Mit lautem Zischen
setzte das schwere Transportschiff der CV12 „Nemesis“-Klasse
auf dem kalten Boden der Landefläche auf. Sein grauer Metallpanzer
wurde von unzähligen kleinen Lampen erleuchtet, die das Flugfeld
in statischer Gelassenheit säumten. Drei Gestalten standen
unweit des Kolosses im Schatten der Kasernen, irgendwo glühte
der Stummel einer Zigarette im Dunkel der Nacht.
Im Schiff ertönte ein rumpelndes Geräusch, dann sprang
ein Sicherungshebel auf und mit pneumatischem Pfeifen glitt die
Rampe hinab zum betonierten Boden. Mondlicht erfüllte den
dunklen Laderaum und erhellte die schwarzen Soldaten, deren Gewehre
und Materialkisten matt schimmerten.
Von der Kasernenwand lösten sich nun die drei Offiziere und
näherten sich mit großen Schritten der Rampe.
‚Nicht mal ´ne verdammte Parade’, dachte
Sergeant Croin, der die Rampe geöffnet hatte. Seine verspiegelte
Sonnebrille schimmerte im Mondlicht und sein Barett hing ihm
wie immer schräg auf dem kahlgeschorenen Kopf. Laut sog
er die frische Luft durch die Nase ein, während die drei
Gestalten auf ihn zuschritten. Es roch verbrannt.
Als die Männer heran waren und die schwarze Uniform des
Hauptmanns zu erkennen war, löste sich Croin von der Stahlwand,
an der er gelehnt hatte, und salutierte knapp, den Zahnstocher
im rechten Mundwinkel lassend.
„Guten Abend, Sir. Ihre Rettung ist da.“, Croin
grinste, gedämpftes Lachen ging durch seinen Trupp, der
im Dunkeln des Laderaumes saß.
Der Hauptmann hob kurz die Hand, ignorierte die frechen Worte,
was ihm sichtlich schwer fiel, und marschierte die Rampe hinauf.
„Ihr seid also das Planarische Pionierregiment, eh?“,
die Stimme des Hauptmanns war dunkel und rau.
„Die besten dieses Universums, Sir.“, Croin kaute
auf dem Zahnstocher herum.
„Ich bin Hauptmann Fain, willkommen auf Rectus Sieben,
meine Herren.“
Begrüßungsgemurmel ertönte und der Hauptmann
nickte kurz.
„Sergeant Tawnor wird Ihnen Ihre Unterkünfte zeigen.“
„Dann mal los!“, Croin brüllte das letzte Wort
unvermittelt und während der Hauptmann kurz zusammenzuckte,
erhob sich mechanisch die gesamte Einheit, nach Waffen und Ausrüstung
greifend.
Fain schüttelte knapp den Kopf, drehte sich um und verließ
ohne ein weiteres Wort die Rampe. Croin ging hinterher, die
im Takt aufschlagenden Stiefel seiner ihm folgenden Einheit
hallten über den gesamten Platz.
„Das is’ also Rectus Sieben“, murmelte der
Sergeant und spie den Zahnstocher zu Boden: „Verdammt
beschissener Ort, um hier zu sterben.“
Mit malendem Kiefer beobachtete Hauptmann Fain die abrückende
Pioniertruppe. Neben ihm seufzte sein Adjutant auf:
„Der is’ verrückt, Sir. ´ne Sonnenbrille
um Mitternacht.“
„Die Männer müssen verrückt sein, immerhin
sind es Pioniere.“, stellte der Hauptmann fest und drehte
sich auf dem Absatz um: „Die Hälfte von denen wird
die nächsten Tage nicht überleben – und das
wissen diese Kerle auch, sonst wären sie nicht so verdammt
unverschämt.“
„Pioniere...“
Der Adjutant folgte dem Hauptmann in die Dunkelheit des Stützpunktes.
„Es ist immer dasselbe!“, Weyle trat mit seinem
Militärstiefel gegen das Feldbett, das krachend erzitterte.
