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SVEN LUNGERSHAUSEN - "DER AUFTRAG"

Der Wald war ruhig und der nächtliche Bodennebel verdeckte das feuchte Unterholz. Viele Tiere des Waldes ruhten noch in ihrem Bau oder labten sich in ihren Höhlen an der in der Nacht geschlagenen Beute. Nur der Wind brachte die auf den Waldboden gefallenen Laubblätter zum Rascheln. Aber einige Lebewesen waren noch unterwegs. Ein kleines Säugetier mit getigertem Fell tauchte zwischen den Farnen auf und schnupperte unruhig über den Boden. Es war auf der Suche nach heruntergefallenen Samen. Auf einem Laubhügel wurde es fündig. Doch schon nach wenigen Augenblicken horchte es erschreckt auf. Die länglichen Ohren stellten sich auf und drehten sich unabhängig voneinander in verschiedene Richtungen. Dann verschwand es so schnell und lautlos, wie es gekommen war. Der Laubhügel begann sich zu bewegen und glitt langsam über den Waldboden.

Die hier typische Dämmerung hatte bereits begonnen. Es war soweit mit der Mission zu beginnen. Ein zirpendes Geräusch lies ihn kurz aufhorchen. Das war das Signal! Schon seit Stunden hatte er hier ausgeharrt und geschwiegen. Seine Atmung war kontrolliert immer flacher geworden und sein Körper war in den antrainierten Ruhezustand gewechselt. Gestern Morgen waren sie angekommen. Dann waren sie sofort in den Wald und seine Atmosphäre untergetaucht und hatten der Natur Gelegenheit gegeben, sich an sie und ihren Geruch zu gewöhnen. Auch sie selbst hatten sofort begonnen sich ihrer Umgebung anzupassen. Irgendwann hatten die hier beheimateten Tiere begriffen, dass sie nicht auf Beute aus waren und ihnen nicht ihr Revier streitig machen wollten. Dann waren sie wieder in ihre artspezifischen Gewohnheiten verfallen und hatten nicht mehr alarmiert geschwiegen. Nein, nun konnten er und seine Kameraden sich bewegen, ohne dass gleich der ganze Wald schwieg, wie es immer der Fall war, wenn irgendwo Gefahr im Verzug war. So würden sie den Gegner nicht unnötig auf sich aufmerksam machen. Es hatte nur ein paar Stunden gedauert, bis sie selbst zu einem Teil der Natur geworden waren.
Die Tarnkleidung hatte den erdigen Duft des Waldbodens angenommen und sich mit dem leicht fauligen Geruch des Laubes vermischt. Etwas mitgebrachtes Pheromonspray hatte dem ganzen noch eine unauffällige Note verliehen und ihren eigenen schwachen Körpergeruch gänzlich überdeckt. Dank ihres speziellen Trainings war es ihnen möglich gewesen, sich über Stunden nur im zeitlupenhaften Kriechgang zu bewegen. So würden sie sich nicht durch zu schnelle Bewegungen und zu laute Geräusche verraten, keine knackenden Äste und Zweige und auch keine raschelnden Blätter.

So hatten sie sich allmählich ihren jeweiligen Zielpositionen genähert, ohne dass auch nur irgendjemand etwas davon ahnte. Mit geschultem Blick hatte er sämtliche Fallen und Sensoren bemerkt, die das Zielgebiet sicherten und überwachten. Schnell waren die Fallen unbrauchbar gemacht und die teilweise gut versteckten Kameras umgangen. Sie durften nicht einfach ausgeschaltet werden. Das Risiko war zu groß, dass ein ausgefallener Bildschirm Alarm in der Zentrale auslöste. Sollte er trotz allem auf einem der Überwachungsbänder zu sehen sein, müsste man sich diese schon im Schnelldurchlauf betrachten, um überhaupt seine Bewegungen darauf ausmachen zu können. Er hatte damals in der Ausbildung nicht schlecht gestaunt, als ihnen der Ausbilder Überwachungsbänder gezeigt hatte und wissen wollte, was sie darauf sahen. Keinem war etwas aufgefallen, erst als der Ausbilder auf einen sich langsam über den Bildschirm bewegenden Grashaufen gedeutet hatte, war ihnen ein Licht aufgegangen. Doch nun waren sie schon auf Sichtweite zum Ziel. Während der langen Wartezeit bis zum Startsignal hatten sie sich alle Wachrotationen der bewaffneten Soldaten eingeprägt. Dies geschah mittlerweile unbewusst und er konnte sich auf die weiteren Schritte der Mission konzentrieren. Nur durch ein kompliziertes Alphabet aus zirpenden Geräuschen und leisen Pfiffen, die problemlos von den Waldtieren stammen konnten, hatten sie sich verständigt und abgesprochen. Gleich nach dem nächsten Wachwechsel wollten sie zuschlagen. Die frischen Wachen wären noch unausgeschlafen oder zu abgelenkt von ihren Tätigkeiten in Innern der Gebäude und würden noch nicht so schnell reagieren können, wie jemand der schon seit einiger Zeit draußen war und sich an die Lichtverhältnisse und Geräusche gewöhnt hatte. Das leise Zirpen war das Startsignal.

