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FABIAN PESCHEL - "STEPPENWIND"

Der laue Steppenwind strich sanft über die sich leicht biegenden, grün-gelben Grashalme die aus dem kargen Boden sprossen, während die Sonne ihren Zenit erreicht hatte. Der Wind trieb die wenigen Wolken am Himmel schnell voran und die warme Luft animierte die Vögel zum Gesang. Man hätte die Szenerie als idyllisch bezeichnen können, hätte man sich den stinkenden Leichnam weggedacht welcher im Gras lag und mit starren, toten Augen die Wolken betrachtete. Die Würmer und Maden, Aasfresser und Käfer hatten sich an seinem kalten Leib bereits gütlich getan . Der schwarze Armbrustbolzen der seinen Lebensfaden durchtrennt hatte ragte immer noch mahnend aus seinem aufgedunsenen Körper.
Einst war er ein Kundschafter gewesen, ein Jäger schnell und geschickt. Er hatte eine Frau gehabt, Melissa. Er war der Anführer einer Gruppe Jäger gewesen.
Und er hatte einen Fehler begangen.

Es war ein sonniger Tag , nicht wie der an dem sein verwesender Kadaver irgendwo im Nirgendwo verrottete, sondern etwas wärmer. Die Frühlingsblumen hatten die Wiesen in ein buntes Farbenmeer verwandelt über dem die Schmetterlinge tanzten. Tier und Pflanzenwelt reckten sich nach den wärmenden strahlen der Sonne nach den kalten und finsteren Tagen des Winters. Jeder konnte es sehen, spüren, riechen und fühlen: Es war Frühling.
Er hatte sich wie jeden Tag bei seiner Frau verabschiedet, Bogen und Köcher geschultert und das Kurzschwert in der Scheide am Gürtel. Sie hatte ihn gar nicht gehen lassen wollen., sprach von einem bösen Traum, dass er nicht wiederkehren würde. Doch er hatte sich davon nicht beeindrucken lassen. Sie hatte ihn angebettelt und gefleht das Dorf nicht zu verlassen, sie hatte Angst sie würde ihn niemals wieder sehen... und sie sollte Recht behalten.

Er schritt schnellen Schrittes über den kleinen Dorfplatz, die warmen Strahlen der Sonne auf seiner Haut spürend. Es würde ein guter Tag zum reisen werden dachte er sich.
Am Dorfbrunnen standen schon seine drei Begleiter und erwarteten ihn mit ernster Miene.
Sie trügen ebenfalls alle Bögen und Handwaffen, feine Lederkleidung und leichte Stoffe in den Farben des Waldes.
„Bei Sigmar, du bist spät!“ sprach der größte der dreien, Berulf.
Er nickte nur kurz, denn seine Gedanken waren noch immer bei seiner Frau.
„Hey, alles in Ordnung bei dir?“ Willek, ein bester Freund blickte ihn mit besorgter Miene an. Willek hatte eine beeindruckende Intuition und er hatte oftmals Gefahren erahnt bevor sie sicht- oder hörbar gewesen waren. So wusste er, dass er Willek keine Antwort zu geben brauchte. Er nickte auch ihm kurz zu. Galdor, der dritte und jüngste lächelte ihn nur aufmunternd an . Er atmete tief durch und versuchte die düsteren Gedanken zu verjagen.
„Heute müssen wir zu den Tannhäusers. Die monatliche Lieferung ist ausgeblieben und der Bürgermeister will wissen wieso das so ist. Er hat auch schon nach Soldaten geschickt, da er Angst hat es könnte eine Orkbande die Gegend unsicher machen.“ Orks .. was waren schon Orks im Vergleich zu dem grausamen Feind der ihrer bald habhaft werden würde.
„Der Hof liegt 2 Tagesmärsche nördlich von hier, also nehmen wir zuerst die Strasse nach Marienburg und gehen dann quer durch den Bitterwald“ Seine Kameraden nickten und so machte sich die kleine Gruppe Jäger auf den Weg.
Das Wetter war gut, ganz im Gegensatz zur Stimmung in der kleinen Gruppe.
Er grübelte immer noch schweigend vor sich hin, Galdor war schon immer sehr ruhig gewesen und so sprachen nur Berulf und Willek gelegentlich eine Sätze, in denen es scheinbar nur um Wein, Weib und Gesang ging. So verrannen die Stunden und der Abend begann. Bereits gegen Mittag hatten sie schon die Strasse verlassen und querten nun den Bitterwald.