Croin stand am Fenster der Baracke, an die Wand gelehnt, einen
Zahnstocher im Mund. Die Sonnenbrille hatte er abgenommen, sein
Gesicht zeichnete eine tiefe Falte. Ohne sich bewegen sprach
er: „Ruhig Wey, ruhig Blut.“
„Eben“, mischte sich eine dritte Stimme ein: „Wir
haben schon oft ohne gute Ausrüstung arbeiten müssen
und hier ist das nicht anders.“
Der Sprechende war Pyro, ein abgebrühter Pionierveteran,
der schon länger als Croin im Dienst war. Bei der Schlacht
um Evans Hall hatte er einen Granatsplitter gegen den nacktem
Kopf bekommen und seit dem litt er an Amnesie. Seinen richtiger
Name ging in den Wirren um Evans Hall verloren, sodass ihn die
Männer nur noch „Pyro“ nannten. Und dabei war
es geblieben.
„Pyro hat Recht“, Teron erhob sich vom harten Bett,
sein Barett hing über einem Pfosten, zu seinen Füßen
stand ein roter, abgenutzter Werkzeugkoffer: „Und wenn
du dich abreagieren willst, dann geh’ doch ´n paar
Gardisten klatschen.“
Lachen ertönte und selbst Croin grinste. Die hochnäsigen
Gardisten waren ihr speziellen Feinde. Während sie sich
im Dreck der Gräben herumschlugen, räumten die gepanzerten
Krieger zumeist den ganzen Ruhm ab. Der Pioniertrupp war jedoch
davon überzeugt, dass es kein Gardist mit ihnen aufnehmen
konnte, schließlich waren sie dem Tod „schon öfters
von der Schaufel gesprungen als jeder andere“, wie Pyro
immer sagte.
„Schlaft nun“, murmelte Croin, der die dunklen Schemen
vor dem Fenster am Rande des Stützpunktes beobachtet: „Wir
müssen morgen früh `raus.“
Zustimmendes Brummen ertönte und nach kurzer Zeit verlöschte
das Licht in der Baracke VII. Nur Croin stand noch immer am
kalten Glas und blickte stumm in die Dunkelheit. Im Hintergrund
hörte er das regelmäßige Atmen seiner Männer.
‚Wieder so ein Morgen ohne Abend’, dachte er und
kratzte mit dem Zahnstocher auf der Fensterscheibe herum: ‚Imperator
hilf’ uns, kein zweites Evans Hall möchte ich erleben,
kein zweites Evans Hall...’
Als die Sonne matt über den Horizont blinzelte, stand
das Erste Planarische schon auf dem Vorhof seiner Baracke, die
Blicke geradeaus gerichtet. Der Himmel war düster und dichte
Wolkenberge zogen aus dem Norden heran. Am Horizont sah man
das Blitzen von Artillerieeinschlägen und in der Ferne
rollte Donner übers Land.
Croin sah die Welt wie immer dunkler, als sie war. Dies mochte
zum Teil an der Sonnenbrille liegen, die wieder einmal seine
Augen verdeckte. Mechanisch wanderte der Zahnstocher von einer
Seite des Mundes zur andere. Hinter ihm zog Pyro geräuschvoll
die Nase hoch und spie aus.
Es war sechs Uhr morgens, der Hauptmann war nirgends zu sehen
und es fing an zu regnen. Kein Soldat bewegte sich. Die Zeit
schritt voran und der Regen verstärkte sich, doch die Pioniere
verzogen keine Miene. Ihre braungrünen Uniformen waren
regenabweisend und warm, sie waren Nässe gewöhnt wie
ein Säugling an die Muttermilch. Nur Teron trug ein breitkrempigen
Hut, den er einem Renegaten bei Evans Hall abgenommen hatte.
Ein kleiner Bach hatte sich am Krempenrand gesammelt und floss
nun stetig dem Boden entgegen.
Als die schwarze Gestalt des Hauptmannes hinter der Ecke des
Kommandopostens erschien, salutierte Croin mit einem Grinsen:
„Haben wohl den Regenschirm vergessen, was, Sir?“
Fain machte keine gute Figur im strömenden Regen. Er trug
eine Regenuniform, doch fror er anscheinend und er hatte seine
Hände in den warmen Taschen verkrampft. Mit gedämpfter
Stimme rief er dem Trupp: „Folgen sie mir“ zu und
entschwand dann sofort in Richtung Transportfläche. Hinter
ihm ertönte Lachen und Croin gab das Zeichen zum Abmarsch.
