lieber Kapitän und da ist ja auch der
Steuermann, wie nett.
Seid mir gegrüßt.“
Irgendwo im Eismeer rauschte ein Langboot durch aufgewühlte
Wogen.
Leif, der Anführer der Kriegergruppe stand am Bug und starrte
in das schäumende Wasser.
Sie hatten den Sturm gut überstanden, doch noch wagte er
nicht das Segel wieder aufziehen zu lassen. Im Moment wurde
das schlanke Schiff durch die Muskelkraft von vierzig Kriegern
seines Stammes angetrieben.
Jeweils zu zweit an einem Ruder pullten sie das Schiff durch
die See, die in den Himmel überzugehen schien.
Zu Leif gesellte sich Svengar Sturmruf, der Schamane des Stammes.
Wortlos starrten beide nebeneinander in die sie umgebende graue
Welt. Schließlich ergriff Leif das Wort: „Zürnen
uns die Götter, Sven? Wir waren bei bestem Wetter aufgebrochen,
doch nun scheint uns der Himmel verschlucken zu wollen!“
Svengar runzelte die Stirn und wandte seinen Kopf um seinen
jungen Häuptling zu betrachten.
Leif war jung, höchstens fünfundzwanzig Sommer alt,
schätzte Svengar, denn niemand wusste das Alter dieses
geheimnisvollen Kriegers genau. Sein muskulösen Arme zeichneten
sich deutlich unter dem groben Lederwams ab, ebenso wie die
Brust, die sich gleichmäßig hob und senkte. Das Gesicht
war scharf geschnitten und kantig. Es hätte als schön
bezeichnet werden können, wäre es nicht durch zahlreiche
Narben verunstaltet. Viele Wunden hatte Leif sich selbst zugefügt
um sich vor den Göttern der Norse zu beweisen. Svengar
wandte sein Gesicht wieder nach vorne und strich sich über
sein Hemd. Es war alt, so wie er. Er hatte schon viele Häuptlinge
kommen und gehen sehn. Der Stamm der Windwölfe würde
auch nach Leif weiter bestehen. Dennoch galt seine Loyalität
nach den Göttern vor allem Leif.
„Die Götter stellen uns auf eine Probe Leif. Sie
haben uns weit von unserem Kurs abtreiben lassen.
Es ist mit Sicherheit eine Prüfung des großen Gauklers.“
„ Möge Loki seinen Scherz nicht zu weit treiben.
Wir müssen Skeggi erreichen!“
Svengar nickte zustimmend, während das Langboot weiter
durch die Fluten eilte.
Karl drehte sich um und wollte zurück in den Kartenraum
eilen, doch Ludwig hielt ihn am Arm fest.
Karl versuchte sich loszureißen, doch Ludwigs Griff war
nicht zu lösen.
Entgeistert wandte Karl sich um und starrte in das gelassene
wirkende Gesicht seines Steuermanns, sein Auge hatten jeden
Ausdruck verloren. Panik überkam ihn. Immer wilder riss
er an Ludwigs griff, schlug auf den Arm ein, doch was er immer
tat, es zeigte keinerlei Wirkung.
Die Stimme aus den Schatten trat immer näher heran, die
Stimme war noch immer weich und schmeichelnd: „ Aber lieber
Kapitän, warum wollen Sie mich denn so schnell verlassen?
Gönnen Sie mir doch bitte die Ehre Ihrer Anwesenheit.“
Karls Befreiungsversuche wurden weniger hektisch, bis er schließlich
vollkommen ruhig war. Mit aufgerissenen Augen starrt er auf
die geöffnete Tür.
Der Mann mit der seidenen Stimme war mittleren Alters, Karl
schätzte ihn auf Anfang dreißig. Das schulterlange
braunen Haar war zu einem Zopf gebunden, wie es für Höflinge
üblich war. Er trug Kleidung der neusten Mode Marienburgs
mit einem leichten bretonischen Anstrich. Ein charismatisches
Lächeln umspielte seine Lippen. Die dunklen Augen blitzten
aus ihren Höhlen hervor. Die Haut war ebenmäßig
und weich, keine Spur der Verunreinigung oder eine Narbe verunstaltete
das weichgeschnittene Gesicht. Der Mann betrachtete Karl amüsiert
und sein Lächeln wuchs noch mehr in die Breite, wobei er
ein paar spitzer Fangzähne entblößte.