Sie kannten die Gegend um ihr Heimatdorf wie ihre Westentasche , deshalb wussten sie um jede Quelle und Trampelpfad und auch um eine kleine Höhle in der sie oft rasteten.
Die kleine Kaverne im Felsen war schon von den zahlreichen letzten Besuchen in eine rustikale aber gemütliche Lagerstätte verwandelt worden. Eine natürliche Öffnung in der Decke diente als Rauchabzug, 4 Strohlager und zwei Kisten mit Vorräten, Pfeilspitzen, Sehnen und weiteren Bedarfsmaterial standen ordentlich in einer Felsnische. Ein ganzer Stapel Brennholz war an einer Wand aufgestapelt so konnten sie rasch ein Lagerfeuer entzünden und sich ihr karges, aber sättigendes Abendmahl zubereiten. Schnell war es nacht geworden und die Stimmen des Waldes vermischten sich mit dem Knacken des Holzes. Der Schein des Feuers hüllte die Gesichter in ein leichtes Orange und so kauten und starrten sie schweigend vor sich hin bis Willek das Wort ergriff. „ Wisst ihr,“ er schluckte ein Stück Fleisch hinunter „ dass der Hof der Tannhäuser einer von dreien ist die letzten Monat nicht lieferten?“ Schweigend blickten sie sich gegenseitig an und zuckten mit den Schultern.
„Woher weißt´n das ?“ frage Berulf mit vollem Mund. „ Von der Frau des Bürgermeisters“ er grinste und gluckste kurz, während die anderen sich fragend anschauten. „na ich war ihr... na ihr wisst schon „Gast“ heute nacht.“ Berulf höre auf zu kauen und glotzte Willek ungläubig an und die anderen wurden von Willeks schelmischen Grinsen ebenfalls zum schmunzeln animiert. „Du bist ein Schürzenjäger, das wusste ich“ grunzte Berulf „aber die alte Hilda also nein“ setzte Galdor fort. „Willek du bist eine alte Wildsau“ meinte er lachend. „na Leute so schlimm ist sie nicht“ was Berulf dazu trieb Würg- und Röchel-Geräusche von sich zu geben.
„Nun wie dem auch sei“ Willek schien die Unterhaltung über die alte Hilda nicht mehr zu amüsieren „sollten wir auf jeden Fall vorsichtiger sein. Mein Gefühl sagt mir, dass dahinter mehr steckt als nur eine Orkbande.“ Sie nickten und aßen darauf schweigend zu Ende.
Die Wachen waren schnell eingeteilt und so legten sie sich bald zur Ruhe.

Die Kühle der Nacht musste der Sonne bald weichen so war es schon wieder angenehm warm als sie ihre Vorräte wieder verstaut und das Lager wieder für den nächsten Besuch bereitgemacht hatte.
„Wie lange werden wir noch brauchen?“ fragte Galdur der eben seinen Köcher über die Schulter hing.
„Etwa drei Stunden“ sagte er, den Kopf immer noch voll mit Gedanken. „Wir könnten auch den Bitterbach entlang, das sollte eine gute Abkürzung sein“. Berulf grunzte ein zustimmendes ja in Richtung Willek der darauf erwartungsvoll zu ihm blickte. „Nun gut, dann den Bitterbach entlang, seid ihr soweit? Möge Sigmar uns auf unserem Weg begleiten“.
So schritten sie wieder in das Unterholz des Waldes auf verschlungenen Pfaden, die keinem außer ihnen bekannt waren. Der Bitterbach war im Frühling mehr ein kleiner Fluss als ein Bach denn durch die Schneeschmelze führte er besonders viel Wasser. An einer Furt querten sie den Bach (eher Fluss) und gingen zügig Richtung Waldrand. Nach weniger als zwei Stunden hatten sie den Wald verlassen und liefen über die sanft geschwungene Steppe die vor Farbenpracht nur so zu strotzen schien.
„Dort, im nächsten Tal müsste der Hof der Tannhäuser liegen“ . Seine Kameraden nickten kurz und spannten ihre Bögen. Er selbst zog sein Kurzschwert. „Also schauen wir uns das mal an“ , geduckt schlich er durch das hohe Gras seine Begleiter direkt hinter sich.
Schnell hatten sie die Kuppe erreicht und konnten nun einen Blick in das Tal hinabsehen.
