Khârn hasste
es zu warten. Und so war es für ihn nun fast schon so etwas
wie eine Erleichterung. Obwohl der Verräter zusammengepfercht
in einem Entertorpedo saß, und jeder Muskel seines Körpers
fast bis zum zerreißen angespannt war, so wusste er dennoch,
dass er gleich kämpfen würde. Nichts hasste er mehr
als die langen und frustrierenden Raumreisen. Das Warten auf die
Ankunft beim Ziel. Eine jedes Mal schier endlos erscheinende Zeit
ohne Kampf. Der Verräter tolerierte keine Übergriffe
auf die eigenen Schiffsbesatzungen durch seine Berserker, denn
er wusste, dass er sie benötigte. So unerträglich es
war, und so sehr es seinen Hass steigerte, die World Eaters waren
auf die Schiffe angewiesen, die sie von Schlachtfeld zu Schlachtfeld
trugen. Und so waren längere Reisen stets eine Qual für
ihn. Doch all das kümmerte ihn jetzt nicht. Der Torpedo näherte
sich seinem Ziel, und das Warten hatte ein Ende. Um sich hatte
er die fähigsten Krieger seiner Kompanie versammelt. Allesamt
gezeichnet und gesegnet von Khorne, in schweren und archaischen
Rüstungen, die von Symbolen und Fratzen übersäht
waren.
Der blick aus dem Bullauge offenbarte ein heilloses durcheinander.
Großkampfschiffe und Jäger des Imperiums duellierten
sich mit Schiffen der fremdartigen Tyraniden, während dazwischen
Schiffe der World Eaters unentwegt Landungsboote, Jäger
und tödliche Geschosssalven in alle Richtungen ausstießen.
Der Blutgott war ihm heute wohlgesonnen. Seine Schiffe hatten
die Tyranidenflotte registriert, die sich im Anflug auf eine
Welt des Imperiums befunden hatte. Khârn hatte nicht einen
Moment gezögert, und sofort befohlen auf diese Welt Kurs
zu nehmen. Die Schiffe der World Eaters waren eingetroffen,
als die Tyraniden gerade versuchten, die unmittelbaren Verteidigungslinien
der imperialen Schiffe zu durchbrechen, und ihre Sporenkapseln
auf den Planeten abzulassen. Khârns Befehl war gewagt,
aber ein anderes Vorgehen hätte ihn nicht zufriedengestellt.
Er hatte seine Schiffe mitten in die Tyranidenflotte gesteuert,
deren Reihen durchbrochen, und war dann dahinter auf die Imperialen
gestoßen. Nun tobte um ihn herum eine Raumschlacht zwischen
drei verfeindeten Parteien. In diesem heillosen Chaos der Schlacht
fühlte er sich wohl.
Alle taktischen Überlegungen beiseite werfend hatte Khârn
seinen Truppen freie Hand bei der Wahl ihrer Ziele gelassen,
und so schwärmten Landungsboote und Entertorpedos in alle
Richtungen aus. Er selbst befand sich im Anflug auf das Schwarmschiff
der Tyraniden. Der gigantische Biokoloss blutete aus zig Wunden,
die ihm sowohl Imperiale Großkampfschiffe als auch Kreuzer
der Renegaten mit ihren haushohen Plasmageschützen und
Makrokanonen zugefügt hatten.
Der Koloss kam immer näher. Khârn und die anderen
Auserkorenen bereiteten sich auf den Einschlag vor.
***
Sie waren im Körper der Bestie. Der Entertorpedo hatte
sie in einen arterienartigen Gang entladen. Die Wände waren
aus porösem, feuchtem Fleisch, und der Gang schien sich
gleichmäßig zu verengen und wieder zu weiten. Wie
bei einem Organ. Die Berserker wüteten voran, sich durch
eine geringe Zahl kleinerer Kreaturen hackend, die jedoch keine
Anstalten machten, sich zu wehren. Es war wohl ihr einziger
Lebenszweck, sich um das Wohl der Organe des Schiffes zu kümmern.