Er wählte den Mann aus, der gerade um die Ecke des Elektrozauns kam. Der Mann gähnte und streckte seine Arme. Seine Schicht hatte gerade angefangen und er hatte nun mehrere Stunden Wachdienst vor sich. Sein Gewehr hatte er noch geschultert. Gut. Er würde wertvolle Sekunden damit verschwenden, die Waffe in Anschlag zu bringen und schussbereit zu machen. Der Mann war so gut wie tot. Mit gemächlichen Schritten näherte sich der Soldat einem Baum. Das nichts ahnende Opfer stellte sich breitbeinig in Position um Wasser zu lassen. Mit schnellen lautlosen Bewegungen war er an den Mann heran. Der Zeitpunkt war perfekt gewählt. Der Soldat hatte im Moment alles andere im Kopf, als einen Angriff aus dem Unterholz. Das Messer war schnell gezückt. Er sprang hoch. Mit der Linken umschlang er den Kopf seines Opfers und hielt ihm den Mund zu. Mit der Rechten setzte er das Messer an die Kehle des Soldaten und schlitzte sie schnell und fachmännisch auf. Der Schnitt ging tief genug um auch die Stimmbänder zu zerstören. Warmes Blut ergoss sich über seine Hände. Der ganze Angriff dauerte nicht einmal fünf Sekunden und der Soldat sackte in sich zusammen und wurde von ihm ins nahe Unterholz gezerrt. Ein paar Farne und Sträucher würden die Leiche lange genug verbergen, bis die Mission vorüber war. Er nahm das Funkgerät an sich, mit dem der Soldat einen möglichen Alarm hätte melden können und schlich weiter. Der zweite Soldat, der eigentlich von der anderen Seite des Zauns hätte kommen müssen, erschien nicht. Also war auch er unauffällig ausgeschaltet worden. Er warf einen kurzen Blick auf, den unter seinem grünen Stoffstreifen verborgenen, Chronometer. Sie lagen alle perfekt in der Zeit. Erst jetzt fühlte er das angenehme Kribbeln des Blutes in seinen Gliedern, die so lange fast bewegungslos verharrt hatten und das Adrenalin in seinen Adern, das ihn nach der langen Ruhephase zu berauschen drohte. Er gierte geradezu nach schnellen Bewegungen, doch er musste sich beherrschen. Der kleinste Fehler konnte das Aus für die ganze Mission bedeuten. Mit dem Codeschlüssel des Wachsoldaten kam er durch die Tür im Elektrozaun und war nun auf dem Zielgelände. Viel gab es nicht zu sehen. Das größere Hauptgebäude unterschied sich eigentlich nur durch die Funkantenne und die stärkeren Türen von den restlichen Baracken des kleinen Vorpostens am Rande der Landebahnen. Mit geübtem Blick fand er das, wonach er suchte. Das Generatorhäuschen das den Strom für den Elektrozaun produzierte.

Eigentlich war es nur ein etwas besserer Holzschuppen mit einem schweren Schloss vor der Tür. Im Innern summte der Stromgenerator leise vor sich hin. Mit seinen Spezialdietrichen hatte er das Schloss schnell geknackt und war im Schuppen. Dann zog er ein Kabel aus einer Halterung und unterbrach den Stromfluss. Als nächstes drückte er das Schloss wieder zu und kletterte auf das Dach des Schuppens um sich dort auf die Lauer zu legen. Bald würde jemand nachschauen, was es mit dem Stromausfall auf sich hatte. Er brauchte nicht lange warten und da näherten sich auch schon zwei genervte Soldaten. Sie unterhielten sich leise im lokalen und unverständlichen Dialekt und achteten nicht im Geringsten auf ihre Umgebung. Sie fühlten sich sicher. Interessiert betrachteten sie den noch laufenden Generator und suchten nach der Fehlerquelle. Uneinig über die nächsten Schritte, begann der Eine halbherzig das Gerät mit Schlägen und Tritten zu bearbeiten, während der Andere die Treibstoffzufuhr und die wenigen Hebel und knöpfe die die Leistung des Generators regelten untersuchte. Dabei murmelte er betend vor sich hin. Beide waren nun total abgelenkt und bemerkten nicht den Schatten der vom Dach glitt und sich ihnen mit gezücktem Messer näherte.