„Oh schei..“ entfuhr es Galdur leise. „ Berulf, nimm Galdur und umgehe den Hof in östlicher Richtung, wir treffen uns dann in der Mitte.“ Berulf brummte und zog seine Handaxt. „Komm Kleiner“. Erstaunlich schnell und leise für einen Mann seiner Statur verschwand er im Gras dicht gefolgt von Galdur.
„Orks?“ fragte er Willek. „Hm .. ich weiß es nicht. Sieht danach aus, mein Gefühl sagt aber, dass es etwas anderes ist oder war“
„Dann los“ Zügig gingen sie den Hügel hinab bis zu der Stelle an das Gras niedergetrampelt war und keinerlei Deckung mehr bot. Der feine Geruch von verbranntem Holz hing noch immer in der Luft.
Vorsichtig schon er ein paar Grasbüschel beiseite um sich ein Bild der Situation zu machen.
Vom dem wohl einstmals sehr schönen Gehöft war nicht mehr viel übrig. Das Haupthaus war nur mehr ein verkohlter Trümmerhaufen und außer den Stützbalken die wie schwarze Rippen in den Himmel ragten bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Das Gesindehaus und die Stallung waren ebenfalls den Erdboden gleichgemacht worden. Nur die Scheune stand noch intakt. „Ich schaudere allein bei dem Gedanken was wir in der Scheune finden werden“ sagte Willek. Sie schauten sich noch einen kurzen Augenblick um und versuchten eine drohende Gefahr auszumachen ,aber der Hof (oder das was davon übrig war) lag still und verlassen da. Sie entstiegen sie ihrer Deckung und gingen schnell und geduckt an die Westliche Ecke der abgebrannten Stallungen. Schon als sie sich ihnen näherten vernahmen sie das aufgeregte Summen tausender von Fliegen. Sie hielten kurz inne und schauten sich erneut um. Der Boden war übersäht mit Blutspuren die im staubigen Boden getrocknet waren. Eine abgetrennte Hand hielt noch immer eine Forke fest umklammert, nicht einmal ohne seinen Besitzer bereit die Waffe loszulassen. Sie umgingen die Stallungen und warfen einen kurzen Blick hinein.
Eine Schwarze Wolke aus schillernden Fliegenleibern hatte sich auf den Tieren des Hofes, oder das was davon übrig war niedergelassen, mindestens ein Dutzend Pferde und Eselkadaver lagen dort niedergeschlachtet und verkohlt auf dem Boden. „Wer tut so etwas?“ Willek wandte sich angewidert ab, nur um gleich die nächste Gräueltat zu entdecken. An der Wand der Scheune hingen 5 Erwachsene, die Leiber zerschunden und mit schwarzen Nägeln durch die Handgelenke an ihren Todesplatz gebunden. Die Gesichter zeigten einen Ausdruck unendlicher Marter und Qualen. „Bei Sigmar... das ist ...“ Willek zeigte auf eine junge Frau, sie mag wohl einmal hübsch gewesen sein, doch ihr Gesichtsausdruck beschrieb mehr als nur Todesschmerz. „ Das ist... war“ er schluckte „Miriane... wir..“ er wandte sich ab und verbarg die Träne die ihm die Wange hinablief.
Er war fassungslos von der Grausamkeit mit der die Mörder vorgegangen waren.
Willek rang nach Luft, er hatte nicht damit gerechnet eine seiner früheren Geliebten ausgerechnet hier und so wiederzufinden.
Berulf trat aus dem Schatten der Scheune. „Was für .. Barbaren..“ er war blass und seine Stimme bebte. Er zeigte hinter sich, die Stelle die Er und Willek bis jetzt nicht hatten einsehen können.
Langsam näherte er sich und erblickte die aufgespießten Leiber der Kinder und Knechte. Eine Krähe war gerade ihren Appetit an den Körpern zu stillen. Er war fassungslos. Überwältigt von soviel Grausamkeit. Welches Volk nur konnte so etwas vollbringen. Das konnten unmöglich Menschen gewesen sein.
„Wo ist Galdur?“ fragte Willek der sich scheinbar wieder gefasst hatte.
„Er untersucht eine Spur, eine Gruppe kam von Osten und geht Richtung Südwesten.“
„Aber das heißt ja ...“ Die entsetzten Mienen verrieten allen zugleich , dass sie das selbe dachten „ direkt nach Hause!“

„Rasch“ mit schnellen Schritten eilte die Gruppe über die Graslandschaft.