Bisher war Khârn keineswegs zufrieden. Dann jedoch traten
die Berserker, sich durch eine Art Membran-Tor schneidend, in
eine große Kammer ein, die wenigstens eine Meile lang
und breit war, und ebenso hoch. In den Wänden zu allen
Seiten waren tausende kokonartige Vertiefungen. Die Brutkapseln
der Kreaturen. Doch sie waren alle leer. Vermutlich bereiteten
sich die Kreaturen auf die Anlandung auf dem Planeten vor, oder
sie waren schon dort. Sollten sie tatsächlich ein verlassenes
Schiff geentert haben? Er knirschte mit den Zähnen. Bis
sie von diesem verlassenen Klumpen evakuiert werden konnten,
würde viel Zeit vergehen, jetzt wo so gut wie jeder Teil
der Kompanie irgendwo am Kämpfen war.
Khârn wollte vor Enttäuschung und Wut aufschreien,
doch da vernahm er ein leises Rauschen. Er war nicht sicher
woher es kam, aber es war vorher noch nicht da gewesen. Das
Rauschen schwoll an, und bald war es als eine Kakophonie aus
dem Schaben und Kreischen von zahllosen Kreaturen zu erkennen,
das durch die Gänge hallte und immer lauter wurde. Dann
öffneten sich zu allen Seiten der Kammer die Membrane,
und aus jeder Öffnung ergoss sich ein Meer von Körpern,
Klauen und Zähnen. Hundertscharen von Kreaturen strömten
einer Springflut gleich in den Raum hinein. Es war ein überwältigender
Anblick, der jeden anderen mit Schrecken erfüllt hätte.
Aber nicht die Getreuen des Blutgottes. Gut, dachte Khârn.
Sie hatten das Schiff doch nicht umsonst geentert.
Die wenigen Berserker standen Schulter an Schulter im Zentrum
der Kammer. Die Kreaturen waren so zahlreich und so begierig,
sich auf die Eindringlinge zu stürzen, dass sie teilweise
über einander her kletterten. Wie eine Flutwelle strömten
die Kreaturen auf das Zentrum zu, und drohten gerade über
sie hineinzubrechen, da Stießen alle Berserker zugleich
ihr Schlachtengebrüll aus, und warfen sich der Meute zu
allen Seiten entgegen. Dachte man noch, die Berserker würden
von dem Schwarm hunderter Kreaturen einfach weggeschwemmt werden,
so stießen sie nun wie Pflüge in die Tyraniden hinein,
dass die Bestien zu allen Seiten auseinander stoben. Wie Wirbelstürme
aus Stahl und Blut, so mähten die Berserker sich durch
Berge von Körpern. Khârn selbst kam nicht mit dem
Zählen der getöteten Feinde hinterher, denn er schwang
seine Axt wie ein besessener, und jeder Streich tötete
gleich mehrere Kreaturen.
Ohne jegliche Erschöpfung zu zeigen kämpften die Berserker
so mehrere Minuten, bis die Kammer angefüllt war mit den
Körpern hunderter Gefallener, die sich immer weiter auftürmten.
Es fiel schwer sich zu bewegen, und bei den anhaltenden Attacken
der Tyranidenkreaturen nicht zu Boden zu gehen. Außer
Khârn waren nur noch zwei weitere Berserker am Leben.
Die Äonen alten und vom Chaos verzerrten Rüstungen
der Berserker waren von den Tyranidenkreaturen kaum zu durchdringen,
aber sie wurden praktisch erdrückt von der Masse an Körpern,
und nicht selten klammerten sich mehrere der kleinen Kreaturen
gleichzeitig mit ihren Klauen und Zähnen an den Berserkern
fest. Selbst ihre übermenschlichen Kräfte stießen
hier an ihre Grenzen. Doch Khârn fand es wunderbar. Jede
seiner Bewegungen tötete. Er brach Knochen, zerstampfte
Schädel, riss Gliedmaßen aus. Als wäre es ein
niemals enden wollendes Fest der Gewalt.
