Einige Erinnerungen an den Zwerg also, den der natursichtige Mensch oder die
Volksphantasie wohl überall auf der Welt erschaut hat, jenen Archetypus unseres
Unterbewusstseins, der ursprünglich von Trägern des Mythos und der Sage,
im Volksaberglauben für wirklich gehalten, im Volksmärchen dann aber
zwischen Realität und Erdichtung geraten ist.
Er erscheint als ein unterirdisches Wesen, das im Erdinneren, in Höhlen,
Grotten und Gruben oder im Waldversteck haust. Ethnologen bestätigen uns,
dass im Inneren von Afrika heute noch Zwergvölker leben, denen schon die
alten Ägypter begegnet sind, deren Köpermaße noch weiter untertrieben
wurden und so ins Märchenhafte übergegangen sind. Frühantike Kulturnationen
haben solche Völker, so sie ihrer habhaft werden konnten, zu Bergwerksarbeiten
herangezogen, weil sie sich in den engen Stollen am besten bewegen konnten. Wie
ein Historiker der Mineralogie wissen will, haben sich ihre Urbilder auch nördlich
der Alpen verdungen, woraus, nirgends sesshaft, immer weiter wandernd, sich die
Sage der Unsichtbarkeit der Kobolde gebildet hat.
Diese Erklärung ist im realen wie im mythischen Sinne widerlegt, ja überholt
durch in unseren Tiefenschichten angelegten Strukturelementen, zu denen wir andere
archaische Urbilder, wie die Schlange, die Hexe, die Fee und ähnliche Traumtypen
rechnen, darunter den meist menschenfreundlichen, Horte hütenden, Schätze
findenden Berggeist. Die altgermanische Sage hat in charakteristischer Umkehr
auch den bösen, seinen Hort mit Neid und Missgunst bewachenden Zwerg gekannt.
Wir denken an Alberich, der die Nibelungen im Berg arbeiten lässt, dem mit
seiner Tarnkappe die Unsichtbarkeit verliehen ist. Vielleicht ist dessen Neid
und Geiz aus dem Minderwertigkeitsgefühl des Zukurzgekommenen zu verstehen.
Eine bedeutsame Rolle spielen zwergische und zwergähnliche Wesen in der archaischen
Frühzeit der Griechen, die sie in besonderen Kulten verehrten und häufig
auch in der Kunst zu finden waren. Die Zwerge der nordischen Sagen haben einige
Grundzüge mit ihnen gemeinsam, etwa geisterhafte humoristische Qualitäten,
die in der bildenden Kunst beliebt waren. Viel belacht wurde zum Beispiel der
Angriff auf den seelenruhig weiterschlafenden Herakles, wobei wir in der Literatur
an den Versuch der Zwerge bei Swift denken, den riesenhaften Gulliver zu fesseln.
Aus "Verzauberte Welten" von Time-Life:
"Die einzigen schriftlichen Überlieferungen über Zwerge sind
aus Island zu uns gekommen, jenem Land des Feuers und des Wassers am fernen
Rand der nördlichen Welt, wo Gelehrte und Dichter des Mittelalters aus
fragmentarischen Geschichten vom Beginn der Schöpfung umfangreiche Erzählungen
und Lieder gestalteten. In dieser sogenannten 'Edda' erscheinen die Zwerge,
wie sie in ihren frühesten Zeiten gewesen waren, als Schmiede der Götter
und Gestalten von titanischer Macht. Sie besaßen nichts von der Scheu
ihrer Nachfahren, sondern waren hochmütig und prahlerisch. Die Zwerge traten
gemäß der Edda gleich nach den Göttern ins Dasein, und ihre
Gestalt formte sich aus der gleichen Urmaterie wie die Felsen, Berge und Meere
unseres Planeten. Die Erzählung vom Ursprung des Zwergengeschlechts ist
gleichzeitig die von der Morgendämmerung der Erde..."
Hier einige bekannte Zwergenfamilien und ihre unterschiedlichen Eigenschaften:
- Die Kobolde aus Nordeuropa waren hilfreich und fröhlich, wenn man sie
gut behandelte; kränkte man sie, verursachten sie Chaos im Haus.
- Der irische Cluricaune war ein notorischer Trinker, aber immer gut gekleidet.
- Den irischen Leprechaun konnte man finden, wenn man seinem Hämmern nachging,
doch noch niemand konnte je sein Gold stehlen, da er geschickt seine Verfolger
ablenkte.
- Die Wichtlein aus Deutschland dürften uns wohl allen aus unseren Kindertagen
bekannt sein.
- Wenn der schottische Brownie geärgert wurde, verwandelte er sich in einen
Boggart, der sehr tückisch war.
- Und dann noch der Redcap aus dem schottischen Grenzland, der Reisende angriff
und mit ihrem Blut seine Mütze färbte.
J.R.R. Tolkiens Zwerge sind in der germanischen Mythologie zu suchen. Ihre
nordischen Namen stammen zum großen Teil aus der isländischen "Edda".
Sie haben in seinen Geschichten einen anderen Ursprung. Von Aule, ein Vala der
Schmiedekunst erschaffen, konnten sie sich nur nach seinem Willen bewegen, Illuvatar
erweckte sie zum Leben und sie schliefen, bis Elben und Menschen erwachten.
Der älteste der Zwerge war Durin I. aus Moria. Die meisten uns bekannten
Zwerge stammten aus seiner Familie. Sie waren nicht ganz so empfindlich gegen
die Macht der Ringe, untersetzt und kraftvoll gebaut. Ihre auffallendsten Eigenschaften
waren Sturheit, Verschlossenheit und sie waren geschickte Edelstein- und Metallschmiede.
Mit Elben und Menschen wollten sie nicht viel zu tun haben aber sie halfen z.B.
beim Bau von Menegroth, wo der Streit um das Nauglamir sie jedoch wieder entzweite.
Die bekannteste Zwergenart aber kann allerorten in freier Laufbahn beobachtet
werden.
Aber wer macht sich schon Gedanken um diese kleinen Kerle, die höchstens
als Gartenzwerge, stellvertretend für das Kleinbürgertum und -denken,
im Freien herumstehen und die Gemüter ihrer Liebhaber und Gegner gleichermaßen
erhitzen?
Autoren: Inge Schemm & Petra Krippner
|