Sofort begann Karl wieder an Ludwigs Griff zu zerren. Der Mann
lachte lauthals auf, beruhigte sich wieder und lächelte
erneut: „ Aber lieber Herr Kapitän, warum denn so
aufgebracht? Liegt es vielleicht daran, dass ich mich noch nicht
vorgestellt habe? Wie unhöflich von mir, entschuldigen
Sie bitte.
Mein Name ist Luthor Harkonnen.“
Karl riss immer stärker an Ludwigs Griff inzwischen achtete
er nicht mehr auf die Schmerzen. Als er ein weiteres Mal an
der Hand seines ehemaligen Freundes riss erklang ein schmerzhaftes
Knacken. Karl spürte wie sich von seinem Arm aus eine Welle
des Schmerzes ausbreitete, die ihm fast die Sinne raubte, doch
sein Arm war frei. Er trat Luthor noch vors Schienenbein und
Ludwig auf den Fuß, bevor er, sich den Arm haltend, dem
Heck des Schiffes zueilte.
Luthors Gesichtsausdruck veränderte sich rapid. Aus dem
ansprechendem Gesicht eines Edelmannes wurde eine verzerrte
Fratze, die nur aus Hass und Wut zu bestehen schien. Kein Schmerz
hatte ihn getroffen, doch er fühlte sich beleidigt von
dem erbärmlichen Wesen, was jämmerlich vor ihm davon
lief.
Schnell faste er sich jedoch wieder und das siegessichere Lächeln
nahm seinen Platz wieder ein. Langsam nahm er die Verfolgung
auf. Niemand würde ihn länger zum Narren halten.
Ludwig rappelte sich ebenfalls wieder auf und folgte Luthor
wie ein Hund.
Karl wankte in Richtung Kartenraum, seine Welt wurde von Schmerzblitzen
aus seinem Arm zerrissen und bittere Tränen der Trauer
über den Verlust Ludwigs mischten sich mit denen der tiefen
Angst.
Mit zusammengebissenen Zähnen kämpfte er sich die
kurze Strecke entlang, immer wieder wurde er von den Schwankungen
der Seefalke, die sich entschlossen durch den Sturm kämpfte,
von den Füßen geholt. Gehetzt sah er sich um, Luthor
und Ludwig holten unerbittlich auf.
Endlich erreichte er die Tür zum Kartenraum. Er stürzte
sich durch die Tür und stellte mit aller Hast eine der
Truhen von innen davor.
Karl richtete sich mit schmerzverzerrten Gesicht auf und öffnete
eine andere Truhe.
Luthor lachte erneut, dieser dumme Mensch wagte es wirklich
sich gegen ihn aufzulehnen. Mit einem Wink befahl er Ludwig
die Tür einzurammen. Der Steuermann trat vor und begann
auf das Holz einzuschlagen.
Vor Schmerzen zitternd kauerte Karl hinter der schweren Kiste
vor der Tür und begann die beiden Pistolen zu laden, die
er zum Schutze seiner Selbst, der Mannschaft und für das
Schiff erhalten hatte. So jedenfalls lautete der Schwur, den
er geleistet hatte, als er zum Kapitän erhoben worden war.
Seine Hände zitterten als er versuchte das Schwarzpulver
in die kunstvoll verzierten Waffen einfüllte. Dann warf
er das Pulverhorn in eine Ecke, er würde es kein weiteres
Mal brauchen, und griff zum Kugelbeutel. Als er ihn öffnete
rutschte er aus seinen unsicheren Fingern und duzende von Bleikugeln
rollten über den sich wiegenden Boden der Kabine.
Karl fluchte leise und schaffte es trotzdem zwei der Kugeln
aufzusammeln und in die Pistolen zu stecken. Bedächtig
drückte er die Ladung mit dem Ladestock fest und biss die
Zähne zusammen als ein weiterer Blitz aus Schmerzen seine
Sinne durchflutete.
Nun schob er sich so weit wie möglich von der Tür
weg und zog sich an der gegenüberliegenden Wand hoch.