‚Verdammter Schwächling’, murmelte der Sergeant
und stapfte mit großen Schritten los: ‚das sind
diese Büroständer, die seid Jahren keinen Blut mehr
an der Kleidung hatten.’
Sie passierten einige Gebäude und erreichten nach kurzem
Marsch durch die erweichte Erde das Transportterminal des Stützpunktes.
Dieses war ein großer, geteerter Platz, an den einige
Hangar- und Ladeanlagen angrenzten.
„So Männer“, Fain war stehen geblieben und
hatte sich zu den Soldaten umgedreht: „Der Transport mit
einem Fahrzeug ist zu gefährlich, da der Feind viele Wege
vermint hat. Es bleibt also nur noch dies hier.“, er deutete
auf einen Kurzstreckentransporter Typ MM9 „Gladiator“.
Croin wusste, dass dieses Modell schon seid Jahren nicht mehr
produziert wurde.
‚Die stecken wirklich bis zum Hals im Dreck’, dachte
er und spielte mit der Zunge am Zahnstocher herum: „Na
dann, sagen sie ihren Kindern mit Schießprügeln mal
Bescheid, dass die uns nicht vom Himmel holen sollen, Sir.“
Der Sergeant hatte sich an Fain gewandt: „Wie ich sehe,
werden wir abspringen müssen – mit Fallschirmen –
also gehe ich davon aus, dass wir uns erst mal nicht wiedersehen.“
Der Hauptmann schwieg und nickte. Es gab kein Landeplatz an
der Front, den improvisierten Flugplatz hatten sie vor drei
Tagen verloren.
„Na dann, Sir. Sollten wir uns wiedersehen, kaufen wir
ihnen ´nen Regenschirm...“
Die Pioniere lachten auf Croins Bemerkung und setzten sich dann
in Richtung der Rampe in Bewegung.
Der Hauptmann sah ihnen hinterher, bis sich das graue Schott
hinter dem letzten Mann geschlossen hat: „Scherzbolde“,
murrte er und drehte sich um: „Aber eines muss man den
Pionieren lassen, sie nehmen ihre Hinrichtung mit Humor.“
Mit verbittertem Gesicht verließ Fain das Transportterminal
in Richtung warmer und trockener Befehlsbaracke. Nach wenigen
Schritten war er im Regenschleier verschwunden.
„Bastard“, murmelte Croin, der den Hauptmann von
einem Fenster aus beobachtet hatte.
Der Flug war laut und ungemütlich. Die Motoren des „Gladiators“
rumpelten wie eine Sänfte, die von vier unterschiedlich
großen Ogryns getragen wurde.
Croin stand, wie immer, am Fenster und blickte hinaus. Der Transporter
konnte die Wolkendecke nicht überfliegen, da er ein wenig
altersschwach war, aber aufgrund des grauen Regenschleiers fühlten
sich zumindest die beiden Piloten sicher.
„Sieht düster aus da unten, Männer.“ Croin
konnte durch den Regen immer wieder kleine Bilder von zerbombten
Wiesen und Häusern erkennen. Schwarze Wracks standen sporadisch
in der Landschaft, um von Tod und Leid zu berichten.
„Nehmen sie die Sonnebrille ab und sagen sie’s noch
mal, Sir“, Weyle grinste, während er seine Schrotflinte
zurück in den Rückenhalfter schob.
„So witzig ist das gar nicht“, Pyro hatte sich an
eines der weiteren Panzerglasfenster gestellt und blickte hinab:
„Das sieht ja wirklich bös’ aus da unten.“
Ein Rumpeln ging durch das Schiff. Croin sah zur Pilotenkabine
und klammerte sich an eine metallische Stütze: „Was
is’ los?“
Ein weiteres Rumpeln erschütterte den Rumpf des kleinen
Transporters.
„Legen sie ihre Fallschirme an, wir nähern uns dem
Einsatzgebiet.“, die Stimme des Piloten klang mechanisch
und grausam kalt.
