Der laue Steppenwind
strich sanft über die sich leicht biegenden, grün-gelben
Grashalme die aus dem kargen Boden sprossen, während die
Sonne ihren Zenit erreicht hatte. Der Wind trieb die wenigen Wolken
am Himmel schnell voran und die warme Luft animierte die Vögel
zum Gesang. Man hätte die Szenerie als idyllisch bezeichnen
können, hätte man sich den stinkenden Leichnam weggedacht
welcher im Gras lag und mit starren, toten Augen die Wolken betrachtete.
Die Würmer und Maden, Aasfresser und Käfer hatten sich
an seinem kalten Leib bereits gütlich getan . Der schwarze
Armbrustbolzen der seinen Lebensfaden durchtrennt hatte ragte
immer noch mahnend aus seinem aufgedunsenen Körper.
Einst war er ein Kundschafter gewesen, ein Jäger schnell
und geschickt. Er hatte eine Frau gehabt, Melissa. Er war der
Anführer einer Gruppe Jäger gewesen.
Und er hatte einen Fehler begangen.
Es war ein sonniger Tag , nicht wie der an dem sein verwesender
Kadaver irgendwo im Nirgendwo verrottete, sondern etwas wärmer.
Die Frühlingsblumen hatten die Wiesen in ein buntes Farbenmeer
verwandelt über dem die Schmetterlinge tanzten. Tier und
Pflanzenwelt reckten sich nach den wärmenden strahlen der
Sonne nach den kalten und finsteren Tagen des Winters. Jeder
konnte es sehen, spüren, riechen und fühlen: Es war
Frühling.
Er hatte sich wie jeden Tag bei seiner Frau verabschiedet, Bogen
und Köcher geschultert und das Kurzschwert in der Scheide
am Gürtel. Sie hatte ihn gar nicht gehen lassen wollen.,
sprach von einem bösen Traum, dass er nicht wiederkehren
würde. Doch er hatte sich davon nicht beeindrucken lassen.
Sie hatte ihn angebettelt und gefleht das Dorf nicht zu verlassen,
sie hatte Angst sie würde ihn niemals wieder sehen... und
sie sollte Recht behalten.
Er schritt schnellen Schrittes über den kleinen Dorfplatz,
die warmen Strahlen der Sonne auf seiner Haut spürend.
Es würde ein guter Tag zum reisen werden dachte er sich.
Am Dorfbrunnen standen schon seine drei Begleiter und erwarteten
ihn mit ernster Miene.
Sie trügen ebenfalls alle Bögen und Handwaffen, feine
Lederkleidung und leichte Stoffe in den Farben des Waldes.
„Bei Sigmar, du bist spät!“ sprach der größte
der dreien, Berulf.
Er nickte nur kurz, denn seine Gedanken waren noch immer bei
seiner Frau.
„Hey, alles in Ordnung bei dir?“ Willek, ein bester
Freund blickte ihn mit besorgter Miene an. Willek hatte eine
beeindruckende Intuition und er hatte oftmals Gefahren erahnt
bevor sie sicht- oder hörbar gewesen waren. So wusste er,
dass er Willek keine Antwort zu geben brauchte. Er nickte auch
ihm kurz zu. Galdor, der dritte und jüngste lächelte
ihn nur aufmunternd an . Er atmete tief durch und versuchte
die düsteren Gedanken zu verjagen.
„Heute müssen wir zu den Tannhäusers. Die monatliche
Lieferung ist ausgeblieben und der Bürgermeister will wissen
wieso das so ist. Er hat auch schon nach Soldaten geschickt,
da er Angst hat es könnte eine Orkbande die Gegend unsicher
machen.“ Orks .. was waren schon Orks im Vergleich zu
dem grausamen Feind der ihrer bald habhaft werden würde.
„Der Hof liegt 2 Tagesmärsche nördlich von hier,
also nehmen wir zuerst die Strasse nach Marienburg und gehen
dann quer durch den Bitterwald“ Seine Kameraden nickten
und so machte sich die kleine Gruppe Jäger auf den Weg.