Die Tür erbebte unter einem erneuten Ansturm Ludwigs.
Karl hob den linken Arm mit der Pistole auf den Durchgang zielend.
Sein heiserer Atem ging stoßweise, Schmerz und Angst drohte
ihn fast wieder zu überwältigen.
Mit einem Krachen zerbarst die Tür und ein geifernder Ludwig
stand in den Trümmern. Die Anstrengung hatte sein Gesicht
verzerrt und sein Hemd war gerissen . Blut aus kleineren Schnitten
färbten seine Kleidung langsam rot. Gebückt grinste
er Karl mit vor Wahnsinn glänzendem Auge an. Mitleid regte
sich in Karl und er unterdrückte den Reflex zu schießen.
Luthor betrat den Raum, auf den Lippen erneut das siegessichere
Lächeln und stellte sich vor seinen Diener. Er hielt einen
dünnen Rapier in der rechten Hand.
Karl zog den Abzug. Mit einem ohrenbetäubenden Knallen
löste sich der Schuss und die Kugel drang in die Brust
Luthors ein, durchdrang sie und traf den dahinterstehenden Ludwig.
Taumelnd brach Karls alter Freund zusammen .
Gleichzeitig rutschte Karl die Bordwand hinab bis er zusammen
gekrümmt am Boden saß. Zitternd hob er die zweite
Pistole.
Luthor hingegen lachte aus vollem Hals, im war außer einem
Loch im Hemd nichts weiter zugestoßen.
„ Aber mein lieber Kapitän, ts, wer wird denn wohl?
Dieses Hemd war ziemlich teuer, müßt ihr wissen.
Doch ich verzeihe euch, denn ihr werdet mir noch große
Dienste leisten.“
Entgeistert ließ Karl die Pistole wieder sinken. Durch
einen Schleier aus Trauer, Verzweiflung, Angst und Schmerz antwortete
er: „ Was meint ihr? Was habt ihr mit mir vor?“
Luthor lächelte nachsichtig und sprach nun als würde
er mit einem dummen Kind reden : „ Aber lieber Kapitän.
Irgendwer muss dieses Schiff doch führen, nun, da der liebe
Steuermann uns schon verlassen mußte. Aber keine Sorge,
er wird wiederkommen. Euch jedoch brauche ich bei Verstand.
Ihr werdet mich doch sicherlich dorthin bringen wo ich hin will.
Ihr werdet auch reich dafür belohnt werden.“
„Etwa so wie Ludwig?“ Karl blickte unwillkürlich
zu dem Leichnam.
Luthor winkte mit dem Zeigefinger, „Aber, aber. Wenn ich
euch daran erinnern darf, das Ihr ihn getötet habt?
Nein, ihr werdet die Gnade des Blutkusses erlangen und Ihr werdet
zu einem von meiner Art werden. Ihr werdet nie hungern brauchen,
nie schlafen und nur selten, trinken“, Luthor lächelte
süffisant, „ müssen. Erfüllt nur euren
Auftrag.“
„ Und wenn ich mich weigere?“
„ Habe ich jemals erwähnt, ihr hättet eine Wahl?“
„Doch die habe ich!“ Karl hob erneut die Pistole.
Luthor winkte ab: „ Aber mein lieber Kapitän, dass
hatten wir doch schon! Wie dumm ihr doch seit!“
Karl lächelte grimmig und hob die Pistole an seine Schläfe:
„ Man hat immer eine Wahl!“ Bevor Luthor reagieren
konnte, zog Karl den Abzug.
Sein Kopf verging in einer blutigen Explosion.
Luthor wischte sich die Masse, die ihn getroffen hatte von der
Kleidung, sah noch einmal zu der Leiche Karls: „ Wirklich
sehr unglücklich, lieber Kapitän. Das erschwert den
Aufwand erheblich.“
Über ihm wurde die Luke aufgerissen, salzige Seeluft und
Gischt sprühten hinunter.
Ein Matrose starte in das blutige Chaos, entsetzt schrie er
„ Bei Sigmar, was ist hier passiert?“
Luhor lächelte nach oben: „ Oh, Besuch. Wie nett.
