"DECKUNG!"
Es war immer das gleiche Spiel. Das schrille Pfeifen kam näher
und die gewaltige Explosion erschütterte die vom Regen
aufgeweichte Erde,
schleuderte Metall und Schlamm in Luft und hinterließ
einen stechenden Brandgeruch.
Doch diesmal war es anders. Stille.
Meine Augen schauten in den dunklen, wolkenverhangenen Himmel.
Regen prasselte auf mein Gesicht und verwischte die Schlammspritzer
auf meiner Haut.
Explosionen erhellten für ein paar Sekunden den Himmel,
wie Blitze in einem Gewitter, Laserstrahlen durchzuckten die
Luft wie Glühwürmchen in der Nacht und Raketen zischten
über mir hinweg. Der brennende Rumpf eines zerstörten
Leman Russ Panzers hüllte den Graben in ein schwaches Licht.
Die dunkelblaue, vom Regen durchweichte Uniform klebte kalt
an meiner Haut. Der Helm saß schwer auf meinem Kopf. Ich
lockerte den Gurt und kniff die Augen zusammen um in der Dunkelheit
mehr erkennen zu können.
Ein leichter Dunstschleier zog durch den Schützengraben,
vermutlich durch einen weiteren Granateneinschlag. Der Boden
und die Wände waren zu unserem Schutz mit Brettern stabilisiert
worden. Regen hatte sich in einigen Pfützen gesammelt und
die Erde aufgelockert. Überall verstreut lagen bronzene
Patronenhülsen zwischen den Metallresten, Holzsplittern
und Munitionskisten.
In einem zerfurchten Stück Graben lagen die rauchenden
Überreste von Jenkins, Andrews und Benfield. Ich wischte
mir den Schlamm aus dem Gesicht und schaute nach rechts.
Knapp neben mir hockte der Funker unseres Trupps, mit dem Rücken
an der durchgeweichten Erdwand.
Auch seine Uniform war durchnässt und mit Schlamm überzogen,
das Gewehr zwischen den Knien verstaut.
Hendrics schrie scheinbar etwas in sein Funkgerät während
er sich mit der anderen Hand den Helm auf den Kopf presste.
Mein Bauch pochte.
Seine Schulterpanzerung zeigte die Nummer 274.
XXIII. Regiment von Haldoran, VII. Kompanie, II. Zug, Einheit
274 unter Führung von Sergeant Ihman und 9 Soldaten.
Vor einer Woche waren wir auf diesem Planeten gelandet. Seitdem
hatte es kontinuierlich geregnet.
Ein weiterer Lichtblitz durchzuckte die Abenddämmerung
und ich konnte durch den Regenschleier kurz Hendrics Augen sehen.
Aus ihnen starrte eine Mischung aus Angst und Verzweiflung.
Ich ließ meinen Blick auf den Erdwall wandern. Ein Tausendfüßler
krabbelte behände die Wand hoch, stocke kurz an einer kleinen
Pflanzenwurzel und verschwand schließlich hinter einem
morschen Brett.
Fowler lag neben mir. Seine weit aufgerissenen Augen starren
ausdruckslos in den dunklen Himmel. Der Regen hatte das Blut
längst aus seinem Gesicht gewaschen und in einer rot-braunen
Pfütze unter ihm gesammelt. Dünnflüssig floss
es aus einer tiefen Wunde an seinem Hals und verschmolz mit
dem Schlamm.
Wie ein Springbrunnen der langsam versiegt.
Mit meiner rechten Hand schloss ich seine Lider.
Sie zitterte.
Sergeant Ihman feuerte ein paar mal mit seiner Pistole über
einen Sandsack hinweg, hielt kurz Inne. Er brüllte Jensen
und Peters etwas zu und blickte durch das Skop über den
Rand. Das Mündungsfeuer des schweren Bolters erhellte flackernd
den Graben und zauberte ein Lächeln auf das Gesicht des
Sergeants.
Es war immer noch totenstill.
Der Wind kühlte meine nasse Haut.
Ich fror.
Ein Schleier legte sich auf meine Augen und ich hatte Mühe
noch etwas zu erkennen.
Brookes sank leblos neben mir zusammen während sich das
bläuliche Plasma in seinen Körper fraß. Der
Geruch von verbranntem Fleisch stieg in meine Nase. Sein zerschmolzener
Plasmawerfer fiel neben ihm in den Schlamm und ließ das
Wasser in Sekunden verdunsten.
Ich schloss die Augen und verdrängte das Hungergefühl,
welches ich zu verspüren glaubte. Die Kälte kroch
langsam meine Beine hoch, wie der Tausendfüßler an
der Erdwand.
Ich verspürte einen schmerzhaften Druck in meinem Unterleib
und öffnete die Augen. Die Pfütze in der ich saß
war eine Mischung aus Blut, Schlamm, Schweiß und Regen.
Mein Blick wanderte auf die zerrissene Bauchdecke und auf meine
blutverschmierte linke Hand.
Nun konnte ich den Herzschlag in meinem Bauch spüren.
Für einen Moment hielt ich den Atem an und dachte an meine
Familie auf Elor. Seit 5 Jahren hatte ich sie schon nicht mehr
gesehen. In einer Woche sollten wir Heimaturlaub bekommen.
Schlamm spritzt in mein Gesicht und reißt mich aus meinen
Gedanken.
Jensen und Peters sind ebenfalls in einem rauchenden Krater
verschwunden, Ihmans zerrissener Körper verteilt sich auf
dem Erdwall.
Ich spüre eine Hand an meinem Arm und schaue in Hendrics
verzweifeltes Gesicht. Seine Augen starren auf meinen zerrissenen
Bauch. Tränen laufen ihm die Wangen herunter und sammeln
sich an seinem Kinn. Seine Lippen formen Wörter, aber ich
vernehme nichts.
Nur Stille.
Als ich die Hand vom Bauch nehme, sprudelt das Blut in einer
kleinen Fontäne hinaus.
„Wie ein Springbrunnen der langsam versiegt...“ |