Das Wetter war gut, ganz im Gegensatz zur Stimmung in der kleinen
Gruppe.
Er grübelte immer noch schweigend vor sich hin, Galdor
war schon immer sehr ruhig gewesen und so sprachen nur Berulf
und Willek gelegentlich eine Sätze, in denen es scheinbar
nur um Wein, Weib und Gesang ging. So verrannen die Stunden
und der Abend begann. Bereits gegen Mittag hatten sie schon
die Strasse verlassen und querten nun den Bitterwald.
Sie kannten die Gegend um ihr Heimatdorf wie ihre Westentasche
, deshalb wussten sie um jede Quelle und Trampelpfad und auch
um eine kleine Höhle in der sie oft rasteten.
Die kleine Kaverne im Felsen war schon von den zahlreichen letzten
Besuchen in eine rustikale aber gemütliche Lagerstätte
verwandelt worden. Eine natürliche Öffnung in der
Decke diente als Rauchabzug, 4 Strohlager und zwei Kisten mit
Vorräten, Pfeilspitzen, Sehnen und weiteren Bedarfsmaterial
standen ordentlich in einer Felsnische. Ein ganzer Stapel Brennholz
war an einer Wand aufgestapelt so konnten sie rasch ein Lagerfeuer
entzünden und sich ihr karges, aber sättigendes Abendmahl
zubereiten. Schnell war es nacht geworden und die Stimmen des
Waldes vermischten sich mit dem Knacken des Holzes. Der Schein
des Feuers hüllte die Gesichter in ein leichtes Orange
und so kauten und starrten sie schweigend vor sich hin bis Willek
das Wort ergriff. „ Wisst ihr,“ er schluckte ein
Stück Fleisch hinunter „ dass der Hof der Tannhäuser
einer von dreien ist die letzten Monat nicht lieferten?“
Schweigend blickten sie sich gegenseitig an und zuckten mit
den Schultern.
„Woher weißt´n das ?“ frage Berulf mit
vollem Mund. „ Von der Frau des Bürgermeisters“
er grinste und gluckste kurz, während die anderen sich
fragend anschauten. „na ich war ihr... na ihr wisst schon
„Gast“ heute nacht.“ Berulf höre auf
zu kauen und glotzte Willek ungläubig an und die anderen
wurden von Willeks schelmischen Grinsen ebenfalls zum schmunzeln
animiert. „Du bist ein Schürzenjäger, das wusste
ich“ grunzte Berulf „aber die alte Hilda also nein“
setzte Galdor fort. „Willek du bist eine alte Wildsau“
meinte er lachend. „na Leute so schlimm ist sie nicht“
was Berulf dazu trieb Würg- und Röchel-Geräusche
von sich zu geben.
„Nun wie dem auch sei“ Willek schien die Unterhaltung
über die alte Hilda nicht mehr zu amüsieren „sollten
wir auf jeden Fall vorsichtiger sein. Mein Gefühl sagt
mir, dass dahinter mehr steckt als nur eine Orkbande.“
Sie nickten und aßen darauf schweigend zu Ende.
Die Wachen waren schnell eingeteilt und so legten sie sich bald
zur Ruhe.
Die Kühle der Nacht musste der Sonne bald weichen so war
es schon wieder angenehm warm als sie ihre Vorräte wieder
verstaut und das Lager wieder für den nächsten Besuch
bereitgemacht hatte.
„Wie lange werden wir noch brauchen?“ fragte Galdur
der eben seinen Köcher über die Schulter hing.
„Etwa drei Stunden“ sagte er, den Kopf immer noch
voll mit Gedanken. „Wir könnten auch den Bitterbach
entlang, das sollte eine gute Abkürzung sein“. Berulf
grunzte ein zustimmendes ja in Richtung Willek der darauf erwartungsvoll
zu ihm blickte. „Nun gut, dann den Bitterbach entlang,
seid ihr soweit? Möge Sigmar uns auf unserem Weg begleiten“.