Kommen Sie runter und lassen Sie uns das doch bitte mal aussprechen.“
Stunden später hatte sich der Sturm gelegt und ein dichter
Nebelschleier lag über dem nun ruhigen Wasser.
Nur das rhythmische Klatschen der Ruder durchbrach die Stille.
Leif stand wieder am Steuer. Er hatte das Langboot durch den
Sturm gesteuert und dankte den Göttern diese Gefahr überstanden
zu haben.
Svengar kam zum Steuerstand hinauf, sein Wolfsfell, das er als
Zeichen seiner Würde trug, hing tropfnass an ihm herab.
„ Was gibt es Sven?“
„ Ja, mein Häuptling, ein Schiff!“
Leif war alarmiert: „ Was für ein Schiff?“
„Es sieht nach einem imperialen oder bretonischen aus,
mit Sicherheit nicht elfisch.“
„ Den Göttern sei Dank, wie weit ist das Schiff und
wie schnell?“
„ Es liegt kaum eine Meile voraus und scheint nur zu treiben,
Herr.“
Leif rieb sich nachdenklich das Kinn. „ Das sehen wir
uns mal an. Einen kleinen Frachter können wir noch auf
dem Weg abkassieren“
Kurz darauf kam das Langboot längsseits zu dem fremden
Schiff. Enterhaken wurden die Bordwand empor geschleudert. Leif
stand vor seiner Mannschaft, die ihre Waffen fest in der Hand
hielten. Es waren wilde Männer und erfahrende Krieger.
Mit allen zusammen hatte Leif schon einmal bei verschiedenen
Überfällen gekämpft, er wußte, er konnte
sich auf die Männer verlassen.
Er griff nach einem der Seile und stieß den Kriegsruf
des Stammes aus, ein heiseres Wolfsgeheul. Die Männer fielen
ein und der Ruf des Rudels eilte über die See. Sofort begannen
die Krieger an den Seilen an Deck zu klettern. Leif vorne weg.
Auch Svengar machte sich daran, die Bordwand zu erklimmen.
Mit einem Satz schwang sich Leif über die Reling seine
Axt gezückt und den Streitkolben in der anderen Hand. In
geduckter Haltung sah er sich nach Gegnern um und wurde enttäuscht.
Das Deck war menschenleer, sah man von Leif und seinen Kriegern
einmal ab.
Der junge Häuptling stieß einen abfälligen Grunzlaut
aus. Leif kletterte mit Svengar an seiner Seite und mit mehreren
Männern hinter sich die Ruderbrücke hinauf. Gerade
als sie die Plattform erreicht hatten öffnete sich eine
Luke hinter dem Steuerrad. Luthor stieg heraus und brachte seine
Kleidung in Ordnung bevor er mit einem gewinnenden Lächeln
auf die überraschten Norse zu schritt.
„Willkommen, meine Herren. Höchst zuvorkommend von
Euch, mich besuchen zu wollen. Dürfte ich Sie nun aber
bitten mein Schiff zu verlassen? Ich habe zu tun!“
Luthor verneigte sich tief und ging dann wieder zur Luke zurück.
Leif gab einem seiner Männer mit dem Streitkolben einen
Wink. Der stieß ein Heulen aus und griff Luthor mit weit
schwingender Axt an. Noch bevor der Norse Luthor erreichen konnte,
hatte sich dieser auch schon umgedreht, seinen Rapier gezogen
und den nur leicht gerüsteten Mann mehrfach durchbohrt.
Luthor machte einen kleinen Schritt zur Seite um der fallenden
Leiche auszuweichen.
Leif brüllte auf: „ Wer seid ihr, dass ihr es wagt
Widerstand zu leisten?“
Luthor stütze sich auf seinen Rapier und lächelte
weiterhin, als wäre nichts passiert. „ Oh verzeiht
bitte vielmals, dass ich mich noch nicht vorgestellt habe, ich
bin Luthor Harkonnen. Seid gegrüßt. Aber nun, macht
das ihr von Bord kommt, sonst ergeht es euch wie diesem ungehobelten
Rabauken hier.“
„Ihr habt gerade euer Todesurteil unterschrieben, ich
werde euch vernichten!“ brüllte Leif und stürzte
auf Luthor zu , der gelassen seinen linken Arm hinter dem Rücken
verschränkt und in klassische Fechtposition ging. Er zog
die Brauen hoch und zuckte mit den Achseln. „ Nun, denn,
es ist euer Leben.“
Leifs erstem stürmischen Angriff wich Luthor mit geradezu
spielerischer Leichtigkeit aus, stieß einmal kurz mit
dem Rapier zu und trat wieder zurück. Leif kam an der Brüstung
wieder zum stehen und betastete wütend die leichte Fleischwunde
in seiner Seite.