Er tötete sie schnell und fast geräuschlos, wobei der Generator laut genug war, um jedes Geräusch der Sterbenden zu schlucken. Mit Mühe zerrte er sie hinter den Generator, wo sie erst einmal gut genug versteckt waren. Als nächstes holte er aus einer der vielen Taschen seiner Tarnmontur ein kleines Zusatzgerät, das er am Generator anbrachte. Als er auf den Knopf einer mitgebrachten Fernbedienung drückte, floss der Strom wieder. Jetzt war er in der Lage, den Strom jederzeit an- und abzuschalten. Jedenfalls für alle äußeren Systeme die von dem Generator gespeist wurden. An die zweite Generatoreinheit, im Innern eines der Gebäude, kam er nicht heran. Ein Blick auf den Chronometer zeigte ihm, dass er etwas Zeit vertrödelt hatte. Seine Kameraden hatten die kurze Stromunterbrechung genutzt und den Elektrozaun überwunden. Er hörte ihre leisen Zirplaute und sputete sich, um die verlorene Zeit wieder aufzuholen. Mittlerweile mussten alle Soldaten die soeben ihren Außendienst angetreten hatten, ausgeschaltet sein. Er hatte nichts davon bemerkt, also hatten die Männer im innern der Gebäude garantiert keine Ahnung von dem, was sich buchstäblich vor ihrer Tür abspielte. Rasch machte er sich auf den Weg zu seiner nächsten Position. Mehrere Male sah er wandelende Vegetation auf dem Gelände. Seine Kameraden nahmen also auch ihre jeweiligen Positionen ein. Vor ihm lag der Sendemast für das Hauptradar und die Funkstation der ganzen Anlage. An dessen Sockel hatte einer seiner Kameraden einen flexiblen Tornister für ihn abgelegt, den er aufnahm, bevor er anfing, den Mast zu erklimmen.

Endlich oben, sicherte er sich mit zwei mitgebrachten Gurten. Beim Aufstieg war er einmal hängen geblieben, als sich seine Ausrüstung an einer vorstehenden Stahlstrebe verfangen hatte und wäre einmal fast abgerutscht und in die Tiefe gestürzt. Natürlich wäre er von einem seiner Kameraden schnell ersetzt worden. Für solche Fälle war im Missionsplan Vorsorge getroffen worden, doch er wollte mit seinem Tod auch nicht dafür verantwortlich sein, die ganze Mission zum Scheitern zu bringen. Auch wollte er gerne noch etwas weiter leben. Neben sich legte er das Spezialseil ab, mit dem er sich nach Erfüllung des Missionsauftrages abseilen wollte. Dann musste es schnell gehen. Wenn es soweit war, würde auf dem ganzen Gelände der Teufel los sein. Er blickte hinunter und suchte nach seinen Kameraden. Nichts. Er entdeckte niemanden. Das ganze Gelände wirkte wie ausgestorben. Dann war es an der Zeit die Waffe fertig zu machen. Mit geübten Griffen holte er die einzelnen Komponenten des Gewehrs aus dem Tornister und setzte sie zusammen. Die Bewegungsabläufe dafür waren ihm in den langen Stunden des Trainings in Fleisch und Blut übergegangen und er hätte sie in völliger Finsternis oder im Halbschlaf zusammensetzen können.