So schritten sie wieder in das Unterholz des Waldes auf verschlungenen
Pfaden, die keinem außer ihnen bekannt waren. Der Bitterbach
war im Frühling mehr ein kleiner Fluss als ein Bach denn
durch die Schneeschmelze führte er besonders viel Wasser.
An einer Furt querten sie den Bach (eher Fluss) und gingen zügig
Richtung Waldrand. Nach weniger als zwei Stunden hatten sie
den Wald verlassen und liefen über die sanft geschwungene
Steppe die vor Farbenpracht nur so zu strotzen schien.
„Dort, im nächsten Tal müsste der Hof der Tannhäuser
liegen“ . Seine Kameraden nickten kurz und spannten ihre
Bögen. Er selbst zog sein Kurzschwert. „Also schauen
wir uns das mal an“ , geduckt schlich er durch das hohe
Gras seine Begleiter direkt hinter sich.
Schnell hatten sie die Kuppe erreicht und konnten nun einen
Blick in das Tal hinabsehen.
„Oh schei..“ entfuhr es Galdur leise. „ Berulf,
nimm Galdur und umgehe den Hof in östlicher Richtung, wir
treffen uns dann in der Mitte.“ Berulf brummte und zog
seine Handaxt. „Komm Kleiner“. Erstaunlich schnell
und leise für einen Mann seiner Statur verschwand er im
Gras dicht gefolgt von Galdur.
„Orks?“ fragte er Willek. „Hm .. ich weiß
es nicht. Sieht danach aus, mein Gefühl sagt aber, dass
es etwas anderes ist oder war“
„Dann los“ Zügig gingen sie den Hügel
hinab bis zu der Stelle an das Gras niedergetrampelt war und
keinerlei Deckung mehr bot. Der feine Geruch von verbranntem
Holz hing noch immer in der Luft.
Vorsichtig schon er ein paar Grasbüschel beiseite um sich
ein Bild der Situation zu machen.
Vom dem wohl einstmals sehr schönen Gehöft war nicht
mehr viel übrig. Das Haupthaus war nur mehr ein verkohlter
Trümmerhaufen und außer den Stützbalken die
wie schwarze Rippen in den Himmel ragten bis auf die Grundmauern
niedergebrannt. Das Gesindehaus und die Stallung waren ebenfalls
den Erdboden gleichgemacht worden. Nur die Scheune stand noch
intakt. „Ich schaudere allein bei dem Gedanken was wir
in der Scheune finden werden“ sagte Willek. Sie schauten
sich noch einen kurzen Augenblick um und versuchten eine drohende
Gefahr auszumachen ,aber der Hof (oder das was davon übrig
war) lag still und verlassen da. Sie entstiegen sie ihrer Deckung
und gingen schnell und geduckt an die Westliche Ecke der abgebrannten
Stallungen. Schon als sie sich ihnen näherten vernahmen
sie das aufgeregte Summen tausender von Fliegen. Sie hielten
kurz inne und schauten sich erneut um. Der Boden war übersäht
mit Blutspuren die im staubigen Boden getrocknet waren. Eine
abgetrennte Hand hielt noch immer eine Forke fest umklammert,
nicht einmal ohne seinen Besitzer bereit die Waffe loszulassen.
Sie umgingen die Stallungen und warfen einen kurzen Blick hinein.
Eine Schwarze Wolke aus schillernden Fliegenleibern hatte sich
auf den Tieren des Hofes, oder das was davon übrig war
niedergelassen, mindestens ein Dutzend Pferde und Eselkadaver
lagen dort niedergeschlachtet und verkohlt auf dem Boden. „Wer
tut so etwas?“ Willek wandte sich angewidert ab, nur um
gleich die nächste Gräueltat zu entdecken. An der
Wand der Scheune hingen 5 Erwachsene, die Leiber zerschunden
und mit schwarzen Nägeln durch die Handgelenke an ihren
Todesplatz gebunden. Die Gesichter zeigten einen Ausdruck unendlicher
Marter und Qualen. „Bei Sigmar... das ist ...“ Willek
zeigte auf eine junge Frau, sie mag wohl einmal hübsch
gewesen sein, doch ihr Gesichtsausdruck beschrieb mehr als nur
Todesschmerz. „ Das ist... war“ er schluckte „Miriane...
wir..“ er wandte sich ab und verbarg die Träne die
ihm die Wange hinablief.