Doch dann lies es nach. Die Flut ebbte ab. Die kleineren Kreaturen
kamen nicht mehr nach. Entweder gab es keine mehr, oder die
Tyraniden hatten sich entschieden, den Berserkern keine mehr
vorzuwerfen. Khârn wollte es gerade bedauern, doch dann
sah er, dass es nicht mehr nötig war. Es kamen die Krieger.
***
Es war gut. Es war anders. Wo die kleineren Kreaturen mühelos
zu Dutzenden niedergemacht werden konnten, und wo sie nur durch
ihre Masse ein wenig Widerstand aufbringen konnten, da waren
die größeren Kreaturen schon für sich alleine
echte und würdige Gegner. Bei den kleineren Kreaturen hatte
Khârn sich nicht viel bewegen müssen. Er hatte nur
um sich geschlagen, und war gelegentlich auf die größte
Gegneransammlung zugestürmt. Gegen die Krieger war das
anders. Er musste richtig kämpfen. Er wich Schlägen
aus, drehte sich blitzschnell einem anderen Gegner zu, zielte
mit seiner Axt genauer. Ab und an tötete sein erster Schlag
den Krieger nicht sofort, und er musste noch einmal nachsetzen.
Er hieb nicht nur wild um sich, sondern er schlug gezielt und
mit Kraft auf einen Gegner ein. Das Töten war hier nicht
nur reine Freude, es war notwendig. Er kämpfte jetzt auch
um sein Leben. Khârn konnte sich nicht nur auf seine Axt
verlassen. Während er nach hier Schläge austeilte,
musste er dort mit seinem anderen Arm das Genick oder das Rückrat
eines Krieger brechen, oder ihm den Schädel zertrümmern.
Die Schläge der Krieger waren kraftvoll, und wenn er nicht
ausweichen konnte, dann erschütterten sie ihn bis ins Mark.
Das entfachte seinen Zorn nur noch mehr, und deshalb war es
gut. Mittlerweile waren auch die letzten beiden überlebenden
Berserker gefallen, und Khârn war allein. Nicht ganz,
denn er war umringt von zahlreichen Kriegern, die ihn allesamt
um einiges an Körpergröße überragten.
Und die Krieger waren nicht nur stärker als die kleinen
Kreaturen. Sie waren auch boshafter. Die kleineren hatten kaum
einen eigenen Willen. Wie Tiere stürzten sie sich auf ihre
Feinde. Doch die Krieger hatten einen eigenen Intellekt. Sie
waren böse. Er konnte ihren Hass spüren. Die Tyraniden
benötigten keine Sprache um das zu vermitteln. Es war absolut
klar, wie sie fühlten. Und er ergötzte sich an ihrem
Hass. Sie wollten ihn töten, nicht nur weil er ein Eindringling
war, sondern weil er da war. Aber er war stärker. Es kostete
mehr Kraft als bei den kleinen Kreaturen, aber er tötete
sie, er zerbrach sie, er vernichtete sie. Alle.
***
Khârn brüllte auf. Es war kein Krieger mehr da.
Es war niemand mehr da. Er stand auf einem Berg von Leichen,
der mindestens zehn Meter hoch war. Und es war nicht der einzige
Leichenberg in der riesigen Kammer. Bluttrinker in der Linken,
die andere Faust geballt, so stand er für einen kurzen
Moment, am Ganzen Körper zitternd und vibrierend durch
die Anspannung und das Adrenalin. Seine Rüstung war bedeckt
mit Blut und Klumpen der Tyraniden. Er selbst hatte zahlreiche
Verletzungen davongetragen und seine Rüstung hatte gelitten.
Er atmete schwer.
Aber er konnte sich jetzt nicht ausruhen. Er musste noch vollenden,
weshalb er hergekommen war. Er musste die riesige Kreatur töten,
in deren Eingeweiden er sich gerade befand. Ein anderer wäre
in den verschlungenen Tunneln des Schwarmschiffes verloren gewesen.