Alle Waffenteile waren Nachtschwarz und zumindest die äußere Gehäuseoberfläche zusätzlich noch leicht aufgeraut. Das sorgte einmal dafür, dass sich auch nicht der kleinste Lichtreflex auf ihr brach und zum andern konnte sie einem so nicht aus der Hand rutschen. Die Waffe neigte dazu ungeübten Schützen mühelos die Schulter auszurenken, wenn man nicht daran gewöhnt war, weswegen sie Gelschulterstütze enthielt, um den mächtigen Rückstoß zu mildern. Als letztes holte er nun die hochsensible Zieloptik aus ihrem Futteral und lies sie in die Halterung einrasten. Sie war das Herz der Waffe. Die empfindliche Elektronik im Inneren des Gehäuses begann zu arbeiten und kleine Leuchtdioden blinkten kurz auf, als sich das Gerät an die herrschenden Lichtverhältnisse anpasste. Nun war die Waffe in der Lage Entfernungen, Windgeschwindigkeiten und Schusswinkel zu messen und zu berechnen. Ein unsichtbarer Ziellaser würde jedes aus ihr abgefeuerte Projektil ins Ziel bringen. Schlechte Sichtverhältnisse bei Nacht und Nebel, Rauch oder starker Regen wurde nun automatisch kompensiert und ausgeglichen. Ein leiser Piepton zeigte an, dass die Zieloptik bereit war. Ruhig legte er sich auf die Lauer. Laut Zeitplan hatte er noch etliche Minuten Zeit, bis das Zielobjekt eintraf. Sein Zielgebiet lag vor ihm. Die Start- und Landebahnen lagen verwaist dar. Das Gelände wurde nur noch selten benutzt, weil es so weitab von den großen Zentren lag. Ideal für Operationen, die nicht unbedingt an die Öffentlichkeit sollten. So sollte es auch heute sein. Ein geheimes Treffen, von dem sich beide Seiten Vorteile versprachen. Doch war dieses Treffen nicht so geheim geblieben, wie es die Beteiligten gerne hätten. Doch noch ahnten sie nichts von ihrem Unglück. Die Zielzone war frei von jeglicher Deckung und versprach beste Sichtverhältnisse, wenn die Sonne in wenigen Minuten aufgegangen war, um den noch jungen Tag zu erhellen. Ein einzelner Hangar lag scheinbar verlassen am Rande eines kleinen Flugfeldes. Er staunte wieder einmal über die Detailschärfe der Zieloptik, die alles perfekt heranzoomte, obwohl das Ziel fast zwei Kilometer entfernt sein würde.

Ein Zirpen erreichte seine Ohren. Das Signal. Das Zielobjekt war auf dem Weg. Mit geübtem Griff holte er ein Magazin mit mehreren großkalibrigen Projektilen aus der Tasche. Diese Geschosse besaßen Miniaturtriebwerke, die sie bei einigen Sekunden Brenndauer so beschleunigen würden, dass sie so gut wie alles durchschlagen würden. Sie waren speziell beschichtet und besaßen weitere, ihm aber leider unbekannte, Eigenschaften, um das Ziel auf jeden Fall zu töten. Er wusste nur, dass die Magazinhülle strahlenresistent war, um den Schützen nicht zu schädigen. Zusätzlich stopfte er sich zwei Gummipfropfen in die Ohren. Nun machte er Bewegungen im Zielgebiet aus. Die Hangartore öffneten sich und zwei Panzerwagen rollten aus dem Hangar. Sie entluden Soldaten mit schussbereiten Waffen. Dann folgten einige hohe Offiziere und zwei lokale politische Würdenträger. Er konnte die Namen auf ihren Uniformen lesen und die glitzernden Steine in ihren Amtsketten erkennen. Er blickte kurz auf und suchte den Himmel ab. Dann konnte er den nahenden Schweber ausmachen, der die Zielperson enthielt. Als der Schweber zur Landung auf dem Landefeld ansetzte, konnte er durch die Zieloptik mehrere ungewöhnliche Details an dem fremden Fahrzeug ausmachen. Das Adrenalin pulsierte erneut durch seine Adern und er spürte die Erregung des Jägers, der seine Beute gesichtet hatte. Er zwang sich zur Ruhe und verlangsamte bewusst seine Atmung. Nicht auszudenken, wenn er die Gelegenheit vertat, nur weil ihm vor Aufregung die Hände zitterten. Er hatte eigentlich angenommen, schon längst gegen solche Gefühle abgestumpft zu sein. Doch das Gefühl der Macht war wieder da. Die Macht, Herr über Leben und Tod zu sein. Er würde Leben nehmen und Tod geben. Der Schweber setzte auf und öffnete seine Luken. Auch aus ihm stiegen bewaffnete Krieger aus. Doch waren ihre Waffen fremdartig und ihre Kampfanzüge geradezu exotisch. Sie trugen seltsame Helme, die sie wie Insekten wirken ließen. Sie waren so anders, wie er es sich in seinen kühnsten Träumen nicht hatte vorstellen können. Erst nachdem sie die Lage als sicher und die Soldaten und Würdenträger als ungefährlich einstuft hatten, verlies ihr Anführer den schwer gepanzerten Schweber, die Zielperson!