Als sie ihren Häuptling verletzt sahen wollten sich die
zwei Krieger, die Leif und Svengar gefolgt waren, auf Luthor
stürzen, doch der fixierte sie mit seinen Augen, die kurz
grün aufleuchteten und proklamierte einige Worte in einer
unverständlichen Sprache. Erneut blitzen die Augen auf
und leuchtend grüne Strahlen schossen aus den Augen Luthors,
die die zwei Krieger durchbohrten und von Bord schleuderten.
Ihre Schreie vergingen schnell in den Fluten.
Luthor lächelte.
Leif robbte zu Svengar hinüber, der an der Brüstung
zum Deck stand. Der alte Schamane zückte ein Runenverziertes
Stäbchen, zerbrach es und deutete mit allen Fingern auf
Luthor. Mit einer unirdischen Stimme brüllte er eine Beschwörungsformel.
Bläuliche Blitze zuckten von den Fingerspitzen des Schamanen
auf Luthor zu. Der rezitierte erneut aus der unbekannten Sprache
und wischte die Blitze mit einer Handbewegung beiseite.
Svengar stolperte zurück. Luthor wandte sich ihm zu. Seine
Stimme war nun nicht mehr einschmeichelnd: „ Wie kannst
du es wagen, Sterblicher? Du willst mich mit deinen kümmerlichen
Kräften angreifen? Du wirst deine gerechte Strafe für
den Frevel erhalten. Für den Frevel dich gegen einen VAMPIR
aufzulehnen!“
Mit einem Ruck streckte Luthor seinen Arm aus und spreizte die
Finger. Svengar wurde von einer Schockwelle erfaßt, durch
die Brüstung geschmettert und an den Mast geworfen, wo
er benommen bis zum Deck hinabglitt.
Leif starrte entsetzt abwechselnd Luthor und Svengars zusammengesunkenen
Körper an.
Mit einem Kampfschrei warf er sich erneut gegen den Vampir.
Der wich der Streitkolben aus, doch die Streitaxt erwischte
Luthor am Oberschenkel.
Luthor schien es kaum zu bemerken. Er hob den Häuptling
an einer Hand hoch und warf ihn aufs Deck, wo er krachend landete.
Ächzend richtete sich Leif wieder auf. „ Auf ihn,
Sturmwölfe!“ befahl er brüllend.
Fünfzehn der Krieger eilten die Treppe zur Steuerbrücke
hinauf.
„ Ob Vampir oder nicht, heute ist dein letzter Tag Luthor
Harkonnen!“
Luthor rollte mit den Augen: „ Wie oft ich diesen Satz
wohl schon gehört habe. Wenn ihr jedoch mit euren Gefolgsleuten
kämpft, so wird ich auch meine zu Unterstützung rufen,
sonst brauche ich wohl zu lange für Euch jämmerliche
Gegner. Ihr langweilt mich bereits jetzt!“
In seiner hohlen Hand formte sich eine dunkelgrüne Energiekugel
die er in die Mitte der Anstürmenden Krieger schleuderte.
Drei von ihnen wurden sofort versengt, als die Kugel in ihrer
Mitte explodierte, doch die anderen kamen mit Verbrennungen
erneut auf die Füße und stürmten weiter die
Treppe hinauf.
In diesem Moment öffneten sich die anderen Luken und schlurfende
Gestalten traten hervor. Sie waren blaß und ihre Kleidung
war zum Teil zerrissen, doch man erkannte sie als die typische
Kleidung imperialer Seemänner. Scheußliche Wunden
waren zu sehn, die kein Mensch hätte überleben können,
was auch nicht der Fall war. Leif keuchte: „ Zombies,
Auch das noch! Macht sie nieder Männer!“
Leif selbst ergriff seine Waffen und ging auf die wandelnden
Leichen los. Die willenlosen Wesen waren keine wirklichen Gegner
für die Norse, die kräftigen Hiebe und Stiche zerstörten
die Untoten schnell und effizient. Doch unter dem Ansturm wurden
auch einige Norse niedergerungen. Die Kämpfer der Sturmwölfe
wurden immer weniger.