Er war fassungslos von der Grausamkeit mit der die Mörder
vorgegangen waren.
Willek rang nach Luft, er hatte nicht damit gerechnet eine seiner
früheren Geliebten ausgerechnet hier und so wiederzufinden.
Berulf trat aus dem Schatten der Scheune. „Was für
.. Barbaren..“ er war blass und seine Stimme bebte. Er
zeigte hinter sich, die Stelle die Er und Willek bis jetzt nicht
hatten einsehen können.
Langsam näherte er sich und erblickte die aufgespießten
Leiber der Kinder und Knechte. Eine Krähe war gerade ihren
Appetit an den Körpern zu stillen. Er war fassungslos.
Überwältigt von soviel Grausamkeit. Welches Volk nur
konnte so etwas vollbringen. Das konnten unmöglich Menschen
gewesen sein.
„Wo ist Galdur?“ fragte Willek der sich scheinbar
wieder gefasst hatte.
„Er untersucht eine Spur, eine Gruppe kam von Osten und
geht Richtung Südwesten.“
„Aber das heißt ja ...“ Die entsetzten Mienen
verrieten allen zugleich , dass sie das selbe dachten „
direkt nach Hause!“
„Rasch“ mit schnellen Schritten eilte die Gruppe
über die Graslandschaft.
Das verbrannte Gehöft hatten sie schon seit 2 Tagen hinter
sich gelassen. Die Spur der sie folgten war im hohen Gras der
Steppe nicht zu übersehen.
Schweiß lief Körper hinab und letzte Kraftreserven
wurden aufgebraucht. Die Frühlingssonne strahlte schon
mit aller ihr gegebener Kraft auf sie herab als sie dem Pfad
niedergetrampelter Blumen folgten . „Wir werden sie nicht
einholen“ keuchte Willek.
„Du hast vermutlich recht“ sprach er. Er blickte
sich um und nahm den dunklen Schemen des Bitterwaldes am Horizont
wahr. „Dort müsste doch der Schädelpass sein“
er deutete auf einen kleinen, bewachsenen Berg der die Baumwipfel
deutlich überragte und dessen Form an einen menschlichen
Schädel erinnerte. „Richtig“ knurrte Berufl
„wenn wir noch lange so weiterlaufen brechen mir bald
die Beine ab“ „Wir können uns trennen, Galdur
und Berulf könnten über den Schädelpass zurück
nach Hause und das Dorf warnen. Willek und ich versuchen an
der Spur zu bleiben, vielleicht gelingt es uns sie aufzuhalten
oder zumindest abzulenken.“ Sie tauschten unsichere Blicke
aus. „Lasst es uns tun! Ich bin begeistert von diesem
Plan“ entfuhr es Willek euphorisch. „Ich wollte
schon immer etwas verrücktes machen. Und wenn ich wegen
einer Dummheit sterbe, dann an deiner Seite“. Ein aufmunterndes
Grinsen vertrieb für wenige Sekunden die angespannte Stimmung.
Galdur blickte sich unsicher um „Also ich und Berulf ..“
, „richtig, und beeilt euch“
Berulf nickte und wandte sich zum gehen als er ihn noch einmal
am Arm nahm. „ Ach, und sage Melissa dass ich sie liebe.“
Berulf blickte ihn aus eisblauen Augen an. „ Ich denke
das wirst du ihr besser selber sagen wenn ihr zurück seid“
Er musste unwillkürlich schlucken und ein dicker Klos hing
ihm im Hals. „Viel Glück Freunde“ sagte Willek
der schon einige Schritt weitergegangen war. „Bis bald“
„Bis bald und passt auf auch auf“
So trennte sich die kleine Gruppe und Er und Willek liefen weiter
über die Steppe während Berulf und Galdur sich schnellen
Schrittes den mächtigen Bäumen des Bitterwaldes näherten.