Das verbrannte Gehöft hatten sie schon seit 2 Tagen hinter sich gelassen. Die Spur der sie folgten war im hohen Gras der Steppe nicht zu übersehen.
Schweiß lief Körper hinab und letzte Kraftreserven wurden aufgebraucht. Die Frühlingssonne strahlte schon mit aller ihr gegebener Kraft auf sie herab als sie dem Pfad niedergetrampelter Blumen folgten . „Wir werden sie nicht einholen“ keuchte Willek.
„Du hast vermutlich recht“ sprach er. Er blickte sich um und nahm den dunklen Schemen des Bitterwaldes am Horizont wahr. „Dort müsste doch der Schädelpass sein“ er deutete auf einen kleinen, bewachsenen Berg der die Baumwipfel deutlich überragte und dessen Form an einen menschlichen Schädel erinnerte. „Richtig“ knurrte Berufl „wenn wir noch lange so weiterlaufen brechen mir bald die Beine ab“ „Wir können uns trennen, Galdur und Berulf könnten über den Schädelpass zurück nach Hause und das Dorf warnen. Willek und ich versuchen an der Spur zu bleiben, vielleicht gelingt es uns sie aufzuhalten oder zumindest abzulenken.“ Sie tauschten unsichere Blicke aus. „Lasst es uns tun! Ich bin begeistert von diesem Plan“ entfuhr es Willek euphorisch. „Ich wollte schon immer etwas verrücktes machen. Und wenn ich wegen einer Dummheit sterbe, dann an deiner Seite“. Ein aufmunterndes Grinsen vertrieb für wenige Sekunden die angespannte Stimmung.
Galdur blickte sich unsicher um „Also ich und Berulf ..“ , „richtig, und beeilt euch“
Berulf nickte und wandte sich zum gehen als er ihn noch einmal am Arm nahm. „ Ach, und sage Melissa dass ich sie liebe.“ Berulf blickte ihn aus eisblauen Augen an. „ Ich denke das wirst du ihr besser selber sagen wenn ihr zurück seid“ Er musste unwillkürlich schlucken und ein dicker Klos hing ihm im Hals. „Viel Glück Freunde“ sagte Willek der schon einige Schritt weitergegangen war. „Bis bald“ „Bis bald und passt auf auch auf“
So trennte sich die kleine Gruppe und Er und Willek liefen weiter über die Steppe während Berulf und Galdur sich schnellen Schrittes den mächtigen Bäumen des Bitterwaldes näherten.

Stumm folgten sie der Spur weiter bis die Sonne ihr Tageswerk verrichtet hatte und langsam am Horizont versank. „Pause ?“ fragte Willek dem die Kleidung am Körper klebte. Er nickte kurz.
„Wir sind näher dran als wir dachten“
„Woher weißt du das?“
„Nur so ein Gefühl“
Willek atmete laut ein und aus. „ Alles in Ordnung?“ fragte er. Ich habe kein gutes Gefühl bei der Sache. Lass uns vorsichtig sein und lass uns kein unnötiges Risiko eingehen. Ich möchte nicht irgendwo in der Steppe verrotten während Würmer und Maden auf meiner Leiche herumkrabbeln.“
Willeks blick war von Sorge gekennzeichnet. Er nickte kurz. „Kein unnötiges Risiko. Aber nun weiter. Wir haben noch ein wenig Tageslicht“
So liefen sie weiter bis in die Nacht. Das Summen der Bienen und anderer Insekten hatte sich in ein leises Zirpen verwandelt als die Grashüpfer mit ihrem Liebeswerben zu begonnen hatten. Der tiefblaue Sternenhimmel zog sich über ihnen dahin, bedeckt mit Abertausenden funkelnden Sternen.
„Aus.. halt ich kann nicht mehr“ Willek blieb stehen und sank auf die Knie. Er versuchte etwas zu gestikulieren aber seine Lungen sogen zu gierig die kühle Nachtluft ein.
Also setzte er sich ebenfalls ins Gras und nahm etwas von seinem Proviant und einen großen Schluck aus seinem Wasserschlauch. Er blickte hinauf zu den Sternen und lauschte den Geräuschen der Nacht.
