Geschwader-Kapitän
Tussard zog seinen Greifvogel-Abfangjäger in engem Bogen
um einen kleinen Astroiden. Vor ihm tauchten die klobigen Umrisse
des Feindlichen Bombers auf. Ohne zu zögern feuerte er eine
Salve aus seiner Bordkanone ab. Die Geschosse schlugen in den
breiten Rumpf des gegnerischen Raumschiffes ein ohne eine offensichtliche
Wirkung zu erzielen. Plötzlich brach der feindliche Pilot
nach links aus, aber Tussard hatte keine Schwierigkeiten ihm zu
folgen. Die Schiffe des Feindes waren robust, aber verglichen
mit den Raumjägern der hyalonischen All-Flotte geradezu träge.
Dafür waren sie tödlich. Ein einziger dieser Bomber
konnte, ausgestattet mit nuklearen Raketen, eine ganze Stadt vernichten.
Gerade als der hyalonische Pilot seine Echoton-Rakete abfeuern
wollte warnte ihn sein Radar mit einem schrillen pfeifen vor einem
Feindlichen Flugkörper. Fluchend riss er seine Maschine erneut
in eine selbstmörderisch enge Kurve. Die Wasserpolster seiner
Pilotenkombi drückten ihm das Blut aus den Beinen in den
Kopf, trotzdem verschwand für Sekunden jede Farbe aus seinem
Blick. Links über ihm sah er zwei feindliche Jäger:
Weniger robust als die Bomber, dafür erheblich wendiger.
Mit seinem Manöver hatte er ihre Raketen ins Leere gehen
lassen, die feindlichen Piloten aber noch nicht abgehängt.
Hektisch suchen blickte Tussard sich um. Unter ihm näherte
sich das riesige Mutterschiff der Angreifer dem inneren Asteroiden
Gürtel des Hyalon-Systems. Dieser Gürtel war zugleich
der innere Verteidigungsring ihres Planeten. Wie eine Horde zorniger
Insekten hatten sich die Jäger der Verteidiger auf den Waffenstarrenden
Koloss gestürzt, der darauf hin seinerseits eine Wolke kleinerer
Raumschiffe ausgespieen hatte. Nun hingen zwei dieser Angreifer
hinter Kapitän Tussard und es wollte ihm nicht gelingen sie
ab zu schütteln. In immer engere Kurven zog er den Greifvogel,
streifte Asteroiden um haaresbreite, aber seine beiden Verfolger
waren ein eingespieltes Team. Nie konnte er sie beide abschütteln,
immer deckten sie sich gegenseitig. Lange konnte er das nicht
mehr mitmachen, schon hörte er das Blut in seinen Ohren rauschen
und mit jedem Manöver schien sein Blickfeld enger zu werden.
Verzweifelt nahm er Kurs auf das gegnerische Mutterschiff. Sofort
warnten ihn seine Instrumente vor einem dutzend Zielradaren die
ihn erfasst hatte. Als er in den Feuerbereich des Schiffes eintauchte
nahm ihm das bunte Feuerwerk aus den Abwehrgeschützen beinahe
die Sicht. Aber der Tussard war ein Veteran vieler Schlachten
und mehr seiner Intuition folgend als auf die Instrumente seines
Jägers vertrauend wich er dem Feuer aus. Er zog eine Spur
explodierender Geschosse hinter sich her und die aufleuchtenden
Warnungen vor Beinahetreffern und Schäden an seiner Maschine
badeten ihn in rotes Licht. Dann war er durch. Er hatte den Feuerbereich
hinter sich gelassen und wie er gehofft hatte waren ihm die Jäger
nicht in diese Todeszone gefolgt. Erleichtert atmete er auf. Ein
kurzes Aufblitzen auf einem der größeren Asteroiden
lenkte seine Aufmerksamkeit auf sich. Dort stand die gewaltige
Inferno-Feuerbasis, das Rückrad ihrer Verteidigung. Ihr Unsichtbarer
Energiestrahl traf das feindliche Mutterschiff und brannte ein
kreisrundes Loch durch den Rumpf. Tussard beobachtete wie Explosionen
über den Leib des Giganten wanderten und er wie ein sterbendes
Tier ziellos umher trudelte. Steuerlos prallte das Schiff gegen
Asteroiden und brach schließlich ganz auseinander. Die angreifenden
Geschwader stoben in zielloser Flucht auseinander. Der Tag schien
gewonnen, doch da sah Tussard den Bober von vorhin einsam auf
den Verteidigungs-Asteroiden zuhalten. Der Kapitän nahm Kurs
auf die feindliche Maschine. Die Entfernung war groß und
er musste den Nachbrenner zuschalten, wollte er den Gegner noch
rechtzeitig abfangen. Entschlossen drückte er die Schubkontrolle
bis zum Anschlag durch. Doch anstatt von der Beschleunigung in
den Sitz gedrückt zu werden hörte er nur, wie seine
Triebwerke mit einem jämmerliche Krächzen erstarben.