Stumm folgten sie der Spur weiter bis die Sonne ihr Tageswerk
verrichtet hatte und langsam am Horizont versank. „Pause
?“ fragte Willek dem die Kleidung am Körper klebte.
Er nickte kurz.
„Wir sind näher dran als wir dachten“
„Woher weißt du das?“
„Nur so ein Gefühl“
Willek atmete laut ein und aus. „ Alles in Ordnung?“
fragte er. Ich habe kein gutes Gefühl bei der Sache. Lass
uns vorsichtig sein und lass uns kein unnötiges Risiko
eingehen. Ich möchte nicht irgendwo in der Steppe verrotten
während Würmer und Maden auf meiner Leiche herumkrabbeln.“
Willeks blick war von Sorge gekennzeichnet. Er nickte kurz.
„Kein unnötiges Risiko. Aber nun weiter. Wir haben
noch ein wenig Tageslicht“
So liefen sie weiter bis in die Nacht. Das Summen der Bienen
und anderer Insekten hatte sich in ein leises Zirpen verwandelt
als die Grashüpfer mit ihrem Liebeswerben zu begonnen hatten.
Der tiefblaue Sternenhimmel zog sich über ihnen dahin,
bedeckt mit Abertausenden funkelnden Sternen.
„Aus.. halt ich kann nicht mehr“ Willek blieb stehen
und sank auf die Knie. Er versuchte etwas zu gestikulieren aber
seine Lungen sogen zu gierig die kühle Nachtluft ein.
Also setzte er sich ebenfalls ins Gras und nahm etwas von seinem
Proviant und einen großen Schluck aus seinem Wasserschlauch.
Er blickte hinauf zu den Sternen und lauschte den Geräuschen
der Nacht.
Es erinnerte ihn an eine Nacht die er mit Melissa in der Steppe
verbracht hatte. Sie hatten sich noch nicht sehr lange gekannt
als er sie eines Abends abholte um ihr die unberührte Schönheit
der Wildnis zu zeigen. Er seufzte leise. Sie waren damals..
jäh wurde er aus seinen Gedanken gerissen als Willek ihn
an der Schulter packte „sschhhh, leise. Hör doch
mal“
Er konzentrierte sich und versuchte die Geräusche der Nacht
zu filtern und zu hören was Willek meinen konnte.
Grillen. Rascheln. Der sanfte Wind der über die Halme strich.
Und die leisen Geräusche von abendlichem Lagerleben. Scheppern
von Metall, Stimmen in einer fremden Sprache. Das war es was
der Wind zu ihnen hinübertrug. Willek nahm seinen Bogen
von der Schulter, spannte ihn und legte einen Pfeil ein. „Dann
werden wir uns das mal ansehen“ sprach er leise, sein
Kurzschwert blank gezogen. Die kurze aber tödlich scharfe
Klinge funkelte matt im schwachen Licht der Sterne.
Leise und geduckt pirschten sie durch das Gras bis sie an eine
kleine Senke kamen. Winzige glühende Ascheteile wurden
vom Feuer auf ihre Reise in den Himmel geschickt. Offensichtlich
fürchteten die Verfolgten sich vor keiner Gefahr, sonst
hätten sie ein kleineres Feuer entfacht dachte Willek.
Für diese Arroganz würden sie noch bitter bezahlen.
Sie legten sich ins Gras und robbten das letzte Stück bis
zum Rand der Senke hinauf. Die Geräusche waren mittlerweile
deutlich zu hören. Stimmen in einer fremden, harten Sprache,
das Wiehern von Pferden, Knacken von Holz, das Geräusch
von Besteck auf Tellern. Abendliche Lagergeräusche.