Nun sah er diese Fremden das erste Mal ohne einen Helm. Ihr Anführer war eine große schlanke Erscheinung, gekleidet in eine helle Robe und ohne jegliche Waffen oder Ausrüstungsgegenstände, nicht einmal Körperpanzerung war auszumachen. Der Kopf war bis auf einen seitlichen Zopf haarlos. Das Gesicht war glatt und von hellgrauer leichtbläulich schimmernder Haut überzogen. Der Mund war lippenlos und das Wesen schien über keine Nase zu verfügen. Die Augen waren rötlich und schienen von innen heraus zu glühen. Auf der Stirn öffnete sich eine Vertiefung, in dessen Mitte ein Edelstein zu glitzern schien. Vielleicht ein kristallines Schmuckstück? Statt Füßen schien diese Kreatur über eine Art Hufe zu verfügen. Alles in allem ein seltsamer Anblick. Und dennoch strahlte von dem Wesen eine Art Aura, die er nicht direkt einordnen konnte. Er legte das Fadenkreuz der Zieloptik nun direkt auf die Stirn des Wesens und suchte mit dem Finger den Druckpunkt des Abzuges. Das Fadenkreuz verfolgte jede Bewegung des Fremden. Dann schien die Zielperson irgendetwas zu spüren. Suchend blickte sie sich um und schaute dann direkt in seine Richtung. Unmöglich! War er etwa entdeckt worden? Plötzlich zersplitterte der Kristall auf der Stirn und dunkles Blut spritzte aus der Wunde. Der Knall war wie immer unglaublich laut gewesen. Der Rückstoß war wie immer mehr schlecht als recht abgedämpft worden. Die Waffe hatte ihm wieder einmal blaue Flecken beschert. Und doch musste er noch ein weiteres Mal durch die Zieloptik blicken. Der Anführer der Fremden war zusammengesackt. Die hintere Hälfte seines Kopfes war nicht mehr existent und sein Blut hatte eine große Lache um ihn und seine, nun auf ihn zustürzenden, Beschützer gebildet. Sie hatten erst jetzt den Schall wahrgenommen den der Schuss verursacht hatte. Augenblicklich schien sich ein Schutzfeld um sie zu bilden und alle restlichen Krieger reagierten nun wie ein Mann und eröffneten das Feuer auf die Soldaten. Der Schweber fuhr auf einmal schwere Waffen an seinen Seiten aus und begann die Panzerwagen unter Feuer zu nehmen. Die hellblauen Strahlen aus ihren Mündungen verwandelten Mensch und Material zu Asche. Als alle Fremden wieder im Innern des Schwebers waren, flog dieser mit Höchstgeschwindigkeit in den Himmel davon. Der Auftrag war erfüllt.