„Auf Männer, Schweinsblasen um!“
Mit geübten Handgriffen schnallte sich der Trupp die kleinen
Tornister auf. Fallschirmspringen mussten sie oft und jeder
von ihnen kannte die Gefahren, über Gefechtszonen abzuspringen.
„Mörser und Artillerie wird ihnen Feuerschutz geben.
Sie müssen sich beeilen.“, die Kabinenstimme schien
aus einem finsteren Albtraum entsprungen.
Croin nickte seinen Männern zu, sie nickten zurück.
„Bereit für den Kampf?“
„BEREIT!“
„Na dann...“
Croin trat das Sprungschott auf und blickte nach unten. Der
Regen prasselte immer noch umbarmherzig hinab und verschleierte
den Blick auf die Landschaft.
„Is’ ein beschissenes Wetter Leute, also Kapuzen
auf!“
Pyro nickte mit einem Grinsen und sprang, sein Körper verschwand
im grauen Schleier. Ein Pionier nach dem nächsten trat
so den Weg zur Oberfläche an und bald war nur noch Croin
an Bord des Transporters. Er spuckte den Zahnstocher hinaus
und zog die Nase hoch.
‚Ich hoffe, die Brille hält’s aus’, dachte
er und sprang. Nässe umfing ihn, als er das Schott verlies
und ins Nichts fiel. Der Wind peitschte unbarmherzig und riss
an seiner Uniform.
„Feuchter Job, aber irgendwer fällt immer drauf `rein.“,
murmelte er und zog die Schnur. Mit einem Rauschen entfaltete
sich das verstärkte Tuch und riss ihn aus dem freien Fall
hinaus in ein gemächliches Schweben.
„Wenn der Krieg doch ´ne Frau wäre...“,
er zog sein verbessertes Lasergewehr mit Zynitzielerfassung
aus dem Gurt und schaltete die Energiezelle ein.
„Eins hängt, wie sieht’s bei euch aus?“,
die Kommunikation über das Mundmikrofon war schrecklich
schlecht. Langsam und leise kamen die Bestätigungen der
Männer durchs Rauschen des Regens an sein Ohr und als auch
Teron endlich Meldung gab, atmete Croin auf. Sein Trupp lebte
– ab jetzt konnte es nur schlimmer werden.
Donner grollte durch den Regen und Croin sah schon bald erste
Lichtblitze zu seinen Füßen durch das graue Meer
zucken. Sie waren dem Kampfgeschehen sehr nahe.
„Hier Eins, weiß jemand, wo wir sind?“
Rauschen war die Antwort, die er erhielt. Der Regen nahm an
Stärke zu und der Sturm riss an den Gurten des Fallschirms.
‚Verdammt’, Croin atmete ein paar mal ein, um das
flaue Gefühl aus dem Magen zu bekommen. Dann sah er plötzlich
die Regenwand zu seinen Füßen aufbrechen und erste
Erdflächen breiteten sich aus.
‚Na also...’
Mit einem leisen Schmatzen gruben sich seine Militärstiefel
in den durchweichten Dreck. Das Lasergewehr hatte er kurz vor
dem Aufprall weggesteckt, um beide Hände freizuhaben. Mit
hektischen Bewegungen versuchte Croin, den Fallschirm abzuschnallen,
aber eine Windbö erfasste ihn und schleuderte ihn einige
Meter weiter in den Schlamm. Keuchend suchte er an seinem Oberschenkel
nach dem gezackten Militärmesser und schnitt sich damit
vom lebensbedrohlichen Stoff frei. Es entschwand, vom Winde
getrieben, in den Wirren des Regens.
Croin blieb gehockt auf dem Boden und steckte das Messer weg.
Dann zog er das Lasergewehr hervor und legte es sich schussbereit
in den Arm. Um ihn herum sah er nur Schlamm und Regen, keine
Deckung, keine Menschen.
„Eins hier, gelandet. Männer?“
Rauschen antwortete ihm und er fluchte. Mit der Linken holte
er einen kleinen Kompass aus der Uniformtasche und suchte Norden,
dort hoffte er, seine Kameraden zu finden. Dann steckte er das
kleine Gerät zurück, wischte sich den Schlamm vom
Gesicht und lief geduckt los.
‚Verdammt’, durchzuckte es seinen Geist: ‚Die
Brille ist weg.’