Sie blickten über den Rand und erspähten die Gruppe
die sie seit Tagen verfolgt hatten.
Um ein großes Lagerfeuer herum standen zehn Zelte für
mindestens zwei Personen. Fünf wunderschöne schwarze
Pferde waren angebunden und um das Feuer herum standen ungefähr
20 fremdartig aussehende Krieger, groß und schlank . Alle
trugen sie blitzende Kettenhemden, gekrümmte zackige Säbel
und seltsame Rüstungen. Einige Armbrüste lagen ebenfalls
sauber aufgereiht in der Nähe. Sie hatten wohl gerade ihr
Abendmahl vollendet und sprachen nun in ihrer unverständlichen
Sprache.
„19 .. es sind nur 19!“ zischte Willek leise. „
Wo ist Nummer 20 ?“
Das Knacken eines dünnes Astes rechts von ihnen beantwortete
die Frage unausgesprochen.
Einer der fremden Krieger schlenderte in ihre Richtung. Schild
und Schwert in den Händen. Sie nickten sich zu und ohne
ein weiteres Wort zu verlieren schnellte Willek mit gespanntem
Bogen aus dem hohen Gras und schoss. Der Pfeil aus Holz und
Stahl durchbohrte Fleisch und Muskeln wie Pergament, zerfetzte
die Halsschlagader des fremden Invasoren und riss ihn mit überraschtem
Blick röchelnd zu Boden. Mit einem Scheppern fielen Schwert
und Schild ins Gras und dickes Blut quoll aus der Wunde. Jede
Hilfe würde für diesen zu spät kommen dachte
er grimmig.
Doch war dies nicht unbemerkt geblieben. Schnelle Schritte und
das Klirren von Metall erfüllte nun die kleine Senke.
„Nichts wie weg hier“ rief er zu Willek und wie
von Dämonen gehetzt rannten sie hinaus in die Nacht.
Sie rannten so schnell ihre Beine sie tragen konnten. Nach
wenigen Minuten waren sie über eine kleine Hügelkuppe
gelaufen hinter die sie sich kauerten.
„Verdammt“ Willek atmete schwer „schon wieder
rennen“
Er lauschte in die Nacht und vernahm Stimmen und Pferdewiehern.
„Sie lassen uns nicht so leicht entwischen. Zumindest
können wir Berulf und Galdur etwas Zeit erkaufen“
Willek nickte.
„ Was sollen wir tun?“ „Trennen wir uns?“
Willek griff in seinen Köcher und legte einen neuen Pfeil
ein. Er schluckte.
„Also gut“ Schweißperlen standen ihm auf der
Stirn. Sein Herz pochte wie wild und drohte seinen Brustkorb
zu zersprengen. „Wir laufen beide gleichzeitig los, du
Richtung Schädelpass ich werde wieder zurück zum Hof
der Tannhäuser laufen.“ Er blickte sich hastig um.
Der Lärm kam immer näher. „Sie haben Pferde!“
sagte Willek mit ernstem Blick. „ Ich werde sie einen
kurzen Augenblick beschäftigen dann kannst du möglichst
unbemerkt flüchten. Halt den Kopf unten.“ Das Flackern
in seinen Augen verriet Furcht und trotzdem Entschlossenheit.
„Versuche nicht den Helden zu spielen!“ Das polternde
Geräusch von Hufen in unmittelbarer Nähe ließ
beide verstummen. Sie nickten sich ein letztes mal zu, Er fasste
Willek noch einmal am Arm und flüsterte: „sei vorsichtig“.
Willek versuchte zu lächeln doch es wollte ihm einfach
nicht gelingen. Viel lieber wäre er mit seinem Freund davongelaufen.
Er drehte sich um und ging gebeugt ein Stück ins höhere
Gras.
Willek konzentrierte sich, er atmete schnell und abgehackt.