Es erinnerte ihn an eine Nacht die er mit Melissa in der Steppe verbracht hatte. Sie hatten sich noch nicht sehr lange gekannt als er sie eines Abends abholte um ihr die unberührte Schönheit der Wildnis zu zeigen. Er seufzte leise. Sie waren damals.. jäh wurde er aus seinen Gedanken gerissen als Willek ihn an der Schulter packte „sschhhh, leise. Hör doch mal“
Er konzentrierte sich und versuchte die Geräusche der Nacht zu filtern und zu hören was Willek meinen konnte.
Grillen. Rascheln. Der sanfte Wind der über die Halme strich. Und die leisen Geräusche von abendlichem Lagerleben. Scheppern von Metall, Stimmen in einer fremden Sprache. Das war es was der Wind zu ihnen hinübertrug. Willek nahm seinen Bogen von der Schulter, spannte ihn und legte einen Pfeil ein. „Dann werden wir uns das mal ansehen“ sprach er leise, sein Kurzschwert blank gezogen. Die kurze aber tödlich scharfe Klinge funkelte matt im schwachen Licht der Sterne.
Leise und geduckt pirschten sie durch das Gras bis sie an eine kleine Senke kamen. Winzige glühende Ascheteile wurden vom Feuer auf ihre Reise in den Himmel geschickt. Offensichtlich fürchteten die Verfolgten sich vor keiner Gefahr, sonst hätten sie ein kleineres Feuer entfacht dachte Willek. Für diese Arroganz würden sie noch bitter bezahlen. Sie legten sich ins Gras und robbten das letzte Stück bis zum Rand der Senke hinauf. Die Geräusche waren mittlerweile deutlich zu hören. Stimmen in einer fremden, harten Sprache, das Wiehern von Pferden, Knacken von Holz, das Geräusch von Besteck auf Tellern. Abendliche Lagergeräusche.
Sie blickten über den Rand und erspähten die Gruppe die sie seit Tagen verfolgt hatten.
Um ein großes Lagerfeuer herum standen zehn Zelte für mindestens zwei Personen. Fünf wunderschöne schwarze Pferde waren angebunden und um das Feuer herum standen ungefähr 20 fremdartig aussehende Krieger, groß und schlank . Alle trugen sie blitzende Kettenhemden, gekrümmte zackige Säbel und seltsame Rüstungen. Einige Armbrüste lagen ebenfalls sauber aufgereiht in der Nähe. Sie hatten wohl gerade ihr Abendmahl vollendet und sprachen nun in ihrer unverständlichen Sprache.
„19 .. es sind nur 19!“ zischte Willek leise. „ Wo ist Nummer 20 ?“
Das Knacken eines dünnes Astes rechts von ihnen beantwortete die Frage unausgesprochen.
Einer der fremden Krieger schlenderte in ihre Richtung. Schild und Schwert in den Händen. Sie nickten sich zu und ohne ein weiteres Wort zu verlieren schnellte Willek mit gespanntem Bogen aus dem hohen Gras und schoss. Der Pfeil aus Holz und Stahl durchbohrte Fleisch und Muskeln wie Pergament, zerfetzte die Halsschlagader des fremden Invasoren und riss ihn mit überraschtem Blick röchelnd zu Boden. Mit einem Scheppern fielen Schwert und Schild ins Gras und dickes Blut quoll aus der Wunde. Jede Hilfe würde für diesen zu spät kommen dachte er grimmig.
Doch war dies nicht unbemerkt geblieben. Schnelle Schritte und das Klirren von Metall erfüllte nun die kleine Senke.
„Nichts wie weg hier“ rief er zu Willek und wie von Dämonen gehetzt rannten sie hinaus in die Nacht.

Sie rannten so schnell ihre Beine sie tragen konnten. Nach wenigen Minuten waren sie über eine kleine Hügelkuppe gelaufen hinter die sie sich kauerten.
„Verdammt“ Willek atmete schwer „schon wieder rennen“
Er lauschte in die Nacht und vernahm Stimmen und Pferdewiehern.
„Sie lassen uns nicht so leicht entwischen. Zumindest können wir Berulf und Galdur etwas Zeit erkaufen“ Willek nickte.
„ Was sollen wir tun?“ „Trennen wir uns?“ Willek griff in seinen Köcher und legte einen neuen Pfeil ein. Er schluckte.