Schnell baute er die Waffe wieder auseinander. Der Schuss war zwar laut genug gewesen um überall im Lager gehört worden zu sein, aber die Soldaten reagierten nur langsam darauf, da sich das laute Geräusch nicht wiederholt hatte. Sicherlich hatten sie jetzt erst versucht, per Funk Meldungen von ihren Wachposten einzuholen. Und nun würden sie auch erst das kurze Feuergefecht in zwei Kilometern Entfernung registrieren. Aufgeregte Soldaten kamen aus den Türen und riefen in ihrer unverständlichen Sprache Befehle und Kommandos wild durcheinander. Doch nun wurden auch seine Kameraden aktiv. Sie feuerten aus ihren versteckten Stellungen auf die noch verwirrten Soldaten, warfen Granaten in nun offene Türen und zündeten platzierte Sprengsätze. Ihre Gegner wollten auf ihre jeweiligen Verteidigungsstellungen, mussten jedoch feststellen, dass der Feind schon längst in der Anlage war. Endlich war er wieder auf ebener Erde und konnte seine Kameraden unterstützen. Zuvor zündete er noch das Seil an. Es würde bis nach oben abbrennen und keine sichtbaren Spuren hinterlassen, außer etwas Asche, die mit dem nächsten Windhauch weggeweht werden würde. Schnell machte er sich auf den Rückweg in den relativ sicheren Wald. Mit der Fernbedienung unterbrach er die Stromzufuhr des Elektrozauns. Noch konnten er und seine Kameraden das Überraschungsmoment ausnutzen, doch es konnte nicht mehr lange dauern, bis sich die Soldaten formiert hatten und gezielt gegen die Eindringlinge vorgehen würden.
Mit gezogener Pistole rannte er durch das Durcheinander und versuchte, den Soldaten so gut es ging aus dem Weg zu gehen. Systematisch arbeitete er sich von Deckung zu Deckung in Richtung Zaun vor. Rauchbomben sorgten für zusätzliche Verwirrung und deckten seinen Rückzug. Ab und zu sah er einige seiner Kameraden bis sie um die nächste Ecke verschwunden waren. Dann stellte sich ihm einer der Soldaten mit dem Gewehr im Anschlag entgegen und rief ihm etwas unverständliches zu. Die Art wie der Soldat ihn anschrie, sagte mehr als tausend Worte. Er hob die Pistole und drückte ab, ohne auch nur anzuhalten. Beim Training hatte man ihm beigebracht, zu reagieren ohne nachzudenken. Nur das Ziel zählte. Jedes Hindernis auf dem Weg dorthin musste überwunden werden. Der Soldat war viel zu überrascht gewesen, um noch auszuweichen. Dann fiel er auch schon zu Boden. Vor ihm wartete einer seiner Kameraden, der sich ein Gewehr von einem der Soldaten gegriffen hatte und nun Deckungsfeuer gab. Mit Handzeichen mahnte er zur Eile und gab kurz darauf ein paar gezielte Feuerstöße in Richtung der Verfolger ab. Dann hatte er ihn passiert und war schon in Sichtweite des Zauns. Darin klaffte ein Loch, gerade groß genug, um durchzuschlüpfen. Als er durch war, drehte er sich um dem Rest des Teams Deckung zu geben. Doch dann sah er den Schweber der Fremden wieder. Das Fahrzeug musste umgekehrt sein, um den Tod der Zielperson zu rächen. Die Bordwaffen feuerten und töteten Jeden, den die Zielsensoren erfassten. Auch die Gebäude wurden beschossen woraufhin sie zusammenbrachen. Die Soldaten hatten die Eindringlinge längst vergessen und feuerten mit ihren Gewehren nun auf das fremde Fahrzeug. Er wartet so lange es ihm möglich war auf noch fehlenden Kameraden, aber es kamen keine mehr. Als ihn kurz darauf wieder die ersten Bäume umgaben und die Luft den Geruch von verbranntem Fleisch und Feuer verloren hatte, wusste er, dass er dem Gemetzel im Zielgebiet entkommen war. Dann hörte er die Zirplaute der Anderen und gemeinsam zogen sie sich zurück. Der Auftrag war erfüllt und sie hatten nur zwei der Ihren verloren. Trauern würden sie später.

*****

Adjutant Schneider kam in das Büro des Hauptmanns. In seinen Händen hatte er eine wichtige Botschaft. Wortlos reichte er sie Hauptmann und salutierte. Als er gegangen war, begann dieser die Nachricht zu lesen. Der Bericht von Sergeant Jonas, die Spezialeinheit der Unsichtbaren hatte die geheime Mission auf Panuran II erfolgreich absolviert und nur zwei Verluste zu vermelden. Worum es bei der Mission genau gegangen war, wusste er nicht. Die Befehle hatten einige zusätzliche versiegelte Instruktionen der Inquisition enthalten. Aber Brand konnte sich seinen Teil denken. Gerüchten zufolge hatte die Regierung von Panuran II mit den außerirdischen Tau paktiert, um lukrative Handelsverträge abzuschließen. Doch die Tau hatten sich nun, aus noch unbekannten Gründen, aus dem Panuran-Sektor zurückgezogen. Ein weiterer Bericht war ihm heute früh zugetragen worden. Auf einem der Außenposten in der Nähe eines stillgelegten Raumhafen auf Panuran II war es zu einer verheerenden Brandkatastrophe gekommen, bei der niemand überlebt hatte. Jonas Bericht enthielt über diesem Außenposten aber keine näheren Angaben. Klar. War bestimmt Geheimsache. Etwas später klingelte sein Telefon. Am anderen Ende war das Hauptquartier. Sergeant Jonas und seine Truppe Unsichtbarer bekamen eine Belobigung und die Order, sofort zum Sektorhauptquartier aufzubrechen.
Eine Belobigung vom Hauptquartier. Respekt! Hätte er diesen Halblingscharfschützen gar nicht zugetraut.


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