Gerade hatte Leif seinen letzten Gegner erledigt- einen Zombie
ohne Kopf- und wollte seinen Männern auf der Ruderbrücke
zu Hilfe kommen, die dort im Pulk um den Vampir standen und
Hiebe niedergehen ließen.
Anscheinend jedoch ebensowenig erfolgreich wie Leif zuvor. Luthor
sprang vor und zurück und massakrierte die Nordmänner
mit seinem Rapier. Einem nach dem anderem.
Leif eilte die Treppe hinauf. Gerade hatte Luthor den letzen
Norse niedergestreckt und stand in mitten der Leichen.
Der junge Häuptling wollte sich gerade auf den Vampir werfen
als der mit einer Geste Einhalt gebot. Irritiert brach Leif
seinen Angriff ab und ließ den Streitkolben fallen, die
Axt hing in der Schlaufe weiterhin an seiner Hand, er konnte
sich nicht mehr bewegen.
Luthor schüttelte den Kopf: „ Ich bitte Sie. Zwingen
Sie mich nicht Sie zu töten. Ich brauche Sie. Wissen Sie,
mein alter Kapitän zog vor gewaltsam von meinem Angebot
Abstand zu nehmen. Deshalb brauche ich nun einen neuen Navigator,
da besagter Kapitän dummerweise auch den ehemaligen Steuermann
aus dem Leben riß.
Und es ist ja bekannt, wie selten man gutes Personal findet.
Bringen Sie mich zur nächsten menschlichen Siedlung und
es soll nicht Ihr Schaden sein. Nun ja, wenigstens werden Sie
nicht sterben wie ein Stück Vieh, wie diese hier. Was halten
sie davon?“ Luthor schnippte mit den Fingern, und Leif
merkte, dass er wieder Kontrolle über seinen Körper
besaß.
„Und wenn ich mich weigere?“
„ Das Euch Sterblichen aber auch nie eine innovative Antwort
einfällt. Nun Ihr werdet Euch nicht weigern, und auch sonst
werdet ihr nichts tun, was mich verärgern könnte.
Dieses Mal nicht. Außerdem langweilt es mich euch zu töten.
Versucht es also nicht selbst, so etwas lasse ich nicht noch
einmal zu.“
„ Aber was bekomme ich denn dafür?“
„ Macht, Reichtum, ewiges Leben. Ihr werdet mein oberster
Diener sein und das allein dürfte Belohnung genug sein.“
„ Macht zu erlangen ist auch mein Ziel, doch in euren
Dienst trete ich nie!“ Leif hob seine Axt.
Luthor griff schnell an. Mit einem Schlag hatte er dem jungen
Häuptling die Axt entwunden und den Streitkolben mit dem
Fuß außer Reichweite befördert. Er riß
mit der linken Hand den Kopf zur Seite und versenkte seine Fangzähne
in den entblößten Hals. Leifs Körper wurde schlaff.
Nach einiger Zeit hatte Luthor die grauenhafte Prozedur beendet,
die von den überlebenden Sturmwölfen entsetzt beobachtet
wurde.
In wilder Panik stürzten die Männer zur Reling um
ins Langboot hinab zu steigen.
Luthor ließ Leif los, der polternd zu Boden fiel. Mit
einem Wort der Macht lies er die fliehenden Krieger in einer
Feuerwolke vergehen.
Leif richtete sich wieder auf. Seine Augen waren glasig und
seine Bewegungen wirkten unkoordiniert.