„Also gut“ Schweißperlen standen ihm auf der Stirn. Sein Herz pochte wie wild und drohte seinen Brustkorb zu zersprengen. „Wir laufen beide gleichzeitig los, du Richtung Schädelpass ich werde wieder zurück zum Hof der Tannhäuser laufen.“ Er blickte sich hastig um. Der Lärm kam immer näher. „Sie haben Pferde!“ sagte Willek mit ernstem Blick. „ Ich werde sie einen kurzen Augenblick beschäftigen dann kannst du möglichst unbemerkt flüchten. Halt den Kopf unten.“ Das Flackern in seinen Augen verriet Furcht und trotzdem Entschlossenheit.
„Versuche nicht den Helden zu spielen!“ Das polternde Geräusch von Hufen in unmittelbarer Nähe ließ beide verstummen. Sie nickten sich ein letztes mal zu, Er fasste Willek noch einmal am Arm und flüsterte: „sei vorsichtig“. Willek versuchte zu lächeln doch es wollte ihm einfach nicht gelingen. Viel lieber wäre er mit seinem Freund davongelaufen.
Er drehte sich um und ging gebeugt ein Stück ins höhere Gras.
Willek konzentrierte sich, er atmete schnell und abgehackt. Er schloss für einen kurzen Moment die Augen und dachte an zu Hause. Dann straffte er sich und jede Faser seines Körpers war bereit.
Das Poltern kam näher. Gleich müsste er ihn sehen, doch den Überraschungseffekt wollte er erneut für sich nutzen.
Wieder schnellte er nach oben den Bogen im Anschlag. Reiter und Ross schienen beide gleichermaßen überrascht wie erschreckt, das Pferd wieherte in Panik auf als der Pfeil den Schädel des Reiters traf und selbigen durchschlug. Verblüfft versuchte der Krieger noch den Pfeil aus seinem Kopf zu ziehen als er rücklings vom Pferd kippte. Willek legte sofort einen neuen Pfeil ein und spähte in die Dunkelheit.
Er hörte ein erschrecktes Wiehern hinter sich. Das Geräusch als ein Körper ins Gras fiel.
Er stand auf und rannte los.
Willek entdeckte zwei weitere Reiter die in seine Richtung kamen. Er wusste nicht ob sie ihn bereits gesehen hatten deshalb kauerte er weiterhin regungslos im Gras. Das Surrende Geräusche eines Bolzen ließ ihn herumschnellen, hastig warf er sich zu Boden und nur um haaresbreite hatten ihn die beiden Geschoss verfehlt. Sie ritten heran. Er spürte die Vibration der Erde als die schweren Hufen der Pferde den Boden trafen. Er sprang auf und schoss ,doch der Pfeil verfehlte seine Wirkung und glitt wirkungslos an der Rüstung ab. Er griff erneut in den Köcher als ein blitzender Schmerz seinen linken Arm durchfloss. Warmes Blut rann ihm über die Finger. Er biss sich auf die Unterlippe um nicht zu schreien, ließ den Bogen fallen und zog sein Schwert, bereit jeden der ihm zu nahe kam in Stücke zu schneiden.
Die beide fremdartigen Krieger blickten geradezu gelassen zu ihrer Beute. Mit zackigen Säbeln in den Händen kamen sie auf ihn zu. Ihre Bewegungen waren geschmeidig wie die eines geübten Kämpfers. Doch er würde mit der Wildheit einer in die Ecke getriebenen Raubkatze kämpfen.
Ein schneller Hieb, das helle Klirren von Stahl auf Stahl, schnelles nachsetzen. Wieder und wieder ließ der Krieger sein Schwert auf den armen Willek niederfahren, der jeden Schlag so gut er es vermochte parierte. Hinter ihm! Rein intuitiv riss er das Schwert nach oben und drehte sich um die eigene Achse ,gerade den Schlag des Zweiten parierend der ihm den Schädel wie einen Kürbis gespalten hätte.
Ein Pfeifen. Eine Hand die sich an die Kehle griff. Rotes Blut welches aus einer Wunde sprudelte. Einer der Krieger glotzte aus herausquellenden Augen die Pfeilspitze an die sich von hinten durch seinen Hals gebohrt hatte.
Willek parierte erneut, sein Gegenüber schien für einen Bruchteil abgelenkt zu sein. Er riss den Arm nach oben und schlug mit dem Schwertknauf so stark er konnte in das Gesicht des schlanken Krieger. Er spürte wie die Nase unter der Wucht des Hiebes nachgab, Haut und Fleisch platzten. Das widerwärtige Knacken von Knochen fuhr ihm durch Mark und Bein.