Monoton waren die schmatzenden Schritte im faulig riechenden
Boden. Brandgeruch schlug ihm entgegen und Unbehagen breitete
sich in seinem Magen aus. Wo war er?
„Hier Fünf. Croin, hören sie mich?“
Der Sergeant verharrte und blickte sich suchend um:
„Weyle? Sind sie’s?“
„Jawoll Sarge.“
„Wo sind sie?“
„Im Stützpunkt, wir sind alle hier.“
„Wo ist er?“
„Er liegt östlich unserer eigentlichen Absprungstelle.
Der Wind hat uns aber abgetrieben. Uns hat ein Transporter aufgesammelt.“
„Verdammt! Ich hab keine Ahnung, wo ich bin Weyle.“
„Haben sie ihren Sender?“
„Funktioniert euer Ortungsgerät?“
„Ja – aber das der Feinde auch.“
„Risiko.“
„Verstanden, Sarge.“
Das Mikrofon verstummte. Croin schluckte und sah sich suchend
um. Er brauchte Deckung. Der Sergeant ging wenige Schritte nach
Norden, dann zurück. Hier war nichts außer diesem
verdammten Schlamm. Er stand hier wie auf dem Präsentierteller,
wenn der Regen aufhören würde.
Grimmig sah er hinauf zum Himmel. Schräg fiel der dichte
Regen hinab, irgendwo sah er dunkle Wolken und einige Blitze.
Irgendwie fand ein Zahnstocher den Weg in Croins Mund. Dann
warf er sich vorn über in den kalten Schlamm.
‚Das Gewehr is’ P-Ausrüstung... das geht’,
hoffte er und versuchte, ruhig zu atmen. Ruhig Atmen und Warten,
mehr konnte er nicht tun.
„Jetzt ´n Bier und ´n Weib“, murrte
er leise und versuchte, die aufsteigende Kälte zu verdrängen.
Das tiefe Brummen eines Motors riss Croin aus seinen Träumen.
War es Freund oder Feind?
Er zog sein Gewehr aus dem Dreck und zielte dort in den Regen,
von wo das Geräusch erklang. Sein Atem ging schneller,
sein Herz raste und seine Schläfe pochte schmerzlich. Er
war alt geworden, dachte er einen kurzen Moment, dann sprangen
zwei Lichter aus der Regenwand. Er visierte die Frontscheibe
des Fahrzeuges durchs Zielvisier an und wartete. Der Jeep kam
näher und Croins Finger fing an, unruhig zu zittern. Was
war, wenn er zu spät abdrückte und er verfehlte? Was
wäre, wenn der Wagen voll mit Feinden war?
„Sir?“, erklang die Stimme Weyles durch das Mikrofon.
Croin schreckte auf ob der plötzlichen Frage. Mit ungewohnt
unkontrollierter Stimme sprach er: „Seid ihr das im Wagen?“
„Ja, Sir.“
„Dann haltet an, verdammt.“
„Verstanden Sir.“
Der Wagen hielt und Croin rappelte sich auf. Er sprintete einige
Schritte und sah dann Weyle, der sich aus dem Fenster lehnte.
„Schön, Sie wiederzusehen.“
Croin nickte knapp und schwang sich durch die geöffnete
Tür hinan.
„Abfahrt.“
Der Motor heulte auf und die Räder gruben sich in den Schlamm,
dann gab es einen Ruck und der Wagen fuhr los. Regen prasselte
auf die verdreckte Frontscheibe und Croin sank im harten Sitz
zurück.
‚Ich hasse diesen Job wirklich’, dachte er und fummelte
nach seinen Zahnstocher. Erst jetzt realisierte er, dass er
zitterte: ‚Ich werde wirklich alt... zu alt für diesen
Job.’