Luthor wandte sich seinem neuen Sklaven zu :“ Wohin wirst
du mich bringen?“
Leifs Antwort war mechanisch, als ob er nicht genau wüßte
wie er die Wörter artikulieren sollte: „ Nach Skeggi,
Herr!“
„Gut, Gut. Skeggi ist ideal für meine Zwecke!“
„ Nein!“ Svengar richtete sich schwerfällig
am Mast auf. Sein Atem ging stoßweise. „ Nein, nicht
nach Skeggi! Das kann ich nicht zulassen! Loki, große
Gaukler, führ dieses Schiff in Irre, auf dass Skeggi verschont
bleibe!“
Luthor brauste auf: „ Wie kannst du es wagen alter Mann,
noch zu leben? Wie kannst du es wagen dich einzumischen? Niemand
wird sich meinen Plänen widersetzen! Ich werde aus Skeggi
meine Heimat machen. Die ganze Welt wird vor meinem Haus zittern!
Keiner, auch nicht dein kraftloser Gott kann dich und Skeggi
noch retten!“
Aus Luthor Hand entsprang ein Blitz, der auf Svengar zustieß,
doch an einer bläulichen Aura verpuffte.
„ Wie kann das sein? Er ist ein kraftloser Sterblicher,
woher hat er die Kraft, sich mir zu widersetzten?“
Svengars Augen glühten in einem inneren blauen Licht und
seine Stimme war nicht die eines Menschen, sondern die eines
Gottes: „ Ich habe diese Kraft von Loki erhalten, wie
er sie mir schon früher einmal mal verliehen hatte. Ein
letzes Mal werde ich meinem Namen gerecht. Ich werde Sturm bringen!
Sturm , der dich von Skeggi vertreiben wird, wann immer du Kurs
drauf nimmst. Du wirst Skeggi nie bekommen!“ Eine bläuliche
Lichtsäule stieg von Svengars erhobenen Armen in den Himmel
auf.
Luthor lachte auf: „ Alter Narr!“, und durchbohrte
den gebeutelten Körper des Schamanen mit einem weiteren
Energieblitz.
Doch der Sturm begann. Die Seefalke wurde ein Spielzeug der
Wellen, der heulende Sturm trieb sie über das aufgepeitschte
Wasser. Luthor zog anerkennend eine Augenbraue hoch: „
Gar nicht mal schlecht.“
Immer wieder brachen Wellen über dem Schiff und überspülten
das Deck, doch Luthor blieb wie angewurzelt stehen, bis er sich
schließlich in die Kajüte begab und Leif das Ruder
überließ, der gekonnt das Schiff durch den Sturm
dirigierte.
Tagelang heulte der Sturm und toste die See, bis das Wetter
schließlich langsam besser wurde.
Die Seefalke trieb mittlerweile nur noch, die großen Segel
von den Sturmböen zerfetzt und das Ruder durch mächtige
Wogen zerschmettert, in die Nähe einer Küste.
Luthor ließ sich mit dem letzten intakten Beiboot ans
Ufer rudern. Die faulige Haut der Zombies begann unter den warmen
Strahlen der aufziehenden Sonne zu riechen. Luthor holte ein
Seidentuch aus seinem Mantel und hielt es sich vor die Nase.
Im Boot stehend sah sich Luthor um. An ihm glitt eine grüne,
blühende Landschaft vorbei, während das Boot in eine
Bucht hinein glitt.
Knirschend bohrte das Ruderboot mit dem Rumpf in den Sand des
schmalen Strandsaums.
Kaum dreißig Meter von der Wasserkante begann ein wilder
undurchdringlicher Dschungel. Mit einem Satz sprang Luthor an
Land und sah sich um.
Mit einem Wink befahl er einem der Zombies auszusteigen. Mit
ungelenken Bewegungen trat der Untote neben ihn. Es war Ludwigs
Leiche, durch das Wetter hatte seine Haut einen gelblich grünen
Farbton angenommen. Der Unterkiefer hing gebrochen herunter,
aus seiner Kehle erklang sich ein stöhnendes Jammern, das
in einem gurgelnden Pfeifen unter ging. Die toten Augen fixierten
die blühende Landschaft.
Luthor legte eine Hand auf die Schulter des Zombies, wobei er
darauf achtete nur Kleidung zu berühren und den schleimigen
Resten des Körpers nicht zu nahe zu kommen, und machte
eine ausschweifende Geste, die die gesamte Umgebung einbezog.
Luthor lächelte sardnoisch: „Hach ja, Lustria sehen
und sterben- oder eben anders herum.“ |