Schadensmelungen flatterten über alle Monitore. Sein Greifvogel
war rettungslos zerschossen. So konnte Geschwaderkapitän
Tussard nur hilflos mit ansehen, wie der Bomber über den
Astroiden hinweg zog und die Inferno-Feuerbasis in einem Feuersturm
verschwand.
Die All-Flottenbasis auf Aktia war in tiefen Schnee gehüllt
und Tussard und seine Piloten standen frierend in der großen
Hangarhalle stramm. Der Setrap von Groß-Aktia stand hinter
einem Rednerpult, welches seine schmächtige Gestallt fast
gänzlich verdeckte. Mit sorgenvoller Mine Sprach er zu
den Soldaten: „Ihr habt auch dieses Jahr tapfer für
Hyalon gekämpft Söhne Aktias. Eine schwere Zeit liegt
hinter uns und es werden noch einige schwere Jahre kommen, aber
ich bin sicher, ihr werdet in eurem Kampf nicht nachlassen und
am Ende werden wir Triumphieren, wie unsere Vorfahren schon
über die Grünhäute Triumphierten!“
Mit diesen Worten trat er von dem Pult zurück. Niemand
applaudierte, keine Hochruf und der Setrap verließ ohne
weitere umschweife den Hangar. Damit waren sie entlassen.
Tussard stand noch einen Augenblick ungerührt da. Er war
sich nicht so sicher, was ihren Sieg anbelangte, ja noch nicht
einmal, ob ihr Kampf noch Jahre dauern würde. Zwar hatten
sie bisher jeden Angriff abgewehrt, aber jeden Sieg hatten sie
mit Geländeverlusten erkauft. Die äußeren Kolonien
hatten sie schon vor einem Jahrzehnt verloren. Echoton als erstes.
Und nun waren die Angreifer bereits in den inneren Gürtel
vorgedrungen. Angreifer, von denen sie nichts kannten als das
Äußere ihrer Kampfschiffe und die Verwüstung
die sie in den Kolonien hinterlassen hatten. Echoton. Bitterkeit
stieg in Tussard auf, als er an diesen Ort dachte.
„Kapitän, wollt ihr nicht mitkommen?“
Tussard schreckte aus seinen finsteren Gedanken hoch. Leutnant
Gulman, sein Flügelmann hatte ihn angesprochen.
„Wohin?“ fragte der Kapitän verwirrt.
„Na in die Grünhaut, Käptn. Es ist schließlich
Gründerfest!“
Tussard zögerte einen Augenblick. Es war eine Art Tradition,
dass die Kampfpiloten Aktias jedes Jahr in der „Grünhaut“
ausklingen ließen, bevor sie zu ihren Familien gingen.
Eigentlich war ihm nicht nach Feiern zumute, aber was sollte
er schon alleine zuhause.
„Natürlich Leutnant, gerne doch!“
Die Straßen der Hauptstadt waren tief verschneit und
es war bitter kalt, wie es auf der nördlichen Halbkugel
Hyalons üblich war zum Gründerfest. Hier war es auch,
genau an der Stelle an der nun Aktia stand, wo der Legende nach
der erste Mensch seinen Fuß auf den Planeten gesetzt hatte.
Tussard und seine Kollegen waren froh, als sie die festlich
geschmückte Kneipe ereichten und endlich aus der Kälte
heraus kamen. Der Raum war bis zum bersten mit Uniformierten
gefüllt. Trotzdem gelang es Gulman noch einen Sitzplatz
für seine Kameraden zu organisieren. Darin hatte er ein
echtes Talent. Die nächsten zwei Stunden verbrachten sie
mit rauen Scherzen und abenteuerlichen Lügen über
ihr fliegerisches Können. Dann war es Zeit auf zu brechen.
Die meisten gingen heim zu ihrer Familie, so auch Gulman.
„Wollt ihr nicht mitkommen Käptn? Laslie kocht sowieso
viel zu viel und die Kinder würden sich freuen.“
Tussard winkte ab. „Nein Danke Leutnant“
Gulman sah ihn lange an. „Aber ihr müsst das Gründerfest
nicht allen feiern. Ich mein…elf Jahre sind eine lange
Zeit.“
Tussard schluckte schwer und fast wären ihm die Tränen
in die Augen geschossen. Vor elf Jahren hatten die Angreifer
Echoton verwüstet. Es war der Erste große Angriff
gewesen. An einem Gründerfest vor genau elf Jahren hatte
er dort seine Familie verloren. Er selbst hatte Dienst auf einer
nahen Station geschoben und so hatte er zu den ersten gehört,
die den Ort nach dem Massaker ereichten. Keiner der Kolonisten
hatte überlebt, viele wurden seid dem vermisst. Die Garnison
musste sich tapfer verteidigt haben, aber von den Angreifern
gab es keine Spur.