Nach einigen Minuten Fahrt fassten die Räder des Vehikels
auf festem, betonierten Untergrund wieder Halt und es fuhr nun
die Hauptversorgungsstraße in Richtung Front hinauf. Rechts
und links sah Croin ausgebombte Gräben, geschwärzte
Bunker und zerfetzte Leiber einstiger Soldaten. Übelkeit
stieg in ihm hoch und Bilder von Evans Hall drängten sich
unweigerlich in sein Gedächtnis. Er sah die ausgebrannten
Augenhöhlen seines Sergeants, sah die schlaffen Körper
der Pioniersoldaten des zweiten Planarischen. Er sah die zerfetzten
Körper und die blutigen Wände. Er sah sich, wie er
zwischen all den Leichen gekniet und geweint hatte. Finsternis
zog auf sein Gesicht und sein Herz verkrampfte sich.
‚Nie wieder Evans Hall, nie wieder Krieg!’, hatte
er sich damals geschworen. Und jetzt saß er wieder in
diesem Leid und diesem Elend.
„Es ist eine beschissene Welt“, murmelte er und
wandte sich zum Fenster. Draußen war der Regen dichter
geworden und verschleierte den Blick auf all das, was ihn an
den Krieg erinnerte. Er sah nur die Straße, die Streifen
und die Lichter des Wagens.
‚Eine beschissene Welt in einem beschissenen Universum.’
Er merkte erst, dass sie gestoppt hatten, als Weyle die Tür
aufstieß und ein Kälteschub durch den Jeep ging.
„Na dann, Sir, da wären wir.“
Croin öffnete seine Tür und trat aus dem Wagen. Um
ihn herum stieg Rauch zum Himmel, Erdhügel waren aufgeschüttet,
geschwärzte Gräben zogen sich bis zum Horizont. Der
Schlamm schien rötlich zu schimmern und Croin schluckte
schwer, bevor er den ersten Schritt tat:
„Unsere Unterkunft?“
„Mal was neues, Sir – Graben Neun.“
„Oh Imperator.“
Weyle nickte nur knapp und ging voraus, Croin folgte im mit
schwachen Gliedern. Sein Herz raste, als er die Toten sah, die
mit verdrehten Gliedern und verzerrten Gesichtern den Graben
säumten.
„Wie lange ist das hier schon ein Stellungskrieg?“
„Drei Monate, Sir.“
„Unser Auftrag?“
„Wir müssen die Tage einen Grabenabschnitt sichern,
der weiter außerhalb liegt. Is’ nicht ganz ungefährlich,
aber immerhin sind wir’s ja, nicht?“
„Ja... jaja.“
Als Croin den Graben betrat, in dem seine Truppe versammelt
war, wurde er von erfreuten Rufen begrüßt. Er lächelte
kurz, dann fielen seine Wangen wieder ein und sein Mund bildete
den bekannten Strich, der sich seid Evans Hall zumeist zu einem
Grinsen verzogen hatte.
„Alles klar Männer?“, er blickte kurz in die
Runde der vertrauten, verdreckten Gesichter. Die Pioniere nickten
und grinsten. Ja, sie waren eben Pioniere, die Härtesten
der Härtesten, wie man sie nannte.
‚Oder die Dümmsten der Dummen’, resignierte
Croin, als er sich auf eine Munitionskiste setzte.
„Schlafen sie ruhig `ne Runde, Sarge. Der Feind soll weit
genug weg sein.“, Pyro schlug dem Offizier auf die Schulter.
Croin nickte.
„Wachaufteilung nach Thetaplan, verstanden?“
Seine Männer gaben ihre Zustimmung und der Trupp legte
sich im Schlamm zur Ruhe. Einzig Teron hatte sich an den Grabenrand
gelegt und suchte mit dem Fernglas den Horizont ab. Er war der
Engel, der sie bewachte und er war der Henker, der sie für
den Tod wecken sollte.
„Hey, Sarge.“
Croin schlug die Augen auf. Sonnenlicht stach ihm in die Augen
und er blinzelte. Seine Uniform war steif vor Dreck und kalt,
seine Haare nicht mehr als solche zu erkennen, aber er lebte
noch.
„Was?“
„Es ist morgen... glaube ich. Auf jeden Fall ist die Sonne
zu sehen.“
Croin nickte und ließ Teron den Rest des Trupps wecken.
Er selbst robbte an den Grabenrand und blickte über das
Schlachtfeld. Welch bitteres Bild hatte ihm der Regen erspart.