Der Krieger taumelte noch benommen rückwärts als Willek bereits über ihm war und ihm das Schwert bis zum Schaft in den Magen rammte.
Er stand im hohen Gras den Bogen gesenkt.
Willek genoss das Gefühl wie das Leben aus dem Körper seines Feindes wich, als er die Klinge aus dem schlaffen Leib zog.
„Wieso bist du wieder hier?! Wir hatten do...“
Entsetzt sprang er zu Willek als dieser auf die Knie sank. Ein feiner Blutfaden lief ihm den Mundwinkel hinab. Drei Bolzen hatten ihr Ziel gefunden und steckten nun tief in seiner Lunge.
„Nein Nein!! Du darfst nicht sterben! Hörst du!!!“ Tränen liefen ihm die Wangen hinab als er seinen sterbenden Freund in den Armen hielt.
Kälte umschlang Willek. Eine entfernte Stimme. Die eines Freundes doch er vermochte nicht zu verstehen was sie sagte. Dann wurde es schwarz.
Eisiges Grauen erfasst ihn als der erschlaffte Körper ihm aus den Armen glitt.
Was hatte er nur getan?
Schritte, das Klirren von Metall. Sie kamen um ihn zu holen. Doch dafür sollten sie einen hohen Tribut bezahlen. Er legte einen neuen Pfeil ein und erwartete seine Henker.
Fünf zeichneten sich schwach gegen den Nachthimmel ab. Er legte an, konzentrierte sich und schoss. Der Pfeil verfehlte sein Ziel nicht und durchschlug das Kettenhemd knapp unter der Hüfte. Der schrille Schrei seines Opfers zog sich durch die Nacht. Hastig schwärmten seine Begleiter aus und tauchten im Gras unter.
Er ließ seinen Bogen fallen zog sein Schwert und hob die blutbesudelte Klinge Willeks auf.
Das Rascheln von allen Seiten machte ihm klar, dass sie ihn bereits eingekreist hatten. Ein erster kam aus dem Gras auf den Kampfplatz. Bevor seine Zunge auch nur ein Wort formen konnte fielen Helm und Kopf zu Boden, als die blitzende Klinge ihren Weg beendet hatte.
Mit einem gewaltigen Satz setzte er über den enthaupteten Körper und rammte dem dahinter Kommenden die gekreuzten Klingen in den Unterleib. Dieser fiel auf die Knie und starrte ihn entsetzt an als Er ihm seinen Fuß auf die Brust setzt und die Klingen aus dem unseligen Krieger herausriss.
Ein stechender Schmerz ließ ihn herumfahren. Einer stand da und hielt die Armbrust noch in Händen als das erste Schwert Sehnen und Muskeln und das zweite den Lebensfaden durchtrennte. Ein vierter kam aus dem hohen Gras gestürmt das Schwert hoch über dem Kopf erhoben. Ehe er seinen Streich ausführen konnte hatte Willeks Klinge sein Kinn durchstoßen. Das Schwert fiel ihm aus den hocherhobenen Händen und mit einem widerwärtigen Knirschen glitt die Klinge durch den Schädel als er zu Boden sank.
Er sah sich um und betrachtete das Blutbad welches er angerichtet hatte. Über und über war er mit Blut bespritzt.
Doch war es nicht nur das Blut seiner Feinde und auch jetzt wurde er sich des Schmerzes im Rücken bewusst.
Er spürte, dass seine Zeit gekommen war. Doch wollte er nicht hier sterben. Nicht in dieser Steppe.
Er wollte noch ein letztes mal seine Frau sehen, ihre samtige Haut berühren und ihre weichen Lippen küssen.
Mühsam schleppte er sich hinaus in die Nacht. Weg von all dem Blutvergießen, weg vom Hass.
Doch weit sollte nicht kommen.


Der laue Steppenwind strich sanft über sein bleiches Gesicht. Mit dem ersten Strahl der aufgehenden Sonne war sein Lebenslicht erloschen. So lag er in der Steppe, der Himmel war blau und die wenigen Wolken wurden vom Wind schnell am Himmel vorrangetrieben. Man hätte die Szenerie als idyllisch bezeichnen können, hätte man sich den blutbespritzten Leichnam weggedacht, der mit starrem ,totem Blick den Himmel betrachtete.


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