„Danke Gulman, aber ich gehe besser nach hause“
Ein schrilles Pipen unterbrach sie. Gulman griff fluchend nach
seinem Alarmmelder. Er hatte bei der jährlichen Dienstverlosung
Pech gehabt und gehörte zur zweiten Alarmrotte.
„Ausgerechnet heute Abend!“ zischte er „Wo
Laslie und die Kinder warten.“
Tussard löste seinen eigenen Melder vom Gürtel und
gab ihn einem Freund.
„Gebt mir euren, ich habe nur Reservebereitschaft und
ihr habt einen Abend mit eurer Familie verdient.“
Gulman nahm zögernd den Melder seines Vorgesetzten. „Aber
das kann ich nicht verlangen, Käptn, das ist…“
„Ein Befehl Leutnant.“
„Danke!“
Ein erneutes Piepsen unterbrach sie. Gulman betrachtete die
Geräte in seinen Händen die nun beide aktiviert waren:
„Was zum Teufel…“
Mit einem Mal war der ganze Raum erfüllt vom vielstimmigen
Lärm dutzender Melder.
Tussards Greifvogel schoss aus dem Katapult-Tunnel wie ein
Korken aus der Flasche. Kaum ließ der mörderische
Beschleunigungsdruck nach, wandte er sich seinen Instrumenten
zu. Die Freund-Feind-Kennung seines Radar-Monitors zeigte ihm
die grünen Tupfer seiner Einheit vor dem grauen Hintergrund
der Millionen Teile orbitalen Mülls, die den Planeten gänzlich
einschlossen und von tausenden von Jahren Raumfahrt zeugten.
Ohne zu zögern gab er seine Befehle:
„Rotes Geschwader V-Formation. Das Ziel ist…“
er las die Botschaft die auf seinem Kommandoschirm erschien
„…die Ferne Umlaufbahn Sektor 22.Abfang Mission!“
Die Umlaufbahn! Tussard war erschüttert: Der Feind hatte
den Planeten erreicht! Ausgerechnet am Gründerfest war
es ihm gelungen ihre letzten Abwehrriegel zu umgehen.
„Rotes Geschwader, Trümmerkorridor Beta 12. Aufschließen.“
Mit diesem Befehl führte er seine Einheit auf einem sicheren
Pfad durch das Feld aus Raumfahrtschrott. Für einige Augenblicke
zeigte sein Radar nur die graue Masse alter Raketenteile und
ausgedienter Satteliten um ihn herum an, dann hatten sie die
Trümmerzone verlassen. Der Pilot runzelte die Stirn, noch
immer war sein Schirm voller grauer Kontakte. Entweder war die
Anzeige defekt oder seine Instrumente wurden noch immer von
den Trümmern gestört. So oder so, eine Fehlfunktion
konnte er sich nicht leisten. Gereizt schlug er mit der flachen
Hand auf die Instrumententafel. Flackernd erwachte die Freund-Feind-Erkennung
zum leben und färbte die Punkte seines Geschwaders grün.
Der Rest des Bildschirms leuchtete in feindlichem Rot.
Tussard blinzelte. Das konnte unmöglich sein…und
doch der Raum vor ihm war gefüllt mit über eintausend
feindlichen Kontakten aller Größe. Zögernd löste
er den Blick von den Instrumenten und sah aus der Kuppel seines
Gleiters. Einige der Schiffe waren so gewaltig, dass er sie
auf den ersten Blick für Asteroiden hielt. Gigantische
Kriegsmaschinen, wie fliegende altertümliche Städte,
an deren Bug Adler prangten die höher waren als das Parlamentsgebäude
von Aktia. Kein Zweifel: ihr Feind war mit Macht zurückgekehrt.
Tussards Mund wurde trocken, sein Mut sank und er wusste mit
Sicherheit das Hyalon sein letztes Gründerfest gefeiert
hatte.
Blechern erwachte sein Funkgerät zu leben. Ein voller grüner
Balken zeigte ihm, dass ein Funkspruch auf allen Frequenzen
herein kam. Eine gebieterische, tiefe, fremde Stimme in gebrochenem
Hyalon sprach:
„Im Namen des Imperators und des Hohe Senat zu Terra befehle
ich Lord-Feldmarschall Soton, Oberster Befehlshaber des Goliath-Sektors,
den Bewohnern der Welt Hyalon ihren Widerstand ein zu stellen
und in das Imperium der Menschheit zurück zu kehren.“
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