Er schloss für einen kurzen Moment die Augen und dachte
an zu Hause. Dann straffte er sich und jede Faser seines Körpers
war bereit.
Das Poltern kam näher. Gleich müsste er ihn sehen,
doch den Überraschungseffekt wollte er erneut für
sich nutzen.
Wieder schnellte er nach oben den Bogen im Anschlag. Reiter
und Ross schienen beide gleichermaßen überrascht
wie erschreckt, das Pferd wieherte in Panik auf als der Pfeil
den Schädel des Reiters traf und selbigen durchschlug.
Verblüfft versuchte der Krieger noch den Pfeil aus seinem
Kopf zu ziehen als er rücklings vom Pferd kippte. Willek
legte sofort einen neuen Pfeil ein und spähte in die Dunkelheit.
Er hörte ein erschrecktes Wiehern hinter sich. Das Geräusch
als ein Körper ins Gras fiel.
Er stand auf und rannte los.
Willek entdeckte zwei weitere Reiter die in seine Richtung kamen.
Er wusste nicht ob sie ihn bereits gesehen hatten deshalb kauerte
er weiterhin regungslos im Gras. Das Surrende Geräusche
eines Bolzen ließ ihn herumschnellen, hastig warf er sich
zu Boden und nur um haaresbreite hatten ihn die beiden Geschoss
verfehlt. Sie ritten heran. Er spürte die Vibration der
Erde als die schweren Hufen der Pferde den Boden trafen. Er
sprang auf und schoss ,doch der Pfeil verfehlte seine Wirkung
und glitt wirkungslos an der Rüstung ab. Er griff erneut
in den Köcher als ein blitzender Schmerz seinen linken
Arm durchfloss. Warmes Blut rann ihm über die Finger. Er
biss sich auf die Unterlippe um nicht zu schreien, ließ
den Bogen fallen und zog sein Schwert, bereit jeden der ihm
zu nahe kam in Stücke zu schneiden.
Die beide fremdartigen Krieger blickten geradezu gelassen zu
ihrer Beute. Mit zackigen Säbeln in den Händen kamen
sie auf ihn zu. Ihre Bewegungen waren geschmeidig wie die eines
geübten Kämpfers. Doch er würde mit der Wildheit
einer in die Ecke getriebenen Raubkatze kämpfen.
Ein schneller Hieb, das helle Klirren von Stahl auf Stahl, schnelles
nachsetzen. Wieder und wieder ließ der Krieger sein Schwert
auf den armen Willek niederfahren, der jeden Schlag so gut er
es vermochte parierte. Hinter ihm! Rein intuitiv riss er das
Schwert nach oben und drehte sich um die eigene Achse ,gerade
den Schlag des Zweiten parierend der ihm den Schädel wie
einen Kürbis gespalten hätte.
Ein Pfeifen. Eine Hand die sich an die Kehle griff. Rotes Blut
welches aus einer Wunde sprudelte. Einer der Krieger glotzte
aus herausquellenden Augen die Pfeilspitze an die sich von hinten
durch seinen Hals gebohrt hatte.
Willek parierte erneut, sein Gegenüber schien für
einen Bruchteil abgelenkt zu sein. Er riss den Arm nach oben
und schlug mit dem Schwertknauf so stark er konnte in das Gesicht
des schlanken Krieger. Er spürte wie die Nase unter der
Wucht des Hiebes nachgab, Haut und Fleisch platzten. Das widerwärtige
Knacken von Knochen fuhr ihm durch Mark und Bein.
Der Krieger taumelte noch benommen rückwärts als Willek
bereits über ihm war und ihm das Schwert bis zum Schaft
in den Magen rammte.
Er stand im hohen Gras den Bogen gesenkt.
Willek genoss das Gefühl wie das Leben aus dem Körper
seines Feindes wich, als er die Klinge aus dem schlaffen Leib
zog.