Auf dem blutigen Feld lagen Mann an Mann, akribisch aufgereiht,
dem Leichenschauhaus gleich, niedergemäht von automatisch
tötenden Waffen. Leiber waren auseinandergerissen, Panzerwracks
rauchten schwach vom Feuer vergangener Tage.
Croin blickte Teron an, der nickte und sprach aus, was beide
dachten:
„Beschissene Welt, Sarge, sie haben so recht.“
Der Trupp lag nun vollständig am Grabenrand und spähte
auf das Feld des Todes. Sie waren den Anblick gewöhnt und
seltsam abgestumpft geworden.
Das Rauschen des Funkgerätes riss sie aus ihrer Lethargie:
„Kommando an Planarische Pioniere.“
Croin griff nach dem Gerät:
„Erstes Planarisches hier, Sergeant Croin.“
„Gut. Sie haben ihren Auftrag gestern schon erhalten.
Heute ist der Tag X. Bewegen sie ihren Trupp in Richtung Transportterminal.“
„Verstanden, Croin Ende.“
Ein Klicken beendete die Übertragung.
„Ihr habt’s gehört, Männer, auf!“
Der Wagen rumpelte über das steinige, schlammige Feld.
Das innere des Transportfahrzeug war finster, die Fenster fehlten.
Sie waren eingepfercht zwischen dicken Stahlwänden, nur
eine rote Lampe spendete Licht in der Farbe getrockneten Blutes.
Sie fuhren jetzt seid knapp zwei Stunden. Croin erkannte im
Halbdunkel dieses Käfigs die Augen seiner Männer,
das fürchtende Schimmern, die angstvollen Pupillen. Ja,
so ein Fahrzeug war etwas anderes als der Graben. Sie wussten
nicht, was ihnen hier passieren konnte und sie konnten hier
nicht heraus. Im Graben konnten sie zurück schießen,
sie konnten rennen und sich in den Schlamm werfen, aber dies
hier war ein Transporter, ein Stahlgefängnis, ein Sarg.
Croin achtete auf das metallische Sägen der Panzerketten.
Es war ein gutes Fahrzeug, ein neues Fabrikat, ein AF 210. Es
war gepanzert gegen frontale wie seitliche Raketeneinschläge
und es war zu schnell für Artilleriebeschuss.
Der Sergeant seufzte und blickte zu Boden. Er hörte das
Rattern, es schien, als würde sich jedes klappernde Kettenglied
in sein Hirn bohren. Er achtete auf das Atmen seiner Männer,
er sah ihre Augen und Schuld stieg in ihm auf. Er wusste nicht,
wieso und er wusste, dass diese Männer nicht wegen ihm
hier waren. Oder doch? Einige von ihnen gehörten damals
zum Zweiten Planarischen, das so gut wie vollständig bei
Evans Hall aufgerieben worden war. Er hatte die Überlebenden
zu seinem Zug geholt und nun waren sie mit ihm hier. Hier, in
einem Stahlgefäß, in einem fahrenden Sarg.
Es rumpelte, den Wagen durchzuckte ein Knistern, die Männer
hielten dem Atem an und spürten ihr Herz im Halse. Erst
nach einigen verstrichenen Sekunden atmeten sie hörbar
auf.
„Ist schon beschissen, so ´ne Fahrt, nicht?“,
Croin grinste, wie er immer grinste und der Trupp lachte auf,
wie er immer lachte.
Die Ketten mahlten über den Sand hinweg.
Ein Piepen.
Ein Knacken.
Ohrenbetäubend war der Knall, schnell fauchte die Explosion
nach oben und riss den Transporter in einem riesigen Flammenball
in Millionen verbrannter Eisenteile.
Das Wrack kam brennend zum Stehen und gesellte sich zu den übrigen
schwarzen Zeugen von Leid und Tod.
Der kleine Frachter landete zischend auf der regennassen Landefläche.
Ein grauer Stahlkäfig, einem Insekt gleich, so schien es
dem Hauptmann. Als die Laderampe hinabdröhnte löste
er sich mit Sergeant Tawnor und seinem Adjutanten von der Kasernenmauer
und schritt auf den dunklen Innenraum des Transporters zu.
„Ich bin Hauptmann Fain, willkommen auf Rectus Sieben“,
hallte es einsam über den verregneten Platz. |