Doch Khârn wusste wo er lang musste. Er konnte den Hass
des Schwarmbewussteins spüren. Er fühlte, wo sich
dieser Hass ballte und konzentrierte. Doch Khârns Hass
war stärker. Und das wusste auch das Schwarmschiff. Er
konnte in der Umgebung eine Änderung in der Laune des Kolosses
spüren. In dem Hass schwamm nun ein Beigeschmack von Angst
mit. Khârn lachte innerlich auf, bei dem Gedanken an die
Situation. Er war wie ein Geschwür, dass sich durch den
Körper der Bestie bis hin zum Herzen vorarbeitete, um es
dann zu töten.
***
Er betrat die Herzkammer. Ob es das Herz war, oder das Hirn,
war ihm eigentlich egal. Es war das Zentrum des Schwarmbewusstseins,
der Knotenpunkt. Wenn er es vernichtete, würden die gesamten
Tyranidenstreitkräfte in der Umgebung führerlos sein,
und es wäre ein leichtes sie zu vernichten, um sich danach
vollständig den imperialen Hunden zuzuwenden. Doch das
Herz war nicht ganz schutzlos. Es hatte sich einen Trumpf zurückbehalten.
Khârn stand dem Tyranten gegenüber. Dem Herren des
Schwarms. Die Bosheit in diesem Raum hätte einen normalsterblichen
Menschen umbringen können, doch davon war der Verräter
nicht beeindruckt. Der Hass des Tyranten war ungleich stärker
als der der Krieger. Wie Finger streckte er diesen Hass nach
Khârn aus, wollte ihn damit erwürgen, damit erschlagen.
Der Wille des Schwarmbewusstseins verfestigte sich durch die
Kräfte des Tyranten zu einer tödlichen Waffe. Doch
er vermochte den Verräter nicht zu treffen. Die Kreatur
schrie in Frustration auf, als seine psionische Attacke gegen
Khârn keine Wirkung erzielte. Voller Zorn warf sie sich
auf ihn. Drei Mannsgrößen hoch, war ein Tyrant ein
furchterregender Gegner, den kein Sterblicher zu besiegen hoffen
durfte. Doch der Verräter war kein normalsterblicher. Er
lies sich fallen.
***
Es war wie ein Traum. Sein Körper fühlte sich taub
an. Sein Sichtfeld war an den Seiten getrübt, fast so,
als würde er durch einen Tunnel blicken. Er sah die Kreatur,
aber sie war verschwommen. Er nahm Bewegung war, seine Bewegung.
Und die Bewegung der Kreatur. Er wusste nicht was er tat. Er
bewegte sich wie von selbst. Er hackte. Er brüllte. Das
brüllen und hacken, das kreischen der Kreatur, und das
Surren von Bluttrinker. Das alles hörte er kaum. Als ob
es weit weg wäre. Die Attacken der Kreatur trafen ihn wie
Hammerschläge. Er spürte wie seine Knochen Brachen.
Er spürte wie seine Sehnen und Muskeln rissen. Aber er
spürte keinen Schmerz. Nur Hass. Er hieb. Er traf. Immer
wieder und wieder.
***
Er hackte noch weiter auf den Tyranten ein, und schrie ihn
an. Aber der Tyrant hatte schon vor einer Weile aufgehört
sich zu wehren. Es war nicht mehr als verstümmelte Überreste
von der Kreatur übrig. Seine normalen Sinne kamen zu ihm
zurück, und Khârn hörte auf, auf die Leiche
einzuschlagen. Er atmete schwer. Er konnte seinen linken Arm
nicht bewegen, und wenigstens zwanzig Knochen in seinem Körper
waren gebrochen. Seine Rüstung war verbeult und hatte klaffende
Wunden. Aber das kümmerte ihn nicht. Er konnte nicht sterben.
Er konnte nur töten. Und nun war das Schwarmschiff dran.
Nachdem er das Herz des Schiffes mit einigen Sprenggranaten
präpariert hatte, machte er sich auf den Weg zurück
zum Entertorpedo, um sich abholen zu lassen. Wenn er dann abgeholt
wurde, die restlichen tyranidischen und imperialen Schiffe geschlagen
waren, dann konnte die Anlandung auf dem Planeten beginnen.
Er hasste es zu warten. |