„Wieso bist du wieder hier?! Wir hatten do...“
Entsetzt sprang er zu Willek als dieser auf die Knie sank. Ein
feiner Blutfaden lief ihm den Mundwinkel hinab. Drei Bolzen
hatten ihr Ziel gefunden und steckten nun tief in seiner Lunge.
„Nein Nein!! Du darfst nicht sterben! Hörst du!!!“
Tränen liefen ihm die Wangen hinab als er seinen sterbenden
Freund in den Armen hielt.
Kälte umschlang Willek. Eine entfernte Stimme. Die eines
Freundes doch er vermochte nicht zu verstehen was sie sagte.
Dann wurde es schwarz.
Eisiges Grauen erfasst ihn als der erschlaffte Körper ihm
aus den Armen glitt.
Was hatte er nur getan?
Schritte, das Klirren von Metall. Sie kamen um ihn zu holen.
Doch dafür sollten sie einen hohen Tribut bezahlen. Er
legte einen neuen Pfeil ein und erwartete seine Henker.
Fünf zeichneten sich schwach gegen den Nachthimmel ab.
Er legte an, konzentrierte sich und schoss. Der Pfeil verfehlte
sein Ziel nicht und durchschlug das Kettenhemd knapp unter der
Hüfte. Der schrille Schrei seines Opfers zog sich durch
die Nacht. Hastig schwärmten seine Begleiter aus und tauchten
im Gras unter.
Er ließ seinen Bogen fallen zog sein Schwert und hob die
blutbesudelte Klinge Willeks auf.
Das Rascheln von allen Seiten machte ihm klar, dass sie ihn
bereits eingekreist hatten. Ein erster kam aus dem Gras auf
den Kampfplatz. Bevor seine Zunge auch nur ein Wort formen konnte
fielen Helm und Kopf zu Boden, als die blitzende Klinge ihren
Weg beendet hatte.
Mit einem gewaltigen Satz setzte er über den enthaupteten
Körper und rammte dem dahinter Kommenden die gekreuzten
Klingen in den Unterleib. Dieser fiel auf die Knie und starrte
ihn entsetzt an als Er ihm seinen Fuß auf die Brust setzt
und die Klingen aus dem unseligen Krieger herausriss.
Ein stechender Schmerz ließ ihn herumfahren. Einer stand
da und hielt die Armbrust noch in Händen als das erste
Schwert Sehnen und Muskeln und das zweite den Lebensfaden durchtrennte.
Ein vierter kam aus dem hohen Gras gestürmt das Schwert
hoch über dem Kopf erhoben. Ehe er seinen Streich ausführen
konnte hatte Willeks Klinge sein Kinn durchstoßen. Das
Schwert fiel ihm aus den hocherhobenen Händen und mit einem
widerwärtigen Knirschen glitt die Klinge durch den Schädel
als er zu Boden sank.
Er sah sich um und betrachtete das Blutbad welches er angerichtet
hatte. Über und über war er mit Blut bespritzt.
Doch war es nicht nur das Blut seiner Feinde und auch jetzt
wurde er sich des Schmerzes im Rücken bewusst.
Er spürte, dass seine Zeit gekommen war. Doch wollte er
nicht hier sterben. Nicht in dieser Steppe.
Er wollte noch ein letztes mal seine Frau sehen, ihre samtige
Haut berühren und ihre weichen Lippen küssen.
Mühsam schleppte er sich hinaus in die Nacht. Weg von all
dem Blutvergießen, weg vom Hass.
Doch weit sollte nicht kommen.
Der laue Steppenwind strich sanft über sein bleiches Gesicht.
Mit dem ersten Strahl der aufgehenden Sonne war sein Lebenslicht
erloschen. So lag er in der Steppe, der Himmel war blau und
die wenigen Wolken wurden vom Wind schnell am Himmel vorrangetrieben.
Man hätte die Szenerie als idyllisch bezeichnen können,
hätte man sich den blutbespritzten Leichnam weggedacht,
der mit starrem ,totem Blick den Himmel betrachtete.
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